Bestreitet der angebliche Kfz-Käufer das Zustandekommen eines Kaufvertrags, während der Verkäufer behauptet, er habe eine „verbindliche Bestellung“ des Kunden mündlich angenommen, so ist im Rahmen der Beweisaufnahme zu klären, ob eine Annahmeerklärung tatsächlich abgegeben wurde. Darauf, wie wahrscheinlich die Abgabe einer Annahmeerklärung ist, kommt es nicht an; ebenso bedarf es nicht des Vortrags, wie die Annahme erfolgt sein soll.
BGH, Beschluss vom 12.03.2013 – VIII ZR 179/12
Sachverhalt: Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage den Restkaufpreis von 116.626 € netto aus einem Kaufvertrag über ein Reisemobil, dessen Zustandekommen die Beklagten bestreiten. Der Beklagte zu 2 begehrt widerklagend die Rückzahlung eines von ihm – aus im Einzelnen streitigen Gründen – angezahlten Betrags von 10.000 €.
Ende Februar 2010 unterzeichnete die Beklagte zu 1, vertreten durch ihren Geschäftsführer, den Beklagten zu 2, eine an die Klägerin gerichtete „Verbindliche Bestellung“ über ein Reisemobil. Ausweislich des Bestellformulars, das in der Rubrik „Zahlungsweise und sonstige Vereinbarungen“ den handschriftlichen Zusatz „Barzahlung evtl. Leasing“ enthielt, sollte der Käufer an die Bestellung höchstens drei Wochen gebunden sein. Der Kaufvertrag sollte abgeschlossen sein, wenn der Verkäufer die Annahme der Bestellung innerhalb dieser Frist schriftlich bestätigt oder die Lieferung ausführt.
Zwischen den Parteien ist u. a. streitig, ob die Annahme der Bestellung innerhalb der Frist erfolgt ist. Insoweit hat die Klägerin unter Vorlage eines Sendungsprotokolls, das für die Sendung einen „OK“-Vermerk enthält, geltend gemacht, der Beklagten zu 1 – die jeden Zugang bestritten hat – Anfang März 2010 den Auftrag sowohl durch Telefax als auch durch Brief bestätigt zu haben. Außerdem hat die Klägerin unter Antritt von Zeugenbeweis behauptet, die Bestellung bereits am Tage ihrer Aufgabe mündlich angenommen zu haben.
Die Vorinstanzen haben die auf Zahlung des Kaufpreises gerichtete Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben, weil nicht von einem wirksamen Zustandekommen des Kaufvertrags ausgegangen werden könne. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde insoweit, als ihre Klage im Verhältnis zur Beklagten zu 1 keinen Erfolg gehabt hat und sie im Verhältnis zum Beklagten zu 2 hinsichtlich der Widerklage unterlegen ist. Die Nichtzulassungsbeschwerde hatte Erfolg; die Sache wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Aus den Gründen: [5] II. … 1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
[6] Die Klägerin habe einen Zugang der schriftlichen Auftragsbestätigung bei der Beklagten zu 1 nicht bewiesen. Auch das von ihr vorgelegte Sendeprotokoll belege einen Zugang nicht, da die Beklagten ausreichend substanziiert und auch nicht erkennbar unwahr vorgetragen hätten, dass an sie abgesandte Faxe mehrfach nicht in den Speicher ihres Geräts gelangt und nicht ausgedruckt worden seien. Da dies der Beklagten zu 1 nicht als Zugangsvereitelung anzulasten sei, könne ein Zugang auch nicht fingiert werden.
[7] Ebenso wenig habe es einen früheren Vertragsschluss durch mündliche Angebotsannahme gegeben. Der dahingehend angetretene Zeugenbeweis sei unerheblich, weil die behauptete mündliche Annahme durch den Geschäftsführer der Klägerin angesichts der Urkundenlage unwahrscheinlich und durch den unter Beweis gestellten Sachvortrag nicht ausreichend belegt sei. Die Klägerin habe keine Tatsachen vorgetragen, wie die Annahme erfolgt sein solle bzw. woraus sie sich ergeben solle. Die vorgetragenen Tatsachen wie Ausfüllen des Formulars, Gratulation und gemeinsames Essen seien keine eindeutigen Indizien für die Annahme. Auch die von der Klägerin zum Beleg dafür angeführten schriftlichen Unterlagen, dass die Beklagten später von einem wirksamen Vertrag ausgegangen seien, seien nicht eindeutig. Insbesondere ergebe sich daraus nicht, dass die Bestellung mündlich angenommen worden sei. Dass die Beteiligten damals von einem wirksamen Vertrag ausgegangen seien, ändere nichts an der fehlenden Annahme der Bestellung durch die Klägerin.
[8] Zwar sei aufgrund des späteren Verhaltens der Beklagten einschließlich des E-Mail-Verkehrs, der Bemühungen um eine Leasingfinanzierung und der Bezahlung von 10.000 € davon auszugehen, dass die Übernahme des bestellten Reisemobils gewünscht gewesen sei. Sie sei jedoch nicht aufgrund des ursprünglich beabsichtigten Kaufvertrags gewünscht gewesen. Denn bevor es zu dessen Annahme durch die Klägerin oder zu einer Bestätigung des Geschäfts durch die Beklagte zu 1 gekommen sei, sei der Klägerin mitgeteilt worden, dass ein Kauf durch die Beklagte zu 1 nicht möglich sein würde, sondern eine Übernahme nur auf der Basis eines Leasingvertrags erfolgen könne.
[9] 2. Der Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist stattzugeben, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§§ 543 II 1 Nr. 2 Fall 2, 544 VI, VII ZPO). Das Berufungsgericht hat – wie die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht geltend macht – den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt, weil es die Substanziierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt hat, den entscheidungserheblichen Sachvortrag der Klägerin in der nach Art. 103 I GG gebotenen Weise zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben (vgl. zuletzt Senat, Beschl. v. 28.02.2012 – VIII ZR 124/11, WuM 2012, 311 Tz. 5; Urt. v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, NJW 2012, 382 Tz. 13; jeweils m. w. Nachw.).
[10] a) Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen, wobei unerheblich ist, wie wahrscheinlich diese Darstellung ist. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei ggf. die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. v. 28.02.2012 – VIII ZR 124/11, WuM 2012, 311 Tz. 6; Beschl. v. 21.07.2011 – IV ZR 216/09, VersR 2011, 1384 Tz. 6). Dies hat das Berufungsgericht verkannt.
[11] b) Die Klägerin hat – worauf die Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend hinweist – bereits im ersten Rechtszug unter Antritt von Zeugenbeweis vorgetragen, ihr Geschäftsführer habe unmittelbar nach der Unterschrift des Beklagten zu 2 diesem gegenüber mündlich die Annahme der Bestellung erklärt. Ob eine solche Erklärung, die ungeachtet der ersichtlich nur zu Beweiszwecken vorgesehenen Schriftform zum wirksamen Zustandekommen des Kaufvertrags ausreicht (vgl. BGH, Urt. v. 08.10.2008 – XII ZR 66/06, NJW 2009, 433 Tz. 27), abgegeben worden ist, ist durch Erhebung des angetretenen Beweises zu klären. Dagegen ist die Frage, ob eine solche Annahmeerklärung wahrscheinlich oder – wie das Berufungsgericht meint – angesichts der Urkundenlage unwahrscheinlich ist, für die Erheblichkeit und damit die Beweisbedürftigkeit des Vorbringens der Klägerin ebenso wenig von Belang wie der vom Berufungsgericht vermisste Tatsachenvortrag, wie die Annahme erfolgt sei bzw. woraus sie sich ergebe. Denn wie wahrscheinlich die unmittelbar wahrnehmbare Haupttatsache der Annahmeerklärung ist, oder ob sie – wovon das Berufungsgericht auszugehen scheint – letztlich nur auf einer Schlussfolgerung aus Indizien beruht, für deren Berücksichtigungsfähigkeit es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts aber schon ausgereicht hätte, dass die unter Beweis gestellten Tatsachen bereits die ernstliche Möglichkeit des logischen Rückschlusses auf den zu beweisenden Tatbestand bieten (BGH, Beschl. v. 16.06.2011 – V ZR 22/11, juris Tz. 10), ändert an der Erheblichkeit der unter Beweis gestellten Haupttatsache und ihrer Beweisbedürftigkeit nichts.
[12] Dementsprechend durfte das Berufungsgericht weder den Vortrag weiterer Einzeltatsachen zu der als Haupttatsache behaupteten Annahmeerklärung verlangen noch deren Erheblichkeit aufgrund einer Würdigung weiterer Indizien verneinen und dadurch den Beweisantritt zur Haupttatsache aufgrund der Würdigung von Indiztatsachen übergehen (BGH, Beschl. v. 26.11.2010 – LwZR 23/09, juris Tz. 12; Beschl. v. 30.09.2010 – IX ZR 136/08, juris Tz. 7; Beschl. v. 11.05.2010 – VIII ZR 212/07, NJW-RR 2010, 1217 Tz. 10 f.; jeweils m. w. Nachw.). Es war vielmehr Sache des Berufungsgerichts, in die Beweisaufnahme einzutreten und die benannte Zeugin nach allen Einzelheiten zu befragen, die ihm für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Bekundungen erforderlich erschienen, sodass die Nichtberücksichtigung des erheblichen Beweisangebots der Klägerin eine ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzende unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung darstellt (vgl. BGH, Beschl. v. 21.07.2011 – IV ZR 216/09, VersR 2011, 1384 Tz. 6; Beschl. v. 26.11.2010 – LwZR 23/09, juris Tz. 12; Beschl. v. 21.05.2007 – II ZR 266/04, WM 2007, 1569 Tz. 8; Urt. v. 25.07.2005 – II ZR 199/03, WM 2005, 1847 [unter II 2b]). Denn ob der angetretene Beweis – wie das Berufungsgericht ersichtlich meint – unergiebig ist, weil die neben der Haupttatsache der Vertragsannahme vorgetragenen weiteren Tatsachen dafür keine eindeutigen Indizien bildeten, lässt sich im Allgemeinen erst beurteilen, wenn der Beweis zur Haupttatsache und erforderlichenfalls zu den weiter vorgetragenen Hilfstatsachen erhoben ist (vgl. BAG, Urt. v. 05.11.2003 – 5 AZR 562/02, juris m. w. Nachw.).
[13] 3. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des unter Beweis gestellten Vorbringens der Klägerin zur Annahme der Bestellung zu einer anderen Beurteilung des Falls gelangt wäre, ist das Berufungsurteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 VII ZPO). Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 563 I 2 ZPO Gebrauch.
[14] Bei der neuen Verhandlung wird das Berufungsgericht auch Gelegenheit haben, gem. § 139 ZPO auf einen Vortrag der Beklagten dazu hinzuwirken, ob bei ihnen ein Empfangsjournal für das eingesetzte Faxgerät vorhanden ist oder welche Dokumentation sie sonst auf Empfangsseite geführt haben, und welche Bedeutung dem beigemessen werden kann (vgl. Senat, Urt. v. 07.12.1994 – VIII ZR 153/93, WM 1995, 341 [unter II 3c]; OLG Frankfurt a. M., IBR 2010, 267). Gegebenenfalls wird das Berufungsgericht weiter zu prüfen haben, ob – wie von der Klägerin angeregt – nach den Umständen Anlass besteht, gem. § 142 I ZPO der Beklagten zu 1 eine Vorlage einer ihr Telefaxgerät betreffenden Empfangsdokumentation für den von der Klägerin behaupteten und durch Sendebericht belegten Sendezeitraum aufzugeben (vgl. dazu BGH, Urt. v. 26.06.2007 – XI ZR 277/05, BGHZ 173, 23 Tz. 16, 18 ff.; Beschl. v. 15.06.2010 – XI ZR 318/09, WM 2010, 1448 Tz. 25).