In­dem ein Kfz-Händ­ler ei­nem Kun­den ein vor­aus­ge­füll­tes Be­stell­for­mu­lar zur Un­ter­schrift vor­legt, gibt er üb­li­cher­wei­se kein auf den Ab­schluss ei­nes Kauf­ver­tra­ges ge­rich­te­tes An­ge­bot i. S. des § 145 BGB ab. Viel­mehr trägt re­gel­mä­ßig der Kun­de dem Händ­ler den Ab­schluss ei­nes Kauf­ver­tra­ges an, in­dem er die An­ga­ben im Be­stell­for­mu­lar er­gänzt und das For­mu­lar un­ter­schreibt.

LG Ber­lin, Ur­teil vom 20.11.2015 – 12 O 79/15

Sach­ver­halt: Die Par­tei­en strei­ten um Scha­dens­er­satz we­gen der aus­ge­blie­be­nen Lie­fe­rung ei­nes Neu­wa­gens.

Die Klä­ge­rin be­ab­sich­tig­te, bei der Be­klag­ten, die in Ber­lin ei­nen Au­to­han­del be­treibt, ei­nen Neu­wa­gen (Nis­san Qas­h­qai 1.6 dCi Te­kna) zu er­wer­ben. Im Rah­men der Ver­trags­ver­hand­lun­gen er­klär­te der Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten, der Pkw wer­de spä­tes­tens in sechs Mo­na­ten ge­lie­fert; er ge­he je­doch von ei­nem deut­lich frü­he­ren Lie­fer­ter­min aus.

Die Be­klag­te stell­te der Klä­ge­rin in Aus­sicht, ih­ren ge­brauch­ten Pkw für 18.000 € zu er­wer­ben, wo­bei die ent­spre­chen­de For­de­rung der Klä­ge­rin spä­ter mit der Kauf­preis­for­de­rung der Be­klag­ten ver­rech­net wer­den soll­te.

Der Klä­ge­rin un­ter­schrieb am 14.05.2014 ein mit „Be­stel­lung für ein EU-Im­port­fahr­zeug“ über­schrie­be­nes For­mu­lar, das von­sei­ten der Be­klag­ten aus­ge­füllt wor­den war und dem die All­ge­mei­ne Ge­schäfts­be­din­gun­gen der Be­klag­ten bei­ge­fügt wa­ren. Als Kauf­preis für den Neu­wa­gen sind in dem Be­stell­for­mu­lar 25.500 € no­tiert; zum Lie­fer­ter­min heißt es dort: „ca. 6 Mo­na­te – nach Mög­lich­keit schnel­ler!!“.

Am 15.05.2014 schlos­sen die Par­tei­en ei­nen schrift­li­chen Kauf­ver­trag über das Alt­fahr­zeug der Klä­ge­rin. Dar­in fin­det sich un­ter „Sons­ti­ges“ der Ver­merk „Be­zah­lung in Ver­rech­nung mit Neu­wa­gen­lie­fe­rung“. Der Ge­braucht­wa­gen wur­de der Be­klag­ten an­schlie­ßend über­ge­ben, der Kauf­preis da­für in Hö­he von 18.000 € wur­de am 16.02.2015 ge­zahlt.

Mit An­walts­schrei­ben vom 13.01.2015 ließ die Klä­ge­rin die Be­klag­te zur Lie­fe­rung des be­stell­ten Neu­wa­gens auf­for­dern, nach­dem sie zu­vor – mit ei­nem nicht da­tier­ten Ein­schrei­ben – selbst er­folg­los ei­ne Lie­fe­rung bis zum 20.12.2014 ver­langt hat­te. Die Be­klag­te re­agier­te auf das An­walts­schrei­ben nicht. Mit An­walts­schrei­ben vom 28.01.2015 ließ die Klä­ge­rin des­halb ih­ren Rück­tritt von dem nach ih­rer An­sicht ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag über den Neu­wa­gen er­klä­ren.

Mit ih­rer zu­letzt auf Zah­lung von 6.111 € nebst Zin­sen ge­rich­te­ten Kla­ge hat die Klä­ge­rin auch den Er­satz vor­ge­richt­li­cher An­walts­kos­ten so­wie die Fest­stel­lung be­gehrt, dass ihr die Be­klag­te je­den wei­te­ren Scha­den er­set­zen müs­se, der ihr da­durch ent­stan­den sei, dass die Lie­fe­rung des be­stell­ten Neu­wa­gens aus­ge­blie­ben sei. Die Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: II. Der Klä­ge­rin steht der gel­tend ge­mach­te An­spruch ge­gen die Be­klag­te nicht zu.

1. Die Klä­ge­rin hat kei­ne ver­trag­li­chen Scha­dens­er­satz­an­sprü­che … ge­gen die Be­klag­te. Sol­che An­sprü­che set­zen ei­nen zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag über das in Re­de ste­hen­de Kraft­fahr­zeug vor­aus. Ein sol­cher wur­de zwi­schen den Par­tei­en je­doch nicht ge­schlos­sen. Ver­trä­ge kom­men durch zwei über­ein­stim­men­de Wil­lens­er­klä­run­gen – An­ge­bot und An­nah­me – zu­stan­de. Die­se Vor­aus­set­zung ist vor­lie­gend nicht ge­ge­ben.

a) Ent­ge­gen der An­sicht der Klä­ge­rin hat die Be­klag­te mit dem Aus­hän­di­gen des Be­stell­for­mu­lars vom 14.05.2014 kein An­ge­bot an die Klä­ge­rin i. S. des § 145 BGB ab­ge­ge­ben. Ein An­trag ge­mäß § 145 BGB er­for­dert sei­tens des An­tra­gen­den ei­nen Wil­len zur recht­li­chen Bin­dung. Ei­ne Aus­le­gung des For­mu­lars ge­mäß §§ 133, 157 BGB er­gibt, dass die­ser sei­tens der Be­klag­ten nicht vor­ge­le­gen hat.

Emp­fangs­be­dürf­ti­ge Wil­lens­er­klä­run­gen sind ge­mäß §§ 133, 157 BGB nach dem ob­jek­ti­vem Emp­fän­ger­ho­ri­zont aus­zu­le­gen. Da­nach ist es maß­geb­lich, wie der Er­klä­rungs­emp­fän­ger die Wil­lens­er­klä­rung nach Treu und Glau­ben un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Ver­kehrs­sit­te ver­ste­hen durf­te (st. Rspr.; vgl. BAG, Urt. v. 12.01.1994 – 5 AZR 41/93, NJW 1994, 3372).

Ei­ne aus­drück­li­che Er­klä­rung sei­tens der Be­klag­ten, sich recht­lich bin­den zu wol­len, ist dem For­mu­lar nicht zu ent­neh­men. Ins­be­son­de­re das Wort „Be­stel­lung“ be­zieht sich auf die (ab­zu­ge­ben­de) Wil­lens­er­klä­rung des­je­ni­gen, der das For­mu­lar aus­füllt. Das Wort „Ver­trag“ oder ei­ne ähn­li­che For­mu­lie­rung, die von zwei sich de­cken­den Wil­lens­er­klä­run­gen aus­geht, fin­det sich im For­mu­lar nicht.

Die Be­klag­te hat auch nicht kon­klu­dent – das heißt durch schlüs­si­ges Ver­hal­ten – er­klärt, sich recht­lich bin­den zu wol­len.

Zu die­sem Er­geb­nis kommt ei­ne Aus­le­gung nach der In­ter­es­sen­la­ge. Die Be­klag­te hat als Au­to­händ­le­rin ein wirt­schaft­li­ches In­ter­es­se dar­an, vor ei­nem Ver­trags­ab­schluss Rück­spra­che mit ih­ren Lie­fe­ran­ten zu hal­ten, um ei­ner Scha­dens­er­satz­pflicht im Fal­le von Lie­fer­schwie­rig­kei­ten zu ent­ge­hen. Da­ge­gen hat­te die Klä­ge­rin als Käu­fe­rin bei Ver­trags­schluss kein schüt­zens­wer­tes In­ter­es­se, be­reits mit der Ab­ga­be ih­rer Wil­lens­er­klä­rung, den Ver­trag her­bei­zu­füh­ren, da die­ser für sie im Fal­le von lang­fris­ti­gen Lie­fer­schwie­rig­kei­ten nutz­los ist. In letz­te­rem Fall ist es für den Käu­fer näm­lich zweck­mä­ßi­ger, nicht an den Ver­trag ge­bun­den zu sein und sich ei­nen an­de­ren Händ­ler oder Fahr­zeug­typ aus­su­chen zu kön­nen.

Ei­ne Aus­le­gung un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Ver­kehrs­sit­te kommt zu dem­sel­ben Er­geb­nis. Im Rechts­ver­kehr ist es üb­lich, dass un­ter ei­nen schrift­li­chen Ver­trag bei­de Par­tei­en ih­re Un­ter­schrift set­zen. Im Be­stell­for­mu­lar ist je­doch le­dig­lich ein Feld für die Un­ter­schrift des Käu­fers vor­ge­se­hen, und es ent­hält auch sonst kei­ne Un­ter­schrift der Be­klag­ten. Die Klä­ge­rin durf­te da­mit nicht oh­ne Wei­te­res da­von aus­ge­hen, dass die Be­klag­te sich mit dem blo­ßen Aus­hän­di­gen des For­mu­lars be­reits recht­lich bin­den woll­te.

Die­sem Aus­le­gungs­er­geb­nis steht die ex­ak­te Fi­xie­rung der Ver­trags­de­tails im Be­stell­for­mu­lar nicht ent­ge­gen. Selbst ei­ne sol­che voll­stän­di­ge Fest­le­gung al­ler Haupt- und Ne­ben­punk­te des Ver­trags führt nicht zu ei­nem bin­den­den An­ge­bot ge­mäß § 145 BGB, so­lan­ge nicht ei­ne aus­drück­li­che oder (auf­grund ei­ner Ver­kehrs­übung an­zu­neh­men­de) still­schwei­gen­de Er­klä­rung hin­zu­kommt, ge­ra­de zu die­sen Be­din­gun­gen ab­schlie­ßen zu wol­len (MünchKomm-BGB/Bu­sche, 7. Aufl. [2015], § 145 Rn. 7).

Ent­ge­gen der An­sicht der Klä­ge­rin führt auch die Tat­sa­che, dass sich die Be­klag­te in ih­ren All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen als „Ver­käu­fer“ be­zeich­net, nicht da­zu, dass von ei­nem Rechts­bin­dungs­wil­len beim Aus­hän­di­gen des For­mu­lars aus­zu­ge­hen ist. Dass die All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen auf Kauf­ver­trä­ge zu­ge­schnit­ten sind, lässt kei­nen Schluss dar­auf zu, ob es sich bei dem For­mu­lar selbst be­reits um ein An­ge­bot i. S. von § 145 BGB … han­delt.

b) Die Klä­ge­rin hat mit dem Aus­fül­len des Be­stell­for­mu­lars vom 14.05.2014 ein bin­den­des An­ge­bot nach § 145 BGB ab­ge­ge­ben.

c) Ent­ge­gen der Mei­nung der Klä­ge­rin hat die Be­klag­te mit dem Ab­schluss des Kauf­ver­trags über den Ge­braucht­wa­gen am 15.05.2014 das An­ge­bot der Klä­ge­rin vom 14.05.2014 nicht an­ge­nom­men. Dies er­gibt sich auf­grund ei­ner Aus­le­gung des Ver­tra­ges nach ob­jek­ti­vem Emp­fän­ger­ho­ri­zont ge­mäß §§ 133, 157 BGB.

Die dar­in ent­hal­te­ne For­mu­lie­rung „Be­zah­lung in Ver­rech­nung mit Neu­wa­gen­lie­fe­rung“ stellt nur ei­ne Ab­re­de über die Zah­lungs­mo­da­li­tä­ten (ins­be­son­de­re die Fäl­lig­keit der Kauf­preis­sum­me aus dem Ge­braucht­wa­gen­kauf) dar. Die Er­wäh­nung ei­ner „Neu­wa­gen­lie­fe­rung“ zeigt le­dig­lich, dass die Par­tei­en über­ein­stim­mend da­von aus­ge­gan­gen sind, dass es zu Kauf und Lie­fe­rung ei­nes Neu­wa­gens kom­men wer­de. Auch wenn da­mit zu­min­dest ein zu­künf­ti­ger Ver­trags­schluss be­züg­lich des Neu­wa­gens vor­aus­ge­setzt wird, ist die Er­klä­rung zu va­ge und un­be­stimmt, als dass die Klä­ge­rin sie als Ab­schluss des Ver­tra­ges über den Neu­wa­gen zu den im Be­stell­for­mu­lar vom 14.05.2014 fest­ge­leg­ten Kon­di­tio­nen wer­ten durf­te. Ins­be­son­de­re fin­det sich im Ver­trag kein kon­kre­ter Be­zug auf die­ses For­mu­lar.

d) Ent­ge­gen der An­sicht der Klä­ge­rin darf sich die Be­klag­te auch – im Ein­klang mit den Grund­sät­zen von Treu und Glau­ben nach § 242 BGB – auf den feh­len­den Ver­trags­schluss be­ru­fen. Die Tat­sa­che, dass das For­mu­lar von der Be­klag­ten mit le­dig­lich ei­nem ein­zi­gen Un­ter­schrif­ten­feld (für den Käu­fer) ver­se­hen war, lässt nicht auf treu­wid­ri­ges Ver­hal­ten, son­dern auf man­geln­den Rechts­bin­dungs­wil­len sei­tens der Be­klag­ten schlie­ßen.

2. Die Klä­ge­rin hat kei­nen An­spruch ge­gen die Be­klag­te aus cul­pa in con­tra­hen­do ge­mäß §§ 280 I, 311 II Nr. 2, 241 II BGB. Es fehlt je­den­falls an dem Er­for­der­nis ei­nes kau­sa­len er­satz­fä­hi­gen Scha­dens. Nach die­ser An­spruchs­grund­la­ge ist le­dig­lich ein Ver­trau­ens­scha­den er­satz­fä­hig. Da­nach ist der Gläu­bi­ger so zu stel­len, wie er ste­hen wür­de, wenn er nicht auf die Gül­tig­keit des Ge­schäfts ver­traut hät­te … Die et­wai­gen Mehr­kos­ten für den Kauf des Fahr­zeugs bei ei­nem an­de­ren Händ­ler wä­ren je­doch auch an­ge­fal­len wenn die Klä­ge­rin nicht von ei­nem Ver­trags­schluss aus­ge­gan­gen wä­re.

Hin­sicht­lich der gel­tend ge­mach­ten au­ßer­ge­richt­li­chen An­walts­kos­ten fehlt es an ei­ner kau­sa­len Ver­ur­sa­chung des Scha­dens. Ob die Be­klag­te ih­re Auf­klä­rungs­pflicht da­durch ver­letzt hat, dass sie die Klä­ge­rin nicht auf den nach ih­rer An­sicht feh­len­den Ver­trags­schluss hin­ge­wie­sen hat, kann da­hin­ste­hen, da je­den­falls nicht er­sicht­lich ist, in­wie­fern ei­ne sol­che Auf­klä­rung die Klä­ge­rin da­von ab­ge­hal­ten hät­te, die Diens­te ih­res an­walt­li­chen Be­voll­mäch­tig­ten in An­spruch zu neh­men …

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