1. Übermäßiger Verschleiß ist bei einem Gebrauchtwagen ein Mangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB.
  2. Dass ein festgestellter Mangel in Form eines überdurchschnittlichen Verschleißes schon bei Übergabe des Gebrauchtwagens an den Käufer vorlag, ist bei einem Verbrauchsgüterkauf regelmäßig zu vermuten (§ 476 BGB).
  3. Ein Rücktritt von einem Kfz-Kaufvertrag ist nach § 323 VI BGB ausgeschlossen, wenn der Käufer für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist. So kann es liegen, wenn sich ein schon bei Übergabe des Fahrzeugs vorhandener geringfügiger Mangel – hier in Form einer defekten Einspritzdüse – erst durch ein Verschulden des Käufers derart (hier: zu einem Motorschaden) ausweitet, dass die für einen Rücktritt maßgebliche Erheblichkeitsschwelle des § 323 V 2 BGB überschritten wird.

LG Dortmund, Urteil vom 21.12.2007 – 22 O 212/06

Sachverhalt: Der Kläger erwarb von der Beklagten im Mai 2000 einen gebrauchten Pkw, der ihm am 22.05.2006 mit einem Kilometerstand von knapp 60.000 übergeben wurde. Der Kaufpreis betrug 8.990 €.

Am 10.11.2006 blieb der Pkw mit einem Motorschaden liegen, nachdem der Kläger mit ihm insgesamt ca. 14.000 km zurückgelegt hatte. Der Kläger brachte den Pkw zu der Beklagten und forderte sie zur Nachbesserung auf. Dies lehnte die Beklagte unter Hinweis darauf ab, dass der Pkw bei Übergabe an den Kläger mangelfrei gewesen sei. Sie versuchte, eine Regelung unter Einbeziehung einer Garantieversicherung zu erreichen. Danach hätten der Kläger und der Versicherer jeweils 1.000 € zahlen und die Beklagte einen von ihr zu beschaffenden Gebrauchtmotor in das Fahrzeug des Klägers einbauen sollen. Hierzu war der Kläger nicht bereit.

Der Kläger behauptet, der Pkw sei bereits bei Übergabe im Mai 2006 mangelhaft gewesen. Vor dem Eintritt des Motorschadens sei er auf der Autobahn in einen Stau gekommen. Der Wagen habe dort im Stand geruckelt; beim Gasgeben habe das Ruckeln aufgehört. Er habe dann von seiner Arbeitsstelle aus bei einer Markenwerkstatt angerufen, wo man ihm erklärt habe, dass eventuell eine Sonde erodiert sei, und er im Laufe der Woche vorbeischauen solle. Auf der Rückfahrt von der Arbeitsstelle sei es dann zu dem Motorschaden gekommen, ohne dass er zuvor etwas Besonderes bemerkt habe. Morgens, beim ersten Anlassen des Pkw, sei es lediglich zu der üblichen Qualmentwicklung gekommen.

Der Kläger lässt sich auf den Kaufpreis eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 843,26 € anrechnen und will im Wesentlichen erreichen, dass ihm die Beklagte 8.146,74 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw, zahlen muss. Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus §§ 323, 346 ff., 433, 434, 437 Nr. 2 BGB. Zwar lag bei Übergabe des Pkw ein Mangel der Kaufsache vor (I.). Jedoch ist der Rücktritt des Klägers vom Kaufvertrag ausgeschlossen, weil er für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, weit überwiegend verantwortlich ist (II.).

I. 1. Ein Mangel der Kaufsache bei Gefahrübergang liegt vor. Das Fahrzeug war gemäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, da es nicht die Beschaffenheit aufwies, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Üblich und vom Käufer zu erwarten ist nur normaler (natürlicher) Verschleiß eines Gebrauchtwagens, nicht aber übermäßiger Verschleiß (BGH, Urt. v. 23.11.2005 – VIII ZR 43/05, NJW 2006, 434; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.06.2006 – I-1 U 38/06, NJW 2006, 2858; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rn. 1228). Soweit es – wie hier – nicht um einen sogenannten Serienfehler geht, ist zur Ermittlung des Maßstabes für die übliche Beschaffenheit auf ein Fahrzeug abzustellen, das bauart- und typengleich ist und nach Alter und Laufleistung dem Kaufobjekt so weit wie möglich entspricht (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1235; OLG Stuttgart, Urt. v. 15.08.2006 – 10 U 84/06, NJW-RR 2006, 1720).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Ursache für den Motorschaden an dem Pkw ein Defekt an der Einspritzdüse des zweiten Zylinders war, wodurch Kraftstoff in erheblichen Überschussmengen in den Brennraum des zweiten Zylinders eingebracht wurde, was zu massiven Verbrennungsstörungen und in der Folge davon – durch die Weiterbenutzung des Fahrzeugs – auch zu erheblichen mechanischen und thermischen Beschädigungen an Kolben und Zylindernwänden führte.

Ursächlich für den Ausfall der Einspritzdüse wiederum war betriebsbedingter deutlich überdurchschnittlicher Verschleiß. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass bei dem vorliegenden Fabrikat von einer Regellaufleistung von 100.000 bis 150.000 km auszugehen sei, während hier der Ausfall der Einspritzdüse bereits bei einem Kilometerstand von gut 74.000 erfolgte. Die Feststellungen des Sachverständigen sind insgesamt überzeugend. Der Sachverständige ist von den zutreffenden Anschlusstatsachen ausgegangen. Seine Ausführungen sind plausibel.

2. Allerdings hat der Sachverständige keine Feststellungen dazu treffen können, ob ein überdurchschnittlicher und damit übermäßiger Verschleiß auch bereits bei Gefahrübergang im Mai 2006 vorlag. Der Sachverständige hatte dies damit begründet, dass ein linearer Verschleiß nicht zugrundegelegt werden könne, weil verschiedene Umstände einen nicht linearen Verschleiß bedingen können. Jedoch ist nach § 476 BGB zu vermuten, dass der übermäßige Verschleiß der Einspritzdüse bereits bei Gefahrübergang vorlag. Ein Verbrauchsgüterkauf gemäß § 474 I 1 BGB ist gegeben. Der Verschleiß der Einspritzdüse zeigte sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang, da sie am 10.11.2006 und damit noch kurz vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist den Motorschaden verursachte.

Eine Unvereinbarkeit der Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels liegt nicht vor. Insbesondere steht der Anwendung der gesetzlichen Vermutung nicht entgegen, dass es sich um einen auf übermäßigem Verschleiß beruhenden Mangel eines Gebrauchtwagens handelt (OLG Hamm, Urt. v. 18.06.2007 – 2 U 220/06, BeckRS 2007, 14370; OLG Koblenz, Urt. v. 19.04.2007 – 5 U 768/06, NJW 2007, 1828). Soweit eine Gegenauffassung eine Ausnahme von der grundsätzlich gegebenen Beweislastumkehr bei gebrauchten Sachen annehmen will, bei denen die von vornherein anzunehmende unterschiedliche Abnutzung zu berücksichtigen sei (LG Hanau, NJW-RR 2003, 1561; Palandt/Putzo, BGB, 65. Aufl., § 476 Rn. 10, nicht mehr vertreten in der 66. Aufl.; unklar OLG Köln, MDR 2006, 1391) ist diese durch die Rechtsprechung des BGH (zuletzt klarstellend BGH, Urt. v. 18.07.2007 – VIII ZR 259/06, NJW 2007, 2621) überholt. Der Ausschluss der Vermutung für den Käufer eines gebrauchten Pkw ist nicht gerechtfertigt. Gerade bei verborgenen Mängeln ist der Verbraucher schutzwürdig. Dies gilt auch für den Fall verborgener verschleißbedingter Mängel.

II. Ungeachtet des Vorliegens eines Mangels ist der Kläger gleichwohl nicht zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt, weil der Rücktritt vorliegend nach § 323 VI BGB ausgeschlossen ist. Diese Vorschrift basiert auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass der Gläubiger aus einer Situation, die er selbst zu verantworten hat, keine Rechte herleiten darf (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 428). Ein Gläubiger ist für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde allein oder weit überwiegend verantwortlich, wenn auch ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung nicht nur gekürzt, sondern nach § 254 BGB vollständig ausgeschlossen wäre (Staudinger/Schwarze, BGB, Neubearb. 2004, § 323 Rn. E 7 unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte; Palandt/Grüneberg, BGB, 66. Aufl., § 323 Rn. 29: Verantwortungsquote des Gläubigers von 90 %, mindestens aber von 80 %). So kann es liegen, wenn sich ein bei Gefahrübergang vorhandener geringfügiger Fahrzeugmangel infolge seines Verschuldens derart ausweitet, dass die für das Rücktrittsrecht maßgebliche Schwelle des § 323 V 2 BGB erst dadurch überschritten wird (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 428).

Danach ist vorliegend von einem Ausschluss des Rücktrittsrechts für den Kläger auszugehen. Der Grundmangel der überdurchschnittlich verschlissenen Einspritzdüse allein berechtigte den Kläger noch nicht zur Erklärung des Rücktritts. Denn die in der Mangelhaftigkeit der Einspritzdüse liegende Pflichtverletzung der Beklagten war nur geringfügig. Die Reparatur der defekten Einspritzdüse hätte, was zwischen den Parteien unstreitig ist, lediglich Reparaturkosten in Höhe von 160 € brutto veranlasst. Diese Reparaturkosten stellen rechnerisch bereits nur einen geringen Bruchteil (ca. 1,7 %) des Kaufpreises dar. Ferner ist zu berücksichtigen, dass es sich um einen versteckten Mangel handelte, welcher nach den Ausführungen des Sachverständigen bei einer normalen Überprüfung oder Probefahrt durch den gewerblichen Verkäufer nicht auffallen kann. Die Erheblichkeitsschwelle des § 323 V 2 BGB wurde vorliegend erst durch die Ausweitung des Grundmangels zum Motorschaden überschritten. Hierfür ist der Kläger verantwortlich. Dieser hat sich zumindest grob fahrlässig über Warnsignale (nachlassende Leistung, schwarzer Qualm) hinweggesetzt, als es noch nicht zu einer endgültigen Schädigung des Motors gekommen war. Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Der Sachverständige ist den Erklärungen des Klägers entgegengetreten. Danach konnte es nicht lediglich vor dem Motorschaden zu einem Ruckeln gekommen sein. Der Sachverständige hat überzeugend erläutert, dass es vor einem endgültigen Motorschaden zunächst zu einem Leistungsverlust und schwarzen Qualmwolken kommt. Er hat weiter erklärt, dass die Qualmentwicklung sich sowohl im Stadtverkehr als auch bei Autobahnfahrten intensiv bemerkbar macht und gesehen werden müsste. Bei eigenüblicher Sorgfalt hätte der Kläger den Motorschaden mithin verhindern können. Soweit er Rat bei einer Werkstatt geholt haben will, entlastet ihn dies nicht. Es ist bereits unklar, welchen tatsächlichen Sachverhalt er der Werkstatt unterbreitet haben will. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass er der Werkstatt erklärte, dass schwarzer Qualm und ein Leistungsabfall eingetreten wäre.

Bei einer Gesamtabwägung ist nach alledem eine weit überwiegende Verantwortlichkeit des Klägers festzustellen. Während die Beklagte nur verschuldensunabhängig einen Sachmangel zu vertreten hat, welcher einen Reparaturkostenaufwand in Höhe von 160 € bedingt, hat der Kläger unter Verletzung der eigenüblichen Sorgfalt den weitergehenden Motorschaden verursacht. Die Reparaturkosten insoweit belaufen sich auf mindestens 3.000 € …

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