Vermittelt ein Autohändler aus bloßer Gefälligkeit (unentgeltlich) den Kauf eines Gebrauchtwagens, so kann der potenzielle Verkäufer nicht erwarten, dass der Händler das Fahrzeug auf seine Kosten gegen Diebstahl versichert.
OLG Hamm, Urteil vom 17.06.2014 – 7 U 77/13
Sachverhalt: Der Kläger kaufte 2009 von der Beklagten, die ein Autohaus betreibt, ein Neufahrzeug. Den Kauf finanzierte er über die B-Bank. Nachdem er die Darlehensraten nicht mehr pünktlich zahlen konnte, vereinbarte der Kläger Anfang Januar 2011 mit dem für die Beklagte handelnden Sohn des Inhabers der Beklagten, S, dass die Beklagte das Fahrzeug zum Verkauf anbieten solle. Die Einzelheiten der Absprache sind streitig.
Anfang Februar 2011 holte S das Fahrzeug bei dem Kläger ab, meldete es bei der Straßenverkehrsbehörde ab und stellte es auf dem Außengelände der Beklagten zum Verkauf aus. Einer der beiden vorhandenen Fahrzeugschlüssel verblieb beim Kläger. Der Kläger stellte die Zahlung weiterer Darlehensraten ein. Anfang März 2011 kündigte die B-Bank das Darlehen wegen Zahlungsverzugs und stellte es insgesamt fällig.
In der Nacht vom 18.03. auf den 19.03.2011 wurde das Fahrzeug unter ungeklärten Umständen vom Außengelände der Beklagten entwendet. Da der Kläger die Darlehensforderung trotz mehrfacher Aufforderung nicht erfüllte, machte die B-Bank sie gerichtlich geltend. In diesem Rechtsstreit verkündete der Kläger, der durch Anerkenntnisurteil zur Zahlung von 19.804,49 € verurteilt wurde, der Beklagten den Streit.
Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger von der Beklagten verlangt, ihn von der titulierten Forderung der B-Bank freizustellen. Er hat behauptet, es sei vereinbart gewesen, dass die Beklagte das Fahrzeug zurücknimmt und den Darlehnsvertrag bei der B-Bank ablöst. Der Kläger hat gemeint, die Beklagte sei ihm jedenfalls zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie das bei ihr zum Verkauf ausgestellte Fahrzeug nicht hinreichend gegen Diebstahl gesichert habe. Da sie – was unstreitig ist – das Fahrzeug abgemeldet und keine Versicherung gegen Diebstahl abgeschlossen habe, sei sie zu besonderen Sicherungsmaßnahmen verpflichtet gewesen und habe das Fahrzeug nicht über Nacht auf der offenen Ausstellungsfläche stehen lassen dürfen. Zumindest sei die Beklagte verpflichtet gewesen, ihn, den Kläger, auf den fehlenden Versicherungsschutz hinzuweisen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen der unterlassenen Ablösung des Darlehens, weil er eine entsprechende Absprache nicht bewiesen habe. Der Kläger habe auch keinen Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung von Schutz- und Aufklärungspflichten. Die Beklagte habe das Fahrzeug ausreichend gesichert und sei nicht verpflichtet gewesen, es über Nacht in einen geschlossenen Raum zu verbringen. Auch sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, den Kläger auf die fehlende Diebstahlversicherung hinzuweisen.
Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: B. … Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen …
I. Das Landgericht hat zutreffend eine verdeckte Klagehäufung angenommen. Haupt- und Hilfsvorbringen des Klägers unterscheiden sich so grundlegend, dass nicht von einem einheitlichen Lebenssachverhalt ausgegangen werden kann …
Der Kläger stützt sein Klagebegehren in erster Linie auf die Behauptung, er habe mit S im Januar 2011 vereinbart, dass die Beklagte das Fahrzeug zurücknimmt und den Darlehensvertrag bei der B-Bank ablöst. Nur hilfsweise macht er sich den Sachvortrag der Beklagten zu eigen, es sei vereinbart worden, dass die Beklagte das Fahrzeug in seinem Auftrag verkaufen soll. Für diesen Fall stützt er sein Begehren auf die Verletzung von Nebenpflichten, nämlich von Schutz- und/oder Aufklärungspflichten.
Die Vereinbarung einer Zurücknahme des Fahrzeuges unter Übernahme der Verpflichtung, das Darlehen bei der B-Bank abzulösen, unterscheidet sich so grundlegend von einer Vereinbarung, das Fahrzeug im Kundenauftrag zu veräußern, dass nicht von einem einheitlichen Lebenssachverhalt ausgegangen werden kann. Während Gegenstand der Vereinbarung im ersten Fall ein (Rück-)Kauf (§ 433 BGB) des Fahrzeugs durch die Beklagte wäre …, würde es sich im zweiten Fall um die Vereinbarung eines Auftrags (§§ 662 ff. BGB) oder gegebenenfalls um die Vereinbarung einer entgeltlichen Geschäftsbesorgung in Form eines Kommissionsvertrags (§ 675 I BGB i. V. mit § 383 HGB) handeln …
II. Die Klage ist sowohl nach dem Haupt- als auch nach dem Hilfsvorbringen des Klägers unbegründet.
1. Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Freistellung von seiner Zahlungsverpflichtung aus dem Darlehensvertrag mit der B-Bank ist bei Zugrundelegung seines Hauptvorbringens nicht schlüssig dargelegt. Eine Beweisaufnahme über die vom Kläger behauptete Vereinbarung war daher nicht veranlasst.
a) Als Grundlage für das Begehren des Klägers nach seinem Hauptvorbringen kommt – anders als vom Landgericht angenommen – nicht § 280 I BGB, sondern § 433 II BGB i. V. mit §§ 364 I, 415 I und III BGB in Betracht. Nach dem Sachvortrag des Klägers haben die Parteien rechtlich einen (Rück-)Kauf des Fahrzeugs durch die Beklagte vereinbart, wobei an die Stelle der Zahlung des Kaufpreises die Übernahme der Darlehensschuld durch die Beklagte gemäß § 415 I 1 BGB treten sollte. Die vom Kläger begehrte Freistellung ist damit die von der Beklagten aus dem Vertrag geschuldete Primärleistung.
b) Es kann dahinstehen, ob die vom Kläger behauptete Vereinbarung getroffen wurde. Denn der Anspruch des Klägers auf Freistellung von der Darlehensverpflichtung ist jedenfalls mit dem Abhandenkommen des Fahrzeugs gemäß § 326 I BGB erloschen.
aa) Mit dem Abhandenkommen des Fahrzeugs ist dem Kläger die Erfüllung seiner Leistungspflicht aus § 433 I BGB, nämlich die Übergabe des Fahrzeugs an die Beklagte und die Verschaffung des Eigentums, unmöglich geworden. Er ist daher nach § 275 I BGB von der Leistung befreit. Gemäß § 326 I BGB entfällt damit auch der Anspruch des Klägers auf die Gegenleistung, hier also der Anspruch auf Freistellung von der Darlehensverpflichtung durch die Beklagte, wenn nicht die Preisgefahr bereits gemäß § 446 Satz 1 BGB auf die Beklagte übergegangen war und die Beklagte auch nicht gemäß § 326 II 1 BGB für den Eintritt der Unmöglichkeit allein oder weit überwiegend verantwortlich ist.
bb) Die Preisgefahr war zum Zeitpunkt des Abhandenkommens des Fahrzeugs noch nicht auf die Beklagte übergegangen.
Gemäß § 446 Satz 1 BGB geht die Gefahr des zufälligen Untergangs mit der Übergabe der verkauften Sache auf den Käufer über. Übergabe ist die Übertragung des unmittelbaren Besitzes. Der Verkäufer muss die Sachherrschaft vollständig aufgeben, der Käufer sie erlangen (vgl. BeckOK-BGB/Faust, Edition 31, § 446 Rn. 6; Staudinger/Beckmann, BGB, Neubearb. 2014, § 446 Rn. 19).
Diese Voraussetzung war hier im Zeitpunkt des Abhandenkommens des Fahrzeugs noch nicht erfüllt. Der Kläger hatte die Sachherrschaft noch nicht vollständig aufgegeben. Das Fahrzeug befand sich unstreitig auf dem für jedermann – also auch für den Kläger – frei zugänglichen Außengelände der Beklagten. Ferner hatte der Kläger – und das ist entscheidend – unstreitig noch einen Fahrzeugschlüssel behalten. Er hatte damit weiterhin jederzeit Zugriff auf das Fahrzeug. Unter diesen Umständen kann nach der Verkehrsauffassung nicht von einer vollständigen Aufgabe der Sachherrschaft des Klägers ausgegangen werden.
cc) Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Beklagte allein oder überwiegend für das Abhandenkommen des Fahrzeugs verantwortlich ist.
Voraussetzung hierfür wäre, dass der Kläger darlegt und nachweist, dass die Ursache für das Abhandenkommen des Fahrzeugs aus dem Herrschafts- und Organisationsbereich der Beklagten stammt (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 326 Rn. 14 m. w. Nachw.). Solches könnte etwa angenommen werden, wenn festzustellen wäre, dass die Beklagte die bei der Hereinnahme fremder Fahrzeuge üblichen Sicherheitsvorkehrungen, wie Verriegelung des Lenkradschlosses, Verschließen der Fahrzeugtüren und sichere Aufbewahrung des ihr überlassenen Schlüssels (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1997, 777; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl., Rn. 2215 m. w. Nachw.) vernachlässigt hätte. Dies ist aber – wie das Landgericht in anderem Zusammenhang zutreffend ausgeführt hat – schon nicht hinreichend dargelegt, jedenfalls aber nicht unter Beweis gestellt. Darüber hinausgehende Sicherungsmaßnahmen schuldete die Beklagte nicht. Insbesondere war sie nicht etwa verpflichtet, das Fahrzeug nachts in einen besonders gesicherten Raum zu verbringen. Eine solche besondere Sicherung ist bei der Ausstellung von Gebrauchtfahrzeugen weder verkehrsüblich (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1997, 777), noch war sie hier aufgrund besonderer Umstände geboten. Anders als in dem vom Kläger zitierten vom LG Waldshut-Tiengen entschiedenen Fall (Urt. v. 13.05.2005 – 2 O 32/04, juris) handelte es sich hier weder um ein seltenes älteres Fahrzeug mit Sammlerwert, das nicht mit einer Wegfahrsperre versehen gewesen wäre, noch hat die Beklagte das Fahrzeug an einer nicht einsehbaren Fläche abgestellt, an der es in besonderer Weise der Diebstahlgefahr ausgesetzt gewesen wäre. Das Fahrzeug stand vielmehr unstreitig auf der beleuchteten, von der Straße aus gut einsehbaren, eigens als Schaugelände gestalteten Betriebsfläche der Beklagten neben anderen zum Verkauf angebotenen Gebrauchswagen. Das Betriebsgelände der Beklagten liegt auch nicht etwa besonders einsam und abgelegen, sondern – wie aus den zu der Akte gereichten Lichtbildern ersichtlich – in einem bebauten Mischgebiet mit vorstädtischem Charakter.
2. Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Freistellung von seiner Zahlungsverpflichtung aus dem Darlehensvertrag mit der B-Bank ergibt sich auch nicht schlüssig aus seinem Hilfsvorbringen. Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280 I, 241 II BGB wegen der Verletzung von Obhuts- oder Aufklärungspflichten aus einem Geschäftsbesorgungs- oder Auftragsverhältnis sind ebenfalls nicht schlüssig dargelegt.
Soweit sich der Kläger hilfsweise das Vorbringen der Beklagten zu eigen gemacht hat, ist das zugrunde liegende Vertragsverhältnis rechtlich entweder als Auftrag (§§ 662 ff. BGB) oder – soweit eine Gewinnbeteiligung/Provision der Beklagten vereinbart war – als entgeltliche Geschäftsbesorgung in Form eines Kommissionsvertrages (§ 675 I BGB i. V. mit § 383 HGB) zu werten. Ein Anspruch auf Freistellung von der Zahlungsverpflichtung aus dem Darlehensvertrag kommt in diesem Zusammenhang nur als Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer Obhuts- oder Aufklärungspflicht in Betracht. Eine solche Pflichtverletzung kann jedoch nach dem eigenen Sachvortrag des Klägers nicht festgestellt werden.
a) Eine Verletzung von Obhutspflichten im Zusammenhang mit der Verwahrung der Fahrzeuge scheidet aus den bereits ausgeführten Gründen aus (s. oben B II 1b cc).
b) Die Beklagte war hier auch nicht verpflichtet, das auf ihr Gelände genommene Fahrzeug gegen Diebstahl zu versichern.
Eine Pflicht zum Abschluss einer Vollkaskoversicherung bejaht der BGH allerdings gegebenenfalls, wenn ein Fahrzeugeigentümer einen gewerblichen Autohändler gegen Entgelt (Provision) damit beauftragt, sein Fahrzeug auf dessen Firmengelände anzubieten und im Namen und für Rechnung des Auftraggebers zu verkaufen (vgl. BGH, Urt. v. 13.01.2011 – III ZR 78/10, NJW 2011, 1726 Rn. 11; Urt. v. 08.01.1986 – VIII ZR 8/85, NJW 1986, 1099 [im Hinblick auf das Schadensrisiko bei Probefahrten]; a. A. OLG Hamm [28. Senat], NJW-RR 1999, 777 unter Hinweis auf den für das Kommissionsgeschäft geltenden § 390 II HGB). Anderes gilt freilich bei einer aus bloßer Gefälligkeit übernommenen Vermittlung eines Gebrauchtfahrzeugs durch ein Autohaus; in solchen Fällen kann der Auftraggeber den Abschluss einer Vollkaskoversicherung auf Kosten des Vermittlers gerade nicht erwarten. Die Überwälzung der Versicherungspflicht auf den unentgeltlich tätigen Vermittler wäre unbillig und widerspräche dem Grundgedanken des Auftragsrechts (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 2218 m. w. Nachw.; OLG Köln, OLGR 1996, 223 ).
Eine entgeltliche Geschäftsbesorgung durch die Beklagte hat der Kläger hier schon nicht schlüssig und substanziiert dargelegt. Nach seinem eigenen Vorbringen wurden zu einer eventuellen Gewinnbeteiligung der Beklagten keine Absprachen getroffen. Die Beklagte hat hingegen vorgetragen, es sei lediglich ein Aufwandsersatz vereinbart gewesen. Dann handelte es sich aber um einen Auftrag i. S. des § 662 BGB. Hierfür spricht auch das gerade von dem Kläger immer wieder betonte freundschaftliche Verhältnis zwischen ihm und S. Bei einem unentgeltlichen Auftragsverhältnis ist der Beauftragte aber keinesfalls verpflichtet, die Gegenstände, die er zur Ausführung des Auftrags erlangt, auf seine eigene Rechnung zu versichern. Die Rechtsprechung des BGH zur entgeltlichen Geschäftsbesorgung lässt sich insofern gerade nicht übertragen.
c) Die Beklagte war schließlich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht verpflichtet, ihn gesondert darauf hinzuweisen, dass sein Fahrzeug nach Abmeldung bei der Straßenverkehrsbehörde nicht mehr gegen Diebstahl versichert war. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte insofern einen Informationsvorsprung vor dem Kläger hatte.
Der Kläger hatte unstreitig Kenntnis davon, dass die Beklagte das Fahrzeug abgemeldet hatte. Ferner wusste er, dass er nach den Bedingungen des Darlehensvertrages mit der B-Bank selbst verpflichtet war, das Fahrzeug auf seine Kosten zu versichern … Nach den aufgezeigten Umständen konnte er auch nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass die unentgeltlich für ihn tätige Beklagte das Fahrzeug auf ihre Kosten versichern würde. Das gilt auch dann, wenn S, wie vom Kläger behauptet, ihm gegenüber erklärt haben sollte, er werde sich im Zusammenhang mit dem Verkauf des Fahrzeugs „um alles kümmern“. Denn eine solche Äußerung konnte und durfte der Kläger nach Treu und Glauben nicht dahin gehend verstehen, dass die unentgeltliche für ihn tätige Beklagte sämtliche auf dem Fahrzeug ruhenden Lasten, insbesondere die Obliegenheit zur Versicherung des Fahrzeuges, auf ihre Kosten übernehmen würde. Die Vorstellung des Klägers, mit der Erteilung des Auftrags an die Beklagte, das Fahrzeug für ihn zu verkaufen, bereits sämtliche Pflichten aus dem Darlehensvertrag auf die Beklagte überwälzt zu haben, ist eine Fehlvorstellung, die er selbst zu vertreten hat.
3. Mangels Begründetheit des Freistellungsbegehrens besteht auch kein Anspruch auf Ersatz der vom Kläger geltend gemachten Prozesskosten als Verzugsschaden gemäß §§ 280 I, 286 BGB. Sonstige Anspruchsgrundlagen für sein Begehren sind nicht ersichtlich.
4. Nach alledem ist die Berufung insgesamt unbegründet …