1. Ein taugliches Nacherfüllungsverlangen darf sich nicht auf eine eine mündliche oder schriftliche Aufforderung zur Nacherfüllung beschränken, sondern muss die Bereitschaft des Käufers umfassen, dem Verkäufer die Kaufsache (hier: einen Gebrauchtwagen) am Erfüllungsort der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen, damit der Verkäufer insbesondere prüfen kann, ob der behauptete Mangel besteht und ob er gegebenenfalls bereits bei Gefahrübergang vorgelegen hat. Der Verkäufer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, sich auf ein Nacherfüllungsverlangen des Käufers einzulassen, bevor dieser ihm Gelegenheit zu einer entsprechenden Untersuchung der Kaufsache gegeben hat.
  2. Für die Bestimmung des Erfüllungsorts der Nacherfüllung gilt im Kaufrecht mangels einer speziellen Regelung die allgemeine Vorschrift des § 269 I, II BGB. Danach ist der Erfüllungsort der Nacherfüllung bei einem Autokauf, wenn die Parteien nichts Abweichendes vereinbart haben und das angeblich mangelhafte Fahrzeug ohne Schwierigkeiten transportiert werden kann, regelmäßig am Betriebssitz des Händlers anzusiedeln, weil dieser dort auf seine materiellen und personellen Ressourcen zurückgreifen und sie sinnvoll nutzen kann.

LG Berlin, Urteil vom 08.03.2018 – 10 O 248/15

Sachverhalt: Der in B. wohnhafte Kläger erwarb als Verbraucher von dem beklagten Kfz-Händler, der seinen Sitz in S. hat, am 22.11.2014 einen Gebrauchtwagen (Erstzulassung: 21.09.2012) zum Preis von insgesamt 35.400 €.

Dieses Fahrzeug brachte der Kläger am 05.01.2015 in eine Vertragswerkstatt. Anschließend – mit Schreiben vom 16.01.2015 – verlangte er von dem Beklagten unter Bezugnahme auf einen Kostenvoranschlag vom 05.01.2015, (behauptete) Mängel des Pkw bis zum 23.01.2015 zu beseitigen. In seinem Schreiben stellte sich der Kläger auf den Standpunkt, dass die Nachbesserung in B. – also am Wohnort des Klägers – zu erfolgen habe, weil sich das Fahrzeug dort vertragsgemäß befinde. Darüber hinaus teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er wegen einer nicht vom Fahrzeughersteller freigegebenen elektronischen Leistungssteigerung des Pkw eine Minderung des Kaufpreises um 5.000 € für angemessen halte, und forderte ihn – erfolglos – zur Erstattung dieses Betrags auf.

Mit Schreiben vom 06.02.2015 erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten die Minderung des Kaufpreises um insgesamt 6.000 € und setzte dem Beklagten (erfolglos) eine Frist zur Zahlung dieses Betrags bis zum 20.02.2015.

Der Kläger behauptet, sein Fahrzeug habe bereits bei der Übergabe Mängel aufgewiesen. Er ist der Ansicht, er habe unter dem 16.01.2015 ein taugliches Nachbesserungsverlangen an den Beklagten gerichtet und anschließend den Kaufpreis wirksam um 6.000 € gemindert.

Die auf Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Die … Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten kein Anspruch auf Zahlung eines Betrags in Höhe von 6.000 € gemäß § 437 Nr. 2 Fall 2, §§ 441 I, IV, 346 I BGB zu.

Soweit der Kläger behauptet, dass bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug zum Zeitpunkt der Übergabe Mängel am NOX-Sensor, dem Druckschalter für die Klimaanlage, dem Steuergerät für die Abgaskontrolle sowie den eingebauten Sitzen vorgelegen hätten, scheitert ein Minderungsanspruch bereits an dem Umstand, dass kein wirksames Nacherfüllungsverlangen gemäß § 439 I BGB mit dem Schreiben vom 16.01.2015 verbunden war. Denn der Kläger hat mit diesem Schreiben dem Beklagten nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben.

Das Nachbesserungsverlangen stellt eine Obliegenheit dar. Diese beschränkt sich nicht nur auf die mündliche oder schriftliche Aufforderung der Nachbesserung gegenüber dem Verkäufer, sondern umfasst auch die Bereitschaft des Käufers, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen für eine entsprechende Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Der Verkäufer ist nicht verpflichtet, sich auf ein Nacherfüllungsverlangen des Käufers einzulassen, wenn dieser ihm nicht Gelegenheit zu einer solchen Untersuchung der Kaufsache gegeben hat. Erst aufgrund einer solchen Untersuchung kann er beurteilen, ob die gerügten Mängel bestehen und bei Gefahrübergang vorgelegen haben. Daher ist er nur unter dieser Voraussetzung überhaupt zur Nacherfüllung verpflichtet (BGH, Urt. v. 10.03.2010 – VIII ZR 310/08 Rn. 12 f.; Urt. v. 01.07.2015 – VIII ZR 226/14 Rn. 30).

Die Nachbesserung hat dabei am Erfüllungsort zu erfolgen. Die Vorschriften zum Kaufrecht, insbesondere § 439 BGB enthalten keine speziellen Regelungen zum Erfüllungsort, sodass die allgemeine Regelung des § 269 BGB Anwendung findet. Danach ist als Erfüllungsort speziell für den Bereich des Autokaufs wegen der dabei voraussichtlich erforderlichen Diagnose- und Instandsetzungsmaßnahmen regelmäßig der Betriebssitz des Händlers anzusehen. Der Verkäufer kann an seinem Betriebssitz auf seine dort vorhandenen materiellen und personellen Ressourcen zurückgreifen und diese sinnvoll nutzen (umfassend zum Erfüllungsort der Nacherfüllung: BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10 Rn. 15 ff). Einschränkungen hinsichtlich der Gleichsetzung des Erfüllungsorts der Nacherfüllung mit dem Sitz des Verkäufers sind dann anzunehmen, wenn ein Rücktransport dem Käufer nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist (BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10 Rn. 34).

Dass dem Kläger die Möglichkeit, das Fahrzeug nach S. zu transportieren, nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen möglich gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Entfernung von S. nach B. nicht als so weit anzusehen, dass dem Kläger der Transport nach S. nicht zumutbar war.

Dem Schreiben des Klägers vom 16.01.2015 ist dabei nicht zu entnehmen, dass er bereit war, das Fahrzeug am Betriebssitz des Beklagten nachzubessern. Vielmehr wies der Kläger den Beklagten in diesem Schreiben darauf hin, dass das Fahrzeug am Wohnort des Klägers nachzubessern sei, da dieses sich dort vertragsgemäß befinde. Vom maßgeblichen Empfängerhorizont des Beklagten aus gesehen, konnte diese Erklärung nicht dahin gehend verstanden werden, dass der Kläger bereit war, die Nacherfüllung am Betriebssitz des Beklagten zu ermöglichen.

Die Fristsetzung zur Nachbesserung war auch nicht gemäß § 440 Satz 1 Fall 1 BGB oder § 323 II Nr. 1 BGB entbehrlich, da der Verkäufer die Nachbesserung nicht endgültig verweigert hat. Allein ein Bestreiten eines Mangels oder ein Schweigen des Verkäufers führt für sich genommen noch nicht zu der Annahme, dass der Verkäufer seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen will. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verkäufer sich zu keinem Zeitpunkt von der Mangelhaftigkeit des Fahrzeuges selbst überzeugen konnte, weil der Käufer keine Bereitschaft zeigt, das Fahrzeug dem Verkäufer zu Untersuchungen an dessen Sitz zu verbringen.

Demgegenüber steht einem Anspruch auf Minderung hinsichtlich der behaupteten elektronischen Leistungssteigerung vor Übergabe des Fahrzeugs nicht entgegen, dass kein wirksames Nacherfüllungsverlangen mit dem Schreiben vom 16.01.2015 verbunden war. Denn insoweit ist davon auszugehen, dass – sollte dieser Mangel tatsächlich bestehen – kein behebbarer Mangel vorliegt, da das Betreiben des Motors mit einer Leistungssteigerung dem Motor anhaftet und nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Im Fall eines nicht behebbaren Mangels wäre ein Nacherfüllungsverlangen aber überflüssig.

Ein Anspruch auf Minderung hinsichtlich der behaupteten elektronischen Leistungssteigerung vor Übergabe des Fahrzeugs scheitert aber daran, dass der Kläger einen diesbezüglichen Mangel nicht nachgewiesen hat. Nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 19.04.2017 konnte keine unzulässige Leistungssteigerung festgestellt werden.

Soweit der Kläger sich auf Diagnoseprotokolle der A-AG beruft, aus welchen sich eine elektronische Leistungssteigerung vor Übergabe des Fahrzeugs ergeben soll, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Das Gericht hatte diesbezüglich der A-AG für den Fall, dass diese über ein Diagnoseprotokoll verfüge, in welchem aufgeführt sei, dass das streitgegenständliche Fahrzeug vor dem 22.11.2014 mit einer elektronischen Leistungssteigerung betrieben worden sei, aufgegeben, ein entsprechendes Diagnoseprotokoll bei Gericht einzureichen. Hierauf gab die A-AG mit Schreiben vom 16.10.2017 eine Stellungnahme ab. Aus dieser Stellungnahme sind keine ausreichenden Hinweise darauf ersichtlich, dass vor der Übergabe des Fahrzeugs eine Leistungssteigerung an diesem vorgenommen wurde. Dies folgt aus dem Umstand, dass sich aus diesem Schreiben lediglich ergibt, dass einer Übermittlung von Diagnosedaten an die A-AG vom 04.07.2013 zu entnehmen sein soll, dass eine herstellerseitig unbekannte Änderung der Motorsoftware vorgenommen worden sein soll, ohne dass weitere detailliertere Informationen zu den konkret geänderten Parametern und den damit verbundenen Auswirkungen vorliegen sollen. Dies führt dazu, dass keine abweichende Bewertung von dem Sachverständigengutachten anzunehmen ist. Auch ist insofern kein ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen unter Berücksichtigung dieser Stellungnahme der A-AG vorzunehmen, da der Sachverständigen in seinem Gutachten bereits ausgeführt hat, dass ohne geeignete Anknüpfungstatsachen aus Veränderungen an dem Motorsteuergerät keine Hinweise auf eine Leistungssteigerung möglich sind, zumal jeder Eingriff auf Parameter von außen, auch beispielsweise Schadstoff- oder komfortrelevante Programmierungen, einen Eintrag bezüglich einer Veränderung an dem Motorsteuergerät erzeugt, sodass ein Eintrag bezüglich einer Änderung an dem Motorsteuergerät nicht zwingend auf eine Leistungssteigerung hinweist.

Hinsichtlich der weiteren Angabe der A-AG in ihrem Schreiben vom 16.10.2017, dass am 02.01.2015 Diagnosedaten übermittelt worden sein sollen, wonach an dem Motorsteuergerät eine technische Änderung vorgenommen worden sein soll, gilt zum einen entsprechendes. Denn nach der Angabe der A-AG liegen auch hier keine weiteren Angaben zum Zweck oder den Auswirkungen der technischen Änderung vor. Zum anderen stellen die diesbezüglichen Diagnosedaten keinen Hinweis auf eine Leistungssteigerung vor Übergabe des Fahrzeugs dar, da das Fahrzeug vor dem 02.01.2015 nach den von dem Kläger nicht bestrittenen Angaben des Beklagten bereits an den Kläger übergeben worden war. Unter Berücksichtigung der Angaben der A-AG und der Bewertung des Sachverständigen für den Fall, dass keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen bezüglich der Art der Änderung des Motorsteuergerätes vorliegen, war davon auszugehen, dass auch eine Stellungnahme des Sachverständigen zu den Diagnoseprotokollen der A-AG keinen weiteren Erkenntnisgewinn bringt. Vor diesem Hintergrund wurde von einer Durchführung der Vorlage der Diagnoseprotokolle durch die A-AG abgesehen.

Mangels Hauptforderung scheidet auch ein Zinsanspruch aus Verzug aus. …

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