Gibt der Verkäufer in einem Kaufvertrag über einen Gebrauchtwagen die Anzahl der Vorbesitzer mit dem (einschränkenden) Zusatz „soweit bekannt“ an, so handelt es sich um eine bloße Wissensmitteilung und haben die Parteien hinsichtlich der Anzahl der Vorbesitzer keine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen. Das gilt selbst dann, wenn der Kaufvertrag einen Gewährleistungsausschluss enthält, von dem nicht nur Garantieversprechen, sondern auch Erklärungen des Verkäufers ausgenommen sein sollen.

LG Münster, Urteil vom 22.09.2009 – 3 S 48/09
(nachfolgend: BGH, Beschluss vom 02.11.2010 – VIII ZR 287/09)

Sachverhalt: Mit schriftlichem Kaufvertrag – einem Formularvertrag – vom 03.08.2008 erwarb der Kläger vom Beklagten einen Pkw mit Automatikgetriebe zum Preis von 13.300 €. Beide Parteien sind keine Unternehmer i. S. des § 14 BGB.

Auf Seite 1 des Vertrages heißt es unter der Überschrift „Ausschluss der Sachmängelhaftung“:

„Das Kraftfahrzeug wird unter Ausschluss der Sachmängelhaftung verkauft, soweit der Verkäufer nicht nachstehend eine Garantie oder Erklärung abgibt. Der Ausschluss der Sachmängelhaftung gilt nicht im Falle des Vorsatzes und der groben Fahrlässigkeit sowie bei Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit.“

Sodann folgt die Überschrift „Garantien und Erklärungen des Verkäufers“. Hier heißt es unter anderem unter der Überschrift „Gesamtfahrleistung“: „Der Verkäufer garantiert, dass das Kraftfahrzeug eines Gesamtfahrleistung von 70.400 km hat.“ Unter der Überschrift „Vorbesitzer“ heißt es:

„Der Verkäufer erklärt, dass das Kraftfahrzeug – soweit ihm bekannt – 1 (Anzahl) Vorbesitzer (Personen, auf die das Kraftfahrzeug zugelassen war) hatte.“

Unstreitig hatte das am 03.12.2003 erstmals zugelassene Fahrzeug aber vor dem Beklagten zwei Besitzer.

Der Kläger hat wegen der abweichenden Anzahl der Vorbesitzer eine Minderung des Kaufpreises in Höhe von 1.500 € geltend gemacht, wobei er den geminderten Wert des Fahrzeugs unter Sachverständigenbeweis gestellt hat. Er hat die Ansicht vertreten, bei der abweichenden Anzahl der Vorbesitzer handele es sich um einen Sachmangel i. S. des § 434 BGB. Aufgrund der vertraglichen Regelungen sei die Gewährleistung auch nicht ausgeschlossen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zwar bezüglich der Anzahl der Vorbesitzer ein Mangel vorliege. Die Gewährleistungsrechte des Klägers seien aber gemäß § 442 BGB ausgeschlossen, weil der Kläger es grob fahrlässig unterlassen habe, die Anzahl der Vorbesitzer durch einen Blick in die Zulassungsbescheinigung Teil II zu ermitteln.

Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Ein Minderungsrecht gemäß §§ 437 Nr. 2, 441 BGB steht dem Kläger bereits deshalb nicht zu, weil es sich bei der vom Beklagten mitgeteilten Anzahl der Vorbesitzer nicht um eine Beschaffenheitsvereinbarung i. S. von § 434 I 1 BGB und damit bei der abweichenden Anzahl der Vorbesitzer nicht um einen Sachmangel im Sinne dieser Vorschrift handelt.

Das Amtsgericht hat sich insoweit nicht mit der geänderten Rechtsprechung des BGH in seiner Entscheidung vom 12.03.2008 (BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517) auseinandergesetzt. In dieser Entscheidung hat der BGH unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung zur Frage der angegebenen Unfallfreiheit eines gebrauchten Fahrzeugs ausgeführt, dass die Angabe „Unfallschäden laut Vorbesitzer: nein“ keine Beschaffenheitsvereinbarung, sondern lediglich eine Wissenserklärung oder Wissensmitteilung sei. Das Gleiche gelte, wenn Angaben zu bestimmten Merkmalen mit der Einschränkung „laut Fahrzeugbrief“ verbunden seien. Der BGH hat in dieser Entscheidung allgemein ausgeführt, dass die Annahme der Vereinbarung einer Beschaffenheit, für deren Fehlen der Verkäufer nach Maßgabe der §§ 437 ff. BGB haftet, nicht mehr „im Zweifel“, sondern nur noch in einem eindeutigen Fall in Betracht kommt. So spreche die Einschränkung „laut Vorbesitzer“ erkennbar dafür, dass die Verkäuferin nicht für die Unfallfreiheit des Fahrzeugs habe haften wollen.

Legt man diese allgemeinen Ausführungen des BGH zugrunde, so handelt es sich vorliegend bei der Erklärung des Beklagten, das Fahrzeug habe – soweit ihm bekannt – einen Vorbesitzer gehabt, nicht um eine Beschaffenheitsvereinbarung, weil aufgrund der Einschränkung „soweit ihm bekannt“ kein eindeutiger Fall vorliegt, in dem der Beklagte als Verkäufer hierfür hat haften wollen.

An dieser rechtlichen Beurteilung ändert auch nichts, dass in dem hier verwendeten Formular … unter dem Punkt „Ausschluss der Sachmängelhaftung“ diese ausgeschlossen wird, soweit der Verkäufer nicht eine der nachstehenden Garantien oder Erklärungen abgibt. Die Einbeziehung der „Erklärungen“ in den Nichtausschluss der Sachmängelhaftung könnte möglicherweise beim Käufer die Erwartung begründen, der Verkäufer wolle neben den garantierten Eigenschaften auch für die bloß erklärten Eigenschaften haften. Gleichwohl ist im Ergebnis nach der oben angeführten Rechtsprechung des BGH in der vom Beklagten abgegebenen Wissenserklärung, dass das Fahrzeug, soweit ihm bekannt, einen Vorbesitzer gehabt habe, keine Beschaffenheitsvereinbarung zu sehen. Jedenfalls ist der Vertrag trotz der Formulierung, dass auch die bloß erklärten Eigenschaften vom Gewährleistungsausschluss nicht erfasst sind, aufgrund der Formulierung „soweit ihm bekannt“ nicht so eindeutig, wie der BGH dies in seiner Entscheidung vom 12.03.2008 gefordert hat, um eine Beschaffenheitsvereinbarung anzunehmen; insoweit soll eine Beschaffenheitsvereinbarung im Zweifel gerade nicht mehr angenommen werden.

Da demnach eine Beschaffenheitsvereinbarung nicht vorliegt, kommt ein Gewährleistungsanspruch wegen der höheren Zahl der Vorbesitzer als der angegebenen bereits dem Grunde nach nicht in Betracht. Auf die vom Amtsgericht erörterte Frage, ob solche Ansprüche aufgrund grober Fahrlässigkeit gemäß § 442 BGB ausgeschlossen sind, kommt es danach nicht mehr an. Gleichwohl neigt die Kammer dazu, eine grobe Fahrlässigkeit des Klägers insoweit nicht anzunehmen …

Die Kammer hat die Revision gemäß § 543 II Nrn. 1 und 2 ZPO zugelassen. Zum einen hat die Rechtssache deshalb grundsätzliche Bedeutung, weil davon auszugehen ist, dass aufgrund der Verwendung eines Formularvertrags die hier maßgeblichen Klauseln bei einer Vielzahl von Pkw-Kaufverträgen eine Rolle spielen. Zum anderen erfordert die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BGH, damit dieser gegebenenfalls seine Rechtsprechung … auch im Hinblick auf die Wiedergabe nicht näher konkretisierter Kenntnisse des Verkäufers sowie im Hinblick auf die hier verwendete Klausel zum Gewährleistungsausschluss weiter präzisieren und fortentwickeln kann.

Hinweis: Die Revision des Klägers gegen dieses Urteil wurde zurückgenommen, nachdem der BGH den Hinweis erteilt hatte, dass er beabsichtige, das Rechtsmittel durch einstimmigen Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen (Beschl. v. 02.11.2010 – VIII ZR 287/09). In dem Hinweisbeschluss heißt es:

„[1]    1. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§§ 552a Satz 1, 543 II 1 ZPO).

[2]    Das Berufungsgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und zur Fortbildung des Rechts zugelassen (§ 543 II Nr. 1 und Nr. 2 ZPO). Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergebe sich daraus, dass aufgrund der Verwendung eines Formularvertrags die hier maßgeblichen Klauseln

Ausschluss der Sachmängelhaftung:

Das Kraftfahrzeug wird unter Ausschluss der Sachmängelhaftung verkauft, soweit der Verkäufer nicht nachstehend eine Garantie oder Erklärung abgibt. Der Ausschluss der Sachmängelhaftung besteht nicht im Falle des Vorsatzes und der groben Fahrlässigkeit sowie bei Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit.

Garantien und Erklärungen des Verkäufers:

Gesamtfahrleistung
Der Verkäufer garantiert, dass das Kraftfahrzeug eine Gesamtfahrleistung von 70.400 km hat.

Vorbesitzer
Der Verkäufer erklärt, dass das Kraftfahrzeug – soweit ihm bekannt – 1 (Anzahl) Vorbesitzer (Personen, auf die das Kraftfahrzeug zugelassen war) hatte.‘

bei einer Vielzahl von Pkw-Kaufverträgen eine Rolle spielten. Überdies erforderten die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BGH, damit dieser gegebenenfalls seine Rechtsprechung, die sich im Senatsurteil vom 12.03.2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517 ff. – auf die Wiedergabe von Inhalten des Fahrzeugbriefs bzw. Kenntnissen des Vorbesitzers durch den Verkäufer bezogen habe, auch im Hinblick auf die Wiedergabe nicht näher konkretisierter Kenntnisse des Verkäufers sowie im Hinblick auf die hier verwendete Klausel zum Gewährleistungsausschluss weiter präzisieren und fortentwickeln könne.

[3]    Diese Erwägungen tragen indes keinen der genannten Revisionszulassungsgründe. Die Maßstäbe für die Beantwortung der vom Berufungsgericht zum Anlass der Zulassung genommenen Frage sind durch die Rechtsprechung des BGH hinreichend geklärt.

[4]    Der Senat hat in seinem oben erwähnten Urteil vom 12.03.2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rn. 12 ff., 16 – entschieden, dass sich aus einer Angabe des Verkäufers, wonach Unfallschäden laut Vorbesitzer nicht vorlägen, keine Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 I 1 BGB ergebe, sondern dass es sich hierbei lediglich um eine Wissenserklärung oder – besser – Wissensmitteilung handele, mit der der Verkäufer die Angabe des Vorbesitzers wiedergebe. Der Senat hat in diesem Zusammenhang den Zusatz ‚laut Fahrzeugbrief‘ als einen der vorstehend genannten einschränkenden Formulierung vergleichbaren Zusatz angeführt. Damit und mit der im genannten Senatsurteil erfolgten abschließenden Beurteilung, dass nach der Schuldrechtsmodernisierung die Annahme der Vereinbarung einer Beschaffenheit nicht mehr ‚im Zweifel‘, sondern nur noch in einem eindeutigen Fall in Betracht komme (Senat, Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rn. 13), hat der Senat die Maßstäbe geklärt, nach denen künftig das Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung bei Angaben mit einschränkenden Zusätzen, die die Eigenschaften des Fahrzeugs betreffen und zu denen auch der hier streitgegenständliche einschränkende Zusatz ‚soweit ihm bekannt‘ gehört, zu beurteilen ist. Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung für eine weitergehende höchstrichterliche Leitentscheidung. Die Maßstäbe für die rechtliche Bewertung sind vielmehr höchstrichterlich so weitgehend geklärt, dass hierdurch die rechtliche Beurteilung der Zulassungsfrage vorgezeichnet ist.

[5]    2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass von den Parteien aufgrund des einschränkenden Zusatzes ‚soweit bekannt‘ keine Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich der Anzahl der Vorbesitzer des verkauften Gebrauchtwagens getroffen worden ist und dem Kläger kein Recht auf Minderung des Kaufpreises zusteht, hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.

[6]    a) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe bei der Verneinung einer Beschaffenheitsvereinbarung rechtsfehlerhaft nicht gewürdigt, dass nach dem Vertrag nicht nur die Garantien, sondern auch die Erklärungen des Verkäufers von dem vereinbarten Ausschluss der Sachmängelgewährleistung ausgenommen worden seien, … woraus folge, dass der Beklagte für seine Erklärung zur Anzahl der Vorbesitzer trotz des Zusatzes ‚soweit ihm bekannt‘ nach §§ 434 ff. BGB zu haften habe. Entgegen der Auffassung der Revision hat sich das Berufungsgericht in den Gründen seiner Entscheidung mit diesem Gesichtspunkt ausdrücklich befasst. Es ist auch unter Zugrundelegung der Annahme, dass vom Gewährleistungsausschluss neben Garantien auch die Erklärungen des Verkäufers ausgenommen seien, zu dem Ergebnis gelangt, dass es dem Vertrag angesichts des Zusatzes ‚soweit bekannt‘ an der nach der Rechtsprechung des Senats für eine Beschaffenheitsvereinbarung erforderlichen Eindeutigkeit fehle. Gegen diese Beurteilung ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.

[7]     b) Ebenfalls ohne Erfolg bleibt die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den Klageanspruch zu Unrecht nur unter dem Gesichtspunkt der Minderung geprüft, nicht aber die Frage aufgeworfen, ob die Klage (auch) unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Verschuldens bei Vertragsschluss (§§ 280 I, 241 II, 311 II BGB) begründet sei. … Denn auf der unterbliebenen Prüfung eines möglichen Schadensersatzanspruchs wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen beruht das Berufungsurteil nicht. Die Voraussetzungen eines solchen Schadensersatzanspruchs liegen nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vor.

[8]    Entgegen der Auffassung der Revision steht einem Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss hier bereits der grundsätzliche Vorrang des Sachmängelgewährleistungsrechts entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 27.03.2009 – V ZR 30/08, BGHZ 180, 205 Rn. 19 ff.; Senat, Urt. v. 16.12.2009 – VIII ZR 38/09, NJW 2010, 858 Rn. 20), auf das die Klage alleine gestützt worden ist und dessen Regelungsbereich hier, anders als die Revision meint, betroffen ist. Von einem arglistigen (vorsätzlichen) Verhalten des Beklagten, für das nach der vorstehend genannten Rechtsprechung des BGH eine Ausnahme vom Vorrang des Sachmängelgewährleistungsrechts gilt, ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht auszugehen. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte zu Fragen, deren Beantwortung erkennbar maßgebliche Bedeutung für den Kläger hatte, ohne tatsächliche Grundlagen ins Blaue hinein unrichtige Angaben gemacht hat (vgl. Senat, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 Rn. 13; Urt. v. 21.01.1975 – VIII ZR 101/73, BGHZ 63, 382 [388]), lassen sich den Feststellungen ebenso wenig entnehmen wie solche für eine vorsätzliche Aufklärungspflichtverletzung seitens des Beklagten (vgl. Senat, Urt. v. 16.12.2009 – VIII ZR 38/09, NJW 2010, 858 Rn. 21). …“

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