Der Käufer eines Neuwagens, der sein Fahrzeug nicht bei einem Vertragshändler erwirbt, kann nicht erwarten, dass der Verkäufer seinen Verträgen automatisch die Preis- und Ausstattungsliste des Herstellers zugrunde legt. Das gilt umso mehr, wenn es sich um ein reimportiertes Fahrzeug handelt und der Kaufpreis (deshalb) weit unter dem Listenpreis liegt.
AG Charlottenburg, Urteil vom 10.07.2013 – 215 C 72/13
Sachverhalt: Die Klägerin kaufte von der Beklagten, einer freien Kfz-Händlerin, mit Kaufvertrag vom 13.04.2012 einen Skoda Yeti 1.2 TSI Ambition für 21.750 €. Das an die Klägerin ausgelieferte Fahrzeug verfügt zwar über Bluetooth; es ist jedoch nicht mit einem Vier-Speichen-Multifunktionslenkrad ausgestattet.
Die Klägerin sah darin einen Sachmangel und nahm die Beklagte auf Nacherfüllung in Anspruch. Ihre Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: 2. Die Klage ist … unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Nacherfüllung … aus §§ 437 Nr. 1, 439 I, 434 I, 433 BGB gegen die Beklagte.
Auf der Grundlage des Vortrags des Parteien kann nämlich nicht festgestellt werden, dass das an die Klägerin ausgelieferte Fahrzeug einen Sachmangel insofern aufweist, als das Fahrzeug unstreitig lediglich mit einer Bluetooth-Vorrichtung, nicht jedoch mit einem Vier-Speichen-Multifunktionslenkrad aus Leder mit Bedienfunktion für Radio und Telefon ausgestattet ist.
Eine Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit i. S. von § 434 I 1 BGB kann nicht angenommen werden, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass Gegenstand der Bestellung der Klägerin auch ein solches Vier-Speichen-Multifunktionslenkrad war. Zwar hat die Klägerin behauptet, dass es ihr bei der Bestellung gerade auch auf ein solches Lenkrad angekommen sei, sie die Bestellung anhand der Preis- und Ausstattungsübersicht für den Skoda Yeti, Modelljahr 2012, vorgenommen habe und dieses Ausstattungsmerkmal lediglich deswegen nicht vollständig, sondern durch den Stichpunkt „Bluetooth“ in das Bestellformular aufgenommen worden sei, weil der Mitarbeiter der Beklagten ihr erklärt habe, dass für die volle Bezeichnung des Sonderausstattungsmerkmals nicht genug Platz sei und nicht alles ausgeschrieben werden müsse. Die Beklagte bestreitet aber, dass die Parteien eine Vereinbarung über die Lieferung eines solchen Multifunktionslenkrades geschlossen haben, dass es der Klägerin bei der Bestellung auf dieses Lenkrad angekommen sei und dass die Preis- und Ausstattungsübersicht Gegenstand des Kaufvertrages gewesen sei.
Die Klägerin, die sich zur Begründung des von ihr geltend gemachten Anspruchs auf die Abweichung des gelieferten Fahrzeugs von der vereinbarten Beschaffenheit beruft, trifft insofern die Beweislast (vgl. BGH, Urt. v. 02.06.2004 – VIII ZR 329/03 m. w. Nachw.). Die Klägerin hat jedoch für eine solche Beschaffenheitsvereinbarung im Zusammenhang mit den Kaufvertragsverhandlungen und dem Abschluss des Kaufvertrages keinen ausreichenden Beweis angeboten.
Soweit sie sich … für die Behauptungen, ihr sei es gerade auf das Multifunktionslenkrad angekommen, und die Bestellung sei anhand der Preis- und Ausstattungsübersicht erfolgt, auf Zeugen berufen hat, hat sie auf Nachfrage des Gerichts im Termin vom 26.06.2013 klargestellt, dass die Zeugen lediglich bekunden könnten, welche Gespräche zuhause im Kreis der Familie über die Bestellung des Fahrzeugs durch die Klägerin geführt worden seien. Ein solcher Beweisantritt ist aber nicht geeignet, um den tatsächlichen Gegenstand der Bestellung zu belegen. Dabei soll nicht davon ausgegangen werden, dass einem Beweisantritt durch Zeugen, denen gegenüber die beweisbelastete Partei Erklärungen über einen bestimmten Sachverhalt abgegeben haben will, generell keinerlei Beweiswert hinsichtlich des tatsächlichen Ablaufs des Sachverhalts zukommt. Vorliegend kommt es aber genau darauf an, welche konkreten Angaben die Klägerin bei der Bestellung im Zusammenhang mit der von ihr gewünschten Sonderausstattung gemacht hat, weil es ansonsten nämlich zu einer Abweichung zwischen dem von der Klägerin eigentlich Gemeinten und dem von ihr Formulierten gekommen sein könnte. So könnte die Klägerin erklärt haben, sie wünsche eine Bluetooth-Einrichtung, in der Annahme, damit das eigentlich von ihr gewollte Multifunktionslenkrad bestellt zu haben. Einen solchen Verlauf lässt jedenfalls das Bestellformular, in das eben lediglich „Bluetooth“ eingetragen ist, möglich erscheinen. Daher spricht hier Inhalt des schriftlichen Vertrages, auf den sich der Käufer zur Stützung eines behaupteten Vertragsinhaltes berufen kann, nicht für die Klägerin. Insofern helfen die möglicherweise im Kreis der Familie geführten Gespräche über die von ihr beabsichtigte Sonderausstattung zur Feststellung dessen, was die Klägerin tatsächlich bestellt hat, nicht weiter.
Dem weiteren Beweisangebot der Klägerin in Form ihrer eigenen Parteivernehmung war … nicht nachzukommen, weil die Beklagte dem nicht zugestimmt hat, wobei gemäß § 447 ZPO die ausdrückliche Zustimmung vorliegen muss, sodass es auf den fehlenden Widerspruch nicht ankommt, die Klägerin aber auch noch nicht einigen Beweis erbracht hat, weswegen eine Vernehmung von Amts wegen gemäß § 448 ZPO nicht in Betracht kommt.
Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht auf eine im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigende Anhörung ihrer eigenen Person gemäß § 141 ZPO stützen. Zwar ist eine Anhörung der Parteien zur Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich möglich. Ein Beweiswert kann dem Ergebnis einer solchen Anhörung jedoch nur in engen, ursprünglich im Rahmen des Verkehrsunfallrechts entwickelten Grenzen beigemessen werden. Dazu ist es erforderlich, dass dem Beweisführer ein Zeuge zur Verfügung steht, dem Beweisgegner aber aufgrund von Umständen, die auf bloßen Zufälligkeiten beruhen, nicht. Als grundlegendes Beispiel ist dazu eben der Verkehrsunfall, bei dem aufseiten des Beweisführers eine halterverschiedene Person (häufig der Ehegatte) Fahrzeugführer war, während auf Beweisgegnerseite der Halter selbst gefahren ist, anzuführen. Ähnliches gilt möglicherweise bei Vertragsverhandlungen zwischen Firmen, wenn aufseiten des Beweisführers ein inhaberverschiedener Mitarbeiter die Verhandlungen geführt hat, aufseiten des Beweisgegners aber der Inhaber selbst. Hier jedoch kommt diese Parteianhörung zum Zwecke der Beweisführung aus Gründen der Chancengleichheit schon deswegen nicht in Betracht, weil die Klägerin selbst Beweisführerin ist. In diesem Fall greift das in der Rechtsprechung entwickelte Institut der im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigenden Parteianhörung jedoch nicht.
Die Klägerin ist damit für ihre Behauptung, Gegenstand ihrer Bestellung sei ein … Vier-Speichen-Multifunktionslenkrad gewesen, auf das es ihr angekommen sei, wobei die Bestellung auf die Preis- und Ausstattungsübersicht gestützt worden sei, beweisfällig geblieben. Daher kann ein Mangel im Sinne einer Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit gemäß § 434 I 1 BGB nicht festgestellt werden.
Die Klägerin kann das Vorliegen eines Mangels auch nicht auf § 434 I 3 BGB stützen.
Dabei geht es um öffentliche Äußerungen unter anderem des Verkäufers über Eigenschaften der verkauften Sache zum Beispiel in der Werbung, die dann deren Soll-Beschaffenheit mit bestimmen. Insofern wäre hier an die von der Klägerin angeführte Preis- und Ausstattungsübersicht zu denken, in der eben – wie die Klägerin anführt – eine Bluetooth-Vorrichtung, wie sie unstreitig bestellt wurde, nur im Rahmen des von ihr geltend gemachten Vier-Speichen.Multifunktionslenkrades oder eines sogar teureren Drei-Speichen-Mulitfunktionslenkrades erhältlich ist.
Die Klägerin kann sich vorliegend aber auf die Preis- und Ausstattungsübersicht als öffentliche Äußerung der Beklagten sogar aus zwei Gründen nicht beziehen:
Zum einen hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass sie weder eine Skoda-Niederlassung betreibe noch eine Skoda-Vertragshändlerin sei. Die Klägerin kann aber nicht davon ausgehen, dass ein typenungebundenes Autohaus seinen Verträgen automatisch – das heißt ohne ausdrückliche Vereinbarung, deren fehlende Beweisbarkeit oben bereits erörtert wurde – die Preis- und Ausstattungsübersicht des Herstellers zugrunde legt. Dass genau das hier nicht der Fall war, ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass die Klägerin dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten zufolge ihr Fahrzeug um einige tausend Euro günstiger erworben hat als gemäß Preisliste. Das war von der Klägerin sicherlich auch so beabsichtigt und gewünscht. Die Klägerin kann aber nicht die für sie günstigen Abweichungen von der Preis- und Ausstattungsliste in Anspruch nehmen, sich aber andererseits bei von ihr gewünschten Ausstattungsmerkmalen auf die zwingende Geltung der Ausstattungsliste stützen wollen.
Zum anderen hat die Beklagten wiederum unbestritten vorgetragen, dass es sich bei dem von der Klägerin bestellten Fahrzeug um einen dänischen Reimport gehandelt habe, was so beworbener Geschäftszweck der Beklagten sei und worauf die Klägerin auch ausdrücklich hingewiesen worden sei. Die – wie erwähnt unwidersprochene – Kenntnis der Klägerin wird noch gestützt durch das Bestellformular selbst, das in Groß- und Fettdruck die Überschrift „BESTELLUNG FÜR EIN EU-IMPORTFAHRZEUG“ aufweist. Bei der damit anzunehmenden Kenntnis und aus Kostengründen sogar auch Absicht der Klägerin, dass sie eben nicht ein deutsches Modell, sondern ein Importfahrzeug kauft, durfte die Klägerin aber nicht berechtigterweise davon ausgehen, dass dennoch die deutsche Ausstattungsliste gelten würde (insbesondere da, wie oben bereits ausgeführt, die untrennbar damit verbundene deutsche Preisliste ja nicht gelten sollte). Der Klägerin war wegen der Preisabweichung gerade bewusst, dass die Preis- und Ausstattungsliste nicht Grundlage ihres Vertrages geworden wäre, da sie ansonsten auch den höheren Preis hätte zahlen müssen. Sie kann sich daher nicht darauf berufen, dass genau nach dieser Liste Bluetooth nicht ohne das Multifunktionslenkrad zu erhalten und diese Liste Gegenstand von öffentlichen Äußerungen der Beklagten gewesen wäre. Das Gegenteil ist angesichts der gewollten und vereinbarten Preisabweichung der Fall.
Somit kann die Klägerin das Vorliegen eines Sachmangels … nicht unter Beweis stellen, sodass ein Anspruch aus §§ 437 Nr. 1, 439 I, 434 I, 433 BGB auf Nacherfüllung nicht besteht.
Der Klägerin steht … ein Anspruch auf die geltend gemachte Nacherfüllung gegen die Beklagte auch nicht aus § 443 I BGB zu. Es sind nämlich keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich und von der Klägerin auch nicht vorgetragen, dass die Beklagte sogar eine in den Voraussetzungen oder dem Umfang über die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche hinausgehende Garantie für das Vorhandensein eines Vier-Speichen-Multifunktionslenkrades übernommen hätte. Eine solche Garantie kann zwar auch konkludent übernommen werden, muss aber wegen ihrer weitreichenden Rechtsfolgen ihrem Inhalt nach eindeutig sein. Hier fehlt es jedoch bereits an jeglichen Ansatzpunkten, deren Erklärungsinhalt im Rahmen der Auslegung auf die Abgabe einer Garantie untersucht werden könnte. Für die Preis- und Ausstattungsübersicht kann dazu auf die obigen Ausführungen … verwiesen werden. Letztlich sieht wohl auch die Klägerin selbst keine Anhaltspunkte für eine Garantie, da sie dazu … nicht weiter ausgeführt hat …
Da weitere Anspruchsgrundlagen nicht in Betracht kommen, war die Klage – mangels Hauptanspruchs auch wegen des auf Verzug gestützten Nebenanspruchs hinsichtlich der Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren – abzuweisen …