Ein Werkunternehmer ist dem Besteller zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er eine Gasanlage in dessen Pkw einbaut, obwohl der Motor des Fahrzeugs dafür nicht geeignet – und deshalb seitens des Herstellers auch nicht für den Gasbetrieb freigegeben – ist und der Motor durch den Gasbetrieb Schaden nimmt.
OLG Hamm, Urteil vom 18.02.2010 – I-17 U 119/09
Sachverhalt: Die Klägerin nimmt die Beklagte mit der Behauptung, der von der Beklagten vorgenommene Einbau einer Gasanlage habe an einem Pkw der Klägerin erhebliche Folgeschäden verursacht, auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin erwarb im Februar 2007 einen Pkw, dessen Motor seitens des Herstellers unstreitig nicht für den Betrieb mit Gas freigegeben ist. In diesen Pkw baute die Beklagte bei einem Kilometerstand von ca. 3.000 eine Gasanlage ein. Hierüber erstellte sie unter dem 16.03.2007 eine Rechnung über insgesamt 3.090 €, die die Klägerin am selben Tag bezahlte. Ein Betrag von 90 € entfiel auf die Stellung eines Ersatzfahrzeugs für die Dauer des Einbaus der Gasanlage. Eine vertraglich vereinbarte und von der Klägerin bezahlte Versicherung schloss die Beklagte nicht ab.
Etwa zwei Monate später – der Kilometerstand betrug nun 8.000 bis 9.000 – tauschte die Beklagte die Düsen der Gasanlage aus und baute zum Schutz des Motors eine Flashlube-Anlage ein, da sich eine Motorkontrollleuchte dauerhaft eingeschaltet hatte. Bei einem Kilometerstand von ca. 20.000 schaltete sich im Juli 2007 die Kontrollleuchte erneut ein. Sie wurde bei X gelöscht. Zwei Wochen später schaltete die Leuchte sich wiederum ein. Sie wurde bei der Beklagten über das Diagnosegerät gelöscht. Der Klägerin wurde mitgeteilt, es könne weiter gefahren werden. Mitte Oktober 2007 trat ein unrunder Motorlauf auf; der Motor ruckelte. Die Klägerin wandte sich an die Beklagte und forderte sie auf, die Beanstandungen nunmehr durchgreifend zu beheben. Die Beklagte baute die Gasanlage daraufhin wieder aus.
Die Klägerin ließ das Fahrzeug bei X untersuchen. Dieser stellte bei einem Kilometerstand von 32.786 erhebliche Schäden fest, nahm Reparaturen am Motor und den Zylinderköpfen vor und erneuerte die Ventile. Er stellte der Klägerin unter dem 26.11.2007 hierfür 3.500,97 € netto (= 4.166,15 € brutto) in Rechnung. Die Klägerin beglich die Rechnung und forderte die Beklagte zur Erstattung sowie zur Rückzahlung der Einbaukosten in Höhe von 2.700 € auf. Am 20.12.2007 tauschte X am Pkw der Klägerin den Katalysator aus. Hierfür stellte er der Klägerin 1.559,63 € netto (= 1.855,96 € brutto) in Rechnung. Die Klägerin beglich auch diesen Betrag und forderte die Beklagte zur Erstattung auf.
Mit Schreiben vom 27.12.2007 setzte die Klägerin der Beklagten zur Zahlung eines näher aufgeschlüsselten Gesamtbetrages von 8.722,11 € eine Frist bis zum 10.01.2008. Nach fruchtlosem Fristablauf wurde der Betrag mit Anwaltsschreiben vom 21.02.2008 angemahnt.
Die Klägerin hat behauptet, die von X reparierten Schäden seien Folgeschäden, die durch den unzulässigen Einbau der Gasanlage verursacht worden seien. Die seitens X abgerechneten Beträge seien zur Schadensbeseitigung erforderlich gewesen. Die Beklagte hat den Anspruch in Höhe von 2.700 € nebst Zinsen anerkannt. Insoweit ist ein Teilanerkenntnisurteil ergangen. Die von der Klägerin behaupteten Schäden hat die Beklagte bestritten. Sie hat ferner bestritten, dass der Einbau der Gasanlage für etwaige am Pkw der Klägerin aufgetretene Schäden ursächlich gewesen sei, und eingewandt, die Schäden könnten auch auf anderen Ursachen beruhen, etwa auf einem Fabrikationsfehler.
Das Landgericht hat die über den anerkannten Betrag hinausgehende Klage nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen K abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Gutachten komme ausdrücklich zu dem Ergebnis, dass andere Schadensursachen als der Betrieb des Fahrzeugs mit Gas nicht auszuschließen seien. Da die Klägerin die beschädigten Teile nicht gesichert habe, sei eine weitere Aufklärung der Kausalität nicht möglich; insbesondere sei der Beklagten so jede Möglichkeit des Gegenbeweises abgeschnitten.
Die Berufung der Klägerin hatte überwiegend Erfolg.
Aus den Gründen: II. … 1. Hauptforderung (Anspruch auf Schadensersatz)
Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus §§ 634 Nr. 4, 280 I, 241 II BGB ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe noch zu zahlender 4.357,24 € zu.
a) Zwischen den Parteien bestand unstreitig ein Werkvertrag.
b) Die Pflichtverletzung der Beklagten liegt darin, dass sie in den Pkw der Klägerin eine Gasanlage eingebaut hat, obwohl – so die plausiblen, nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen K, denen sich der Senat anschließt – die im Motor des Pkw der Klägerin verbauten Ventilsitzringe und Ventile für die mit einem Gasbetrieb verbundenen Beanspruchungen nicht ausgelegt sind und der Motor daher seitens des Herstellers für den Gasbetrieb auch nicht freigegeben ist.
c) Dass der Klägerin ein Schaden entstanden ist und dass dieser Schaden auf der Pflichtverletzung der Beklagten beruht, steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats fest.
aa) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Senat an die Feststellungen des Landgerichts nicht gebunden, weil konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 529 I Nr. 1 ZPO). Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der vom erstinstanzlichen Gericht aufgrund erhobener Beweise getroffenen Feststellungen sind unter anderem dann begründet, wenn aus der Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass eine (wiederholte) Beweisaufnahme in zweiter Instanz zu abweichenden Feststellungen führen wird; die Zweifel können sich auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertung ergeben (vgl. Musielak/Ball, ZPO, 7. Aufl., § 529 Rn. 5). Der Sachverständige hatte schon in seinem erstinstanzlich erstatteten Gutachten ausgeführt, die reparierten Schäden seien mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auf den Betrieb des Motors mit Gas zurückzuführen. Damit hat sich das Landgericht in den Urteilsgründen nicht ersichtlich auseinandergesetzt, sondern nur darauf abgestellt, dass nach dem Gutachten andere Ursachen als der Gasbetrieb nicht ausgeschlossen werden könnten.
bb) Der Sachverständige hat im Rahmen der mündlichen Erläuterung des Gutachtens ausgeführt, es sei in hohem Maße wahrscheinlich, dass die Reparaturarbeiten, die X am Pkw der Klägerin ausgeführt habe, erforderlich gewesen seien, weil der dafür nicht freigegebene Pkw mit der seitens der Beklagten eingebauten Gasanlage betrieben worden sei. Die seitens des X ausgeführten Arbeiten korrespondierten mit dem, was üblicherweise als Schaden eintrete, wenn ein Motor, der dafür nicht ausgelegt sei, mit Gas betrieben werde. Vorliegend sei auch die Zeitdauer zwischen dem Einbau der Anlage und dem Eintritt der Schäden stimmig. Dasselbe gelte für die Laufleistung zwischen dem Einbau und dem Eintritt der Schäden. Dass der Schaden am Katalysator nicht zeitgleich mit dem Schaden am Motor eingetreten sei, sei technisch ohne Weiteres nachvollziehbar. Bei dem Schaden am Katalysator handele es sich um einen Folgeschaden des Schadens an den Ventilen und Zylinderköpfen, der nicht selten erst geraume Zeit nach der Schädigung der Ventile eintrete. Aufgrund dieser plausiblen, nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen, denen sich der Senat anschließt, steht zur Überzeugung des Senats zweierlei fest:
Zum einen ist der Senat davon überzeugt, dass die seitens des X ausgeführten Arbeiten deshalb vorgenommen wurden, weil am Pkw der Klägerin tatsächlich entsprechende Schäden vorhanden waren. Zum anderen ist der Senat davon überzeugt, dass die Schäden aufgrund des Gasbetriebs eingetreten sind. Der Senat verkennt nicht, dass der Sachverständige ausgeführt hat, andere Ursachen als der Betrieb mit Gas könnten nicht als schadensursächlich ausgeschlossen werden. Die erforderliche persönliche Überzeugung des Tatrichters setzt aber nicht den Ausschluss letzter Zweifel voraus, sondern lediglich einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit (vgl. BGH, NJW 1994, 801). Ein solcher Grad von Gewissheit ist hier nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gegeben. Denn der Sachverständige hat im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat ausgeführt, dass ein denkbarer Fabrikationsfehler im vorliegenden Fall eher theoretischer Natur sei und konkrete Anhaltspunkte für einen solchen nicht vorlägen. Ferner hat der Sachverständige ausgeführt, dass auch Fehlsteuerungen aus dem Bereich der Fahrzeugelektronik zwar als schadensursächlich in Betracht kämen. Nach seinen Erkundigungen seien allerdings bei dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp derlei Steuerungsfehler nicht bekannt. Danach mag es zwar denkbare alternative Schadensursachen geben. Diese sind aber nicht geeignet, vernünftige Zweifel an der Überzeugung des Senats, wonach die Schäden auf dem Gasbetrieb beruhen, zu begründen. Denn zum einen handelt es sich bei den eingetretenen Schäden um solche, die typischerweise beim Betrieb eines dafür nicht ausgelegten Fahrzeugs mit Gas entstehen. Zum anderen fehlen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Schadenseintritt im vorliegenden Fall auf einer anderen Ursache beruht als auf dem Betrieb des Fahrzeugs mit Gas.
cc) Der Ansicht der Beklagten, es liege eine Beweisvereitelung seitens der Klägerin vor, infolge derer ihr – der Beklagten – die weitere Beweisführung abgeschnitten sei, ist unzutreffend. Unstreitig war der Beklagten bekannt, dass die Klägerin den Wagen nach dem Ausbau der Gasanlage bei X auf Schäden infolge des Gasbetriebs untersuchen und diese erforderlichenfalls beheben lassen wollte. Hätte die Beklagte die Teile zwecks Prüfung zur Verfügung haben wollen, hätte sie dies der Klägerin unmissverständlich mitteilen und die Klägerin auffordern müssen, die Teile aufzubewahren. Dass das passiert ist, hat die Beklagte nicht vorgetragen.
d) Das Verschulden der Beklagten wird vermutet (§ 280 I 2 BGB). Die Beklagte hat zu ihrer Entlastung nichts vorgetragen.
e) Für ein Mitverschulden der Klägerin in Form der angeblichen Nichtbeachtung der Kontrollleuchte ist die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Nach den auch insoweit plausiblen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 05.01.2010 lässt sich ein Mitverschulden der Klägerin nicht feststellen. Der Sachverständige hat ausgeführt, gerade beim Betrieb eines dafür nicht ausgelegten Motors mit Gas könne es passieren, dass die Warnlampe Störungen erst dann anzeige, wenn bereits erhebliche mechanische Beschädigungen eingetreten seien.
f) Die Beklagte ist nach § 249 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Herzustellen ist der Zustand, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre, die Beklagte also die Gasanlage in den dafür ungeeigneten Pkw nicht eingebaut hätte.
aa) Die Klägerin hätte dann den von ihr zuletzt geltend gemachten Betrag von 2.596,64 € netto für den Einbau der Gasanlage, die Garantieversicherung und das Ersatzfahrzeug nicht aufgewandt … Der Klägerin wären des Weiteren nicht die geltend gemachten Kosten von 3.500,97 € netto und 1.559,63 € netto für die Reparatur der am Pkw eingetretenen Schäden entstanden. Dass die seitens des X ausgeführten Reparaturen erforderlich waren und die abgerechneten Beträge angemessen sind, steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund des auch insoweit plausiblen Gutachtens des Sachverständigen K.
bb) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Restwert der ausgebauten Altteile von dem Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht in Abzug zu bringen. Die Behauptungs- und Beweislast für das tatsächliche Vorliegen eines ausgleichungsfähigen Vorteils trifft den Schädiger (vgl. Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, § 249 Rn. 141). Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass die Teile überhaupt einen Restwert hatten. Auch sonst ist dafür nichts ersichtlich.
cc) Die Klägerin muss sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht die durch den Betrieb des Pkw mit Gas erzielten Verbrauchsvorteile anrechnen lassen. Nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag war eine dreijährige Zusatzversicherung abzuschließen. Die Klägerin hat den darauf entfallenden Betrag bezahlt, die Beklagte hat die Versicherung aber gleichwohl nicht abgeschlossen. Hierin liegt eine eigenständige schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten, infolge derer die Beklagte die Klägerin so zu stellen hat, wie sie bei Abschluss der Versicherung gestanden hätte. Wäre die Versicherung abgeschlossen worden, hätte sie die Kosten der streitgegenständlichen Reparaturen getragen, ohne dass eine Anrechnung von Nutzungsvorteilen erfolgt wäre. Zur Erlangung dieses Vorteils hätte allerdings die Klägerin für die Versicherung den Betrag von 300 € aufwenden müssen, der im Wege der Vorteilsausgleichung von dem Schadensersatzanspruch der Klägerin in Abzug zu bringen ist.
Der Klägerin stand danach ohne Berücksichtigung der seitens der Beklagten geleisteten Zahlungen folgender Anspruch gegen die Beklagte zu:
Rechnung der Beklagten vom 16.03.2007 (netto) | 2.596,64 € | |
Reparaturkosten gem. Rechnung X vom 26.11.2007 (netto) | + | 3.500,97 € |
Reparaturkosten gem. Rechnung X vom 20.12.2007 (netto) | + | 1.559,63 € |
Vorteilsausgleichung Zusatzversicherung | − | 300,00 € |
Summe | 7.357,24 € |
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin klargestellt, dass sie sich die bereits gezahlten Beträge in Höhe von insgesamt 3.000 € auf die Hauptforderung anrechnen lässt. Es verbleibt danach der ausgeurteilte Restbetrag von (7.357,24 € − 3.000 € =) 4.357,24 €.
2. Nebenforderung (Außergerichtliche Anwaltsgebühren).
Die Klägerin macht einen Schadensersatzanspruch geltend. Dieser umfasst auch die Kosten der Rechtsverfolgung als Vermögensfolgeschaden (vgl. Staudinger/Schiemann, a. a. O., § 251 Rn. 114). Dass die Klägerin sich – wie die Beklagte meint – außergerichtlich keines Anwalts bedienen durfte, weil die Beklagte die Leistung ernsthaft verweigert hatte, ist allenfalls unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens von Bedeutung. Für ein solches ist die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Für ihre bestrittene Behauptung, sie habe bereits vorprozessual jede Zahlung endgültig abgelehnt, sodass auch auf ein Anwaltsschreiben nicht mit einer Zahlung zu rechnen gewesen sei, hat die Beklagte keinen Beweis angetreten.
Der Höhe nach besteht der Anspruch nur nach dem Gegenstandswert der bei Klageerhebung berechtigten Forderung. Diese betrug 7.357,24 € …