Aus dem Zu­stand des Lenk­rads, der Sit­ze, des Schalt­he­bels und des ge­sam­ten – stark ver­schmut­zen und ver­schlis­se­nen – In­nen­raums ei­nes Fahr­zeugs darf nicht oh­ne Wei­te­res ge­schlos­sen wer­den, dass die tat­säch­li­che Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs hö­her sein müs­se als im Kauf­ver­trag an­ge­ge­ben.

OLG Ko­blenz, Be­schluss vom 07.11.2013 – 3 U 751/13

Sach­ver­halt: Die Be­klag­ten zu 2. und 3. be­trie­ben im Jah­re 2009 die Be­klag­te zu 1. Die­se ver­kauf­te dem Klä­ger mit Ver­trag vom 29.08.2009 ei­nen ge­brauch­ten Pkw Mer­ce­des-Benz E 220 CDI zum Preis von 7.750 €. Im Kauf­ver­trag ist ei­ne Ge­samt­fahr­leis­tung von 113.850 km an­ge­ge­ben.

Der Klä­ger hat be­haup­tet, dass das Ge­trie­be des Fahr­zeugs die Gän­ge nicht schal­te und die Ein­spritz­dü­sen nicht ge­nü­gend Kraft­stoff in den Mo­tor ein­spritz­ten, so­dass die­ser kei­ne Leis­tung er­brin­ge. Au­ßer­dem sei die Ben­zin­pum­pe de­fekt, was da­zu füh­re, dass der Mo­tor nicht aus­rei­chend mit Kraft­stoff ver­sorgt wer­de. Dar­über hin­aus sei der Kraft­stoff­ver­brauch des Fahr­zeugs zu hoch. Nach des­sen Über­ga­be am 29.08.2009 ha­be sich im Üb­ri­gen ge­zeigt, dass der Ta­cho de­fekt sei. Er zei­ge we­der die Ge­schwin­dig­keit noch die zu­rück­ge­leg­te Fahr­stre­cke an. Dies zei­ge, dass die Fahr­leis­tung des Fahr­zeu­ges bei Ver­trags­schluss kei­nes­wegs nur 113.850 km, son­dern über 300.000 km be­tra­gen ha­be.

Wei­ter hat der Klä­ger be­haup­tet, er ha­be sämt­li­che Män­gel ge­gen­über den Be­klag­ten ge­rügt, und die­se hät­ten das Fahr­zeug zwei­mal in Re­pa­ra­tur ge­nom­men. Die Män­gel sei­en an­schlie­ßend al­ler­dings noch vor­han­den ge­we­sen.

Mit sei­ner Kla­ge hat der Klä­ger haupt­säch­lich die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses so­wie Scha­dens­er­satz, Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Pkw, ver­langt.

Das LG Mainz hat die Be­klag­ten mit Ver­säum­nis­ur­teil vom 17.08.2010 als Ge­samt­schuld­ner ver­ur­teilt, an den Klä­ger, Zug um Zug ge­gen Ab­ho­lung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw, 9.936,87 € nebst Zin­sen zu zah­len.

Ge­gen das Ver­säum­nis­ur­teil hat nur der Be­klag­te zu 2. Ein­spruch ein­ge­legt. Das Land­ge­richt hat dar­auf­hin die ge­gen ihn ge­rich­te­te Kla­ge un­ter Auf­he­bung des Ver­säum­nis­ur­teils ab­ge­wie­sen. Zur Be­grün­dung hat es aus­ge­führt, die Be­weis­auf­nah­me ha­be nicht er­ge­ben, dass sämt­li­che Män­gel ge­gen­über dem Be­klag­ten zu 2. ge­rügt wor­den sei­en. Es sei­en auch kei­ne An­halts­punk­te da­für er­sicht­lich, dass der Be­klag­te zu 2. ei­ne Män­gel­be­sei­ti­gung ab­ge­lehnt ha­be. Im üb­ri­gen ha­be der Klä­ger sei­ne Be­haup­tung, das Fahr­zeug ha­be bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags ei­ne Lauf­leis­tung von min­des­tens 200.000 bis 300.00 km ge­habt, nicht be­wie­sen. Der Sach­ver­stän­di­ge Dipl.-Ing. L ha­be in sei­nem Gut­ach­ten vom 15.10.2012 zwar aus­ge­führt, dass da­von aus­zu­ge­hen sei, dass die tat­säch­li­che Lauf­leis­tung er­heb­lich über der im Kauf­ver­trag an­ge­ge­be­nen Lauf­leis­tung lie­ge. Es fehl­ten aber kon­kre­te An­halts­punk­te da­für, wie der Sach­ver­stän­di­ge zu die­ser Auf­fas­sung kom­me. Sei­ne Aus­füh­run­gen in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 24.04.2013 sei­en rein spe­ku­al­ti­ver Na­tur ge­we­sen.

Die Be­ru­fung des Klä­gers hat­te kei­nen Er­folg. Das Ober­lan­des­ge­richt hat sie zu­rück­ge­wie­sen, nach­dem es zu­vor – mit Be­schluss vom 07.11.2013 – auf die­se Ab­sicht hin­ge­wie­sen hat­te.

Aus den Grün­den: II. Die … Be­ru­fung des Klä­gers hat of­fen­sicht­lich kei­ne Aus­sicht auf Er­folg.

1. Das Land­ge­richt hat zu Recht das Ver­säum­nis­ur­teil vom 17.08.2010 auf­ge­ho­ben und die ge­gen den Be­klag­ten zu 2. ge­rich­te­te Kla­ge ab­ge­wie­sen.

Dem Klä­ger ste­hen ge­mäß § 437 I Nr. 2 und 3 BGB i. V. mit § 434 BGB kei­ne Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che ge­gen den Be­klag­ten zu 2., we­der auf Rück­gän­gig­ma­chung des Kauf­ver­trags noch auf Scha­dens­er­satz, zu. Der Klä­ger hat … nicht den Nach­weis er­brin­gen kön­nen, dass der ver­kauf­te Pkw Mer­ce­des-Benz bei Ge­fahr­über­gang nicht die nach dem Ver­trag ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit hat­te.

Der Rück­tritt vom Kauf­ver­trag setzt ge­mäß §§ 437 I Nr. 2, 323 BGB vor­aus, dass bei ei­nem ge­gen­sei­ti­gen Ver­trag der Schuld­ner ei­ne fäl­li­ge Leis­tung nicht oder nicht ver­trags­ge­mäß er­bracht hat und der Gläu­bi­ger dem Schuld­ner er­folg­los ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Leis­tung oder Nach­er­fül­lung be­stimmt hat. Die vom Land­ge­richt ver­nom­me­nen Zeu­gen H und A ver­moch­ten nicht zu be­stä­ti­gen, dass die vom Klä­ger ge­schil­der­ten Män­gel sämt­lich ge­gen­über dem Be­klag­ten ge­rügt wor­den sei­en und der Be­klag­te zu 2. den Pkw Mer­ce­des-Benz dann zu­nächst drei bis vier Ta­ge in Re­pa­ra­tur und schließ­lich er­neut zur Re­pa­ra­tur her­ein­ge­nom­men ha­be. Der Sohn des Klä­gers, der Zeu­ge A, ha­be le­dig­lich be­kun­det, dass am Kof­fer­raum ei­ne Dich­tung ge­fehlt und der Pkw beim Wech­seln der Gän­ge Schwie­rig­kei­ten ge­habt ha­be. Au­ßer­dem ha­be ein Zweit­schlüs­sel ge­fehlt. Nach ei­ner Wo­che ha­be sein Va­ter den Pkw noch­mals über­prü­fen las­sen. Der Zeu­ge A ha­be zwar be­kun­det, sein Va­ter ha­be schließ­lich noch­mals Män­gel bei dem Be­klag­ten ge­rügt, der Be­klag­te ha­be die Män­gel am Te­le­fon je­doch be­strit­ten.

Aus den Be­kun­dun­gen des Zeu­gen A lässt sich … je­doch nicht ent­neh­men, dass die Be­klag­ten un­ter Frist­set­zung auf­ge­for­dert wor­den wä­ren, die vom Klä­ger ge­schil­der­ten Män­gel zu be­he­ben. Das Land­ge­richt ist auf­grund der durch­ge­führ­ten Be­weis­auf­nah­me zu­tref­fen­der Wei­se zu der Über­zeu­gung ge­langt, dass kei­ne An­halts­punk­te da­für be­ste­hen, dass die Be­klag­ten ei­ne Män­gel­be­sei­ti­gung ab­ge­lehnt hät­ten. Ei­ne Frist zur Nach­bes­se­rung war auch nicht ent­behr­lich. Für den Rück­tritt vom Pkw-Kauf­ver­trag ist ei­ne Frist­set­zung zur Nach­bes­se­rung nur ent­behr­lich, wenn min­des­tens zwei fehl­ge­schla­ge­ne Nach­bes­se­rungs­ver­su­che vor­ge­le­gen ha­ben und zum Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung der Man­gel noch be­stan­den hat (OLG Ko­blenz, Beschl. v. 29.04.2010 – 2 U 1120/09, NJW-RR 2010, 1501 = ZGS 2010, 378 = MDR 2010, 921).

Der Klä­ger hat auch nicht er­folg­reich den Nach­weis da­für er­brin­gen kön­nen, dass der ver­kauf­te Pkw … zum Zeit­punkt des Ab­schlus­ses des Kauf­ver­trags be­reits ei­ne Lauf­leis­tung von min­des­tens 200.000 bzw. 300.000 km hat­te. Das Land­ge­richt hat über­zeu­gend aus­ge­führt, dass der Sach­ver­stän­di­ge Dipl.-Ing. L in sei­nem Gut­ach­ten vom 15.10.2012 zwar dar­ge­legt hat, dass die tat­säch­li­che Lauf­leis­tung des Pkw er­heb­lich über der im Kau­ver­trag an­ge­ge­be­nen Lauf­leis­tung lie­ge. Es fehl­ten aber kon­kre­te An­halts­punk­te da­zu, wie der Sach­ver­stän­di­ge zu die­ser Auf­fas­sung kom­me. Ent­spre­chen­des gel­te für des­sen Er­gän­zungs­gut­ach­ten vom 08.02.2013. Der Sach­ver­stän­di­ge ha­be schließ­lich in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 24.04.2013 er­läu­tert, dass er aus dem Zu­stand des Lenk­rads, der Sit­ze, des Schalt­he­bels und des ge­sam­ten stark ver­schmut­zen und ver­schlis­se­nen In­nen­raums des Fahr­zeugs Schlüs­se auf die Fahr­leis­tung im Au­gust 2009 ge­zo­gen ha­be. Er ha­be die Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs im Au­gust 2009 auf 200.000 km ge­schätzt, wo­bei er be­tont ha­be, dass es im­mer dar­auf an­kom­me, ob das Fahr­zeug ge­pflegt oder un­ge­pflegt sei.

Der Se­nat teilt die Auf­fas­sung des Land­ge­richts, dass die An­nah­me und Schluss­fol­ge­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen rein spe­ku­la­ti­ver Na­tur sind und kei­ne An­halts­punk­te da­für be­ste­hen, dass das Fahr­zeug zum Zeit­punkt des Kauf­ver­trags­schlus­ses be­reits ei­ne Lauf­leis­tung von 200.000 km … ge­habt ha­be.

2. Die von der Be­ru­fung hier­ge­gen er­ho­be­nen Ein­wän­de ver­mö­gen nicht durch­zu­drin­gen. Die Be­ru­fung wen­det sich oh­ne Er­folg ge­gen die Be­weis­wür­di­gung des Land­ge­richts. Das Land­ge­richt war nicht ge­hal­ten, der Schluss­fol­ge­rung des Sach­ver­stän­di­gen L, aus dem Zu­stand des Fahr­zeugs sei zu schlie­ßen, dass es zum Zeit­punkt des Kauf­ver­trags be­reits ei­ne Lauf­leis­tung von 200.000 km … ge­habt ha­be, zu fol­gen. Die An­ga­ben des Sach­ver­stän­di­gen sind rein spe­ku­la­ti­ver Na­tur. Der Be­klag­te zu 2. weist in sei­ner Be­ru­fungs­er­wi­de­rung zu­tref­fend dar­auf hin, dass der Klä­ger selbst in der Sit­zung vom 24.04.2013 mit­ge­teilt ha­be, das Fahr­zeug ha­be durch sei­ne Nut­zung im Zeit­punkt der Be­gut­ach­tung be­reits ei­ne Lauf­leis­tung von 173.000 km ge­habt. Die Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen Dipl.-Ing. L, das Lenk­rad sei über­durch­schnitt­lich ab­ge­grif­fen, das Lenk­rad­spiel über­durch­schnitt­lich weit ge­we­sen, es sei­en über­durch­schnitt­li­che Ge­brauchs­spu­ren vor­han­den, kön­nen mög­li­cher­wei­se auch mit ei­ner über­mä­ßi­gen Nut­zung durch den Klä­ger er­klärt wer­den. Im­mer­hin hat­te der Klä­ger das Fahr­zeug zum Zeit­punkt der ers­ten Be­sich­ti­gung am 01.08.2012 be­reits drei Jah­re im Be­sitz.

Es sind kei­ne An­halts­punk­te für ei­ne an­geb­li­che Be­weis­ver­ei­te­lung durch die Be­klag­ten er­sicht­lich. Ei­ne Be­weis­ver­ei­te­lung setzt ein miss­bil­li­gens­wer­tes Ver­hal­ten ei­ner Par­tei … vor oder wäh­rend des Ver­fah­rens vor­aus, wo­durch die Be­weis­füh­rung des Geg­ners … un­mög­lich ge­macht oder er­schwert wor­den wä­re (Zöl­ler/Gre­ger, ZPO, 30. Aufl. [2013], § 286 Rn. 14a). Ei­ne Be­weis­ver­ei­te­lung kann ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­ru­fung nicht be­reits da­mit be­grün­det wer­den, dass mit den vom Sach­ver­stän­di­gen un­ter­such­ten Fahr­zeug­pa­pie­ren und dem Ser­vice­heft ei­ne Über­prü­fung des tat­säch­li­chen Ki­lo­me­ter­stands des Fahr­zeugs nicht mög­lich war. Es sind auch kei­ne An­halts­punk­te da­für vor­han­den, dass der Be­klag­te zu 2. dem Klä­ger die Be­weis­füh­rung schuld­haft er­schwert oder un­mög­lich ge­macht hät­te (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2005 – VI­II ZR 43/05, NJW 2008, 214; Urt. v. 17.10.2007 – VI­II ZR 251/06, NJW 2009, 316

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