Wer als Ver­käu­fer für ei­nen Kauf­ge­gen­stand wirbt und für die Kauf­ent­schei­dung För­der­mög­lich­kei­ten her­aus­stellt, muss die Vor­aus­set­zun­gen da­für rich­tig und so voll­stän­dig dar­stel­len, dass beim Käu­fer über kei­nen für sei­ne Ent­schei­dung mög­li­cher­wei­se we­sent­li­chen Um­stand ei­ne Fehl­vor­stel­lung er­weckt wird. Die­se Pflicht ver­letzt ein Kfz-Händ­ler, der er­klärt, ein Fahr­zeug ent­spre­che den Kri­te­ri­en für die Be­wil­li­gung ei­ner Ab­wrack­prä­mie, statt dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne För­de­rung des Fahr­zeugs noch nicht ab­schlie­ßend ge­re­gelt sind.

LG Traun­stein, Ur­teil vom 04.08.2011 – 8 S 838/11

Sach­ver­halt: Die Par­tei­en strei­ten um Scha­dens­er­satz we­gen der nicht er­folg­ten Zah­lung der „Um­welt­prä­mie“.

Das AG Traun­stein hat den be­klag­ten Kfz-Händ­ler in der Haupt­sa­che zur Zah­lung von Scha­dens­er­satz in Hö­he von 2.500 € nebst Zin­sen und vor­ge­richt­li­cher Kos­ten ver­ur­teilt. Es hat an­ge­nom­men, der Be­klag­te ha­be die Klä­ge­rin falsch be­ra­ten, in­dem er er­klärt ha­be, das der Klä­ge­rin an­ge­bo­te­ne Fahr­zeug er­fül­le die Vor­aus­set­zun­gen für die Zah­lung der Ab­wrack­prä­mie. Dies war tat­säch­lich nicht der Fall, da das Fahr­zeug nicht nur ei­ne Ta­ges­zu­las­sung, son­dern auch ei­ne aus­län­di­sche Re­gis­trie­rungs­zu­las­sung auf­wies.

Die ge­gen die­ses Ur­teil ge­rich­te­te Be­ru­fung des Be­klag­ten blieb oh­ne Er­folg.

Aus den Grün­den: B. … I. An­spruchs­grund­la­ge § 311 II BGB

Die Klä­ge­rin hat ei­nen An­spruch auf Scha­dens­er­satz in Hö­he von 2.500 € ge­mäß § 311 II BGB (cul­pa in con­tra­hen­do).

Grund­sätz­lich ist es Sa­che ei­ner je­den Ver­trags­par­tei, sich über Chan­cen und Ri­si­ken ei­nes Ge­schäfts vor Ab­schluss des Ver­trags zu in­for­mie­ren. Ent­schei­dend ist, ob ei­ne Auf­klä­rung nach Treu und Glau­ben un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Ver­kehrs­an­schau­ung im Ein­zel­fall er­war­tet wer­den darf, wo­bei un­ter an­de­rem da­nach zu un­ter­schei­den ist, ob es sich bei den Ver­trags­part­nern um Lai­en oder Fach­leu­te han­delt. Der In­for­ma­ti­ons­be­darf ei­ner Par­tei ist um­so grö­ßer, je aus­ge­präg­ter das in­tel­lek­tu­el­le oder wirt­schaft­li­che Über­ge­wicht der an­de­ren Par­tei und da­mit de­ren Zu­gang zu den In­for­ma­ti­ons­quel­len ist. Be­stand und Aus­maß der Auf­klä­rungs­pflicht hän­gen da­nach ganz von den Um­stän­den des Ein­zel­falls ab.

II. Be­ra­tungs­pflicht­ver­let­zung durch den Be­klag­ten

Vor­lie­gend hat der Be­klag­te in­so­fern ei­ne Be­ra­tung über­nom­men, als er der Klä­ge­rin er­klärt hat – dies hat er in der Be­ru­fungs­ver­hand­lung auch selbst ein­ge­räumt – dass das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug nach sei­nem Da­für­hal­ten die Vor­aus­set­zun­gen der Um­welt­prä­mie er­fül­le. Die Klä­ge­rin durf­te sich als Ver­brau­che­rin da­bei auf ei­ne ent­spre­chen­de Aus­sa­ge des Be­klag­ten, der ge­werb­lich mit Kraft­fahr­zeu­gen han­delt, ver­las­sen.

Wie sich dem schrift­sätz­li­chen Vor­brin­gen ent­neh­men lässt, ist der Be­klag­te selbst da­von aus­ge­gan­gen, dass es tat­säch­lich nur ei­nen Vor­hal­ter ge­be, da in der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II nur ein Vor­hal­ter … ein­ge­tra­gen war und un­ter der Ru­brik der wei­te­ren Vor­hal­ter aus­drück­lich kei­ne wei­te­ren Ein­tra­gun­gen vor­han­den wa­ren. Der Be­klag­te ist da­mit selbst von der För­der­fä­hig­keit des Fahr­zeugs aus­ge­gan­gen, da ihm zum Zeit­punkt des Kauf­ver­trags­ab­schlus­ses nur der In­halt ei­ner Pres­se­mit­tei­lung vom 16.01.2009 be­kannt war, nicht aber die end­gül­ti­gen För­der­richt­li­ni­en, wel­che erst am 27.01.2009 in Kraft tra­ten. Die Pres­se­mit­tei­lung hat kei­ne ge­nau­en An­ga­ben hin­sicht­lich der Vor­zu­las­sun­gen ent­hal­ten, so­dass die beim streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug ne­ben der Ta­ges­zu­las­sung … be­ste­hen­de aus­län­di­sche Re­gis­trie­rungs­zu­las­sung wohl un­schäd­lich ge­we­sen wä­re.

Wer als Ver­käu­fer für ei­nen Kauf­ge­gen­stand wirbt und für die Kauf­ent­schei­dung För­der­mög­lich­kei­ten her­aus­stellt, muss da­bei die Vor­aus­set­zun­gen da­für rich­tig und so voll­stän­dig dar­stel­len, dass beim Käu­fer über kei­nen für sei­ne Ent­schei­dung mög­li­cher­wei­se we­sent­li­chen Um­stand ei­ne Fehl­vor­stel­lung er­weckt wird.

Der Be­klag­te hat bei der Be­ant­wor­tung der Fra­ge über die An­zahl der Zu­las­sun­gen in Kennt­nis der grund­sätz­li­chen Be­deu­tung der Fra­ge für die Vor­aus­set­zun­gen der Prä­mie Aus­kunft er­teilt und die grund­sätz­li­che Um­welt­prä­mi­en­ge­eig­net­heit des Fahr­zeugs be­jaht, ob­wohl ei­ne in der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung nicht ent­hal­te­ne Re­gis­trie­rungs­zu­las­sung ne­ben der Zu­las­sung … er­folgt war.

Die Kam­mer ver­kennt nicht, dass es für den Be­klag­ten schwer er­kenn­bar war, ob das Fahr­zeug den För­der­kri­te­ri­en ent­spricht, da das am 16.01.2009 ver­öf­fent­li­che Eck­punk­te­pa­pier da­zu noch kei­ne ge­nau­en An­ga­ben ent­hielt und auch der Zu­las­sungs­be­griff der end­gül­ti­gen Richt­li­ni­en vom 27.01.2009 nicht nä­her de­fi­niert wur­de. Es hät­te aber dem Be­klag­ten als Ver­käu­fer ob­le­gen, die Klä­ge­rin als Käu­fe­rin dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne För­de­rung des Fahr­zeugs letzt­lich noch nicht ab­schlie­ßend ge­re­gelt sind und die Fra­ge nach der Prä­mi­en­ge­eig­net­heit des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs des­halb der­zeit von ihm nicht be­ant­wor­tet wer­den kön­ne. Die Klä­ge­rin hät­te dann selbst ent­schei­den kön­nen, ob sie das Ri­si­ko, die Prä­mie nicht zu er­hal­ten, ein­geht und den Kauf­ver­trag ab­schließt, oder ob sie ein an­de­res Fahr­zeug bei ei­nem an­de­ren Händ­ler kauft, wel­cher ihr die Prä­mi­en­ge­eig­net­heit ver­läss­lich zu­sa­gen kann.

Die Kam­mer ver­kennt auch nicht, dass es grund­sätz­lich im Ri­si­ko­be­reich der Klä­ge­rin liegt, ob sie ei­ne öf­fent­li­che För­de­rung in Form der Prä­mie be­wil­ligt be­kommt. Dies kann je­doch nur hin­sicht­lich der Fak­to­ren gel­ten, die ge­ra­de nicht im Ein­fluss­be­reich des Be­klag­ten lie­gen. Wä­re die Prä­mie al­so bei­spiels­wei­se ver­sagt wor­den, da das Alt­fahr­zeug nicht den För­der­kri­te­ri­en ent­spricht oder weil die För­der­mit­tel nicht aus­rei­chen, so hät­te dies nicht der Be­klag­te zu ver­tre­ten. Vor­lie­gend wur­de die Prä­mie aber un­strei­tig des­halb nicht ge­währt, weil der Be­klag­te ob­jek­tiv un­rich­ti­ge An­ga­ben zur För­der­fä­hig­keit des Fahr­zeugs ge­macht hat.

III. Ver­schul­den

Der Be­klag­te hat da­mit zu­min­dest fahr­läs­sig i. S. der §§ 280 I, 276 BGB ge­han­delt. Da­bei kommt es nicht dar­auf an, ob er selbst die Prä­mi­en­ge­eig­net­heit des Fahr­zeugs hät­te er­ken­nen kön­nen. Er hät­te aber er­ken­nen müs­sen, dass die Vor­aus­set­zun­gen für die Prä­mie noch nicht ge­si­chert sind und dies der Klä­ge­rin mit­tei­len. Wei­ter­hin hat der Be­klag­te nichts da­zu vor­ge­tra­gen, ob und wie er sich nach der Pres­se­mit­tei­lung vom 16.01.2009 hin­sicht­lich der Prä­mi­en­ge­eig­net­heit, zu der er ei­ne Aus­kunft er­teilt hat, über die ge­nau­en Vor­aus­set­zun­gen der Um­welt­prä­mie in­for­miert hat.

IV. Kau­sa­li­tät

Die Ver­let­zung der Be­ra­tungs­pflicht war auch kau­sal für den ein­ge­tre­ten Scha­den (Ver­lust der Um­welt­prä­mie) der Klä­ge­rin. In­so­fern strei­tet zu­guns­ten der Klä­ge­rin der Grund­satz auf­klä­rungs­rich­ti­gen Ver­hal­tens. Die Klä­ge­rin hat auch mehr­fach er­klärt, dass sie bei sach­ge­rech­ter Be­ra­tung über die För­der­vor­aus­set­zun­gen ein an­de­res Fahr­zeug … er­wor­ben hät­te. Da­für, dass die Klä­ge­rin auch bei rich­ti­ger Auf­klä­rung über die För­der­vor­aus­set­zun­gen bzw. dar­über, dass Un­si­cher­hei­ten hin­sicht­lich der För­der­fä­hig­keit be­stün­den, den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw er­wor­ben hät­te, ist der Be­klag­te be­haup­tungs- und be­weis­be­las­tet.

V. Scha­den

Die Klä­ge­rin ist da­mit im Ver­trau­en auf die Rich­tig­keit der An­ga­ben ih­res Ver­trags­part­ners so zu stel­len, wie sie bei rich­ti­ger Of­fen­ba­rung der für ih­ren Kauf­ab­schluss er­heb­li­chen Um­stän­de stün­de. Im Rah­men der Haf­tung nach § 311 BGB kann sie da­her ent­we­der die Rück­gän­gig­ma­chung des Ver­trags ver­lan­gen oder aber am Ver­trag fest­hal­ten und Scha­dens­er­satz ne­ben der Leis­tung be­an­spru­chen.

Der Ver­lust der Um­welt­prä­mie stellt ei­nen sol­chen Scha­den dar. Auch wenn grund­sätz­lich nur das ne­ga­ti­ve In­ter­es­se zu er­set­zen ist, kann im Ein­zel­fall auch das Er­fül­lungs­in­ter­es­se zur Grund­la­ge der Scha­dens­be­rech­nung ge­macht wer­den. In der Recht­spre­chung ist da­bei an­er­kannt, dass dem An­le­ger, der falsch über mög­li­che Steu­er­vor­tei­le un­ter­rich­tet wird, ihm die­se zu er­set­zen sind, und dass der Ver­lust von Steu­er­vor­tei­len in­fol­ge der Nicht­an­er­ken­nung ei­nes Ab­schrei­bungs­mo­dells durch die Fi­nanz­ver­wal­tung ent­spre­chen­de Scha­dens­er­satz­an­sprü­che nach sich zie­hen kann, wenn der An­le­ger nach­zu­wei­sen ver­mag, dass er bei ord­nungs­mä­ßi­ger Auf­klä­rung ei­ne an­de­re, eben­falls steu­er­be­güns­tig­te An­la­ge ge­wählt hät­te (vgl. et­wa MünchKomm-BGB/Em­me­rich, 5. Aufl., § 311 Rn. 265). Die Um­welt­prä­mie ist aus Sicht der Kam­mer mit den in der Recht­spre­chung ent­schie­den Fäl­len ver­gleich­bar.

VI. Kein Mit­ver­schul­den

Ein Mit­ver­schul­den ist der Klä­ge­rin nicht an­zu­las­ten. Zwar hat sie eben­falls be­reits vor Er­lass und Ver­öf­fent­li­chung der Richt­li­ni­en ei­nen Kauf­ver­trag in Er­war­tung des Er­halts der Um­welt­prä­mie ge­schlos­sen. Sie hat je­doch aus­drück­lich nach der För­der­fä­hig­keit des Fahr­zeugs auch im Hin­blick auf die Vor­zu­las­sun­gen ge­fragt. Die­se Fra­ge ist vom Be­klag­ten falsch und für die Klä­ge­rin mit der Ab­leh­nung der Um­welt­prä­mie ver­bun­den be­ant­wor­tet wor­den. Die Klä­ge­rin durf­te sich da­bei dar­auf ver­las­sen, dass sie ord­nungs­ge­mäß und rich­tig in­for­miert wird. Sie durf­te auch da­von aus­ge­hen, dass ihr der Be­klag­te et­wai­ge Un­si­cher­hei­ten hin­sicht­lich der Prä­mi­en­ge­eig­net­heit des Fahr­zeugs mit­teilt. Dies hat er ver­säumt. Des­halb be­stand aus Sicht der Klä­ge­rin kei­ne Ver­an­las­sung, sich selbst noch­mals wei­ter­ge­hend zu er­kun­di­gen oder mit dem Kauf ab­zu­war­ten, bis ge­si­cher­te Er­kennt­nis­se über die Vor­aus­set­zung der Um­welt­prä­mie all­ge­mein be­kannt sind.

Das Ur­teil des Amts­ge­richts war im Er­geb­nis so­mit zu­tref­fend, so­dass die Be­ru­fung zu­rück­zu­wei­sen war …

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