1. Die Ei­gen­tums­ver­mu­tung des § 1568b II BGB ist lex specialis zu § 1006 BGB.
  2. Die Ei­gen­tums­ver­mu­tung des § 1568b II BGB wird in ei­ner sons­ti­gen Fa­mi­li­en­sa­che we­gen Scha­dens­er­sat­zes nach un­be­rech­tig­ter Ver­äu­ße­rung von Haus­rat ent­spre­chend an­ge­wandt.

OLG Stutt­gart, Be­schluss vom 18.02.2016 – 16 UF 195/15

Sach­ver­halt: Der An­trag­stel­ler kauf­te am 08.06.2010 für 19.300 € ein neu­wer­ti­ges Ca­brio­let (Maz­da MX-5). In den Fahr­zeug­pa­pie­ren war er als Hal­ter ein­ge­tra­gen, und auch die Ver­si­che­rung des Fahr­zeugs lief auf sei­nen Na­men. Zur Fi­nan­zie­rung des Kauf­prei­ses nah­men der An­trag­stel­ler und die An­trags­geg­ne­rin, mit der er bis zur Schei­dung am 25.03.2013 fast 20 Jah­re ver­hei­ra­tet war, ge­mein­sam ei­nen Kre­dit über 4.700 € auf. Der ver­blei­ben­de Kauf­preis wur­de in Hö­he von 10.000 € bar ge­zahlt; im Üb­ri­gen wur­de die Kauf­preis­schuld durch In­zah­lung­ga­be ei­nes Ge­braucht­wa­gens ge­tilgt.

Im Sep­tem­ber 2011 zog die An­trags­geg­ne­rin aus der im Mit­ei­gen­tum der Ehe­leu­te ste­hen­den Ei­gen­tums­woh­nung aus, wäh­rend der An­trag­stel­ler und der 1994 ge­bo­re­ne Sohn S dort ver­blie­ben. Nach der Tren­nung nutz­te die An­trags­geg­ne­rin das Maz­da-Ca­brio­let, und der An­trag­stel­ler nutz­te ein Lea­sing­fahr­zeug.

Im Ja­nu­ar 2013 be­such­te die An­trags­geg­ne­rin den Sohn S in der ehe­ma­li­gen Ehe­woh­nung und ent­nahm bei die­ser Ge­le­gen­heit den Fahr­zeug­brief aus dem Safe. An­schlie­ßend, am 27.02.2013, ver­kauf­te sie das Ca­brio­let für 12.000 €.

Der An­trag­stel­ler er­fuhr von dem Ver­kauf, weil ihm der Kfz-Ver­si­che­rer nicht ver­brauch­te Bei­trä­ge für die Zeit ab dem 01.03.2013 er­stat­te­te. Er for­der­te die An­trags­geg­ne­rin mit An­walts­schrei­ben vom 03.04.2013 auf, Scha­dens­er­satz in Hö­he von 14.000 € zu leis­ten und ihm Mahn­kos­ten (20 €) so­wie vor­ge­richt­li­che Rechts­an­walts­kos­ten (899,40 €) zu er­set­zen.

Durch den an­ge­grif­fe­nen Be­schluss hat das Fa­mi­li­en­ge­richt den auf Zah­lung die­ser Be­trä­ge ge­rich­te­ten An­trag des An­trag­stel­lers zu­rück­ge­wie­sen. Es hat aus­ge­führt, der An­trag­stel­ler ha­be nicht be­wie­sen, dass die An­trags­geg­ne­rin durch den Ver­kauf des Pkw sein Ei­gen­tum ver­letzt ha­be. Nach § 1006 BGB wer­de ver­mu­tet, dass die An­trags­geg­ne­rin beim Ver­kauf Al­lein­ei­gen­tü­me­rin des Fahr­zeugs ge­we­sen sei. Dass der An­trag­stel­ler als Hal­ter des Fahr­zeugs ein­ge­tra­gen ge­we­sen sei und bis zur Weg­nah­me durch die An­trags­geg­ne­rin auch den Fahr­zeug­brief be­ses­sen ha­be, rei­che zur Wi­der­le­gung der Ei­gen­tums­ver­mu­tung nicht aus. Die Ei­gen­tums­la­ge sei im Zeit­punkt der Ver­äu­ße­rung un­ge­klärt ge­we­sen.

Die Be­schwer­de des An­trag­stel­lers hat­te teil­wei­se Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Das Fahr­zeug hat sich im Mit­ei­gen­tum der Be­tei­lig­ten be­fun­den. Des­halb hat die Be­schwer­de­geg­ne­rin durch den vom Be­schwer­de­füh­rer nicht ge­neh­mig­ten Ver­kauf des­sen Ei­gen­tums­rech­te ver­letzt und schul­det ihm Scha­dens­er­satz ge­mäß § 823 I BGB.

1. Aus­schlag­ge­bend ist die Ei­gen­tums­ver­mu­tung nach § 1568b II BGB, die als die spe­zi­el­le­re Norm den § 1006 BGB ver­drängt. Für die Be­sitz­schutz­vor­schrif­ten ist die herr­schen­de Mei­nung der Auf­fas­sung, dass sie ne­ben §§ 1568b, 1361a BGB nicht an­wend­bar sind, weil Letz­te­re die Be­sitz­schutz­vor­schrif­ten ent­we­der über­la­gern oder ver­drän­gen (vgl. Götz, in: Jo­hann­sen/Hen­rich, Fa­mi­li­en­recht, 6. Aufl., § 1361a Rn. 43 ff.; Pa­landt/Bru­der­mül­ler, BGB, 75. Aufl., § 1568b Rn. 5). Die­se Vor­schrift sei spe­zi­ell auf die Si­tua­ti­on im Zu­sam­men­hang mit der Tren­nung von Ehe­gat­ten aus­ge­rich­tet. Das gilt auch für die Mit­ei­gen­tums­ver­mu­tung des § 1568b BGB im Ver­hält­nis zur Ver­mu­tung nach § 1006 BGB.

§ 1568b BGB be­trifft zwar nur die Ver­tei­lung von Haus­rat nach der Ehe­schei­dung. Haus­rat, der wäh­rend der Ehe für den ge­mein­sa­men Haus­halt an­ge­schafft wur­de, gilt da­nach als ge­mein­sa­mes Ei­gen­tum der Ehe­gat­ten, es sei denn, das Al­lein­ei­gen­tum ei­nes Ehe­gat­ten steht fest. Der Ehe­gat­te, der sich auf sein Al­lein­ei­gen­tum be­ruft, muss die Um­stän­de für den Er­werb von Al­lein­ei­gen­tum sub­stan­zi­iert vor­tra­gen und be­strit­te­nen Vor­trag un­ter Be­weis stel­len. Wäh­rend der Ehe an­ge­schaff­te Haus­halts­ge­gen­stän­de sind auch nach dem Wil­len der Ehe­leu­te im Zwei­fel ihr ge­mein­sa­mes Ei­gen­tum (OLG Köln, Urt. v. 20.03.2001 – 22 U 157/00, Fam­RZ 2002, 322).

Vor­lie­gend kann § 1568b BGB nicht un­mit­tel­bar an­ge­wandt wer­den, da we­gen des Ver­kaufs kein Haus­halts­ge­gen­stand mehr vor­han­den ist, der ver­teilt wer­den könn­te. In der­ar­ti­gen Fäl­len ist kein Raum für das Haus­halts­sa­che­ver­fah­ren. Der von ei­nem Ehe­gat­ten zu ver­tre­ten­de Un­ter­gang des Haus­halts­ge­gen­stan­des kann aber nicht zum Fort­fall der Ei­gen­tums­ver­mu­tung im nach­fol­gen­den Scha­dens­er­satz­ver­fah­ren füh­ren. Die Ei­gen­tums­ver­mu­tung des § 1568b II BGB wirkt fort und fin­det im Ver­fah­ren auf Scha­dens­er­satz ent­spre­chen­de An­wen­dung.

2. Bei dem um­strit­te­nen Pkw han­delt es sich um Haus­rat. Zum Haus­rat ge­hö­ren al­le be­weg­li­chen Ge­gen­stän­de, die für die ge­sam­te Le­bens­füh­rung der Fa­mi­lie be­stimmt sind und da­her nicht dem per­sön­li­chen Ge­brauch nur ei­nes Gat­ten die­nen. Ein Pkw ge­hört dann zum Haus­rat, wenn er kraft ge­mein­sa­mer Zweck­be­stim­mung der Ehe­gat­ten ganz oder über­wie­gend dem ehe­li­chen und fa­mi­liä­ren Zu­sam­men­le­ben dient (BGH, Urt. v. 24.10.1990 – XII ZR 101/89, Fam­RZ 1991, 43 [49]), Gibt es in ei­ner Fa­mi­lie nur ei­nen Pkw, liegt die Zu­ord­nung zum Haus­halt na­he (Bru­der­mül­ler, Fam­RZ 2006, 1157 [1161]; OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 23.10.2006 – II-2 UF 97/06, MDR 2007, 663). Al­lein der Um­stand, dass ein Ehe­gat­te ei­nen Haus­halts­ge­gen­stand ge­kauft hat, reicht für die Wi­der­le­gung der Ver­mu­tung nicht aus. Bei be­ste­hen­der Le­bens­ge­mein­schaft er­wirbt er ei­nen Haus­halts­ge­gen­stand grund­sätz­lich mit der still­schwei­gen­den Be­stim­mung, ge­mein­schaft­li­ches Ei­gen­tum zu be­grün­den. Dem­entspre­chend über­eig­net ein Ver­käu­fer an den, „den es an­geht“, al­so an bei­de Ehe­leu­te (vgl. Er­man/P. Blank, BGB, 14. Aufl., § 1568b Rn. 13).

Im hier zu ent­schei­den­den Fall ha­ben die Be­tei­lig­ten das Ca­brio wäh­rend ih­res Zu­sam­men­le­bens ge­mein­sam be­nutzt. Es war das ein­zi­ge Fa­mi­li­en­fahr­zeug. Der ge­leas­te Pkw … dien­te ge­schäft­li­chen Zwe­cken, ins­be­son­de­re zum Trans­port von Ma­te­ria­li­en für die Piz­ze­ria. Aus die­sem Grund wur­de er auch nach der Tren­nung vom Be­schwer­de­füh­rer, der die Piz­ze­ria fort­ge­führt hat, be­nutzt. Der Kre­dit wur­de un­strei­tig aus den ge­mein­sa­men Mit­teln zu­rück­ge­führt. Der Se­nat ist auch über­zeugt, dass die Fi­nan­zie­rung der Bar­an­zah­lung aus ge­mein­sa­mem Ver­mö­gen er­folgt ist. Der Vor­trag des Be­schwer­de­füh­rers ist in­so­weit wi­der­sprüch­lich und nicht über­zeu­gend.

3. Die Be­schwer­de­geg­ne­rin hat das Ca­brio für 12.000 € ver­kauft. Der Se­nat geht da­her da­von aus, dass sich der Ver­kaufs­preis und der Wert des Fahr­zeugs de­cken. Es sind kei­ne An­halts­punk­te vor­han­den, dass das Fahr­zeug ver­schleu­dert wur­de. Zu­dem ent­spricht der Ver­kaufs­preis dem Mit­tel­wert nach der Schwa­cke-Lis­te (= 12.200 €, aus 11.250 € und 13.350 €). Der Se­nat schätzt da­her den Scha­den, der dem Be­schwer­de­füh­rer durch den un­be­rech­tig­ten Ver­kauf des Fahr­zeu­ges ent­stan­den ist, auf 6.000 €.

4. Die An­walts­kos­ten als Fol­ge der vor­ge­richt­li­chen Gel­tend­ma­chung sind eben­falls als Scha­den nach § 823 I BGB zu er­set­zen. Bei ei­nem Streit­wert von 6.000 € fal­len an:

1,30 Ge­schäfts­ge­bühr 460,20 €
Aus­la­gen­pau­scha­le + 20,00 €
Zwi­schen­sum­me 480,20 €
Um­satz­steu­er + 91,24 €
Ge­samt­sum­me 571,44 €

Für den Er­satz ei­nes pau­scha­len Auf­wands des Be­schwer­de­füh­rers im Zu­sam­men­hang mit der Vor­be­rei­tung des ge­richt­li­chen Ver­fah­rens gibt es im vor­lie­gen­den Fall kei­ne Grund­la­ge …

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