- Eine serienmäßige Garantieerklärung eines Kfz-Herstellers gilt zugunsten des Fahrzeugkäufers, ohne dass sie nochmals ausdrücklich vereinbart werden muss.
- Ob ein Kfz-Käufer einen Pkw oder einen Lkw erworben hat, richtet sich allein nach dem Erkenntnishorizont des Käufers. Es kommt nicht darauf an, wie der Hersteller das betreffende Fahrzeug intern behandelt.
- Ein Kfz-Hersteller darf Garantieleistungen nicht unter Berufung auf nicht wahrgenommene Wartungstermine verweigern, wenn der Käufer nicht nur Wartungs-, sondern sogar Reparaturarbeiten hat durchführen lassen. Denn wenn der Garantienehmer innerhalb der einschlägigen Fristen Arbeiten hat durchführen lassen, die – hier: bezogen auf den Schutz des Fahrzeugs vor Durchrostung – über entsprechende Wartungsarbeiten hinausgehen, ist es treuwidrig, ihn aus rein formellen Gründen auf die Wahrnehmung entsprechender Wartungstermine zu verweisen.
OLG Jena, Urteil vom 23.05.2011 – 9 U 100/10
Sachverhalt: Der Kläger verlangt von der Beklagten mit der Behauptung Schadensersatz, die Beklagte habe Verpflichtungen aus einer beim Verkauf eines Fahrzeugs angeblich abgegebenen Garantieerklärung nicht erfüllt. Hilfsweise verlangt er die Beseitigung von Durchrostungsschäden, deren Existenz zwischen den Parteien in Streit steht.
In erster Instanz haben die Parteien vor allem darüber gestritten, ob dem Kläger bei Abschluss des Kaufvertrags ein Prospekt übergeben wurde, aus dem hervorging, dass für das Fahrzeug eine „MobiloLife“-Garantie, die unter anderem eine dreißigjährige Garantie gegen „Durchrostung von innen nach außen“ beinhaltete, gelten sollte. Zudem war zwischen den Parteien streitig, ob das verkaufte Fahrzeug, das vom Hersteller als Lkw eingestuft wird, als Pkw oder als Lkw zu gelten hat. Im Kaufvertrag hatten die Parteien vereinbart, dass das Fahrzeug als Pkw zugelassen werden sollte, was dann auch so geschehen ist. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte seit 1998 eine serienmäßige „MobiloLife“-Garantie für Pkw eingeräumt hat.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die behauptete Vereinbarung einer Garantie sei nicht bewiesen. Die Berufung des Klägers hatte überwiegend Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Dem Kläger steht wegen der Verletzung der vertraglichen Verpflichtungen der Beklagten aus dem Garantieversprechen „MobiloLife“ ein Schadensersatzanspruch in Form eines Zahlungsanspruchs … Zug um Zug gegen Rückgabe des von dem Garantieversprechen erfassten Fahrzeugs an die Beklagte zu.
Die im Rahmen des Garantieversprechens „MobiloLife“ abgegebene Garantie gegen „Durchrostung von innen nach außen“ bezieht sich auch auf das vom Kläger am 03.03.2000 gekaufte Fahrzeug.
Das Landgericht hat seine klageabweisende Entscheidung darauf gestützt, dass der Kläger nicht zu beweisen vermocht habe, dass der von ihm im Prozess vorgelegte Werbeprospekt, in welchem auf die Garantie „MobiloLife“ Bezug genommen wird, ihm anlässlich der Verkaufsgespräche übergeben worden sei. Dabei hat das Landgericht jedoch verkannt, dass es auf diese Frage gar nicht entscheidend ankam. Jedenfalls nach dem Schriftsatz der Beklagten vom 08.09.2009 war zwischen den Parteien unstreitig, dass die „MobiloLife“-Garantie seitens der Beklagten seit 1998 serienmäßig für Mercedes-Pkw gewährt wird. Unabhängig davon, wie man die serienmäßige Abgabe einer Garantieerklärung rechtlich-dogmatisch bewertet (vgl. hierzu etwa OLG Frankfurt a. M., OLGR 2009, 669), besteht jedenfalls kein Streit darüber, dass es einer ausdrücklichen Vereinbarung der Garantie zwischen Verkäufer bzw. Hersteller und Käufer nicht bedarf. Die Garantieerklärung gilt vielmehr seitens des Gebers der serienmäßigen Garantie bereits als abgegeben.
Vorliegend kann auch offenbleiben, ob sich die „MobiloLife“-Garantie wie der Kläger meint, grundsätzlich auf sämtliche verkaufte Mercedes-Fahrzeuge bezogen hat oder nur – so die Auffassung der Beklagten – auf Pkw. Im hier zu entscheidenden Fall ist nämlich davon auszugehen, dass es sich aus der Sicht des Empfängers der Garantieerklärung, dem Kläger, um den Kauf eines Pkw … gehandelt hat. Der Umstand, dass die Baureihe „Vito“ bei der Beklagten firmenintern als Lkw eingestuft wird, kann dabei ebenso wenig eine Rolle spielen wie die Tatsache, dass die technische Abwicklung des Verkaufs bei der Verkäuferin durch Mitarbeiter der „Lkw-Abteilung“ vorgenommen worden ist. Maßgebend für die Frage, ob ein Pkw oder Lkw gekauft wurde, kann insoweit nur der Horizont des Empfängers der Garantieerklärung sein. Aus dessen Sichtweise stellte sich das Verkaufsobjekt aber keineswegs eindeutig als Lkw dar. Vielmehr hat die Beklagte die Baureihe „Vito“ gerade auch ausdrücklich als Fahrzeug beworben, welches als Familien- und Freizeitwagen besonders geeignet sei. So stellt der bei der Akte befindliche Werbeprospekt der Beklagten nahezu gar nicht auf die Eigenschaften des „Vito“ als Nutzfahrzeug ab, sondern stellt dessen vielfältige Einsatzmöglichkeiten im Familien- und Freizeitbereich in den Vordergrund. Da im vorliegenden Falle ausdrücklich vereinbart worden ist, dass die Zulassung des gekauften Fahrzeugs als Pkw erfolgen sollte, und dies auch so durchgeführt worden ist, stellte sich der Fahrzeugkauf aus der Sicht des Klägers als Pkw-Kauf dar, sodass sich die „MobiloLife“-Garantie auch auf das vom Kläger gekaufte Fahrzeug bezieht.
Die Geltendmachung von Garantieansprüchen scheitert auch nicht an der fehlenden Wahrnehmung von Wartungsarbeiten in Vertragswerkstätten der Beklagten. Gemäß den hier einschlägigen Garantiebedingungen … heißt es:
„Immer unter der Voraussetzung, dass ab dem 5. Jahr nach der Erstauslieferung durch die Mercedes-Benz Organisation die Wartungsdienste nach den Herstellervorgaben in Mercedes-Benz Werkstätten ausgeführt werden. Der letzte Wartungsdienst darf zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme nicht länger als 2 Jahre zurückliegen.“
Da die Erstauslieferung des Fahrzeugs im Jahr 2000 erfolgt ist, begann die Obliegenheit zur Durchführung der Wartungsdienste zum Erhalt der Garantie erst mit Beginn des Jahres 2005. Die Interpretation der Beklagten, wonach der Garantieempfänger auch schon vor dem fünften Jahr nach Erstauslieferung gehalten sei, regelmäßige Wartungsdienste durchführen zu lassen, dass jedoch lediglich diesbezüglich eine Belegpflicht entfalle, ergibt sich aus dem Wortlaut der Garantiebedingungen nicht. Dort ist vielmehr ausdrücklich davon die Rede, dass die Wartungsdienste „ab dem 5. Jahr nach der Erstauslieferung“ durchgeführt werden. Da der Kläger zum Erhalt seiner Garantieansprüche somit erst zu Beginn des Jahres 2005 „wartungsdienstpflichtig“ war, kann ihm zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Garantieansprüche Mitte des Jahres 2006 auch nicht entgegengehalten werden, dass der letzte wahrgenommene Wartungsdienst mehr als zwei Jahre zurückgelegen habe.
Etwas anderes lässt sich auch aus der von der Beklagten zitierten Entscheidung des BGH vom 12.12.2007 – VIII ZR 187/06 – nicht entnehmen. Auch dort heißt es lediglich, dass im dortigen Fall ein Anspruch aus dem Garantievertrag nicht in Betracht komme, weil die im Prospekt formulierte Voraussetzung, dass ab dem fünften Jahr nach der Erstauslieferung durch die Mercedes-Benz-Organisation die Wartungsdienste nach Herstellervorgaben in Mercedes-Benz-Werkstätten ausgeführt werden, nicht erfüllt seien.
Letztlich kann die Auslegung der Garantiebedingungen in diesem Punkt aber offenbleiben. Die Beklagte kann sich nämlich schon deshalb nicht auf nicht wahrgenommene Wartungstermine berufen, weil der Kläger im Jahre 2005 bezüglich der Durchrostung seines Fahrzeugs nicht nur Wartungs-, sondern sogar Reparaturarbeiten in einer Vertragswerkstatt der Beklagten hat durchführen lassen. In diesen Reparaturarbeiten sind – bezogen auf den Schutz vor Durchrostung – notwendigerweise die Arbeiten enthalten, die insoweit bei Wahrnehmung von Wartungsarbeiten durchzuführen wären. Wenn der Garantieempfänger aber innerhalb der in den Garantiebedingung vorgegeben Fristen weitergehende Arbeiten in einer Vertragswerkstatt hat durchführen lassen, ist es treuwidrig, diesen zusätzlich – jedenfalls für Arbeiten in Bereichen, in denen die weitergehenden Arbeiten stattgefunden haben – aus rein formellen Gründen auf die Wahrnehmung entsprechender Wartungstermine zu verweisen.
Die Ansprüche des Klägers aus dem Garantieversprechen sind auch nicht verjährt. Als Beginn der Verjährungsfrist kommt insoweit frühestens ein Zeitpunkt Mitte des Jahres 2005 in Betracht, als nach dem Vorbringen des Klägers nach der zunächst erfolgten Beseitigung der mit Gutachten vom 28.12.2004 dokumentierten Mängel erneut Spuren von Durchrostungen sichtbar wurden, sodass die Verjährungsfrist frühestens am 01.01.2006 zu laufen beginnen konnte. Nachdem die erneut aufgetretenen Durchrostungsspuren am 23.12.2005 durch den Kläger angezeigt worden waren, erfolgten erneut Verhandlungen und sogar eine Besichtigung des Fahrzeugs durch Vertreter der Beklagten im Jahre 2006. Erst am 08.11.2006 erfolgte die endgültige Ablehnung der Ansprüche. Jedenfalls im Zeitraum vom 23.12.2005 bis zum 08.11.2006 war daher die Verjährung gemäß § ,203 Satz ,1 BGB gehemmt. Unter Berücksichtigung dieser fast zehnmonatigen Hemmung kann somit zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage im März 2008 selbst dann keine Verjährung eingetreten sein, wenn man von einer lediglich zweijährigen Verjährungsfrist entsprechend § 438 I Nr. 3 BGB ausgehen sollte.
Vorliegend ist auch der „Garantiefall“ eingetreten, da das Fahrzeug des Klägers sogenannte „Durchrostungen von innen nach außen“ aufweist. Dies steht nach Einholung des Sachverständigengutachtens zur Überzeugung des Senats fest. Der Sachverständige definiert den Begriff „Durchrostungen von innen nach außen“ als solche Korrosionsprozesse, bei denen ohne eine mechanische Beschädigung der Lackierung (Korrosionsschutz) das Blech zu rosten beginnt. Bei der somit vom Sachverständigen unter dem Blickwinkel vorgenommenen Untersuchung, ob die zahlreich vorgefundenen Korrosionsstellen auf mechanische Beschädigungen der Lackierung oder auf andere Ursachen zurückzuführen sind, hat der Sachverständige in einigen Fahrzeugbereichen Durchrostungen vorgefunden, die nach seiner Beurteilung auf einem fehlenden Korrosionsschutz beruhen, so etwa im Bereich der hinteren Seitenwand, im Bereich der Radläufe der vorderen Kotflügel und der rechten Seitenwand oberhalb der Führungsschiene, im Bereich der Fahrzeugtüren, im Bereich des Türgriffs der Fahrertür, teilweise im Bereich der Unterkante der Schiebetür sowie teilweise im Bereich des Fahrzeugunterbodens.
In einigen weiteren Fällen konnte der Sachverständige die vorgefundene Korrosion zwar nicht mit Sicherheit als „Durchrostung von innen nach außen“ klassifizieren, hielt eine solche Einstufung jedoch für wahrscheinlich, beispielsweise im Bereich des Seitenblinkers. Zusammenfassend stellt der Sachverständige fest, dass Teile der Schäden als Folge einer „Durchrostung von innen nach außen“ zu betrachten sind. Da das Garantieversprechen den Käufer auch vor einer lediglich teilweisen Durchrostung seines Fahrzeugs „von innen nach außen“ schützen soll, sind ihm somit Ansprüche aus der „MobiloLife“-Garantie gegen die Beklagte als Garantiegeberin entstanden.
Die Beklagte schuldete dem Kläger aus dem Garantieversprechen zunächst nur eine Nachbesserung der festgestellten Mängel. Nachdem die Mängel … jedoch nach relativ kurzer Zeit wieder aufgetaucht sind, hat sich die Beklagte nach langwierigen Verhandlungen mit dem Kläger letztendlich geweigert, weitere Nachbesserungsarbeiten zu veranlassen. Der ursprüngliche Nachbesserungsanspruch hat sich somit in einen Schadensersatzanspruch umgewandelt (vgl. OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 08.07.2009 – 4 U 85/08, OLGR 2009, 669). Nachdem es dem Kläger aufgrund des bereits fehlgeschlagenen Nachbesserungsversuchs nicht mehr zuzumuten ist, den Schadensersatz in Form einer Nachbesserung geltend zu machen, kann dieser den Schadensersatz auch dergestalt geltend machen, dass er die Kosten für den Erwerb eines anderen Fahrzeugs mit entsprechender Abnutzung, aber im mangelfreien Zustand gegen Rückgabe des mangelbehafteten Fahrzeugs geltend macht (OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 08.07.2009 – 4 ,U ,85/08, OLGR 2009, 669).
Bei der Berechnung der Abnutzung war neben der Laufleistung im Zeitpunkt der Rückgabe auf die zu erwartende Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs abzustellen … Mit dem OLG Karlsruhe (Urt. v. 07.03.2003 – 14 U 154/01, NJW 2003, 1950; anders OLG Koblenz, Urt. v. 16.04.2009 – 6 U 574/08, NJW 2009, 3519) sieht der Senat das Abstellen auf den „Tachostand in Kilometern zum Zeitpunkt der Rückgabe des Fahrzeugs“ für ausreichend bestimmbar an, da damit der Zeitpunkt der faktischen Rückgabe des Fahrzeugs gemeint ist und das Vollstreckungsorgan daher den sich aus dem Tachostand ergebenden Abzugsbetrag ohne Weiteres ermitteln kann.
Bezüglich der zu erwartenden Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs ist der Sachverständige von einem Wert zwischen 216.000 km und 250.000 km ausgegangen. Der Senat legt insoweit den Mittelwert von 233.000 km zugrunde. Bezogen auf den Neuanschaffungspreis von 34.450,27 € ist somit pro gefahrenem Kilometer von einer Abnutzung in Höhe von 0,148 € auszugehen … Da der Kläger bei seiner Schadensberechnung von einer zu hohen Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs ausgegangen ist (300.000 km), ist seine Schadensberechnung entsprechend zu hoch ausgefallen. Insoweit hat das Landgericht seine Klage zu Recht abgewiesen …