Die Kos­ten, die für ein Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten ent­ste­hen, sind als Rechts­ver­fol­gungs­kos­ten nicht le­dig­lich an­tei­lig, son­dern voll zu er­stat­ten. Denn sie ent­ste­hen erst dann, wenn der Ge­schä­dig­te sei­nen er­stat­tungs­fä­hi­gen An­teil des Ge­samt­scha­dens ge­gen­über dem Schä­di­ger be­zif­fern und be­le­gen muss.

AG Sieg­burg, Ur­teil vom 31.03.2010 – 111 C 10/10

Sach­ver­halt: Der Klä­ger be­gehrt Scha­dens­er­satz aus ei­nem Ver­kehrs­un­fall, der sich am 01.01.2009 er­eig­net hat. Bei der Be­klag­ten han­delt es sich um Haft­pflicht­ver­si­che­rer der Un­fall­geg­ne­rin, die – weil den Klä­ger ein Mit­ver­schul­den trifft – für den Scha­den des Klä­gers nur zur Hälf­te ein­ste­hen muss.

Mit Te­le­fax vom 08.06.2009 über­sand­te der Klä­ger der Be­klag­ten ei­nen Kos­ten­vor­an­schlag, in dem die er­for­der­li­chen Re­pa­ra­tur­kos­ten auf 1.628 € be­zif­fert wor­den sind. Die Be­klag­te teil­te dem Klä­ger mit Schrei­ben vom 23.06.2009 mit, dass sie ein Sach­ver­stän­di­gen­bü­ro mit der Be­weis­si­che­rung be­auf­tragt ha­be. Am 26.06.2009 be­auf­trag­te der Klä­ger das Sach­ver­stän­di­gen­bü­ro T mit der Scha­den­ser­mitt­lung. In des­sen Gut­ach­ten wur­den die er­for­der­li­chen Re­pa­ra­tur­kos­ten auf 994,18 € be­zif­fert.

Auf Ba­sis die­ses Gut­ach­tens wur­de der Scha­den des Klä­gers zu 50 % re­gu­liert. Für das Gut­ach­ten wur­de dem Klä­ger von dem Sach­ver­stän­di­gen­bü­ro T auf Ba­sis ei­nes Min­dest­grund­ho­no­rars von 155 € ein Be­trag von 246,09 € in Rech­nung ge­stellt. Wenn das Sach­ver­stän­di­gen­bü­ro T da­mit be­auf­tragt wor­den wä­re, nur die Hälf­te des Scha­dens zu er­mit­teln, wä­re kein ge­rin­ge­res Ho­no­rar an­ge­fal­len. Auf die Rech­nung des Sach­ver­stän­di­gen­bü­ros zahl­te die Be­klag­te 123,05 €.

Die auf Frei­stel­lung von der rest­li­chen For­de­rung ge­rich­te­te Kla­ge hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: Der Klä­ger hat ge­gen die Be­klag­te ei­nen An­spruch auf Frei­stel­lung von der rest­li­chen Ver­gü­tungs­for­de­rung des Sach­ver­stän­di­gen­bü­ros T in Hö­he von 123,04 € ge­mäß § 7 I StVG, § 115 I 1 Nr. 1 VVG.

Die an­tei­li­ge Haf­tung der Be­klag­ten zu 50 % we­gen des Ver­kehrs­un­falls vom 01.01.2009 in O. ist dem Grun­de nach un­strei­tig.

Dem Klä­ger ist durch die­sen Ver­kehrs­un­fall auf­grund der Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens ein Scha­den in Hö­he von 246,09 € ent­stan­den.

Der Schä­di­ger hat die Kos­ten ei­nes vom Ge­schä­dig­ten zur Scha­dens­fest­stel­lung, ins­be­son­de­re zur Be­stim­mung der Scha­dens­hö­he ein­ge­hol­ten Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens zu er­set­zen, so­weit die­ses aus Sicht des Ge­schä­dig­ten im Zeit­punkt der Be­auf­tra­gung zur zweck­ent­spre­chen­den Rechts­ver­fol­gung er­for­der­lich ist (BGH, Urt. v. 23.01.2007 – VI ZR 67/06, NJW 2007, 1450; MünchKomm-BGB/Oet­ker, 5. Aufl. [2006], § 249 Rn. 371). Dem­nach kommt es dar­auf an, ob ein ver­stän­dig und wirt­schaft­lich den­ken­der Ge­schä­dig­ter nach sei­nen Er­kennt­nis­sen und Mög­lich­kei­ten die Ein­schal­tung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen für ge­bo­ten er­ach­ten durf­te (BGH, NJW 2005, 356). Auch bei Kfz-Un­fäl­len darf der Ge­schä­dig­te ei­nen Sach­ver­stän­di­gen hin­zu­zie­hen, und zwar auch dann, wenn be­reits der Schä­di­ger ei­nen be­auf­tragt hat (Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 69. Aufl. [2010], § 249 Rn. 58). Die Kos­ten für ei­nen Sach­ver­stän­di­gen sind nur dann nicht er­for­der­lich und da­mit nicht er­stat­tungs­fä­hig, wenn ein of­fen­sicht­li­cher Ba­ga­tell­scha­den bis ca. 700 € vor­liegt; in der­ar­ti­gen Fäl­len ge­nügt ein Kos­ten­vor­an­schlag durch ei­ne Kfz-Werk­statt (BGH, NJW 2005, 356; Pa­landt/Grü­ne­berg, a. a. O., § 249 Rn. 58).

Nach die­sen Grund­sät­zen durf­te der Klä­ger die Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens für er­for­der­lich hal­ten. Die Be­klag­te hat den Scha­den nicht so­fort auf­grund des von dem Klä­ger vor­ge­leg­ten Kos­ten­vor­an­schlags der Fir­ma M re­gu­liert. Statt­des­sen woll­te die Be­klag­te zur Be­weis­si­che­rung ver­an­las­sen, dass der Un­fall­wa­gen be­sich­tigt wird. Aus Sicht des Klä­gers durf­ten be­rech­tig­te Zwei­fel an der Hö­he der in dem Kos­ten­vor­an­schlag auf 1.628 € net­to be­zif­fer­ten Re­pa­ra­tur­kos­ten be­ste­hen. Denn in dem spä­ter ein­ge­hol­ten Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten wur­den die Re­pa­ra­tur­kos­ten auf le­dig­lich 994,18 € net­to be­zif­fert. Im Hin­blick dar­auf und auf die be­ab­sich­tig­te Be­weis­si­che­rung der Be­klag­ten war es aus Sicht des Klä­gers ge­bo­ten, ei­nen Sach­ver­stän­di­gen zu be­auf­tra­gen. Die er­for­der­li­chen Re­pa­ra­tur­kos­ten wur­den so­wohl im Kos­ten­vor­an­schlag als auch im Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten auf über 700 € ver­an­schlagt, so dass kein Ba­ga­tell­scha­den vor­ge­le­gen hat.

Für das Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten wur­den dem Klä­ger un­strei­tig 246,09 € in Rech­nung ge­stellt. Der Klä­ger kann Frei­stel­lung von die­ser Rech­nung in vol­ler Hö­he ver­lan­gen, ob­wohl die Be­klag­te für den Ver­kehrs­un­fall vom 01.01.2009 nur zu 50 % haf­tet. Dies ent­spricht den Grund­sät­zen der Dif­fe­renz­theo­rie, nach der der Schä­di­ger dem Ge­schä­dig­ten das schul­det, was der Ge­schä­dig­te auf­wen­den muss, um den ur­sprüng­li­chen Zu­stand wie­der her­zu­stel­len (Pop­pe, DAR 2005, 669).

Im Ge­gen­satz zu den Scha­dens­po­si­tio­nen, die im Fal­le ei­ner Mit­haf­tung des Ge­schä­dig­ten quo­tiert wer­den müs­sen, wie bei­spiels­wei­se Re­pa­ra­tur­kos­ten, fal­len Sach­ver­stän­di­gen­kos­ten über­haupt nicht an, wenn der Ge­schä­dig­te den Un­fall voll­stän­dig selbst ver­ur­sacht hat (Pop­pe, DAR 2005, 669). Denn bei den Kos­ten, die durch die Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens ent­ste­hen, han­delt es sich um Rechts­ver­fol­gungs­kos­ten. Die­se Kos­ten die­nen aus­schließ­lich da­zu, den auf­grund der je­wei­li­gen Haf­tungs­quo­te er­stat­tungs­fä­hi­gen An­teil des dem Ge­schä­dig­ten ent­stan­de­nen Ge­samt­scha­dens von dem Schä­di­ger er­setzt zu be­kom­men. Die Sach­ver­stän­di­gen­kos­ten sind des­we­gen nicht wie der Ge­samt­scha­den des Ge­schä­dig­ten zu quo­tie­ren, da sie erst dann ent­ste­hen, wenn der Ge­schä­dig­te sei­nen er­stat­tungs­fä­hi­gen An­teil des Ge­samt­scha­dens ge­gen­über dem Schä­di­ger be­zif­fern und be­le­gen muss.

Die­ses Er­geb­nis ent­spricht der Recht­spre­chung zu der Fra­ge, in­wie­weit an­de­re Rechts­ver­fol­gungs­kos­ten, ins­be­son­de­re An­walts­kos­ten, bei ei­ner an­tei­li­gen Mit­haf­tung des Ge­schä­dig­ten er­satz­fä­hig sind. Der Ge­gen­stands­wert, nach dem die An­walts­kos­ten zu be­rech­nen sind, rich­tet sich nach dem An­teil an dem Ge­samt­scha­den, der auf­grund der Haf­tungs­quo­te von dem Ge­schä­dig­ten er­setzt ver­langt wer­den kann. Die An­walts­kos­ten wer­den al­so im Fal­le ei­ner fünf­zig­pro­zen­ti­gen Mit­haf­tung nicht nach dem Ge­samt­scha­den be­rech­net und dann hal­biert. Statt­des­sen wer­den sie nach dem ge­rin­ge­ren Ge­gen­stands­wert be­rech­net und dann in vol­ler Hö­he er­setzt. Für die Gut­ach­ten­kos­ten ist da­bei zu be­ach­ten, dass die­se nach den An­ga­ben des Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten des Klä­gers nach der Hö­he des Ge­samt­scha­dens und da­mit eben­so wie die An­walts­kos­ten nach dem Wert be­rech­net wer­den. Es kann je­doch da­hin­ste­hen, ob nach ei­nem Ver­kehrs­un­fall auch dann ein in Re­la­ti­on zur Scha­dens­hö­he be­rech­ne­tes Sach­ver­stän­di­gen­ho­no­rar als er­for­der­li­cher Her­stel­lungs­auf­wand i. S. des § 249 II BGB er­stat­tet ver­langt wer­den kann (so für den Fall ei­ner un­ein­ge­schränk­ten Haf­tung des Schä­di­gers BGH, Urt. v. 23.01.2007 – VI ZR 67/06, NJW 2007, 1450), wenn der Ge­schä­dig­te an­tei­lig mit­haf­tet. Denn im vor­lie­gen­den Fall wur­de von dem Sach­ver­stän­di­gen­bü­ro T un­strei­tig nur ein Grund­ho­no­rar in Hö­he von 155 € an­ge­setzt, das auch bei ei­ner Ab­rech­nung auf Ba­sis des hälf­ti­gen Re­pa­ra­tur­auf­wands an­ge­fal­len wä­re …

Hin­weis: Nach der Recht­spre­chung des BGH (z. B. Urt. v. 07.02.2012 – VI ZR 133/11) hat ein Schä­di­ger, der we­gen ei­nes Mit­ver­schul­dens des Un­fall­geg­ners nicht zu 100 % haf­tet, dem Un­fall­geg­ner des­sen Sach­ver­stän­di­gen­kos­ten nur an­tei­lig zu er­stat­ten.

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