In­dem die Volks­wa­gen AG ei­ne Viel­zahl von Fahr­zeu­gen heim­lich so ma­ni­pu­liert hat, dass mög­lichst we­nig Stick­oxi­de ent­ste­hen, wenn die Fahr­zeu­ge ei­nen Emis­si­ons­test ab­sol­vie­ren, wäh­rend die Stick­oxid-Emis­si­on im nor­ma­len Fahr­be­trieb deut­lich hö­her ist, hat sie zwar mög­li­cher­wei­se ge­gen Art. 5 II i. V. mit Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung 715/2007/EG ver­sto­ßen. Das Ver­hal­ten der Volks­wa­gen AG ist aber nicht i. S. des § 826 BGB sit­ten­wid­rig, so­dass sie dem Käu­fer ei­nes vom Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs schon des­halb nicht nach die­ser Vor­schrift Scha­dens­er­satz leis­ten muss.

LG Ell­wan­gen, Ur­teil vom 10.06.2016 – 5 O 385/15

Sach­ver­halt: Die Par­tei­en strei­ten um de­lik­ti­sche Scha­dens­er­satz­an­sprü­che im Zu­sam­men­hang mit dem Er­werb ei­nes Pkw.

Die Klä­ge­rin er­warb am 18.03.2014 bei der A-GmbH & Co. KG, ei­ner Ver­trags­händ­le­rin der be­klag­ten Volks­wa­gen AG, für 12.600 € ei­nen VW Po­lo mit ei­ner Lauf­leis­tung von 45.909 km. Das Fahr­zeug wur­de der Klä­ge­rin am sel­ben Tag ge­gen Zah­lung des Kauf­prei­ses über­ge­ben und über­eig­net. Seit­her hat sie mit dem VW Po­lo, den sie un­ver­än­dert im Stra­ßen­ver­kehr nutzt, ins­ge­samt 30.000 km zu­rück­ge­legt.

Das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ist mit ei­ner Soft­ware aus­ge­stat­tet, die den Stick­oxid-Aus­stoß re­du­ziert, so­bald sich das Fahr­zeug auf ei­nem Prüf­stand be­fin­det. Es ist des­halb von ei­nem Rück­ruf be­trof­fen, den das Kraft­fahrt-Bun­des­amt für sämt­li­che Die­sel­fahr­zeu­ge, in de­nen sich – wie im Fahr­zeug der Klä­ge­rin – ein Mo­tor aus der Rei­he VW EA189 be­fin­det, an­ge­ord­net hat. Sämt­li­che für den Fahr­be­trieb er­for­der­li­che Ge­neh­mi­gun­gen, ins­be­son­de­re die EG-Ty­pen­ge­neh­mi­gung für die Emis­si­ons­klas­se „Eu­ro 5“, be­ste­hen der­zeit un­ver­än­dert fort.

Die Klä­ge­rin meint, die Soft­ware, die in ei­ner Test­si­tua­ti­on den Schad­stoff­aus­stoß ih­res Fahr­zeugs op­ti­miert, sei ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. von Art. 3 Nr. 10 i. V. mit Art. 5 II der Ver­ord­nung 715/2007/EG. Den schwer­wie­gen­den Ein­griff in die Mo­tor­steue­rung ha­be die Be­klag­te der Klä­ge­rin und auch der A-GmbH & Co. KG ver­schwie­gen und da­mit bei­de über für den Ab­schluss des Pkw-Kauf­ver­trags we­sent­li­che Um­stän­de arg­lis­tig ge­täuscht.

Nach Auf­fas­sung der Klä­ge­rin haf­tet ihr die Be­klag­te des­halb nach § 826 BGB auf Scha­dens­er­satz, wo­bei die Klä­ge­rin ih­ren Scha­den un­ter Be­rück­sich­ti­gung ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung mit 11.602,62 € be­zif­fert. Denn die Be­klag­te ha­be ge­gen die gu­ten Sit­ten ver­sto­ßen, in­dem sie mil­lio­nen­fach ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung ein­ge­setzt und dies ver­heim­licht ha­be, um den Fahr­zeug­ab­satz zu för­dern. Da­mit ha­be die Be­klag­te ei­ne Ge­winn­ma­xi­mie­rung über den Schutz der Ge­sund­heit ge­stellt. Dass dies oh­ne je­de Fra­ge ge­gen das An­stands­ge­fühl al­ler bil­lig und ge­recht Den­ken­den ver­sto­ße, zei­ge die welt­wei­te Em­pö­rung („Ab­gas­skan­dal“).

Hät­te sie – so be­haup­tet die Klä­ge­rin – vom Ein­bau der il­le­ga­len Ab­schalt­ein­rich­tung, die un­strei­tig da­zu füh­ren kann, dass ih­rem Fahr­zeug die Zu­las­sung ent­zo­gen oder die­se be­schränkt wird, ge­wusst, hät­te sie den VW Po­lo nicht er­wor­ben. Ihr Scha­den be­ste­he de­menst­spre­chend dar­in, dass sie das Fahr­zeug ge­kauft ha­be. Dies gel­te um­so mehr, als ih­rem Fahr­zeug ein Man­gel an­haf­te, der sich nicht be­sei­ti­gen las­se, oh­ne die we­sent­li­chen Fahr­zeug­ei­gen­schaf­ten nach­tei­lig zu ver­än­dern. Ins­be­son­de­re kön­ne nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, dass sich die Leis­tung, der Ver­brauch und die Schad­stoff­klas­se ih­res Fahr­zeugs durch die Nach­bes­se­rungs­ar­bei­ten, die die Be­klag­te im Rah­men des vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt an­ge­ord­ne­ten Rück­rufs durch­füh­ren wür­de, ver­schlech­ter­ten.

Die Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Die Klä­ge­rin steht der gel­tend ge­mach­te Zah­lungs­an­spruch … ge­mäß §§ 826, 249 I BGB nicht zu, da das – un­ter­stell­te – Vor­lie­gen ei­ner un­er­laub­ten Ab­schalt­ein­rich­tung und de­ren Ver­schwei­gen ge­gen­über den Käu­fern wie der Klä­ge­rin kein sit­ten­wid­ri­ges Ver­hal­ten dar­stellt (da­zu un­ter 1). Ei­ne Haf­tung der Be­klag­ten er­gibt sich auch nicht aus § 831 I BGB (da­zu un­ter 3).

1. Das Ver­hal­ten der Be­klag­ten­sei­te ist nicht als sit­ten­wid­rig ein­zu­stu­fen. Ein – un­ter­stell­ter, bei zu­tref­fen­der Kennt­nis und Be­ur­tei­lung der Sach­la­ge al­ler­dings nicht ernst­haft be­streit­ba­rer – Ver­stoß ge­gen Art. 3 Nr. 10, 5 II der Ver­ord­nung 715/2007/EG, wo­nach un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen die Ver­wen­dung von Ab­schalt­ein­rich­tun­gen, die die Wir­kun­gen von Emis­si­ons­kon­troll­sys­te­men ver­rin­gern, un­zu­läs­sig ist, kann in­so­fern oh­ne Er­geb­nis­re­le­vanz un­ter­stellt wer­den.

a) Ein Ver­hal­ten ist ob­jek­tiv sit­ten­wid­rig, wenn es nach In­halt und Ge­samt­cha­rak­ter, wel­cher durch ei­ne zu­sam­men­fas­sen­de Wür­di­gung von In­halt, Be­weg­grund und Zweck zu er­mit­teln ist, ge­gen das An­stands­ge­fühl al­ler bil­lig und ge­recht Den­ken­den ver­stößt, mit­hin mit den grund­le­gen­den Wer­tun­gen der Rechts- und Sit­ten­ord­nung nicht ver­ein­bar ist (statt vie­ler: BGH, Urt. v. 20.11.2012 – VI ZR 268/11, NJW-RR 2013, 550 Rn. 25). Nicht aus­rei­chend ist hin­ge­gen, dass das Ver­hal­ten ge­set­zes- oder ver­trags­wid­rig ist, un­bil­lig er­scheint oder ei­nen Scha­den her­vor­ruft. Viel­mehr muss ei­ne nach dem Maß­stab der all­ge­mei­nen Ge­sell­schafts­mo­ral und des als „an­stän­dig“ Gel­ten­den be­son­de­re Ver­werf­lich­keit des Ver­hal­tens, die sich aus dem ver­folg­ten Zweck, den ein­ge­setz­ten Mit­teln, der zu­ta­ge tre­ten­den Ge­sin­nung oder den ein­ge­tre­te­nen Fol­gen er­ge­ben kann, ge­ge­ben sein (vgl. nur BGH, Urt. v. 13.12.2011 − XI ZR 51/10, NJW 2012, 1800 Rn. 28)

Nach all­ge­mei­ner Auf­fas­sung in Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur führt ein Ge­set­zes­ver­stoß nicht zwin­gend zum Vor­lie­gen der Sit­ten­wid­rig­keit, viel­mehr muss die re­le­van­te Norm Aus­druck ei­ner sitt­li­chen Wer­tung und nicht wert­neu­tral sein (vgl. da­zu Be­ckOK-BGB/Spind­ler, 37. Edi­ti­on, § 826 Rn. 4 m. w. Nachw.). Re­le­van­ter Maß­stab ist die im Zeit­punkt der Vor­nah­me der Hand­lung, vor­lie­gend dem Ein­bau der – nach Klä­ger­auf­fas­sung un­zu­läs­si­gen – Ab­schalt­ein­rich­tung, herr­schen­de So­zi­al­mo­ral für den je­wei­li­gen Le­bens­kreis (grund­le­gend BGH, Urt. v. 08.01.1975 – VI­II ZR 126/73, NJW 1975, 638 [639]).

b) Ge­mes­sen an den vor­ge­nann­ten Maß­stä­ben stel­len der Ein­bau und das Ver­schwei­gen der – un­ter­stellt – un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung kein sit­ten­wid­ri­ges Ver­hal­ten der Be­klag­ten dar (da­zu un­ter aa), wel­ches auch nicht vom Schutz­zweck der ver­letz­ten Norm um­fasst wä­re (da­zu un­ter bb). Zu­dem wür­de mit der An­nah­me der Haf­tung ge­mäß § 826 BGB die ver­trag­li­che Ri­si­ko­zu­wei­sung un­ter­lau­fen wer­den (da­zu un­ter cc).

aa) Dass es mit der Ent­wick­lung und dem Ein­bau der be­tref­fen­den Ab­schalt­ein­rich­tung auf Be­klag­ten­sei­te – un­ge­ach­tet des Feh­lens sub­stan­zi­ier­ten Par­tei­vor­trags hier­zu (z. B. zwi­schen wel­chen Per­so­nen auf Be­klag­ten­sei­te ei­ne der­ar­ti­ge Ab­spra­che ge­trof­fen wor­den und wel­che Mo­ti­va­ti­on hier­bei im Ein­zel­nen maß­geb­lich ge­we­sen sein soll), des­sen es trotz der klä­ger­seits an­ge­nom­me­nen Of­fen­sicht­lich­keit der Sit­ten­wid­rig­keit be­darf – pri­mär um Kos­ten­er­spar­nis re­spek­ti­ve Ge­winn­ma­xi­mie­rung ge­gan­gen ist, kann als ge­ge­ben un­ter­stellt wer­den.

Dies stellt in ei­nem markt­wirt­schaft­li­chen Sys­tem kein grund­sätz­lich zu be­an­stan­den­des Ver­hal­ten dar, zu­mal klä­ger­seits nicht dar­ge­legt wird, wes­sen Vor­teil die­se Ge­winn­ma­xi­mie­rung die­nen soll­te (z. B. Vor­stand, kon­kre­te, ggf. an der Ent­wick­lung der ent­spre­chen­den Soft­ware be­tei­lig­te Mit­ar­bei­ter, Ak­tio­nä­re). Das für die­sen – un­ter­stell­ten und nicht fern­lie­gen­den – Fall ein­ge­setz­te Mit­tel wä­re zwar recht­lich zu be­an­stan­den, da ein Ver­stoß ge­gen Art. 3 Nr. 10, 5 II der Ver­ord­nung 715/2007/EG vor­lie­gen wür­de. Al­ler­dings sind die­se Vor­schrif­ten kein Aus­druck ei­ner sitt­li­chen Ge­sin­nung, son­dern stel­len sich viel­mehr – wie ins­be­son­de­re aus der Prä­am­bel Zif­fern (4) bis (7) er­sicht­lich wird – als Re­ge­lun­gen zum Schutz der Um­welt dar (vgl. da­zu OLG Ko­blenz, Beschl. v. 21.10.2013 – 5  U 507/13, ju­ris Rn. 44). Da­ne­ben soll die Ver­ord­nung 715/2007/EG – wie na­he­zu al­le wirt­schafts­be­zo­ge­nen eu­ro­päi­schen Re­ge­lun­gen – der Har­mo­ni­sie­rung der na­tio­na­len Re­ge­lun­gen und da­mit der Stär­kung des Bin­nen­mark­tes die­nen (vgl. ins­be­son­de­re Prä­am­bel Zif­fer (1)). Mit den vor­ge­nann­ten Vor­schrif­ten soll so­mit zu­vör­derst ei­ne Re­du­zie­rung der Schad­stoff­emis­sio­nen von Kraft­fahr­zeu­gen zur Mi­ni­mie­rung der Um­welt­be­las­tung er­zielt wer­den. Da­mit ist kei­ne sitt­li­che Wer­tung ver­bun­den.

Schließ­lich ist die ein­ge­tre­te­ne Fol­ge aus­ge­spro­chen ge­ring­fü­gig, da die – un­ter­stellt – un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung le­dig­lich un­ter La­bor­be­din­gun­gen zum Ein­satz kommt, wäh­rend ei­ne Aus­wir­kung im – vor­lie­gend pri­mär re­le­van­ten – tat­säch­li­chen Fahr­be­trieb nicht ge­ge­ben ist. So­mit wirkt sich die vor­han­de­ne Ab­schalt­ein­rich­tung nicht zum Nach­teil der Fahr­zeug­käu­fer wie der Klä­ge­rin aus, da die­se wäh­rend der Be­nut­zung des Fahr­zeugs im All­tag nicht ak­ti­viert wird. Da­mit sind ins­be­son­de­re auch kei­ne nen­nens­wert nach­tei­li­gen Wir­kun­gen für die Um­welt ver­bun­den, da die vor­ge­nann­ten – un­ter­stellt – ver­letz­ten Vor­schrif­ten der Ver­ord­nung 715/2007/EG al­lein für die Fahr­zeug­be­schaf­fen­heit auf dem Prüf­stand gel­ten und nicht für den rea­len Fahr­be­trieb. Die Fol­gen der – un­ter­stellt – ver­letz­ten Vor­schrif­ten be­tref­fen da­her al­lein den Schad­stoff­aus­stoß für die Mess­fahr­ten un­ter La­bor­be­din­gun­gen, wäh­rend die­se Vor­schrif­ten kei­ne Wir­kun­gen für den Schad­stoff­aus­stoß im rea­len Fahr­be­trieb zei­ti­gen. Der Um­fang des Schad­stoff­aus­sto­ßes für der­ar­ti­ge Mess­fahr­ten ist im Ver­gleich zum ge­setz­lich und ver­ord­nungs­recht­lich nicht ge­re­gel­ten Schad­stoff­aus­stoß im Re­al­be­trieb ver­schwin­dend ge­ring.

Ein an­de­res Er­geb­nis lie­ße sich ge­ge­be­nen­falls er­zie­len, wenn – wie et­wa von Um­welt­ver­bän­den und In­ter­es­sen­ver­tre­tern der Fahr­zeug­nut­zer seit vie­len Jah­ren ge­for­dert – der Schad­stoff­aus­stoß un­ter rea­len – wenn­gleich stan­dar­di­sier­ten – Fahr­be­din­gun­gen und nicht un­ter La­bor­be­din­gun­gen zum Ge­gen­stand des Ty­pen­zu­las­sungs­ver­fah­rens ge­macht wer­den wür­de. Dass dies bis­lang nicht der Fall ist, kann bei ei­ner Be­wer­tung des in Re­de ste­hen­den Ver­hal­tens als sit­ten­wid­rig nicht der Be­klag­ten zum Nach­teil ge­rei­chen.

Da­her er­gibt die vor­zu­neh­men­de Ge­samt­be­ur­tei­lung von Zweck, Mit­tel und Fol­gen kei­ne Sit­ten­wid­rig­keit des Ver­hal­tens der Be­klag­ten. Et­was an­de­res gilt nicht des­halb, weil ei­ne gro­ße An­zahl von Fahr­zeu­gen be­trof­fen ist, da auf­grund der all­ge­mein be­kann­ten um­fang­rei­chen Pro­duk­ti­ons­zah­len der Be­klag­ten na­tur­ge­mäß in ei­nem kur­zen Zeit­raum ei­ne Viel­zahl von Fahr­zeu­gen fer­tig­ge­stellt wird, so­dass sich die – un­ter­stellt – un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung zwangs­läu­fig in vie­len Fahr­zeu­gen be­fin­det. Die rei­ne Quan­ti­tät ei­nes ob­jek­ti­ven Ver­sto­ßes be­ein­flusst je­doch nach den un­ter a ge­nann­ten Be­ur­tei­lungs­kri­te­ri­en die Qua­li­tät ei­nes Ver­hal­tens im Hin­blick auf die Ein­stu­fung als sit­ten­wid­rig nicht.

Das aus­weis­lich der ers­ten Sei­te im Auf­trag der Ver­brau­cher­zen­tra­le Bun­des­ver­band e. V. er­stell­te Rechts­gut­ach­ten des Prof. Dr. Re­mo Klin­ger än­dert am vor­ge­nann­ten Er­geb­nis nichts, zu­mal der Tatrich­ter die Be­ur­tei­lung ei­nes Ver­hal­tens als sit­ten­wid­rig in ei­ge­ner Kom­pe­tenz vor­zu­neh­men hat, oh­ne dass er hier­zu sach­ver­stän­di­ger Be­ra­tung be­darf.

Un­ge­ach­tet des­sen, dass – nach den In­for­ma­tio­nen aus all­ge­mein zu­gäng­li­chen Quel­len – Prof. Dr. Klin­ger als Mit­her­aus­ge­ber der Zeit­schrift für Um­welt­recht und Mit­glied der Ge­setz­ge­bungs­aus­schüs­se für Um­welt­recht der Be­klag­ten als po­ten­zi­ell schad­stoff­ver­ur­sa­chen­der Au­to­mo­bil­her­stel­le­rin mög­li­cher­wei­se nicht voll­kom­men ob­jek­tiv ge­gen­über­steht, sind die in sei­nem Gut­ach­ten zur vor­lie­gend re­le­van­ten Fra­ge der Sit­ten­wid­rig­keit des Ver­hal­tens der Be­klag­ten ent­hal­te­nen Aus­füh­run­gen (ins­be­son­de­re S. 35) – auf die sich die Klä­ger­sei­te zur Be­grün­dung ih­res Kla­ge­an­tra­ges maß­geb­lich stützt – von we­nig aus­sa­ge­kräf­ti­gem Ge­halt mit zahl­rei­chen Leer­for­meln und Be­haup­tun­gen. Die rei­ne An­zahl der be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge eig­net sich – wie aus­ge­führt – nicht zur Be­ur­tei­lung der Sit­ten­wid­rig­keit. So­weit in die­sem Zu­sam­men­hang fest­stel­lend be­haup­tet wird, dass die Gren­ze zu ei­nem die Schwel­le der Sit­ten­wid­rig­keit nicht er­rei­chen­den ein­fa­chen Fehl­ver­hal­ten weit über­schrit­ten sei, sind die Aus­füh­run­gen man­gels nä­he­rer Kon­kre­ti­sie­rung zur Be­ja­hung der Sit­ten­wid­rig­keit un­ge­eig­net. Ins­be­son­de­re wird vom Rechts­gut­ach­ter über­haupt nicht dar­ge­legt, was un­ter ei­nem ein­fa­chen Fehl­ver­hal­ten zu ver­ste­hen ist und wes­halb die Schwel­le hier­zu im vor­lie­gen­den Fall „weit über­schrit­ten“ sein soll. Da­bei wird auch nicht nä­her dar­ge­legt, an wel­chen Maß­stä­ben sich die­se Be­ur­tei­lung ori­en­tiert. Schließ­lich wird im vor­ge­nann­ten Gut­ach­ten aus­ge­führt, dass ei­ne be­son­de­re Ver­werf­lich­keit vor­lie­gen wür­de, weil das Ge­winn­stre­ben über den Schutz der Ge­sund­heit ge­stellt wor­den sei. Wor­auf die­se An­nah­me grün­det, wird nicht an­satz­wei­se er­läu­tert. Dies er­scheint auch schwer­lich mög­lich, da das (prio­ri­täts­ori­en­tier­te) Stel­len ei­ner Sa­che über ei­ne an­de­re pri­mär das Er­geb­nis ei­ner sub­jek­ti­ven Be­wer­tung des je­wei­li­gen Ent­schei­dungs­trä­gers ist. Dass in­so­fern von der – sich noch in der wei­te­ren Auf­klä­rungs­pha­se be­find­li­chen – Be­klag­ten­sei­te ent­spre­chen­de Äu­ße­run­gen ge­tä­tigt wor­den sind, ist we­der dem Par­tei­vor­trag zu ent­neh­men noch dem Ge­richt an­der­wei­tig be­kannt. Zu­dem führt das ob­jek­tiv – wohl – ge­ge­be­ne Ge­winn­stre­ben auf Be­klag­ten­sei­te nicht oh­ne Wei­te­res da­zu, dass der Schutz der Ge­sund­heit die­sem ge­gen­über hin­ten an­ge­stellt wer­den wür­de. Dies ist viel­mehr ei­ne rei­ne Ver­mu­tung des Rechts­sach­ver­stän­di­gen.

Le­dig­lich der Voll­stän­dig­keit hal­ber und – auf­grund des in­so­fern vor­ge­nom­me­nen Un­ter­stel­lens der Rich­tig­keit des Klä­ger­vor­tra­ges – oh­ne Ent­schei­dungs­re­le­vanz ist fest­zu­stel­len, dass die Klä­ger­sei­te in die­sem Zu­sam­men­hang kei­nen Be­weis für das be­haup­te­te vor­sätz­li­che sit­ten­wid­ri­ge Ver­hal­ten der Be­klag­ten­sei­te an­ge­bo­ten hat, ob­gleich die Be­weis­füh­rung im als An­la­ge K 8 vor­ge­leg­ten Rechts­gut­ach­ten auf Sei­te 36 („durch Vor­la­ge be­weis­kräf­ti­ger Do­ku­men­te oder Be­nen­nung kon­kre­ter Zeu­gen“) als we­sent­li­che Schwie­rig­keit für die Klä­ger­sei­te in Rechts­strei­tig­kei­ten wie der vor­lie­gen­den dar­ge­stellt wor­den ist. Dies muss der Klä­ger­sei­te auch be­kannt ge­we­sen sein, da die seit­li­che An­mer­kung mit­tels Ku­gel­schrei­ber in der An­la­ge K 8 nicht vom Ge­richt stammt.

Schließ­lich füh­ren die auf Sei­te 1 des Schrift­sat­zes des Klä­ger­ver­tre­ters vom 21.04.2016 be­nann­ten Ge­richts­ent­schei­dun­gen nicht zu ei­nem ab­wei­chen­den Er­geb­nis.

Un­ge­ach­tet des­sen, dass das zi­tier­te Ur­teil des OLG Düs­sel­dorf vom 18.01.2002 – 3 U 11/01, ju­ris – die Fra­ge des Vor­lie­gens ei­nes An­spruchs ge­mäß § 826 BGB of­fen­lässt und die in den wei­te­ren Ent­schei­dun­gen in Re­de ste­hen­den Sach­ver­hal­te nicht mit dem vor­lie­gen­den Sach­ver­halt ver­gleich­bar sind, kön­nen die­se Ge­richts­ent­schei­dun­gen nicht über­zeu­gen, weil dort die An­nah­me der Sit­ten­wid­rig­keit der je­wei­li­gen Hand­lung stets oh­ne nä­he­re Be­grün­dung kon­sta­tiert wird, oh­ne auf die un­ter a im Ein­zel­nen dar­ge­stell­ten An­for­de­run­gen und Vor­aus­set­zun­gen nur an­satz­wei­se ein­zu­ge­hen. Viel­mehr scheint die­sen Ur­tei­len ei­ne ge­wis­se Ten­denz ent­nom­men wer­den zu kön­nen, dass jed­we­des vor­sätz­li­che bzw. arg­lis­ti­ge Ver­hal­ten zu­gleich sit­ten­wid­rig ist. Ei­ne der­ar­ti­ge – un­ter­stell­te – Sicht­wei­se wä­re mit dem Ge­set­zes­wort­laut un­ver­ein­bar.

Das mit Schrift­satz des Klä­ger­ver­tre­ters vom 30.05.2016 vor­ge­leg­te Ur­teil des LG Mün­chen I ist zur Be­ur­tei­lung der Sit­ten­wid­rig­keit des Ver­hal­tens der Be­klag­ten gleich­sam un­be­hel­flich, da hier­in le­dig­lich ein arg­lis­ti­ges Ver­hal­ten the­ma­ti­siert wird.

bb) Im Üb­ri­gen wä­re der – un­ter­stellt – bei der Klä­ge­rin ein­ge­tre­te­ne Scha­den nicht vom Schutz­zweck der – un­ter­stellt – ver­letz­ten Ver­ord­nung 715/2007/EG um­fasst. Dem­nach be­steht ei­ne Scha­dens­er­satz­pflicht nur, wenn der gel­tend ge­mach­te Scha­den nach Art und Ent­ste­hungs­wei­se un­ter den Schutz­zweck der ver­letz­ten Norm fällt, mit­hin muss es sich um Nach­tei­le han­deln, die aus dem Be­reich der Ge­fah­ren stam­men, zu de­ren Ab­wen­dung die ver­letz­te Norm er­las­sen wor­den ist (jüngst BGH, Urt. v. 07.07.2015 – VI ZR 372/14, ju­ris Rn. 26; ex­pli­zit für § 826 BGB: BGH, Urt. v. 11.11.1985 – 11 ZR 109/85, ju­ris).

Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind vor­lie­gend nicht er­füllt, da die ein­schlä­gi­ge Ver­ord­nung 715/2007/EG – wie un­ter aa aus­ge­führt – pri­mär dem Um­welt­schutz dient und die Klä­ge­rin aus­schließ­lich Nach­tei­le gel­tend macht, die mit dem ver­ord­nungs­recht­lich be­zweck­ten Schutz der Um­welt in kei­nem Zu­sam­men­hang ste­hen (u. a. dro­hen­der Ent­zug der Zu­las­sung; Wert­min­de­rung; schwie­ri­ge­re Ver­käuf­lich­keit).

cc) Schließ­lich wür­de die An­nah­me der Sit­ten­wid­rig­keit des Ver­hal­tens der Be­klag­ten da­zu füh­ren, dass die ver­trags­recht­li­chen Ri­si­ko­zu­wei­sun­gen un­ter­lau­fen wür­den (vgl. zu die­sem As­pekt MünchKomm-BGB/Wag­ner, 6. Aufl. [2013], § 826 Rn. 18 m. w. Nachw.).

Dass der Klä­ge­rin ge­gen­über der A-GmbH & Co. KG als ih­rer Kauf­ver­trags­part­ne­rin bei – un­ter­stell­ter – Man­gel­haf­tig­keit des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs grund­sätz­lich Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che ge­mäß § 437 BGB zu­ste­hen, de­nen bei Kla­ge­er­he­bung nicht er­folg­reich die Ein­re­de der Ver­jäh­rung ge­mäß § 438 I Nr. 3 BGB hät­te ent­ge­gen­ge­hal­ten wer­den kön­nen, ist als Aus­druck der ver­trag­li­chen Ri­si­ko­zu­wei­sung vor­ran­gig ge­gen­über dem nur hilfs­wei­sen de­lik­ti­schen Schutz des Ver­mö­gens ge­mäß § 826 BGB. Nach­dem das De­liktsrecht in­so­fern nur sub­si­di­är zur An­wen­dung ge­langt, wür­de mit der Be­ja­hung der Haf­tung ge­mäß § 826 BGB die ver­trag­li­che Ri­si­ko­zu­wei­sung kon­ter­ka­riert wer­den, da die A-GmbH & Co. KG bei tat­säch­lich vor­lie­gen­der Man­gel­haf­tig­keit des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs vor­aus­sicht­lich wie­der­um Re­gress bei der Be­klag­ten neh­men könn­te. Die­ses Drei­ecks­ver­hält­nis mit der Not­wen­dig­keit der Gel­tend­ma­chung der ge­gen­über dem je­wei­li­gen Ver­trags­part­ner be­ste­hen­den An­sprü­che wür­de durch die An­nah­me ei­ner Di­rekt­haf­tung der Be­klag­ten ge­gen­über der Klä­ge­rin voll­stän­dig au­ßer Kraft ge­setzt, oh­ne dass hier­für ein sach­li­cher Grund er­sicht­lich ist, zu­mal die Klä­ge­rin – wie aus­ge­führt – in kei­ner Wei­se recht­los ge­stellt wor­den ist.

2. Es kann ins­be­son­de­re da­hin­ste­hen , ob der Klä­ge­rin ein re­le­van­ter Scha­den ent­stan­den ist, ob­wohl die Ty­pen­ge­neh­mi­gung, die Be­triebs­er­laub­nis und die Schad­stoff­klas­sen­ein­stu­fung für das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug der­zeit un­ver­än­dert fort­be­ste­hen und die Klä­ge­rin die­ses wei­ter­hin oh­ne Ein­schrän­kun­gen im Stra­ßen­ver­kehr nutzt. Wei­ter­hin kann of­fen­blei­ben, ob das Ver­hal­ten der Be­klag­ten für den klä­ger­seits be­haup­te­ten Scha­den­s­ein­tritt kau­sal ge­we­sen ist und ob der Klä­ge­rin in die­sem Zu­sam­men­hang die Ver­mu­tung auf­klä­rungs­rich­ti­gen Ver­hal­tens zu­gu­te­kom­men wür­de. Schließ­lich kann da­hin­ste­hen, ob sich ein et­wai­ger Vor­satz der Be­klag­ten­sei­te auf den klä­ger­seits be­haup­te­ten Scha­den (ins­be­son­de­re dro­hen­der Ent­zug der Ty­pen­zu­las­sung nebst schwie­ri­ge­rer Ver­käuf­lich­keit und Wert­ver­lust) er­streckt hät­te, wo­zu klä­ger­seits kein Vor­trag ge­hal­ten wor­den ist.

3. Nach­dem – wie un­ter 1 aus­ge­führt – die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen des § 826 BGB nicht vor­lie­gen, be­darf es kei­ner nä­he­ren Prü­fung der Vor­aus­set­zun­gen des § 831 I BGB, nach­dem die­se Vor­schrift er­for­dert, dass der Ver­rich­tungs­ge­hil­fe den ob­jek­ti­ven Tat­be­stand der §§ 823 bis 826 oder 832 ff. BGB ver­wirk­licht hat.

4. Wei­te­re An­spruchs­grund­la­gen zu­guns­ten der Klä­ge­rin sind nicht er­sicht­lich, wo­bei man­gels ei­nes ver­trag­li­chen Ver­hält­nis­ses zwi­schen den Par­tei­en nur ge­setz­li­che An­sprü­che in Be­tracht zu zie­hen sind. Da­her ist die klä­ge­ri­sche Be­zug­nah­me auf die zu kauf­ver­trag­li­chen Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­chen – zu­meist ge­gen­über dem Händ­ler und nicht ge­gen­über der Be­klag­ten als Her­stel­le­rin – er­gan­ge­ne Recht­spre­chung für die Ent­schei­dung des vor­lie­gen­den Rechts­streits un­be­hel­flich, da zwi­schen den Par­tei­en ein an­de­rer Sach­ver­halt in Streit steht.

Der bei­der­seits um­fas­send ge­hal­te­ne Vor­trag zu in kei­ner Wei­se ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Er­wä­gun­gen (et­wa groß­zü­gi­ge Hand­ha­bung der Soft­ware­pro­ble­ma­tik durch die Be­klag­te in den USA, Ge­winn­erzie­lungs­ab­sicht der Klä­ge­rin mit Durch­füh­rung des Ver­fah­rens) be­darf – un­ge­ach­tet ei­ner an sich in­di­zier­ten Su­che nach ei­ner für bei­de Sei­ten ver­nünf­ti­gen Lö­sung – kei­ner wei­te­ren Stel­lung­nah­me.

5. Die … be­gehr­te Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs kann nicht ver­langt wer­den, da ei­ne Rück­nah­me­pflicht der Be­klag­ten für das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug – wie un­ter 1, 3 und 4 aus­ge­führt – nicht ge­ge­ben ist.

6. Die Klä­ge­rin kann die gel­tend ge­mach­te Zah­lung der Zin­sen und vor­ge­richt­li­cher Rechts­an­walts­kos­ten nicht ver­lan­gen, da – wie un­ter 1, 3 und 4 aus­ge­führt – ein An­spruch in der Haupt­sa­che nicht be­steht. Die Ver­fol­gung nicht be­ste­hen­der An­sprü­che stellt kei­ne zweck­ent­spre­chen­de Rechts­ver­fol­gung dar, für die die Be­klag­te ge­mäß § 249 I BGB ein­zu­ste­hen hät­te …

Hin­weis: Die Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 20.06.2007 über die Typ­ge­neh­mi­gung von Kraft­fahr­zeu­gen hin­sicht­lich der Emis­sio­nen von leich­ten Per­so­nen­kraft­wa­gen und Nutz­fahr­zeu­gen (Eu­ro 5 und Eu­ro 6) und über den Zu­gang zu Re­pa­ra­tur- und War­tungs­in­for­ma­tio­nen für Fahr­zeu­ge fin­den Sie hier.

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