Ein durchschnittlicher Neuwagenkäufer kann die Erklärung des Verkäufers, der Wagen sei ein „Euro 3“-Fahrzeug mit neuester Technik (u. a. einem Rußpartikelfilter), nur so verstehen, dass das Fahrzeug auch im Hinblick auf die Kraftfahrzeugsteuer als „Euro 3“-Fahrzeug gilt. Es liegt deshalb ein Mangel i. S. des § 434 I 1 BGB vor, wenn das – der Schadstoffklasse „Euro 3“ angehörende – Fahrzeug kraftfahrzeugsteuerrechtlich als „Euro 2“-Fahrzeug eingestuft wird.
LG Münster, Urteil vom 06.12.2006 – 8 O 320/06
(nachfolgend: OLG Hamm, Urteil vom 28.06.2007 – 2 U 28/07)
Sachverhalt: Der Kläger bestellte bei der Beklagten, die als autorisierte Citroën-Händlerin im Münsterland mehrere Autohäuser betreibt, am 20.02.2006 einen Citroën C8 HDi 130 FAP Tendance zum Preis von 29.305 €.
Im Rahmen des zuvor geführten Verkaufsgesprächs hatte der Mitarbeiter M der Beklagten den Kläger darauf hingewiesen, dass das Fahrzeug ein „Euro 3“-Fahrzeug und überdies mit einem Rußpartikelfilter ausgestattet sei. M hatte dem Kläger außerdem einen Verkaufsprospekt vorgelegt, in dem unter anderem eine Übersicht über die technischen Daten des Citroën C8 enthalten ist. In der ersten Zeile dieser Übersicht ist angegeben „Abgasnorm: EURO 3“; in der zweiten Zeile ist „Schlüsselnummer: 51“ vermerkt.
Das bestellte Fahrzeug wurde am 06.03.2006 auf den Kläger zugelassen und ausgeliefert.
Mit Steuerbescheid vom 27.03.2006 wurde das Fahrzeug – entsprechend der Schlüsselnummer 51 – steuerlich als „Euro 2“-Fahrzeug eingestuft. Auf Anfrage teilte die Fahrzeugherstellerin dem Kläger mit, eine Änderung der Einstufung sei nicht möglich, da diese – ungeachtet der Einhaltung der Abgaswerte – auf der in Deutschland geltenden Besteuerung von Fahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 2,5 t beruhe. Daraufhin erklärte der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 16.06.2006 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte auf, ihm bis zum 03.07.2006 Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs den Kaufpreis zu erstatten. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 21.06.2006 ab.
Der Kläger behauptet, er habe in den Verkaufsgesprächen ausdrücklich betont, dass er eigentlich einen Pkw suche, der der Schadstoffklasse Euro 4 angehört. Er habe sich dann allerdings auf den Vorschlag des Verkäufers eingelassen, einen Pkw zu kaufen, der in die Schadstoffklasse Euro 3 eingestuft und mit einem Rußpartikelfilter ausgestattet sei. Die Angaben des Verkäufers und im Verkaufsprospekt hätten ihn in die Irre geführt, weil er mit der im Verkaufsprospekt angegebenen Schlüsselnummer nichts habe anfangen können und in dieser Hinsicht auch nicht aufgeklärt worden sei.
Die Klage hatte im Wesentlichen Erfolg.
Aus den Gründen: Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 26.257,28 € Zug um Zug gegen Herausgabe des Pkw Citroën C8 HDi 130 FAP Tendance … zu. Der Kläger ist wirksam gemäß §§ 437 Nr. 2, 434, 323, 326 V BGB von dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag zurückgetreten.
An dem Fahrzeug liegt ein Sachmangel i. S. des § 434 I 1 BGB vor. Ein solcher besteht, wenn die Kaufsache nicht der vereinbarten Beschaffenheit entspricht. Als Beschaffenheit des vom Kläger bestellten Fahrzeugs war die Erfüllung der „Euro 3“-Abgasnorm nicht nur im Sinne der Erfüllung der europäischen Abgasnorm – insoweit besteht zwischen den Parteien kein Streit – sondern auch im Sinne der steuerlichen Einstufung des Fahrzeugs vereinbart. Die Aussagen des Verkäufers der Beklagten im Rahmen des Verkaufsgesprächs waren vom Kläger so zu verstehen, dass das verkaufte Fahrzeug ohne Einschränkung und damit sowohl in Bezug auf die Abgasnorm als auch steuerlich als „Euro 3“-Fahrzeug anzusehen sei.
Aufgrund der Beweisaufnahme steht zur vollen Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) fest, dass der Kläger und seine Ehefrau – die Zeugin E – den Verkäufer der Beklagten über das von ihnen gefahrene Fahrzeug informierten. Dem Verkäufer der Beklagten war daher bekannt, dass der Kläger über ein (auch steuerlich) als „Euro 3“ eingestuftes Fahrzeug verfügte, für das allerdings die Möglichkeit der Nachrüstung eines Rußpartikelfilters nicht bestand. Angesichts dieser Sachlage konnte der Kläger die Aussage, es handele sich bei dem an ihn verkauften Citroën C8 um ein „Euro 3“-Fahrzeug mit neuester Technik – unter anderem eben einem Rußpartikelfilter – nur so wie geschehen verstehen. Für die Auslegung der Erklärungen gegenüber einem Vertragspartner gemäß §§ 133, 157 BGB ist insofern auf das Verständnis eines objektiv urteilenden, verständigen Dritten abzustellen.
Für die Entscheidung dahinstehen kann angesichts der seitens des Verkäufers der Beklagten abgegebenen Erklärungen, ob sich eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung bereits aus dem von der Beklagten vorgelegten Prospekt der Herstellerin ergibt, wofür einiges spricht. Denn die Angaben der Herstellerin zu den technischen Daten des Fahrzeugs, die gemäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB i. V. mit § 434 I 3 BGB als Beschaffenheitsvereinbarungen anzusehen wären, lassen bei einem unbefangenen Betrachter ebenfalls nur den Rückschluss zu, es handele sich um ein – auch in steuerlicher Hinsicht so einzustufendes – „Euro 3“-Fahrzeug. Denn dem für die Beurteilung insoweit maßgeblichen Durchschnittskäufer (vgl. insoweit Palandt/Putzo, BGB, 66. Aufl., § 434 Rn. 30, 37) ist ein Rückschluss auf die steuerliche Einstufung nur anhand der Schlüsselnummer nicht möglich. Auch eine Unterscheidung zwischen Schadstoffklasse im Sinne der europäischen Abgasnorm und der in Deutschland hieraus resultierenden steuerlichen Einstufung kann von einem durchschnittlichen Autokäufer nicht erwartet werden; der Herstellerprospekt ist insofern irreführend.
Dass das Fahrzeug steuerlich – nach deutschem Recht zutreffend – … als „Euro 2“-Fahrzeug eingestuft wurde, steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Dieser Umstand, der sich aus den technischen Gegebenheiten, insbesondere dem zulässigen Gesamtgewicht des Fahrzeugs ergibt und von daher sämtlichen Fahrzeugen dieses Typs anhaftet, bestand auch schon bei Gefahrübergang.
Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung vor der Ausübung des Rücktrittsrechts war gemäß § 326 V BGB entbehrlich, da eine Nacherfüllung – die in der Sache durch Herbeiführung einer anderen Einstufung des Fahrzeugs in steuerlicher Hinsicht zu erbringen gewesen wäre – gemäß § 275 I BGB unmöglich war und ist. Denn eine Einstufung in die Steuerklasse „Euro 3“ ist auch nach den Angaben der Herstellerin nicht zu erreichen.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Rücktritt auch nicht gemäß § 323 V 2 BGB wegen Unerheblichkeit des Mangels ausgeschlossen. Ein Verstoß gegen die vereinbarte Beschaffenheit indiziert dessen Erheblichkeit (Palandt/Grüneberg, BGB, 66. Aufl., § 323 Rn. 32). Dabei ist zudem zu berücksichtigen, dass der Mangel nicht nur in einem – rechnerischen feststellbaren – geringfügigen Mehrbetrag der vom Kläger derzeit zu zahlenden Kraftfahrzeugsteuer zu sehen ist. Vielmehr bestimmt die steuerliche Einstufung des Fahrzeugs maßgeblich dessen Status nicht nur mit Blick auf einen möglichen Wiederverkauf, sondern auch mit Blick auf einen Geltungswert, der sich aus zunehmenden Bedeutung der Umweltverträglichkeit eines Fahrzeuges ergibt. Auch ergibt sich unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsparteien keine Einstufung des Mangels als geringfügig, insbesondere da das Zustandekommen des Kaufvertrags auf einen Verstoß gegen Aufklärungspflichten durch die Beklagte zurückzuführen ist. Jedenfalls nachdem der Kläger unter Hinweis auf die Einstufung des bis dato von ihm gefahrenen Fahrzeugs zunächst nach einem „Euro 4“-Fahrzeug gefragt hatte, musste die Beklagte ihn darüber aufklären, dass das von ihr angebotene Fahrzeug steuerlich anders eingestuft werden würde, als es die Angabe zur Schadstoffklasse vermuten ließ.
Der Anspruch des Klägers auf Rückgewähr des Kaufpreises war um den Wert der von ihm gezogenen Nutzungen zu kürzen, wobei das Gericht gemäß § 287 ZPO einen Betrag in Höhe von 3.047,72 € für angemessen erachtet; dieser ergibt sich aus der … bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung angefallenen Kilometerleistung unter Zugrundelegung eines Anteils von 0,8 % für 1.000 gefahrene Kilometer.
Der Zinsanspruch ist aus § 288 I 1 BGB begründet. Die Beklagte, die mit Schreiben vom 21.06.2006 endgültig und ernsthaft die Leistung verweigerte, befindet sich mit der Rückzahlung des Kaufpreises seit dem 22.06.2006 in Verzug. Die Höhe des Zinsanspruchs ergibt sich aus § 288 I 2 BGB.
Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet. Das gemäß § 256 I ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus § 756 ZPO.
Der Anspruch des Klägers auf Erstattung der außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 594,73 € ergibt sich aus §§ 280 I, 249ff. BGB. Die Beklagte hat durch die fehlende Aufklärung des Klägers über die steuerliche Einstufung des Fahrzeugs die ihr dem Kläger gegenüber obliegenden Pflichten verletzt …
Hinweis: Die Berufung dieses Urteil hatte Erfolg. Das OLG Hamm (Urt. v. 28.06.2007 – 2 U 28/07) hat das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.