- Eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die den Käufer eines neuen Nutzfahrzeugs acht Wochen an die Bestellung bindet, benachteiligt den Besteller unangemessen und ist deshalb gemäß § 307 I 1 BGB unwirksam.
- Es besteht kein Anscheinsbeweis dafür, dass eine zur Post gegebene Sendung den Empfänger auch erreicht hat.
OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.12.2010 – 1 U 111/10-29
Sachverhalt: Der Kläger, ein Insolvenzverwalter, nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Er behauptet, der Beklagte habe mit der Insolvenzschuldnerin einen Kaufvertrag über ein Nutzfahrzeug geschlossen und gegen diesen Vertrag verstoßen, indem er – unstreitig – das gekaufte Fahrzeug nicht abgenommen hat.
Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt. Dessen Berufung hatte Erfolg und führte zur Abweisung der Klage.
Aus den Gründen: A. … Entgegen der Ansicht des Landgerichts steht dem Kläger ein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beklagten nicht zu.
Die Insolvenzschuldnerin hat den Beklagten gemäß §§ 433 II, 281 BGB in Anspruch genommen; der Kläger hat den Rechtsstreit gemäß § 240 ZPO aufgenommen. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs sind indes nicht gegeben.
Der Insolvenzschuldnerin könnte nur dann ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 281 BGB gegen den Beklagten zustehen, wenn dieser eine ihm gegenüber der Insolvenzschuldnerin obliegende Leistung nicht erbracht hätte. Der Kläger macht insoweit in Übereinstimmung mit dem bisherigen Sachvortrag der Insolvenzschuldnerin geltend, der Beklagte habe gegen den von dem Beklagten mit der Insolvenzschuldnerin abgeschlossenen Kaufvertrag verstoßen, da er unstreitig das in der Bestellung vom 01.08.2008 näher bezeichnete Fahrzeug nicht abgenommen hat. Dem kann nicht gefolgt werden.
Eine Verpflichtung zur Abnahme des Fahrzeugs durch den Beklagten hätte vorausgesetzt, dass es zwischen den Parteien zum Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrags gekommen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Zwar hatte unstreitig der Beklagte das Fahrzeug mit Datum vom 01.08.2008 bei der Insolvenzschuldnerin bestellt. Hierin ist ein Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages zu sehen; ein entsprechender Vertrag wäre zu Stande gekommen, wenn eine wirksame Annahme dieses Angebots vorläge. Hiervon ist nicht auszugehen.
Eine wirksame Annahme hätte vorausgesetzt, dass diese in der Frist des § 147 II BGB erfolgt ist; hierfür ist die Klägerseite indes beweisfällig geblieben. Der Kläger macht insoweit geltend, nach Eingang der Bestellung des Beklagten sei mit Schreiben vom 28.07.2008 die Auftragsbestätigung versandt worden. Ob dies so war, kann vorliegend letztlich dahinstehen. Der Beklagte hat jedenfalls den Zugang einer solchen Auftragsbestätigung zum maßgeblichen Zeitpunkt bestritten, indem er vorgetragen hat, die Auftragsbestätigung sei erst unter dem 03.09.2008 – dass zum damaligen Zeitpunkt eine Auftragsbestätigung per Einschreiben an den Beklagten versandt wurde, ist zwischen den Parteien unstreitig – bei ihm eingegangen. Angesichts dieser Sachlage hätte der Kläger den Zugang der Auftragsbestätigung bei dem Beklagten innerhalb der Frist des § 147 II BGB beweisen müssen. Dies ist ihm nicht gelungen. Auch wenn man aus der Aussage des Zeugen G entnehmen könnte, dass eine ordnungsgemäße Auftragsbestätigung bereits zeitnah zu der Abgabe der Bestellung durch den Beklagten an diesen versandt worden ist, wäre damit der dem Kläger obliegende Beweis nicht geführt. Bei Postsendungen besteht nämlich kein Anscheinsbeweis, dass eine zur Post gegebene Sendung den Empfänger auch erreicht (vgl. dazu Palandt/Ellenberger, BGB, 68. Aufl., § 130 Rn. 21 m. w. Nachw.).
Mit der dem Beklagten am 03.09.2008 zugegangenen Auftragsbestätigung konnte das Angebot des Beklagten nicht mehr wirksam angenommen werden; denn zu diesem Zeitpunkt war die Frist des § 147 II BGB längst überschritten.
Für die Bestimmung der jeweiligen Annahmefrist sind drei Komponenten zu berücksichtigen, nämlich die Beförderungszeit des Antrags, die Überlegungsfrist des Antragsempfängers sowie die Beförderungszeit der Annahme (vgl. dazu Eckert, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 147 Rn. 12 m. w. Nachw.). Gemessen an diesen Voraussetzungen ist eine Frist von mehr als einem Monat als bei Weitem zu lang anzusehen. Die Beförderungszeit von Antrag und Annahme entsprach dem normalen Postlauf. Die Überlegungsfrist der Insolvenzschuldnerin kann ebenfalls relativ kurz bemessen werden; denn da in der Bestellung die Beschreibung des Fahrzeugs bereits in allen Einzelheiten enthalten war, kann davon ausgegangen werden, dass die Überlegungen, ob das Fahrzeug an den Beklagten veräußert werden soll, bereits mit Ausfüllung des Bestellformulars abgeschlossen waren. Gründe, die es rechtfertigen würden, hier von einer längeren Überlegungsfrist auszugehen, sind nicht erkennbar.
Zwischen den Parteien war auch keine längere Antragsfrist wirksam vereinbart. Zwar sehen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Insolvenzschuldnerin unter Nr. I. 1. eine Bindung des Käufers an die Bestellung bei neuen Nutzfahrzeugen von acht Wochen vor. Diese Bestimmung ist indes gemäß § 307 I 1 BGB unwirksam …
In der Bestimmung einer achtwöchigen Bindungsfrist liegt eine unangemessene Benachteiligung des Beklagten (§§ 310 I 2, 307 I 1 BGB).
Ist – wie hier – die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehene Annahmefrist wesentlich länger als die in § 147 II BGB umschriebene, übersteigt sie also den Zeitraum erheblich, der für die Übermittlung der Erklärungen notwendig ist und eine angemessene Bearbeitungs- und Überlegungsfrist einschließt, so ist diese Fristbestimmung nur dann wirksam, wenn der Verwender daran ein schutzwürdiges Interesse hat, hinter dem das Interesse des Kunden am baldigen Wegfall seiner Bindung zurückstehen muss (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.1989 – VIII ZR 94/89, BGHZ 109, 359).
Ein solch schutzwürdiges Interesse kann dann gegeben sein, wenn eine Reihe organisatorischer Maßnahmen erforderlich sind, die die ordnungsgemäße Bearbeitung der Bestellung von neuen Kraftfahrzeugen erfahrungsgemäß mit sich bringt (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.1989 – VIII ZR 94/89, BGHZ 109, 359). Derartige organisatorische Maßnahmen sind indes vorliegend nicht ersichtlich. Das Landgericht hat zwar angenommen, das Fahrzeug habe gesondert in Werdau gefertigt werden sollen; dies findet indes im Sachvortrag der Parteien keine Stütze. In der schriftlichen Bestellung war als Liefertermin/Lieferfrist vorgesehen: „August 2008 je nach Dauer der Finanzierungsabwicklung“. Dies legt die Annahme nahe, dass die Auslieferung lediglich von der Finanzierung abhängen sollte, das Fahrzeug ansonsten aber zur Auslieferung bereitstand. Dies entspricht dem Angebot der Insolvenzschuldnerin, in dem ausdrücklich vermerkt ist: „Lagerfahrzeug sofort lieferbar“.
Aber auch wenn vorliegend noch organisatorische Maßnahmen vonnöten gewesen wären, wäre die Bestimmung in Nr. I. 1. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Insolvenzschuldnerin als unwirksam anzusehen. Der BGH hat in der vorzitierten Entscheidung auch unter Berücksichtigung der dort erforderlichen erheblichen organisatorischen Maßnahmen die vierwöchige Bindungsfrist des Kfz-Käufers im Neuwagengeschäft „noch“ als angemessen hingenommen (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.1989 – VIII ZR 94/89, BGHZ 109, 359); dies lässt erkennen, dass jedenfalls eine doppelt so lange Frist nicht mehr als wirksam angesehen werden kann.
Ob eine Frist bis zum 03.09.2008, dem unstreitigen Eingang einer Auftragsbestätigung beim Beklagten, noch als angemessen angesehen werden könnte, kann vorliegend dahinstehen. Verstößt der Inhalt einer Allgemeinen Geschäftsbedingung gegen die §§ 307 ff. BGB, so ist die Klausel grundsätzlich im Ganzen unwirksam; eine geltungserhaltende Reduktion ist unzulässig (vgl. dazu Palandt/Grüneberg, a. a. O., vor § 307 Rn. 8 m. w. Nachw.).
Da hiernach kein wirksamer Vertrag zwischen der Insolvenzschuldnerin und dem Beklagten zustande gekommen ist, scheidet ein Anspruch der Insolvenzschuldnerin gegen den Beklagten auf Schadensersatz aus …