- Wird in den Motor eines Pkw ein Chip zur Leistungssteigerung eingebaut („Chiptuning“), und verändert sich dadurch das Abgasverhalten des Motors, so erlischt die Betriebserlaubnis für das Fahrzeug, sofern der Chip-Einbau nicht unverzüglich durch einen amtlich anerkannten Sachverständigen abgenommen (§ 19 III 1 Nr. 4c StVZO) und eine Bestätigung nach § 22 I 5 StVZO erteilt wird. Das gilt auch dann, wenn für den Chip das Gutachten eines Technischen Dienstes nach § 19 III 1 Nr. 4a StVZO vorliegt.
- Wird der Tuningchip wieder ausgebaut, lebt die erloschene Betriebserlaubnis nicht automatisch wieder auf.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.03.2006 – 1 U 181/06
Sachverhalt: Die Klägerin macht als Erbin ihres Vater Ansprüche aus einem Pkw-Kaufvertrag geltend.
Mit Vertrag vom 05.05.2000 hatte der Vater der Klägerin von der Beklagten einen SEAT Toledo 1.9 TDI Signo zum Preis von 41.400 DM erworben. Die Kaufverhandlungen hatte der Bruder der Klägerin geführt, der das Fahrzeug – einen Vorführwagen, der zuvor auf die Beklagte zugelassen war – ausgesucht hatte und nach dem Erwerb durch den Vater der Klägerin auch nutzte.
In das Fahrzeug, das beim Verkauf einen Kilometerstand von 7.842 aufwies, hatte die Beklagte einen Chip zur Leistungssteigerung des Motors eingebaut. Die Parteien streiten darüber, ob der Bruder der Klägerin darauf hingewiesen wurde.
Bis zu einer Inspektion im Oktober 2001 lief das Fahrzeug mehr als 80.000 Kilometer ohne wesentliche Beanstandungen. Ende Oktober 2001 wechselte die Beklagte den Zahnriemen und die Spannrolle; jedenfalls stellte sie entsprechende Arbeiten in Rechnung. Nach weiteren 7.000 Kilometern trat Mitte Dezember 2001 während einer Autobahnfahrt ein Motordefekt auf. Nachdem das Fahrzeug in eine SEAT-Vertragswerkstatt in O. gelangt war, wurde dort festgestellt, dass sowohl Zahnriemen als auch Spannrolle defekt waren. Außerdem erfuhr der Bruder der Klägerin nach deren Darstellung erstmals von dem Chiptuning. Anschließend wurde das Fahrzeug zur Beklagten gebracht, die es im Januar 2001 mit der Erklärung an den Bruder der Klägerin herausgab, man habe den Zahnriemen und die Spannrolle erneuert und einen Zylinderkopf ersetzt. Den Tuningchip hatte die Beklagte, die seit Dezember 2001 keine SEAT-Vertragshändlerin mehr ist, bei dieser Gelegenheit ausgebaut.
Nach einem weiteren Motordefekt wurde das Fahrzeug bei einem Autohaus in Karlsruhe abgestellt.
Die Klägerin hat gemeint, der streitgegenständliche Pkw habe wegen der durch den Einbau eines Chips erfolgten Leistungssteigerung einen Mangel aufgewiesen. Sie hat behauptet, weder ihr Vater noch ihr Bruder hätten Kenntnis vom Einbau des Tuningchips gehabt. Infolge des – von SEAT nicht genehmigten oder autorisierten – Einbaus habe für das Fahrzeug keine Betriebserlaubnis mehr bestanden, und die Betriebserlaubnis sei dadurch, dass die Beklagte den Tuningchip später ausgebaut habe, um die Beweisposition der Klägerin zu verschlechtern, auch nicht automatisch wieder aufgelebt. Zudem habe das Tuning seine Spuren am Steuergerät, dem Zylinderkopf und dem Antriebsaggregat hinterlassen und dazu geführt, dass das Fahrzeug mehrmals, zuletzt im März 2002, mit einem Motorenschaden liegen geblieben sei.
Nach dem erneuten Motorschaden, der auch auf Montagefehler der Beklagten zurückzuführen sei, habe ihr Bruder der Beklagten am 12.03.2002 telefonisch mitgeteilt, dass sein Vater „mit dem Vertrag nichts mehr zu tun haben wolle; der Kaufvertrag solle aufgelöst werden“.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte nur zum Teil Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Die Beklagte schuldet Schadensersatz in Höhe von 5.000 € …
2. Der Klägerin steht … ein Schadensersatzanspruch aus dem – hier wegen Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB noch anzuwendenden – § 463 Satz 2 BGB a.F. zu. Das verkaufte Fahrzeug wies einen Mangel i. S. des § 459 Satz 1 BGB a.F. auf.
Die Zulassung des Fahrzeugs zum Straßenverkehr war durch den Einbau des Chips erloschen. Der Sachverständige hat zwar auf die Frage des Landgerichts nach dem Weiterbestehen der Zulassung lapidar auf das von der Beklagten vorgelegte Gutachten des TÜV vom 23.04.1998 verwiesen. Ob eine Zulassung erlischt, ist indessen eine Rechtsfrage, die sich nach § 19 II bis IV StVZO beurteilt; um eine Tatfrage geht es nur, soweit streitig ist, ob das Fahrzeug eine technische Veränderung nach § 19 II Satz 1 StVZO erfahren hat. Hier ergibt sich eine Änderung des Abgasverhaltens (§ 19 II 1 Nr. 3 StVZO) schon aus dem TÜV-Gutachten. Durch den Einbau des Chips änderte sich der für das Abgasverhalten bei Dieselmotoren eine Rolle spielende Absorptionskoeffizient (Nr. 2.3 des Gutachtens). Das Gutachten fordert deshalb, dass am Fahrzeug sichtbar und an gut zugänglicher Stelle ein rechteckiges, deutlich lesbares und unverwischbares Kennzeichen mit dem korrigierten Wert des Absorptionskoeffizienten anzubringen ist. Es enthält ferner die Neueintragungen, die im Kfz-Schein vorzunehmen sind. Danach wäre die Zulassung hier nur dann nicht erloschen, wenn der Einbau des Chips unverzüglich durch einen amtlich anerkannten Sachverständigen abgenommen und eine Bestätigung nach § 22 I 5 StVZO erteilt worden wäre (§ 19 IIInbsp;1 Nr. 4 StVZO). Das ist unstreitig jedoch nicht geschehen.
Die erloschene Betriebserlaubnis lebte nicht dadurch erneut auf, dass die Beklagte den Chip später wieder ausbaute. Hätte das chipgetunte Fahrzeug ordnungsgemäß eine neue Zulassung erhalten und wäre der Chip dann wieder entfernt worden, hätte es einer erneuten Zulassung bedurft, da der Ausbau wiederum zu Veränderungen im Abgasverhalten führte. Deshalb besteht kein Anlass, eine technische Änderung, die an einem Fahrzeug unter Verletzung der dafür bestehenden gesetzlichen Vorschriften vorgenommen wurde, dadurch zu privilegieren, dass aus der einmal erloschenen Zulassung für den Fahrzeughalter günstige Rechtsfolgen abgeleitet werden (vgl. auch KG, VRS 67, 466).
Ob der Einbau eines Chips auch deswegen einen Mangel begründet, weil infolge der dadurch möglichen höheren Motorleistung dessen Lebensdauer verkürzt wird – was der Sachverständige in seinem ersten Gutachten generell bestätigt hat – kann aus den nachfolgend erörterten Gründen offenbleiben.
Von den kaufrechtlichen Gewährleistungsrechten hat die Klägerin eine Minderung nicht geltend gemacht. Eine Wandelung, die ihrem Begehren teilweise entsprechen würde, scheitert an § 351 BGB, weil das Fahrzeug nicht mehr vorhanden ist und die Reparaturwerkstatt, bei der es abgestellt war, keine Auskunft über seinen Verbleib mehr geben kann. Nach § 351 Satz 2 BGB ist das Verschulden des Gewahrsamsinhabers dem Käufer nach § 278 BGB zuzurechnen (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 351 Rn. 4). Aus § 300 I BGB ergibt sich nichts anderes, da der Inhaber der Karlsruher Reparaturwerkstatt jedenfalls grob fahrlässig handelte, als er sich um den Verbleib des Fahrzeugs im Rahmen der Aufgabe seines Betriebes nicht kümmerte.
Ein Schadensersatzanspruch nach § 463 BGB a.F. scheitert in der Form des sogenannten großen Schadensersatzes (Rückabwicklung und Schadensersatz wegen Nichterfüllung) ebenfalls an dem in § 351 BGB a.F. enthaltenen Rechtsgedanken, der hier entsprechend anzuwenden ist (MünchKomm-BGB/Westermann, 3. Aufl., § 467 Rn. 3).
Die Klägerin ist damit auf den sogenannten kleinen Schadensersatz beschränkt, das heißt auf den Ersatz des Wertunterschiedes zwischen mangelfreier und mangelhafter Sache.
Die Voraussetzungen des § 463 Satz 2 BGB a.F. liegen im Übrigen vor. Für das arglistige Verschweigen eines Mangels reicht aus, dass der Verkäufer einen Mangel für möglich hält. Das war hier der Fall. Der Zeuge G, der sich als „Geschäftsführer“ des Autohauses der Beklagten bezeichnet hat, wusste, dass ein Eintrag des Chip-Einbaus in den Fahrzeugschein „möglich“, aber nicht erfolgt war. Der Inhalt des TÜV-Gutachtens war der Beklagten ebenfalls bekannt. Als „Fachhändler für Leistungssteigerung bei Dieselmotoren“, wie sich die Beklagte bezeichnet, war sie sich auch darüber im Klaren, dass das bloße Vorhandensein eines Gutachtens zum Erhalt der Zulassung nicht ausreichend sein könnte. Damit hielt sie es zumindest für möglich, dass die Zulassung erloschen war.
Die Parteien haben zwar darüber gestritten, ob der Bruder der Klägerin bei dem Verkauf über den Einbau der Chips aufgeklärt wurde. Die Beklagte hat aber nicht behauptet, dass sie über einen möglichen Verlust der Zulassung aufgeklärt habe.
Dagegen kann eine arglistige Täuschung hinsichtlich eines technischen Mangels (verminderte Lebensdauer des Motors) nicht festgestellt werden. Auch nach der Beweisaufnahme ist offengeblieben, ob die Beklagte auf die Tatsache des Chip-Einbaus hingewiesen hat. Für eine arglistige Täuschung ist jedoch die Klägerin beweispflichtig, und es ist ihr, wie das Landgericht festgestellt hat, nicht gelungen, die von der Beklagten substanziiert behauptete Aufklärung zu widerlegen.
Der Minderwert des Fahrzeugs war nach § 287 I ZPO zu schätzen, nachdem die Parteien Gelegenheit zur Äußerung zu diesem Punkt erhalten hatten. Die fehlende Zulassung begründet einen Minderwert; sie führt aber entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dazu, dass das Fahrzeug als wertlos anzusehen wäre. Der Bruder der Klägerin hat mit ihm über 100.000 Kilometer zurückgelegt, ohne dass Probleme wegen der erloschenen Zulassung aufgetreten sind; zudem hätte eine Zulassung auch erlangt werden können. Es kann ferner nicht davon ausgegangen werden, dass für das Fahrzeug kein Haftpflichtversicherungsschutz bestand, weil dem Erblasser bzw. dem Bruder der Klägerin angesichts der Umstände am Erwerb des Fahrzeugs der Vorwurf einer Obliegenheitsverletzung nicht hätte gemacht werden können. Gefährdet waren jedoch die Garantieansprüche gegen die Herstellerfirma, wie sich aus deren Schreiben vom 05.05.2004 ergibt (vgl. auch Grunert, DAR 2000, 556). Die mit dem Fahren eines nicht zugelassenen Fahrzeugs und dem möglichen Verlust von Garantieansprüchen verbundenen Risiken rechtfertigen danach eine Wertminderung, die unter Berücksichtigung des Kaufpreises mit 5.000 € angemessen, aber auch ausreichend bewertet ist.
Die von der Klägerin genannten Finanzierungsaufwendungen sind nicht durch den Mangel verursacht und können deshalb im Rahmen des „kleinen“ Schadensersatzes nicht berücksichtigt werden. Im Übrigen stellen sie auch deswegen keinen ersatzfähigen Schaden dar, weil der Erblasser ohne die Täuschung für seinen Sohn ein anderes Fahrzeug erworben hätte, dass dann ebenfalls hätte finanziert werden müssen …
3. Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 II BGB i. V. m. § 263 StGB steht der Klägerin nicht zu. Mit der Annahme einer arglistigen Täuschung durch bloßes Für-Möglich-Halten eines Mangels ist in der Regel kein Unwerturteil verbunden (BGHZ 117, 363 [368]; 109, 327 [333]). Ein vorsätzlicher Betrug kann der Beklagten deshalb nicht angelastet werden. Hinzu kommt, dass auch im Rahmen eines auf § 823 II BGB gestützten Schadensersatzanspruchs die Anwendung des in § 351 BGB a.F. enthaltenen Rechtsgedankens in Betracht zu ziehen ist.
Einen Schaden wegen der nach ihrer Darstellung mangelhaften zweiten Reparatur durch die Beklagte hat die Klägerin während des gesamten Rechtsstreits nicht beziffert …