1. Bei ei­nem „Mon­tags-“ oder „Zi­tro­nen­au­to“ – ei­nem Fahr­zeug, bei dem im­mer wie­der neue Män­gel auf­tre­ten oder sich be­reits be­ho­ben ge­glaub­te Feh­ler wie­der be­merk­bar ma­chen – be­steht der Man­gel in der Man­gel­an­fäl­lig­keit des Neu­fahr­zeugs. Zu be­rück­sich­ti­gen sind des­halb so­wohl die Feh­ler­häu­fig­keit als auch der Zeit­raum, in dem die Feh­ler auf­tre­ten.
  2. Bei ei­nem Wohn­wa­gen sind die Nut­zungs­vor­tei­le an­ders als bei ei­nem Pkw zu be­rech­nen, weil ein Wohn­wa­gen nicht für den täg­li­chen Ver­kehr be­nutzt wird, son­dern um dar­in zu woh­nen. Des­halb ist aus­ge­hend von der für den je­wei­li­gen Wohn­wa­gen an­zu­neh­men­den Le­bens­dau­er ei­ne Be­wer­tung pro ra­ta tem­po­ris vor­zu­neh­men.

OLG Ros­tock, Be­schluss vom 08.04.2008 – 1 U 65/08

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb von dem Be­klag­ten ei­nen Wohn­wa­gen zum Preis von 15.758,82 €. Der Wohn­wa­gen wur­de ihm am 16.04.2005 über­ge­ben.

Er hat den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag er­klärt und erst­in­stanz­lich das Auf­tre­ten ver­schie­dens­ter er­heb­li­cher Män­gel (z. B. un­dich­tes Vor­zelt, zu emp­find­li­che Was­ser­ar­ma­tur im Bad, de­fek­te Dich­tung am Was­ser­be­cken, de­fek­ter Tep­pich am Ofen, blin­de Stel­len am Spie­gel im Bad) gel­tend ge­macht, die er im Zeit­raum vom 06.05.2005 bis 10.07.2005 ge­gen­über dem Be­klag­ten ge­rügt ha­be. Im Sep­tem­ber 2006 ha­be das Vor­zelt er­neut un­dich­te Stel­len auf­ge­wie­sen. Bei dem Fahr­zeug han­de­le es sich um ein „Mon­tags­au­to“.

Der Be­klag­te hat dem­ge­gen­über be­haup­tet, die vom Klä­ger ge­rüg­ten Män­gel sei­en al­le voll­stän­dig im Sep­tem­ber 2005 be­sei­tigt wor­den. Er hat vor­ge­tra­gen, er ha­be dem Klä­ger an­ge­bo­ten, ein neu­es Vor­zelt im Aus­tausch ge­gen das ge­brauch­te zu lie­fern, doch ha­be der Klä­ger das Zelt nicht zur Prü­fung vor­ge­stellt.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen und zur Be­grün­dung aus­ge­führt, der Klä­ger ha­be kein Recht zum Rück­tritt vom Kauf­ver­trag. Un­strei­tig ha­be der Be­klag­te die zwi­schen Mai 2005 und Ju­li 2005 ge­rüg­ten Män­gel im Sep­tem­ber 2005 be­ho­ben. Das be­haup­te­te er­neu­te Auf­tre­ten ei­ner Un­dich­tig­keit im Vor­zelt be­rech­ti­ge den Klä­ger nicht zur Rück­gän­gig­ma­chung des Kauf­ver­trags. Da­für feh­le es schon an der nach § 323 BGB ge­for­der­ten Frist­set­zung mit Ab­leh­nungs­an­dro­hung. Auch kön­ne nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass es sich bei dem Wohn­wa­gen um ein „Mon­tags­au­to“ han­de­le.

Ge­gen die­se Ent­schei­dung rich­tet sich die Be­ru­fung des Klä­gers. Der Se­nat be­ab­sich­tigt, das Rechts­mit­tel nach § 522 II 1 Nr. 1 ZPO zu­rück­zu­wei­sen.

Aus den Grün­den: II. … 1. Die Be­ru­fung kann nur dar­auf ge­stützt wer­den, dass das an­ge­foch­te­ne Ur­teil auf ei­ner Rechts­ver­let­zung be­ruht oder die nach § 529 ZPO zu­grun­de zu le­gen­den Tat­sa­chen ei­ne an­de­re Ent­schei­dung recht­fer­ti­gen. Da bei­des nicht er­sicht­lich ist, wird das Ur­teil vor­aus­sicht­lich den Be­ru­fungs­an­grif­fen stand­hal­ten.

Trotz ei­ni­ger Un­klar­hei­ten in der Be­grün­dung folgt der Se­nat den im We­sent­li­chen zu­tref­fen­den Aus­füh­run­gen des Land­ge­richts …

2. Das Vor­brin­gen zur Be­ru­fung recht­fer­tigt kei­ne an­de­re Be­ur­tei­lung.

a) Der Be­ru­fung ist zu­zu­ge­ben, dass die Zwei­fel des Land­ge­richts an der Man­gel­haf­tig­keit des Vor­zelts und des Dach­fens­ters spe­ku­la­tiv sind. Da es dar­auf für die Be­grün­dung der Ent­schei­dung nicht an­kam, sind sie zu­dem über­flüs­sig. Ei­nes nä­he­ren Ein­ge­hens auf die­se Pro­ble­ma­tik be­darf es des­halb nicht.

b) Das Land­ge­richt hat zu Recht ei­nen An­spruch auf Rück­tritt vom Kauf­ver­trag des­halb ver­neint, weil der Klä­ger dem Be­klag­ten kei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Nach­er­fül­lung ge­setzt hat und die­se auch nicht ent­behr­lich war.

aa) Nach §§ 437 Nr. 2, 440, 323, 326 V BGB setzt das Rück­tritts­recht des Käu­fers ne­ben dem Vor­lie­gen ei­nes Sach­kaufs das Vor­han­den­sein ei­nes Sach­man­gels bei Ge­fahr­über­gang vor­aus, der stets als Ver­trags­ver­let­zung an­zu­se­hen ist. Wei­ter muss dem Ver­käu­fer Ge­le­gen­heit und Zeit ge­ge­ben wer­den, man­gel­frei zu er­fül­len. Der Käu­fer muss dem Ver­käu­fer ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Nach­er­fül­lung ge­setzt ha­ben (§ 439 BGB), de­ren Dau­er von der Art des Sach­man­gels ab­hängt, wenn nicht ei­ner der ge­setz­lich ge­re­gel­ten Fäl­le der Ent­behr­lich­keit ei­ner Nach­frist­set­zung vor­liegt.

bb) Ei­ne Frist­set­zung für die nach der Nach­bes­se­rung im Sep­tem­ber 2005 er­neut auf­ge­tre­te­nen Män­gel, der Un­dich­tig­keit des Vor­zelts und des Was­ser­ein­bruchs im Be­reich des Dach­fens­ters, hat un­strei­tig nicht vor­ge­le­gen.

aaa) Die Frist­set­zung war auch nicht ent­behr­lich (§ 440 BGB). Ent­ge­gen der mit der Be­ru­fung er­neut vor­ge­tra­ge­nen Auf­fas­sung des Be­klag­ten, ei­ne Frist­set­zung sei ent­behr­lich ge­we­sen, weil dem Wohn­wa­gen ei­ne Feh­l­er­ge­neigt­heit in­ne­ge­wohnt ha­be, recht­fer­ti­gen die be­haup­te­ten Män­gel die­se Fest­stel­lung nicht. Der Be­klag­te nimmt in­so­fern Be­zug auf die Recht­spre­chung zum sog. „Mon­tags­au­to“ oder „Zi­tro­nen­au­to“. Da­mit wer­den Kraft­fahr­zeu­ge be­zeich­net, die an im­mer neu­en ab­stell­ba­ren Män­geln (er-)kran­ken. Kaum ist ein Man­gel be­sei­tigt, tritt der nächs­te auf, oder es macht sich ein be­reits be­ho­ben ge­glaub­ter Feh­ler wie­der be­merk­bar. Da­bei be­steht der Man­gel des Neu­fahr­zeugs in sei­ner Man­gel­an­fäl­lig­keit. Zur Be­wer­tung der Feh­ler­haf­tig­keit ist des­halb so­wohl die Feh­ler­häu­fig­keit als auch der Zeit­raum, in dem die Feh­ler auf­tre­ten, zu be­rück­sich­ti­gen.

bbb) Nach die­sen Maß­stä­ben ist die Be­ur­tei­lung durch das Land­ge­richt nicht zu be­an­stan­den. Dies gilt auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Klar­stel­lun­gen zum zeit­li­chen Ab­lauf durch den Klä­ger in der Be­ru­fungs­be­grün­dung.

Die bis zum Som­mer 2005 auf­ge­tre­te­nen Män­gel wur­den, mit Aus­nah­me der Un­dich­tig­keit des Vor­zelts, durch die Re­pa­ra­tur im Sep­tem­ber 2005 end­gül­tig ab­ge­stellt. Zwar trat nach der Lie­fe­rung ei­nes neu­en Vor­zelts am 02.03.2006 im Herbst 2006 er­neut ei­ne Un­dich­tig­keit auf. Die­ser Man­gel recht­fer­tigt je­doch in Zu­sam­men­schau mit dem wei­ter im Herbst 2006 auf­ge­tre­te­nen Man­gel ei­nes Was­ser­ein­bruchs am hin­te­ren Dach­fens­ter (bei un­ter­stell­ter Be­grün­det­heit der dies be­tref­fen­den Män­gel­rü­gen) nicht die Be­wer­tung ei­ner ge­ne­rel­len Feh­l­er­ge­neigt­heit des Wohn­wa­gens bzw. Vor­zelts. Dies gilt auch, so­weit man die ab­ge­stell­ten Män­gel in die Be­trach­tung ein­be­zieht.

Trotz der Mehr­zahl von Män­geln sind nicht im­mer wie­der neue Män­gel auf­ge­tre­ten und ab­ge­stell­te Män­gel auf­ge­lebt. Da­bei kon­zen­triert sich der Vor­wurf nach Ab­stel­lung der Män­gel im Sep­tem­ber 2005 im We­sent­li­chen auf den wie­der­auf­ge­tre­te­nen Man­gel der Un­dich­tig­keit des Vor­zelts und dem ein­ma­li­gen Was­ser­ein­bruch des Dach­fens­ters. Die­se Män­gel er­rei­chen so­wohl in ih­rer An­zahl als auch hin­sicht­lich der zeit­li­chen Kom­po­nen­te nicht die An­for­de­run­gen, die von der Recht­spre­chung an die Fest­stel­lung ei­ner ge­ne­rel­len Man­gel­an­fäl­lig­keit ge­stellt wer­den (vgl. Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 9. Aufl., Rn. 405 m. w. Nachw.; OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 10.02.2006 – I-22 U 149/05, ju­ris).

Der Be­klag­te hat ei­ne Nach­bes­se­rung auch nicht ver­wei­gert. Ganz im Ge­gen­teil hat er stets sei­ne Be­reit­schaft er­klärt, die Män­gel nach ei­ner Über­prü­fung des Wohn­wa­gens ab­zu­stel­len.

c) Die wei­te­ren mit der Kla­ge er­ho­be­nen An­sprü­che be­ste­hen auf­grund des nicht ge­ge­be­nen Rück­tritts vom Kauf­ver­trag eben­so nicht.

d) Über­dies – dies aber nur als ob­iter dic­tum, da nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich (s.​oben) – teilt der Se­nat die vom Klä­ger vor­ge­nom­me­ne Be­rech­nung sei­ner Ge­brauchs­vor­tei­le – ba­sie­rend auf der vom Wohn­wa­gen zu­rück­ge­leg­ten Zug­stre­cke – nicht. Die Nut­zungs­vor­tei­le bei Wohn­wa­gen sind an­ders als bei Per­so­nen­kraft­wa­gen zu be­rech­nen. Zu be­rück­sich­ti­gen ist näm­lich, dass ein Wohn­wa­gen nicht für den täg­li­chen Ver­kehr be­nutzt wird, son­dern um dar­in – ge­ge­be­nen­falls nach ei­ner Orts­ver­än­de­rung – zu woh­nen. Von da­her ist ei­ne Be­wer­tung pro ra­ta tem­po­ris vor­zu­neh­men, aus­ge­hend von der für den je­wei­li­gen Wohn­wa­gen an­zu­neh­men­den Le­bens­dau­er …

PDF er­stel­len