Ein vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nes Fahr­zeug dürf­te zwar i. S. des § 434 I 2 BGB man­gel­haft sein. Der Zu­läs­sig­keit ei­ner Fest­stel­lungs­kla­ge, mit der der Käu­fer ei­nes sol­chen Fahr­zeugs die Ver­jäh­rung sei­ner Män­gel­rech­te hem­men will (vgl. § 204 I Nr. 1 BGB) kann je­doch ent­ge­gen­ste­hen, dass der Ver­käu­fer be­fris­tet auf die Er­he­bung der Ver­jäh­rungs­ein­re­de ver­zich­tet hat, wo­bei die Reich­wei­te ei­nes sol­chen Ver­jäh­rungs­ver­zichts durch Aus­le­gung der Ver­zichts­er­klä­rung zu er­mit­teln ist.

LG Flens­burg, Ur­teil vom 14.04.2016 – 7 O 97/15

Sach­ver­halt: Der Klä­ger be­stell­te bei der Be­klag­ten am 04.06.2013 ei­nen Au­di Q5 2.0 TDI quat­tro zum Preis von 55.000 €. Das Fahr­zeug wur­de ihm am 21.11.2013 über­ge­ben. Der Au­di Q5 ist vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fen, das heißt, es ist ei­ne Soft­ware in­stal­liert, die den Stick­oxid­aus­stoß (nur) op­ti­miert, wenn das Fahr­zeug auf ei­nem Prüf­stand ei­nem Emis­si­ons­test un­ter­zo­gen wird.

Mit Schrei­ben vom 04.11.2015 ver­zich­te­te die Be­klag­te bis zum 31.12.2016 dar­auf, be­züg­lich et­wai­ger Män­gel­rech­te des Klä­gers, die mit der ge­nann­ten Soft­ware im Zu­sam­men­hang ste­hen, die Ein­re­de der Ver­jäh­rung zu er­he­ben.

Der Klä­ger hält sein Fahr­zeug für man­gel­haft und be­haup­tet, dass des­sen Stick­oxid­emis­sio­nen im rea­len Stra­ßen­ver­kehr über den vor­ge­ge­be­nen Grenz­wer­ten lä­gen. Von dem Ver­jäh­rungs­ver­zicht der Be­klag­ten – so meint der Klä­ger – sei­en nicht al­le An­sprü­che, die ihm im Zu­sam­men­hang mit dem VW-Ab­gas­skan­dal zu­stün­den, er­fasst; au­ßer­dem müs­se er ei­nen nur be­fris­te­ten Ver­jäh­rungs­ver­zicht nicht hin­neh­men.

Mit der Kla­ge hat der Klä­ger über den Er­satz vor­ge­richt­lich ent­stan­de­ner Rechts­an­walt­kos­ten hin­aus die Fest­stel­lung be­gehrt, dass die Be­klag­te „im Rah­men ih­rer Ver­pflich­tung zur Ge­währ­leis­tung“ sämt­li­che Män­gel und de­ren Ur­sa­chen an sei­nem Fahr­zeug be­sei­ti­gen müs­se, die des­halb be­reits vor­han­den sind oder noch ent­ste­hen wer­den, weil ei­ne die Schad­stoff­emis­sio­nen ma­ni­pu­lie­ren­de Soft­ware zum Ein­satz kommt. Au­ßer­dem woll­te der Klä­ger fest­ge­stellt ha­ben, dass ihm die Be­klag­te den Scha­den er­set­zen muss, der ihm durch die in Re­de ste­hen­de Soft­ware be­reits ent­stan­den ist oder noch ent­ste­hen wird.

Die Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Die Kla­ge ist un­zu­läs­sig.

Da­bei kann da­hin­ste­hen, ob der Klä­ger … le­dig­lich die Fest­stel­lung ei­nes abs­trak­ten Rechts­ver­hält­nis­ses be­gehrt. Je­den­falls fehlt es der­zeit an ei­nem Fest­stel­lungs­in­ter­es­se zur Hem­mung et­wai­ger Sach­män­gel­haf­tungs­an­sprü­che des Klä­gers.

Da­bei geht die Kam­mer al­ler­dings da­von aus, dass dem Klä­ger sol­che An­sprü­che wohl grund­sätz­lich zu­ste­hen. Denn der un­strei­ti­ge Ein­bau ei­ner Soft­ware, die die Stick­oxid­wer­te auf dem Prüf­stand ma­ni­pu­liert, dürf­te ei­ne Ab­wei­chung der vom Käu­fer vor­aus­ge­setz­ten Be­schaf­fen­heit sein und so­mit ei­nen Man­gel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB dar­stel­len (vgl. hier­zu auch LG Bo­chum, Urt. v. 16.03.2016 – I-2 O 425/15).

Der Klä­ger möch­te mit der Kla­ge die Hem­mung des Laufs der zwei­jäh­ri­gen Ver­jäh­rungs­frist er­rei­chen. Dies be­grün­det im vor­lie­gen­den Fall je­doch kein Fest­stel­lungs­in­ter­es­se i. S. des § 256 I ZPO. Denn dem steht die Ver­zichts­er­klä­rung der Be­klag­ten ent­ge­gen.

Die Be­klag­te hat nach Auf­fas­sung der Kam­mer mit Schrei­ben vom 04.11 .2015 so um­fas­send auf die Ein­re­de der Ver­jäh­rung ver­zich­tet, dass die An­sprü­che des Klä­gers je­den­falls der­zeit bis zum 31.12.2016 durch­setz­bar sind. In dem Schrei­ben der Be­klag­ten heißt es wört­lich:

„Das Zu­war­ten ist für sie nicht nach­tei­lig, da wir aus­drück­lich bis zum 31. De­zem­ber 2016 auf die Er­he­bung der Ver­jäh­rungs­ein­re­de im Hin­blick auf et­wai­ge Sach­män­gel­haf­tungs­an­sprü­che we­gen der ge­nann­ten Soft­ware ver­zich­ten, so­weit mög­li­che An­sprü­che bis­her nicht ver­jährt wa­ren.“

Die­se Er­klä­rung kann ge­mäß §§ 133, 157 BGB nur als um­fas­sen­der Ver­zicht aus­ge­legt wer­den. Denn Aus­gangs­punkt der Er­klä­rung der Be­klag­ten ist der in der Öf­fent­lich­keit aus­führ­lich dis­ku­tier­te so­ge­nann­te VW-Ab­gas­skan­dal, der für die Volks­wa­gen AG und die von ihr au­to­ri­sier­ten Händ­ler um­fang­rei­che Fol­gen hat, nicht nur in fi­nan­zi­el­ler Hin­sicht. Die be­tei­lig­ten VW-Händ­ler sind des­halb na­tur­ge­mäß um ei­ne Scha­dens­be­gren­zung be­müht und ha­ben ein In­ter­es­se, ih­re Kun­den um­fas­send au­ßer­halb ju­ris­ti­scher Aus­ein­an­der­set­zun­gen zu­frie­den­zu­stel­len. Dies kommt in dem Schrei­ben der Be­klag­ten vom 04.11 .2015 aus­rei­chend zum Aus­druck. Es ist des­halb da­hin aus­zu­le­gen, dass der Ver­jäh­rungs­ver­zicht sämt­li­che An­sprü­che um­fasst, die mit der ma­ni­pu­lier­ten Soft­ware un­mit­tel­bar oder mit­tel­bar in Zu­sam­men­hang ste­hen. Dies schließt auch et­wai­ge von dem Klä­ger ins Au­ge ge­fass­te Scha­dens­er­satz­an­sprü­che ein. Auch bei die­sen han­delt es sich um Sach­män­gel­haf­tungs­an­sprü­che, wie sich aus § 437 Nr. 3 BGB er­gibt.

Bei et­wai­ger man­gel­haf­ter Nach­er­fül­lung be­ginnt die Ver­jäh­rungs­frist neu (Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 75. Aufl., § 438 Rn. 16a).

Soll­te der Klä­ger ge­ge­be­nen­falls auch Scha­dens­er­satz­an­sprü­che aus § 823 BGB gel­tend ma­chen wol­len, be­grün­det dies eben­falls kein Fest­stel­lungs­in­ter­es­se. Denn die dies­be­züg­li­che drei­jäh­ri­ge Ver­jäh­rungs­frist be­ginnt ge­mäß § 199 I Nr. 2 BGB erst mit En­de des Jah­res, in dem der Klä­ger von den an­spruchs­be­grün­den­den Um­stän­den Kennt­nis er­langt hat, hier al­so En­de 2015.

Der Um­stand, dass der Ver­zicht auf die Ein­re­de zeit­lich be­schränkt ist, be­grün­det eben­falls kein Fest­stel­lungs­in­ter­es­se des Klä­gers. Es ist dem Klä­ger zu­zu­mu­ten, mit ei­ner ent­spre­chen­den Kla­ge bis En­de 2016 ab­zu­war­ten, wenn die Be­klag­te nicht – ent­spre­chend ih­rer An­kün­di­gung – vor Ab­lauf des Jah­res 2016 ei­nen wei­te­ren Ver­jäh­rungs­ver­zicht er­klärt. Aus­rei­chend ist in­so­weit, wenn der Klä­ger et­wa An­fang des vier­ten Quar­tals 2016 er­neut Kon­takt mit der Be­klag­ten auf­nimmt, wenn der Man­gel bis da­hin nicht be­sei­tigt ist. …

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