- Der Tatbestand des § 1 I Nr. 1 KraftStG ist verwirklicht, wenn das Fahrzeug nach den verkehrsrechtlichen Vorschriften zum Verkehr zugelassen worden ist, unabhängig davon, ob das Fahrzeug auch tatsächlich im Straßenverkehr genutzt wird oder genutzt werden darf.
- Durch die Zuteilung eines Saisonkennzeichens wird die Befugnis zum Betrieb des Fahrzeugs, nicht dagegen die Geltung der Zulassung zeitlich begrenzt.
BFH, Urteil vom 18.04.2012 – II R 32/10
Sachverhalt: Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt einen gewerblichen Handel mit Nutzfahrzeugen. Im Rahmen dieser Tätigkeit schafft sie Fahrzeuge an, meldet diese bei der Zulassungsstelle an und kurz darauf wieder ab (sog. Tageszulassungen) und veräußert sie danach weiter.
Am 08.09.2008 meldete die Klägerin einen importierten Lkw für den Saisonzeitraum Oktober/November an. Ihr wurde neben den Zulassungspapieren ein entsprechendes Saisonkennzeichen ausgehändigt. Einen Tag später, am 09.09.2008, meldete die Klägerin das Fahrzeug wieder ab.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) setzte zunächst mit Bescheid vom 21.10.2008 die Kraftfahrzeugsteuer für den Saisonzeitraum 01.10.2008 bis 30.11.2008 in Höhe von 35 € fest. Mit einem nach § 12 II Nr. 3 KraftStG geänderten Bescheid vom 22.10.2008 setzte das Finanzamt unter Hinweis auf die Mindeststeuerpflicht von einem Monat gemäß § 5 I Nr. 1 KraftStG die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vom 08.09.2008 bis zum 07.10.2008 in Höhe von 17 € fest.
Einspruch und Klage gegen den Bescheid vom 22.10.2008 blieben erfolglos. Das Finanzgericht führte in seinem Urteil aus, die verkehrsrechtliche Zulassung nach § 5 I Nr. 1 KraftStG sei mit dem auf dem Saisonkennzeichen ausgewiesenen Betriebszeitraum des Fahrzeugs nicht gleichzusetzen. Das Saisonkennzeichen begrenze lediglich die Befugnis zum Betrieb des Fahrzeugs, nicht aber die Geltung der Zulassung. Lägen Zulassung/Anmeldung und Stilllegung/Abmeldung des Fahrzeugs zeitlich vor Beginn des ersten Saisonzeitraums, trete an Stelle der Steuerfestsetzung für den jeweiligen Saisonzeitraum gemäß § 12 I 2 KraftStG die Festsetzung ab dem Datum der Zulassung nach § 5 I Nr. 1 KraftStG.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 1 I Nr. 1 und § 5 I Nr. 1 KraftStG. Mit dem Halten von Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen und dem Merkmal der Zulassung zum Verkehr könne nur der Zeitraum gemeint sein, in welchem das Fahrzeug auf der Straße auch benutzt werden dürfe. Bei der Erteilung von Saisonkennzeichen dürfe das Fahrzeug auf öffentlichen Straßen nur während des auf dem Kennzeichen angegebenen Zeitraums genutzt werden. Im Streitfall sei das Fahrzeug aber bereits vor Beginn des Verwendungszeitraums wieder abgemeldet worden. Darin liege kein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 22.10.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.12.2008 aufzuheben. Die Revision hatte keinen Erfolg; sie wurde als unbegründet zurückgewiesen (§ 126 II FGO).
Aus den Gründen: I. … Das Finanzgericht hat zutreffend die Voraussetzungen von § 1 I Nr. 1 und § 5 I Nr. 1 KraftStG bejaht und die Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für einen Monat für rechtmäßig erachtet.
1. Steuergegenstand der Kraftfahrzeugsteuer ist nach § 1 I Nr. 1 KraftStG das Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen. Die Merkmale dieses Tatbestands sind nicht erst dann verwirklicht, wenn mit dem Fahrzeug eine öffentliche Straße tatsächlich befahren wird, sondern schon dann, wenn das Fahrzeug nach den verkehrsrechtlichen Vorschriften über das Zulassungsverfahren für Kraftfahrzeuge (§§ 1 ff. FZV) „zum Verkehr zugelassen“ worden ist (BFH, Beschl. v. 20.04.2006 – VII B 332/05, BFH/NV 2006, 1519). Denn mit der Zulassung hat der Halter das Recht erlangt, das Fahrzeug „auf öffentlichen Straßen … in Betrieb“ zu setzen (§ 3 I FZV). An dieses Recht knüpft das Gesetz die Steuer. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift („Halten zum …“) und ihrem Zusammenhang mit § 1 I Nr. 4 KraftStG (BFH, Urt. v. 07.03.1984 – II R 40/80, BFHE 140, 480 = BStBl II 1984, 459), wonach – ausnahmsweise – auch die widerrechtliche Benutzung des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen den Steuertatbestand erfüllt.
Die Zulassungsbehörde hat das Fahrzeug der Klägerin am 08.09.2008 ordnungsgemäß zum Straßenverkehr zugelassen. Die Klägerin war damit berechtigt, das angemeldete Fahrzeug zum Verkehr auf öffentlichen Straßen i. S. des § 1 I Nr. 1 KraftStG zu nutzen. Dies allein ist maßgeblich für die Besteuerung.
2. Dass der Nutzungszeitraum im Streitfall auf die Kalendermonate Oktober und November des Jahres 2008 beschränkt war, steht der Anwendung des § 1 I Nr. 1 KraftStG nicht entgegen.
a) Durch die 23. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 12.11.1996 (BGBl I 1996, 1738) wurde mit Wirkung ab dem 01.03.1997 das sogenannte Saisonkennzeichen eingeführt. Nach dem neu eingefügten § 23 Ib 1 StVZO a.F. wurde auf Antrag für ein Fahrzeug ein auf einen nach vollen Monaten bemessenen Zeitraum (Betriebszeitraum) befristetes amtliches Kennzeichen zugeteilt, das jedes Jahr in diesem Zeitraum auch wiederholt verwendet werden durfte. Durch die Regelung sollten die Fahrzeughalter von den früher notwendigen Behördengängen und den Kosten für eine vorübergehende Stilllegung des Fahrzeugs und die anschließende Wiederanmeldung entlastet werden (vgl. Recktenwald, UVR 1997, 225 [234]; Bruschke, UVR 2001, 324). Seit dem 01.03.2007 ist das Saisonkennzeichen in § 9 III FZV geregelt. Nach § 9 III 5 FZV dürfen Fahrzeuge mit Saisonkennzeichen auf öffentlichen Straßen nur während des angegebenen Betriebszeitraums in Betrieb genommen oder abgestellt werden.
b) Durch die Zuteilung eines Saisonkennzeichens wird die Befugnis zum Betrieb des Fahrzeugs, nicht dagegen die Geltung der Zulassung zeitlich begrenzt. Ein Fahrzeug mit Saisonkennzeichen ist daher ununterbrochen zugelassen, also auch während des jeweiligen negativen Betriebszeitraums (BFH, Urt. v. 13.01.2005 – VII R 12/04, BFHE 208, 315 = BStBl II 2005, 365; OVG Hamburg, Urt. v. 14.08.2001 – 3 Bf 385/00, NZV 2002, 150; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 9 FVZ Rn. 6).
Die Rechtslage ist vergleichbar mit dem zeitlichen Verbot, das für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassene Fahrzeug zu nutzen, zum Beispiel aufgrund eines Fahrverbotes für Lkw an Sonn- und Feiertagen (vgl. BFH, Urt. v. 06.08.1958 – II 109/57 U, BFHE 67, 332 = BStBl III 1958, 402; FG Thüringen, Urt. v. 27.04.1994 – I K 131/93, EFG 1994, 982) oder aufgrund eines generellen Fahrverbotes für alle Kfz (FG Niedersachsen, Urt. v. 23.04.1974 – III 26/74, EFG 1974, 387: Fahrverbot an drei Sonntagen während der sogenannte „Ölkrise“ im Herbst 1973). In diesen Fällen besteht die Steuerpflicht auch in dem Zeitraum fort, in dem der Fahrzeughalter tatsächlich und/oder rechtlich zeitweilig gehindert ist, das Fahrzeug im Straßenverkehr zu nutzen. Solange das Fahrzeug für den Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen ist, handelt es sich um ein „Halten“ i. S. des § 1 I Nr. 1 KraftStG. Der Begriff des Haltens knüpft bei zulassungspflichtigen Fahrzeugen allein an das Innehaben der Zulassung an (BFH, Urt. v. 04.03.1986 – VII R 166/83, BFHE 146, 282 [285, 287] = BStBl II 1986, 531; Urt. v. 13.01.1987 – VII R 150/84, BFHE 148, 542 = BStBl II 1987, 272), durch die auch die Person des Steuerschuldners bestimmt wird (§ 7 Nr. 1 KraftStG; BFH, Urt. v. 13.01.1987 – VII R 150/84, BFHE 148, 542 = BStBl II 1987, 272).
3. Zutreffend ist die Steuer gemäß § 5 I Nr. 1 KraftStG für den Mindestzeitraum von einem Monat in – unstreitiger – Höhe von 17 € festgesetzt worden.
a) Nach § 5 I Nr. 1 KraftStG dauert die Steuerpflicht bei einem inländischen Fahrzeug, solange das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist, mindestens jedoch einen Monat. Der Begriff der „Zulassung zum Verkehr“ wird im KraftStG nicht definiert, sondern richtet sich wiederum gemäß § 2 II 1 KraftStG nach den jeweils geltenden verkehrsrechtlichen Vorschriften (Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, § 5 Rn. 6).
Die Klägerin hat das Fahrzeug nach den verkehrsrechtlichen Vorschriften für einen Tag angemeldet. Im Streitzeitraum gab es keine spezielle Regelung für die Dauer der Steuerpflicht bei Saisonkennzeichen. Nach dem Wortlaut der allgemeinen Vorschrift des § 5 I Nr. 1 KraftStG war die Steuer für einen Mindestzeitraum von einem Monat festzusetzen. Die Mindestbesteuerung für einen Monat bei Zulassung eines Fahrzeugs nur für einen Tag ist weder verfassungs- noch unionsrechtswidrig (vgl. FG Münster, Urt. v. 06.03.2001 – 13 K 6759/00 Kfz, EFG 2001, 925).
b) Der Besteuerung für einen Monat steht nicht entgegen, dass die Klägerin das Fahrzeug bereits vor dem Saisonzeitraum wieder abgemeldet hat und infolgedessen das Fahrzeug zu keinem Zeitpunkt im öffentlichen Straßenverkehr nutzen konnte. § 5 I Nr. 1 KraftStG knüpft wie § 1 I Nr. 1 KraftStG allein an die Zulassung und nicht an die Berechtigung zur Nutzung an.
Unbeachtlich ist, dass die Finanzverwaltung erst ab Beginn des Jahres 2008 bei Tageszulassungen in Verbindung mit dem Antrag auf einen Saisonzeitraum außerhalb der tatsächlichen Zulassung die einmonatige Mindeststeuer nach § 5 I Nr. 1 KraftStG festgesetzt hat (vgl. Strodthoff, a. a. O., § 5 Rn. 52 ff.). Durch die bis Ende 2007 übliche Verwaltungspraxis, in diesen Fällen von einer Steuerfestsetzung abzusehen, ist ein im Streitzeitraum andauernder Vertrauenstatbestand nicht geschaffen worden. Maßgeblich für die Besteuerung ist allein das Gesetz und nicht die Auslegung desselben durch die Finanzverwaltung. Steuerpflichtige durften nicht darauf vertrauen, dass das Gesetz über die ausdrücklich aufgegebene Verwaltungspraxis hinaus nicht weiter angewandt werde.
Etwas anderes folgt auch nicht aus der mit Wirkung ab 05.11.2008 erfolgten Änderung des § 5 I Nr. 4 KraftStG und der späteren Einführung des inhaltsgleichen § 5 I Nr. 5 KraftStG. Dadurch hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass bei Zuteilung eines Saisonkennzeichens die Kraftfahrzeugsteuer ebenfalls für mindestens einen Monat festzusetzen und zu erheben ist. Es handelt sich um eine gesetzliche Klarstellung (vgl. BT-Drs. 16/10930, S. 10; Strodthoff, a. a. O., § 5 Rn. 54) und nicht um eine Änderung der bis dahin bestehenden Rechtslage.