Ei­ne Be­ru­fung ist un­zu­läs­sig, wenn der Klä­ger in ers­ter In­stanz – ge­stützt auf ei­nen Rück­tritt vom Kauf­ver­trag – die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses Zug um Zug ge­gen Rück­ge­währ der Kauf­sa­che ver­langt hat und er im Be­ru­fungs­ver­fah­ren statt­des­sen nur ei­nen auf § 441 IV BGB ge­stütz­ten Er­stat­tungs­an­spruch gel­tend macht.

OLG Saar­brü­cken, Be­schluss vom 20.06.2005 – 4 U 105/05 – 94

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb von der Be­klag­ten im Jahr 2003 ei­nen Neu­wa­gen (Au­di A4) zum Preis von 43.028,38 €. Nach der Über­ga­be des Fahr­zeugs rüg­te der Klä­ger im Au­gust 2003 Män­gel in Ge­stalt von Vi­bra­tio­nen und Flat­ter­ge­räu­schen des Mo­tors. Nach­dem er der Be­klag­ten ins­ge­samt sechs­mal Ge­le­gen­heit ge­ge­ben hat­te, die­se Män­gel zu be­sei­ti­gen, er­klär­te der Klä­ger schließ­lich mit Schrei­ben vom 29.01.2004 den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag und for­der­te die Be­klag­te – er­folg­los – zur Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses, Zug um Zug ge­gen Rück­ge­währ des Pkw, auf.

Bis zum Schluss der erst­in­stanz­li­chen Ver­hand­lung leg­te der Klä­ger mit dem PKW ei­ne Fahr­stre­cke von 68.000 Ki­lo­me­tern zu­rück.

Das Land­ge­richt hat die Be­klag­te ver­ur­teilt, an den Klä­ger Zug um Zug ge­gen ge­gen Rück­ge­währ des Fahr­zeugs (43.028,38 € – 19.603,73 € =) 23.424,65 € nebst Zin­sen zu zah­len, und an­trags­ge­mäß fest­ge­stellt, dass sich die Be­klag­te mit der An­nah­me des Pkw in Ver­zug be­fin­de. Zur Be­grün­dung hat es aus­ge­führt, dass nach Durch­füh­rung der Be­weis­auf­nah­me zur Über­zeu­gung des Ge­richts fest­ste­he, dass am Fahr­zeug des Klä­gers Vi­bra­tio­nen und Ge­räu­sche auf­ge­tre­ten sei­en, die nicht dem Stand der Tech­nik ent­sprä­chen. Das Fahr­zeug sei da­her aus tech­ni­scher Sicht als man­gel­haft zu be­trach­ten. Dem Klä­ger ste­he mit­hin ein An­spruch auf Er­stat­tung des Kauf­prei­ses zu; die­ser sei al­ler­dings um ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung von 19.603,73 € zu min­dern, nach­dem der Klä­ger mit dem Fahr­zeug 68.000 km zu­rück­ge­legt ha­be.

Ge­gen die­ses Ur­teil hat der Klä­ger Be­ru­fung ein­ge­legt und be­an­tragt, die Be­klag­te un­ter Ab­än­de­rung des Ur­teils zur Zah­lung von 10.000 € nebst Zin­sen zu ver­ur­tei­len. Er hat be­haup­tet, sein Fahr­zeug hät­te oh­ne die vom Land­ge­richt fest­ge­stell­ten Män­gel bei Ab­schluss des Kauf­ver­tra­ges ei­nen dem Kauf­preis ent­spre­chen­den Wert ge­habt. In An­be­tracht der Män­gel ha­be der Wert je­doch min­des­tens 10.000 € un­ter dem Kauf­preis ge­le­gen.

Die Be­ru­fung hat­te kei­nen Er­folg; das OLG Saar­brü­cken hat sie als un­zu­läs­sig ver­wor­fen.

Aus den Grün­den: II. A. … 1. Für die Zu­läs­sig­keit der Be­ru­fung ge­nügt es ge­mäß § 511 ZPO noch nicht, dass die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung ei­ne Be­schwer ent­hält. Er­for­der­lich ist dar­über hin­aus, dass der Rechts­mit­tel­füh­rer mit dem Rechts­mit­tel die Be­sei­ti­gung die­ser Be­schwer er­strebt (BGH, Urt. v. 20.10.1982 – IVb ZR 318/81, BGHZ 85, 140 [141]; Gum­mer/Her­get, in: Zöl­ler, ZPO, 25. Aufl., vor § 511 Rn. 10). Dem­nach darf die Be­ru­fung nicht aus­schließ­lich das Ziel ver­fol­gen, ei­nen in der ers­ten In­stanz noch nicht gel­tend ge­mach­ten An­spruch zur Ent­schei­dung zu stel­len. Viel­mehr muss der Rechts­mit­tel­füh­rer das erst­in­stanz­li­che Be­geh­ren zu­min­dest teil- bzw. hilfs­wei­se wei­ter­ver­fol­gen. Die­se Grund­sät­ze be­an­spru­chen selbst dann Gel­tung, wenn es pro­zess­öko­no­misch er­schie­ne, die Rechts­be­zie­hun­gen der Par­tei­en im Rah­men des lau­fen­den Rechts­streits ei­ner end­gül­ti­gen Klä­rung zu­zu­füh­ren (st. Rspr.; BGH, Beschl. v. 07.05.2003 – XII ZB 191/02, BGHZ 155, 21 [26]; Beschl. v. 11.10.2000 – VI­II ZR 321/99, ZIP 2000, 2222 f. m. w. Nachw.; Beschl. v. 21.09.1994 – VI­II ZB 22/94, NJW 1994, 3358 [3359]; Beschl. v. 17.09.1992 – IX ZB 45/92, ZIP 1993, 64; Urt. v. 13.06.1996 – III ZR 40/96, NJW-RR 1996, 1276; Gum­mer/Her­get, in: Zöl­ler, a. a. O., vor § 511 Rn. 10a; Münch­Komm-ZPO/Rim­mel­s­pa­cher, 2. Aufl., vor § 511 Rn. 38; Baum­bach/Lau­ter­bach/Al­bers/Hart­mann, ZPO, 63. Aufl., Grundz. v. § 511 Rn. 24; Reichold, in: Tho­mas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., vor § 511 Rn. 21; Mu­sielak/Ball, ZPO, 4. Aufl., vor § 511 Rn. 26; a. A. Grun­sky, in: Stein/Jo­nas, ZPO, 21. Aufl., Einl. v. § 511 Rn. 72; Alt­mep­pen, ZIP 1992, 449).

2. Die­sen An­for­de­run­gen wird die Be­ru­fung des Klä­gers nicht ge­recht: Wäh­rend der Klä­ger im erst­in­stanz­li­chen Ver­fah­ren den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag er­strebt hat und sei­nen Kla­ge­an­trag auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ge­rich­tet hat, ver­folgt der Klä­ger im Be­ru­fungs­ver­fah­ren nun­mehr al­lein den Min­de­rungs­an­spruch des § 437 Nr. 2 Fall 2 BGB wei­ter. Hier­bei han­delt es sich um ei­nen selbst­stän­di­gen Streit­ge­gen­stand, da sich der im Be­ru­fungs­ver­fah­ren gel­tend ge­mach­te An­spruch so­wohl in der An­trag­stel­lung als auch in der Dar­stel­lung des zur Aus­fül­lung der an­spruchs­be­grün­den­den Norm maß­geb­li­chen Tat­sa­chen­vor­trags – dem so­ge­nann­ten Le­bens­sach­ver­halt – vom erst­in­stanz­li­chen Streit­ge­gen­stand un­ter­schei­det (zum Streit­ge­gen­stand vgl. nur Zöl­ler/Voll­kom­mer, ZPO, 25. Aufl., Ein­lei­tung Rn. 60 ff.).

Auch ver­folgt der Be­ru­fungs­klä­ger den erst­in­stanz­li­chen An­trag nicht zu­min­dest hilfs­wei­se wei­ter: Zwar fin­den sich in der Be­ru­fungs­be­grün­dung Aus­füh­run­gen da­zu, dass das Land­ge­richt bei der Be­mes­sung der an­re­chen­ba­ren Ge­brauchs­vor­tei­le von fal­schen tat­säch­li­chen Vor­aus­set­zun­gen aus­ge­gan­gen sei. Je­doch tra­gen die­se Aus­füh­run­gen den mit der Be­ru­fung ver­folg­ten Min­de­rungs­an­spruch nicht, da der Be­ru­fungs­klä­ger sein Kla­ge­be­geh­ren aus­schließ­lich auf den neu­en Sach­vor­trag stützt, dass der Wert des ge­kauf­ten Fahr­zeugs in An­be­tracht der Män­gel um 10.000 € zu min­dern sei …

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