Wird erst zwei Jah­re nach dem Kauf ei­nes Fahr­zeugs fest­ge­stellt, dass der Mo­tor nicht die ver­ein­bar­te Leis­tung er­bringt, ist dies al­len­falls ein In­diz da­für, dass die Leis­tungs­schwä­che be­reits bei Über­ga­be des Fahr­zeugs an den Käu­fer vor­han­den war.

OLG Mün­chen, Ur­teil vom 06.08.2009 – 8 U 2223/09

Sach­ver­halt: Der Klä­ger ver­langt von der Be­klag­ten die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ein fa­brik­neu­es Kraft­fahr­zeug. Er be­haup­tet, das Fahr­zeug sei von An­fang an man­gel­haft ge­we­sen, weil we­der die ver­trags­ge­mä­ße Höchst­ge­schwin­dig­keit noch die ver­trags­ge­mä­ße Mo­tor­leis­tung er­reicht wor­den sei.

Das Land­ge­richt hat der Kla­ge größ­ten­teils statt­ge­ge­ben. Zur Be­grün­dung hat es aus­ge­führt, der streit­ge­gen­ständ­li­che Pkw sol­le un­strei­tig ei­ne Höchst­geschwindigkeit von 200 km/h und ei­ne Leis­tung von 85 kW er­rei­chen, der ge­richt­lich be­stell­te Sach­ver­stän­di­ge ha­be je­doch nur ei­ne Höchst­ge­schwin­dig­keit von 192 km/h und ei­ne Leis­tung von 78,5 kW er­mit­telt. Die Min­der­leis­tung des Mo­tors in Hö­he von 7,5 % lie­ge über der von der Recht­spre­chung an­ge­nom­me­nen Er­heb­lich­keits­schwel­le.

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … 1. Der Klä­ger hat nicht nach­wei­sen kön­nen, dass zum maß­geb­li­chen Zeit­punkt der Über­ga­be des Fahr­zeugs die­ses ei­nen Man­gel in ei­nem Um­fang auf­wies, der zu ei­ner er­heb­li­chen Pflicht­ver­let­zung i. S. von § 323 V 2 BGB füh­ren wür­de.

Der Se­nat geht hier­bei zu­nächst – zu­guns­ten des Klä­gers  – von den vom Sach­ver­stän­di­gen fest­ge­stell­ten Leis­tungs­wer­ten des Fahr­zeugs aus. Es kann da­her da­hin­ste­hen, ob der Sach­ver­stän­di­ge von un­zu­tref­fen­den An­knüp­fungs­tat­sa­chen aus­ging, bei­spiels­wei­se, ob er die Un­ter­su­chung mit Rei­fen durch­führ­te, die nicht der­je­ni­gen Be­rei­fung ent­spricht, für wel­che die Leis­tungs­zu­sa­ge von der Be­klag­ten ab­ge­ge­ben wor­den war. Es kann auch da­hin­ste­hen, ob die Art und Wei­se der Be­gut­ach­tung man­gel­haft ist, et­wa des­halb, weil der Sach­ver­stän­di­ge den Zu­stand der Rei­fen (Ab­nut­zungs­zu­stand, Druck) nicht do­ku­men­tiert hät­te, oder weil er aus­weis­lich sei­nes Gut­ach­tens zwar die Wind­ge­schwin­dig­keit und Wind­rich­tung fest­ge­stellt hat, nicht je­doch an­ge­ge­ben hat, in wel­cher Fahrt­rich­tung er das zu un­ter­su­chen­de Fahr­zeug be­weg­te.

Denn die Be­gut­ach­tung durch den Sach­ver­stän­di­gen er­folg­te … am 14.5.2007. Der Klä­ger über­nahm das Fahr­zeug am 22.09.2004, mit­hin über zwei­ein­halb Jah­re zu­vor. Zwar hat der Sach­ver­stän­di­ge in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 01.04.2008 vor dem Land­ge­richt aus­ge­führt, es sei – wenn War­tun­gen etc. ord­nungs­ge­mäß durch­ge­führt wor­den sind – aus sei­ner Sicht sehr un­wahr­schein­lich, dass bei der Fahr­leis­tung des Fahr­zeugs seit der Aus­lie­fe­rung Leis­tungs­ab­fäl­le ent­stan­den sei­en. Da­mit hat der Sach­ver­stän­di­ge je­doch nicht aus­ge­schlos­sen, dass sol­che Leis­tungs­ver­schlech­te­run­gen ein­ge­tre­ten sind.

Der Se­nat ist in An­be­tracht der ge­sam­ten Um­stän­de nicht da­von über­zeugt, dass sol­che Leis­tungs­ver­schlech­te­run­gen tat­säch­lich nicht ein­ge­tre­ten sind. Hier­für spricht zum ei­nen der lan­ge Zeit­raum zwi­schen der Über­nah­me des Fahr­zeugs durch den Klä­ger und der Be­gut­ach­tung durch den ge­richt­lich be­stell­ten Sach­ver­stän­di­gen (Zeit­raum vom 22.09.2004 bis zum 14.05.2007), zum zwei­ten die er­heb­li­che Fahr­leis­tung des Fahr­zeugs in die­sem Zeit­raum von ge­schätz­ten 75.000 km … 

Zum drit­ten spricht da­für die Fest­stel­lung des Klä­gers ein­gangs der Kla­ge­be­grün­dung, wo­nach das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug zwar be­reits seit Be­ginn der In­ge­brauch­nah­me ei­nen Leis­tungs­ver­lust auf­ge­wie­sen ha­be, im Lau­fe der Zeit sei es je­doch „zu ei­nem im­mer grö­ßer wer­den­den Leis­tungs­ab­fall“ ge­kom­men … Es sind kei­ne hin­rei­chen­den An­halts­punk­te da­für er­sicht­lich, dass der Klä­ger die­se Be­haup­tung „ins Blaue hin­ein“ ge­macht hät­te, mit an­de­ren Wor­ten: dass sie nicht der Wahr­heit ent­spre­chen wür­de. Zwar wird im wei­te­ren Vor­trag des Klä­gers be­haup­tet, „ die Ab­wei­chung von der zu­grun­de ge­leg­ten Be­schaf­fen­heit be­stand be­reits bei Über­ga­be des Fahr­zeugs“ … Je­doch lässt die­se Fest­stel­lung nicht zwei­fels­frei er­ken­nen, dass da­mit die vom Sach­ver­stän­di­gen fest­ge­stell­te Ab­wei­chung ge­meint ist, im Üb­ri­gen wä­re ei­ne ent­spre­chen­de Be­haup­tung er­klä­rungs­be­dürf­tig in An­be­tracht der zu­nächst vom Klä­ger ge­äu­ßer­ten Be­haup­tung, die Leis­tung des Fahr­zeugs ha­be sich im Lau­fe der Zeit ver­schlech­tert. Die­se Be­haup­tung ist im Üb­ri­gen auch ent­hal­ten in der Män­gel­an­zei­ge des Klä­gers an die Be­klag­te vom 07.08.2006 …

Da­bei ist auch zu be­rück­sich­ti­gen, dass der vom Klä­ger ge­schil­der­te zeit­li­che Ab­lauf für sei­ne in der Kla­ge­schrift zu­nächst ge­wähl­te Schil­de­rung spricht. Er hat das Fahr­zeug näm­lich erst nach bei­na­he zwei Jah­ren, näm­lich am 19.07.2006, in ei­ner Werk­statt un­ter­su­chen las­sen. Die Tat­sa­che, dass hier­bei nach den An­ga­ben des Klä­gers ei­ne Mo­tor­leis­tung von nur 73 kW bei aus­ge­schal­te­ter Kli­ma­an­la­ge und ei­ne Leis­tung von 62 kW bei ein­ge­schal­te­ter Kli­ma­an­la­ge fest­ge­stellt wor­den sei, ist zwar ein In­diz für die vom Klä­ger nun vor­ge­tra­ge­ne Sach­ver­halts­dar­stel­lung, wo­nach die gra­vie­ren­den Leis­tungs­schwä­chen be­reits von An­fang an ge­we­sen sei­en; die­ses In­diz ver­mag in­des die Zwei­fel des Se­nats nicht aus­zu­räu­men, zu­mal Ein­zel­hei­ten über die Qua­li­tät die­ser Un­ter­su­chung nicht be­kannt sind. Im Üb­ri­gen wird die­se Un­ter­su­chung mit et­wa der­sel­ben Ge­wich­tig­keit ent­wer­tet durch die von der Be­klag­ten am 06.09.2006 durch­ge­führ­te Über­prü­fung, die nach de­ren Be­haup­tung kei­ner­lei Leis­tungs­schwä­chen des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs er­bracht ha­be.

Da die vom Sach­ver­stän­di­gen im Rah­men des Be­weis­ver­fah­rens fest­ge­stell­te Min­der­leis­tung sich in ei­nem Grenz­be­reich des­sen be­wegt, was nach der Recht­spre­chung als er­heb­lich bzw. un­er­heb­lich i. S. des § 323 V 2 BGB be­ur­teilt wird …, ist der Se­nat in An­be­tracht der ge­schil­der­ten Um­stän­de und Ge­sichts­punk­te nicht da­von über­zeugt, dass das Fahr­zeug zum Zeit­punkt der Über­nah­me durch den Klä­ger der­ar­ti­ge Män­gel auf­wies, die ihn nach der ge­nann­ten ge­setz­li­chen Vor­schrift zum Rück­tritt be­rech­ti­gen wür­den.

2. Mit der An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung dringt der Klä­ger nicht durch …

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