Wird ein Neuwagen aufgrund eines Versehens des Verkäufers nicht auf den Käufer, sondern auf einen unbekannten Dritten erstzugelassen, muss der Verkäufer dem Käufer den dadurch eingetretenen Wertverlust ersetzen.
AG München, Urteil vom 22.04.2015 – 242 C 17305/14
Sachverhalt: Die Klägerin schloss am 03.06.2011 mit der beklagten Kfz-Händlerin einen Kaufvertrag über einen Neuwagen. Der Kaufpreis betrug einschließlich Zulassungskosten (103 €) und Überführungskosten (759 €) und unter Berücksichtigung eines Nachlasses von 1.947,40 € insgesamt 13.894,60 €.
Gleichzeitig schlossen die Parteien einen Leasingvertrag über den Neuwagen. Dieser wurde anschließend, am 15.06.2011, erstzugelassen, aber nicht auf die Klägerin, sondern auf eine Frau S. Am 28.06.2011 wurde das Fahrzeug der Klägerin übergeben, und diese wurde im Fahrzeugschein als Halterin eingetragen.
Nachdem die vertraglich vereinbarte Leasingzeit am 12.06.2014 abgelaufen war, wurde die Klägerin gegen Zahlung von 8.733,39 € Eigentümerin des Fahrzeugs. Sie holte am 13.06.2014 den Fahrzeugbrief bei der Beklagten ab und stellte fest, dass dort S eingetragen war. Sie sprach den Geschäftsführer der Beklagten darauf an; dieser lehnte jedoch eine Kompensation ab.
Mit Anwaltsschreiben vom 24.06.2014 forderte die Klägerin die Beklagte deshalb zum Ersatz des Wertverlustes auf, den das Fahrzeug durch die Erstzulassung auf S erlitten habe. Diesen Minderwert bezifferte die Klägerin auf 2.000 €. Die Beklagte wies diese Forderung mit Schreiben vom 04.07.2014 zurück.
Die Klage, mit der die Klägerin zuletzt die Zahlung von 3.145,80 € sowie den Ersatz vorgerichtlich aufgewandter Rechtsanwaltskosten verlangt hat, hatte teilweise Erfolg.
Aus den Gründen: I. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von 3.145,80 € nach §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281, 440 BGB.
1. Vorliegend schlossen die Parteien bereits am 03.06.2011 einen Kaufvertrag über das Fahrzeug. Ausweislich der … verbindlichen Bestellung und der … Auftragsbestätigung vereinbarten die Parteien dabei, dass es sich bei dem Fahrzeug um einen Neuwagen handeln sollte. Die Parteien vereinbarten einen Kaufpreis von 13.894,60 € einschließlich Zulassungskosten in Höhe von 103 € und Überführungskosten von 759 €.
2. Das Fahrzeug war mangelhaft nach § 434 I 1 BGB, da es nicht die von den Parteien vereinbarte Beschaffenheit hatte, insbesondere handelte es sich nicht mehr um ein fabrikneues Fahrzeug.
Zwar ist zutreffen, dass der BGH in seiner Entscheidung vom 12.01.2005 (BGH, Urt. v. 12.01.2005 – VIII ZR 109/04, NJW 2005, 1422) ausgeführt hat, eine Tageszulassung nehme einem unbenutzten Kfz nicht die Eigenschaft als Neufahrzeug. Jedoch liegt der hier zu entscheidende Fall anders. In dem der Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Käufer den Kaufvertrag über ein Fahrzeug geschlossen, das wenige Tage vor Vertragsschluss auf die Händlerin zugelassen worden war. Für den BGH war maßgebend, dass von einer Tageszulassung beide Vertragsparteien profitieren. Der Händler erhält Prämien für hohe Absatzzahlen. Diese gibt er jedenfalls zum Teil an den Kunden weiter. Der Kunde erhält ein nicht benutztes Fahrzeug, jedoch zu einem geringeren Preis als vom Hersteller vorgegeben. Im dem vom BGH entschiedenen Fall war das Fahrzeug wegen der Tageszulassung mit einem deutlichen Preisnachlass verkauft worden. Der Käufer hat also eine Kompensation für die Tageszulassung erhalten.
Vorliegend ist der Fall jedoch anders gelagert, da die Zulassung auf Frau S erst nach Vertragsschluss und ohne Kenntnis der Klägerin erfolgte. Bei der Zulassung auf Frau S handelt es sich laut Beklagtenvortrag um einen internen Fehler bei der Beklagten. Dieser wurde bei der Preisgestaltung nicht berücksichtigt. Zwar wurde der Klägerin ein Nachlass auf den Listenpreis gewährt, dies jedoch bereits bei Vertragsschluss, als die Zulassung auf Frau S noch nicht erfolgt war. Der Nachlass stellt mithin keine Kompensation für die Erstzulassung dar.
3. Im vorliegenden Fall war die Fristsetzung zur Nacherfüllung entbehrlich, da die Klägerin den Geschäftsführer der Niederlassung der Beklagten in Dachau ansprach und dieser nicht zur Nacherfüllung bereit war.
4. Die Klägerin hat Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach §§ 280 I, III, 281 BGB geltend gemacht. In diesem Rahmen kann sie verlangen, so gestellt zu werden, wie sie bei ordnungsgemäßer Eriüllung durch die Beklagte stünde.
Der Sachverständige , an dessen Sachkunde das Gericht keinen Grund zu zweifeln hat, kommt in seinem schriftlichen Gutachten vom 15.12.2014 zu dem Ergebnis, dass der Neupreis für das streitgegenständliche Fahrzeug einschließlich der vereinbarten Sonderausstattung im November 2011 14.9800 € einschließlich MwSt. betragen hat. Ausweislich des Gutachtens wurden für den hier in Rede stehenden Fahrzeugtyp bei Fahrzeugen mit Tageszulassung regelmäßig Nachlässe von 20–25 % gewährt, wobei im Schnitt von einem Nachlass von 21 % auszugehen ist. Folglich hatte das gegenständliche Fahrzeug aufgrund des Umstands, dass es am 15.06.2011 zunächst auf eine unbekannte Dritte zugelassen wurde, am 28.06.2011 einen Wert von 11.834,20 € einschließlich MwSt.
Dabei hat der Sachverständige klargestellt, dass sich dieser Betrag ohne anderweitige Rabatte und Nachlässe versteht. Das Gericht schließt sich den schlüssigen Erwägungen des Sachverständigen an. Folglich ist nicht zu berücksichtigen, dass hier die Beklagte bereits einen Nachlass von 1.94 7,40 € gewährt hat, da dieser nicht in Zusammenhang mit dem Mangel steht und keine Kompensation für die Tageszulassung darstellt, sondern lediglich gewährt wurde, um einen Kaufanreiz für die Klägerin zu schaffen.
Es kommt dabei auch nicht darauf an, ob die Klägerin das Fahrzeug verkauft und sich der Schaden realisiert hat. Entscheidend ist allein, wie die Klägerin bei ordnungsgemäßer Erfüllung durch die Beklagte stünde.
Somit kann die Klägerin, da sie das Fahrzeug behält, die Wertdifferenz zwischen mangelfreier und mangelhafter Ware als Schadensersatz statt der Leistung verlangen, hier mithin 3.145,80 €.
II. Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.
Die Beklagte befand sich zum Zeitpunkt der Beauftragung des Klägervertreters noch nicht in Verzug, da erst der Klägervertreter unter Fristsetzung zum 08.07.2014 die Beklagte zur Zahlung von 2.000 € aufforderte.
Eine arglistige Täuschung bei Vertragsschluss liegt nicht vor, da die Eintragung von Frau S erst nach Vertragsschluss erfolgte. Anhaltspunkte dafür, dass bereits bei Vertragsschluss beabsichtigt war, nicht die Klägerin als erste Eigentümerin einzutragen, sind nicht ersichtlich.
Raum für eine deliktische Haftung besteht nicht, da zum einen die reine Schlechtleistung keine deliktische Handlung darstellt und ein darüber hinausgehendes Fehlverhalten der Beklagten nicht vorliegt, und die Beklagte zum anderen lediglich mit ihrem Vermögen und nicht einem von § 823 I BGB geschützten Rechtsgütern betroffen ist.
Weitergehende Anspruchsgrundlagen sind nicht gegeben …