1. Besteht der Mangel eines Gebrauchtwagens darin, dass das Fahrzeug einen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als „Bagatellschäden“ gekommen ist, so muss der Käufer dem Verkäufer gemäß § 326 V BGB keine Frist zur Nachbesserung setzen, da eine Mangelbeseitigung unmöglich ist.
  2. Als „Bagatellschäden“ sind bei Personenkraftwagen nur ganz geringfügige, äußere (Lack-)Schäden anzusehen, nicht dagegen andere (Blech-)Schäden, auch wenn sie keine weitergehenden Folgen hatten und der Reparaturaufwand nur gering ist (im Anschluss an BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06; Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05).
  3. Ein (Lack-)Schaden, der nicht durch das Auftragen von Spachtelmasse, sondern nur dadurch beseitigt worden ist, dass das Fahrzeug ganz oder teilweise neu lackiert worden ist, ist ein Bagatellschaden.

KG, Beschluss vom 16.06.2014 – 23 U 246/13
(nachfolgend: KG, Beschluss vom 30.07.2014 – 23 U 246/13)

Sachverhalt: Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen sowie auf Ersatz eines Nutzungsausfallschadens in Anspruch.

Das Landgericht (LG Berlin, Urt. v. 24.10.2013 – 32 O 131/13) hat die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Klägerin der Beklagten keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt habe. In ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Berufung hat die Klägerin den Standpunkt eingenommen, der bereits bei Übergabe des Fahrzeugs vorhandene Unfallschaden und der Motorschaden seien erhebliche Mängel, die sie – die Klägerin – zum sofortigen Rücktritt berechtigt hätten.

Mit Beschluss vom 16.06.2014 hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung gemäß § 522 II ZPO zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe.

Aus den Gründen: Das Landgericht hat die Klage zu Recht mit der Begründung abgewiesen, dass der Klägerin wegen unterlassener Fristsetzung kein Rücktrittsrecht zusteht.

1. Die Erforderlichkeit einer Fristsetzung ergibt sich aus den §§ 437 Nr. 2, 323 I BGB. Gemäß § 323 I BGB kann der Gläubiger erst vom Vertrag zurücktreten, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat.

Die Klägerin hat der Beklagten weder vor ihrer Rücktrittserklärung vom 04.10.2012 noch vor der Rücktrittserklärung vom 10.12.2012 eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Die E-Mail des Geschäftsführers der Klägerin vom 06.03.2012 enthält keine Fristsetzung; die jetzt behaupteten Mängel werden darin nicht einmal erwähnt. In dem Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 02.11.2012 hat die Klägerin die Beklagten nicht zur Nacherfüllung aufgefordert, sondern ihr im Gegenteil Reparaturmaßnahmen ausdrücklich untersagt. Auf das Angebot der Beklagten vom 05.11.2012, die behaupteten Mängel unentgeltlich zu beseitigen, ist die Klägerin nicht eingegangen. Sie hat vielmehr mit Schreiben vom 10.12.2012 nur erneut den Rücktritt erklärt.

2. Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass eine Fristsetzung im vorliegenden Fall entbehrlich gewesen sei, weil die Beklagte ihr einen Unfallschaden verschwiegen habe. Diese Argumentation kann sich von vornherein nur auf die beanstandete Nachlackierung der linken Fahrzeugseite beziehen. Soweit ein Mangel des Motors gerügt wird, versagt das Argument.

Hinsichtlich der Nachlackierung ist das Vorbringen der Klägerin im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend; es reicht aber in tatsächlicher Hinsicht nicht zur Feststellung eines Unfallschadens aus.

a) Wenn eine Beseitigung des Mangels der Natur der Sache nach ausgeschlossen ist (§ 326 V BGB), ist eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung entbehrlich. Beim Kauf von Gebrauchtwagen ist dies insbesondere der Fall, wenn das Fahrzeug einen vor Abschluss des Kaufvertrags nicht offenbarten Unfallschaden hat, der nicht als Bagatellschaden zu qualifizieren ist. Als „Bagatellschäden“ sind bei Personenkraftwagen nur ganz geringfügige, äußere (Lack-)Schäden anzusehen, nicht dagegen andere (Blech-)Schäden, auch wenn sie keine weitergehenden Folgen hatten und der Reparaturaufwand nur gering ist (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06 Rn. 20; Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05 Rn. 18).

b) Die Nachlackierung der linken Seitenwand mit einer Schichtstärke von 0,16 mm, die der von der Klägerin beauftragte Sachverständige dokumentiert hat, diente offensichtlich nicht der Beseitigung eines Blechschadens, sondern der Beseitigung oberflächlicher Lackschäden.

Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Fall, der der Entscheidung des BGH vom 10.10.2007 – VIII ZR 330/06 – zugrunde lag. Dort war nach den Tatsachenfeststellungen des Sachverständigen davon auszugehen, dass der Pkw mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen streifenden Anstoß gegen die Tür links und das Seitenteil links erhalten hatte, wobei Tür und Seitenteil eingebeult waren und die Einbeulung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ursprünglich tiefer als die bis zu 5 mm starke Schichtstärke des Spachtelauftrags war. Bei diesem Befund war die Annahme eines erheblichen Unfallschadens gerechtfertigt.

Bei der hier vorliegenden bloßen Neulackierung ohne Spachtelauftrag und mit einer Schichtstärkenerhöhung von 0,16 mm ist sie es nicht. Denn bei Gebrauchtfahrzeugen gehört es nicht ohne Weiteres zur üblichen Beschaffenheit i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB, dass sich alle Fahrzeugteile noch im Originalzustand befinden. Wenn das Fahrzeug ganz oder teilweise mit einer neuen Lackierung versehen worden ist, begründet das keinen Mangel (vgl. BGH, Urt. v. 20.05.2009 – VIII ZR 191/07 Rn. 13 ff.).

Auch die vom Sachverständigen in einem Umkreis von 5 cm festgestellte punktuelle Erhöhung der Schichtstärke auf bis zu 1,5 mm deutet nicht auf einen erheblichen Unfallschaden hin. Die für die Beseitigung des dort möglicherweise vorhanden gewesenen Lackschadens erforderlichen Kosten sind nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten auch so gering zu veranschlagen, dass von einem Bagatellschaden zu reden wäre.

Für eine weitere Begutachtung des Fahrzeugs durch einen vom Gericht bestellten Sachverständigen besteht kein Anlass. Selbst wenn eine weitere Untersuchung ergäbe, dass die durch die Neulackierung beseitigten Lackschäden auf einem Unfall beruhen, bliebe es dabei, dass lediglich Bagatellschäden vorlagen, die einen Rücktritt nicht rechtfertigen können.

Soweit der Sachverständige eine nicht fachgerechte Ausführung der Nachlackierung beanstandet, handelt es sich um einen behebbaren Mangel, der ohne Fristsetzung nicht zum Rücktritt berechtigt.

3. Sonstige besondere Gründe, die eine Fristsetzung entbehrlich machten (§§ 323 II BGB, 440 BGB), sind nicht erkennbar und werden von der Klägerin auch nicht behauptet …

Hinweis: Die Berufung hat das Kammergericht mit Beschluss vom 30.07.2014 – 23 U 246/13 – zurückgewiesen. Zur Begründung hat es „auf die mit Beschluss vom 16.06.2014 erteilten Hinweise Bezug genommen, denen die Klägerin nicht mehr entgegengetreten ist“.

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