1. Wird im Kauf­ver­trag über ei­nen Ge­braucht­wa­gen der Ki­lo­me­ter­stand oder die Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs mit dem Zu­satz „lt. Vor­be­sit­zer“ an­ge­ge­ben, liegt in­so­weit le­dig­lich ei­ne Wis­sens­mit­tei­lung, aber kei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung vor.
  2. Ein Ver­käu­fer, der le­dig­lich er­wor­be­nes Wis­sen wei­ter­gibt („lt. Vor­be­sit­zer“), muss ihm be­kann­te Tat­sa­chen, die die Rich­tig­keit der ent­spre­chen­den An­ga­ben in­fra­ge stel­len kön­nen, of­fen­ba­ren. Un­ter­lässt er dies, kommt ei­ne Haf­tung aus cul­pa in con­tra­hen­do (§§ 280 I, 311 II Nr. 2, 241 II BGB) in Be­tracht.

LG Er­furt, Ur­teil vom 31.07.2013 – 3 O 601/13

Sach­ver­halt (ver­ein­facht): Die Par­tei­en, die ge­werb­lich mit Kraft­fahr­zeu­gen han­deln, strei­ten um die Rech­te und Pflich­ten aus ei­nem Ge­braucht­wa­gen­kauf.

Am 30.09.2010 ver­äu­ßer­te der Be­klag­te ei­nen Ge­braucht­wa­gen „oh­ne Ga­ran­tie und Ge­währ­leis­tung“ an die Klä­ge­rin. Im schrift­li­chen Kauf­ver­trag heißt es un­ter an­de­rem: „km-Stand lt. Vor­be­sit­zer: ca. 131.286“. Die Klä­ge­rin be­rei­te­te das Fahr­zeug auf und ver­äu­ßer­te es ih­rer­seits mit schrift­li­chem Kauf­ver­trag vom 03.11.2010 an H. In die­sem Kauf­ver­trag heißt es un­ter an­de­rem: „Ki­lo­me­ter­stand lt. Ta­cho: ca. 131.414“.

H er­klär­te den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag, nach­dem sich er­wie­sen hat­te, dass das Fahr­zeug bei Über­ga­be an ihn ei­ne weit hö­he­re Lauf­leis­tung als 131.414 km – näm­lich ei­ne sol­che von ca. 277.000 km – hat­te. An­schlie­ßend nahm er die hie­si­ge Klä­ge­rin ge­richt­lich mit Er­folg auf Er­stat­tung des Kauf­prei­ses in An­spruch.

Die auf Scha­dens- und Auf­wen­dungs­er­satz in Hö­he von 9.586,94 € nebst Zin­sen ge­rich­te­te Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: In der Sa­che kann die Klä­ge­rin kei­ne An­sprü­che auf Scha­dens­er­satz oder Auf­wen­dungs­er­satz ge­mäß §§ 437 Nr. 3, 440, 280 ff., 311a, 284 BGB … er­folg­reich gel­tend ma­chen …

Grund­le­gend für sämt­li­che An­sprü­che wä­re, dass sich die [Klä­ge­rin] ge­gen­über dem Be­klag­ten auf ei­nen Sach­man­gel i. S. des § 434 BGB be­ru­fen könn­te. Dies ist aber nicht der Fall.

Zwar kann an­ge­nom­men wer­den, dass zum Zeit­punkt der Über­ga­be der … Pkw … ei­ne weit­aus hö­he­re Lauf­leis­tung auf­wies als im Kauf­ver­trag vom 30.09.2010 aus­ge­wie­sen. Die dort aus­ge­wie­se­ne Lauf­leis­tung ist aber we­der i. S. des § 434 BGB ver­ein­bart noch als Be­schaf­fen­heits­merk­mal i. S. des § 444 BGB ga­ran­tiert mit der Fol­ge, dass sich auf den Um­stand der Lauf­leis­tungs­an­ga­be der ver­ein­bar­te Haf­tungs­aus­schluss wirk­sam be­zie­hen konn­te, selbst wenn die Lauf­leis­tung i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB ein Merk­mal der ge­wöhn­li­chen Be­schaf­fen­heit wä­re. Erst recht er­gibt der Sach­ver­halt auch kei­ne aus­rei­chen­den An­halts­punk­te für ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung.

Bei ver­stän­di­ger Wür­di­gung der An­ga­ben des Be­klag­ten sind die­se näm­lich le­dig­lich als „An­ga­be laut Vor­be­sit­zer“ zu qua­li­fi­zie­ren. Ei­ne sol­che An­ga­be ist le­dig­lich ei­ne Wis­sens­mit­tei­lung oder Wis­sens­er­klä­rung (vgl. BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VI­II ZR 253/05, NJW 2008, 1517; Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 11. Aufl. [2012], Rn. 2785 f.; je­weils m. w. Nachw.) und ist mit kei­ner Wil­lens­er­klä­rung ver­bun­den, für die Rich­tig­keit der frem­den An­ga­ben ein­ste­hen zu wol­len …

Al­ler­dings trifft den­je­ni­gen, der ei­ne sol­che Wis­sens­er­klä­rung ab­gibt, ei­ne ge­stei­ger­te Sorg­falts­pflicht da­hin ge­hend, dass die Va­li­di­tät der frem­den Er­klä­rung zu of­fen­ba­ren ist. Tat­sa­chen, die ge­eig­net sind, Miss­trau­en in die Rich­tig­keit der An­ga­ben zu be­grün­den, sind zu of­fen­ba­ren (et­wa die Tat­sa­che des Er­werbs von ei­nem „flie­gen­den Händ­ler“), wid­ri­gen­falls ei­ne Haf­tung aus der Ver­let­zung die­ser Pflicht ge­mäß §§ 280 I, 241 II, 311 II BGB be­grün­det sein kann.

Vor­lie­gend gibt es aber nicht aus­rei­chen­den Tat­sa­chen­vor­trag zu ei­ner sol­chen Rechts­ver­let­zung. Der Be­klag­te hat­te of­fen­bart, dass das Fahr­zeug aus­län­di­sche Fahr­zeug­pa­pie­re be­sitzt und kei­ne tech­ni­sche Zu­las­sung. Zu­dem wur­den Män­gel of­fen­bart. Ei­nem ge­werb­li­chen Händ­ler wie der Er­wer­be­rin wa­ren da­mit aus­rei­chend Tat­sa­chen an die Hand ge­ge­ben, um zu be­ur­tei­len wie wert­hal­tig die Fremd­an­ga­be ist. An­halts­punk­te, dass der Be­klag­te ein über­le­ge­nes Wis­sen ge­habt ha­ben könn­te, gibt es nicht. Auch muss­te der Be­klag­te als eben­falls ge­werb­li­cher Händ­ler nicht wei­ter­ge­hen­des Miss­trau­en in die Fremd­an­ga­be ent­wi­ckeln als die Er­wer­be­rin selbst.

Vor die­sem Hin­ter­grund kommt ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung un­ter dem Ge­sichts­punkt der An­ga­ben „ins Blaue hin­ein“ oder der Ver­let­zung ei­ner Auf­klä­rungs­pflicht eben­falls nicht in Be­tracht …

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