Der Vekäu­fer ei­nes fa­brik­neu­en Fahr­zeugs ist nicht ver­pflich­tet, dem Käu­fer un­ge­fragt ganz un­er­heb­li­che Be­schä­di­gun­gen zu of­fen­ba­ren. Er muss aber ins­be­son­de­re auf Schä­den hin­wei­sen, die bei ihm ein­ge­tre­ten sind und mit ei­nem Kos­ten­auf­wand von 330 € oder mehr be­sei­tigt wur­den.

LG Gie­ßen, Ur­teil vom 11.11.2004 – 4 O 269/04

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin be­gehrt von der Be­klag­ten, Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be ei­nes Pkw, die Rück­zah­lung ge­leis­te­ter Lea­sing­ra­ten.

Die Klä­ge­rin be­stell­te am 20.02.2003 aus dem Be­stand der Be­klag­ten ei­nen fa­brik­neu­en Opel Cor­sa zum Preis von 14.939,95 €. Die Be­klag­te war so­wohl Ver­käu­fe­rin des Fahr­zeugs als auch Lea­sing­ge­be­rin.

Das Fahr­zeug war, was der Klä­ge­rin nicht of­fen­bart wur­de, an der hin­te­ren lin­ken Tür schon ein­mal aus­ge­bes­sert und la­ckiert wor­den. Hier­für hat­te die Be­klag­te 390,81 € auf­ge­wen­det.

Die Klä­ge­rin be­haup­tet, das Fahr­zeug sei schon vor Ab­schluss des Kauf­ver­trags ge­spach­telt und neu la­ckiert wor­den, was der Ver­käu­fer der Be­klag­ten ge­wusst ha­be. Die Be­klag­te be­haup­tet dem­ge­gen­über, vor Ver­trags­schluss sei an dem Fahr­zeug zwar ei­ne Del­le vor­han­den ge­we­sen, die­se sei aber erst da­nach – näm­lich am 28.02.2003 – für 390,81 € be­sei­tigt wor­den. Ihr Ver­käu­fer ha­be da­von bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags nichts ge­wusst.

Die Klä­ge­rin hat an die Be­klag­te ein­schließ­lich ei­ner Son­der­zah­lung Lea­sing­ra­ten in Hö­he von ins­ge­samt 7.911,50 € ge­zahlt und mit dem Fahr­zeug bis zum 25.10.2004 hat sie mit dem Fahr­zeug rund 9.800 km zu­rück­ge­legt.

Ih­re nach er­klär­ter An­fech­tung er­ho­be­ne, im We­sent­li­chen auf Zah­lung von 7.995,60 € nebst Zin­sen ge­rich­te­te Kla­ge hat­te größ­ten­teils Er­folg.

Aus den Grün­den: Die Be­klag­te ist ver­pflich­tet, der Klä­ge­rin 7.911,50 € … Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Pkw Opel Cor­sa … zu­rück­zu­zah­len, ab­züg­lich ei­nes Wert­er­sat­zes von 982,35 € (§ 812 I 1 Fall 1 BGB) …

Die Klä­ge­rin hat den Kauf­ver­trag mit der Be­klag­ten wirk­sam we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung an­ge­foch­ten (§ 123 I BGB). Rechts­fol­ge der An­fech­tung des Kauf­ver­trags ist nicht nur des­sen Nich­tig­keit (§ 142 BGB), son­dern da­ne­ben auch der Weg­fall der Ge­schäfts­grund­la­ge für den Lea­sing­ver­trag (vgl. Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 63. Aufl., vor § 535 Rn. 58). Da­mit ist rück­ab­zu­wi­ckeln. Die­ses Er­geb­nis er­gibt sich aus fol­gen­den Über­le­gun­gen:

Der An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des Ver­trags vom 20.02.2003 kann zwar nicht auf die kauf­recht­li­chen Ge­währ­leis­tungs­vor­schrif­ten ge­stützt wer­den. Nach neu­em Recht kann der Käu­fer zu­nächst nur Nach­er­fül­lung ge­mäß § 439 BGB ver­lan­gen. Dies wird von der Klä­ge­rin aus­drück­lich nicht gel­tend ge­macht, da sie auch kein In­ter­es­se an ei­nem ver­gleich­ba­ren Fahr­zeug hat.

Die An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung wird auch nach neu­em Recht nicht durch die kauf­recht­li­chen Vor­schrif­ten ver­drängt (Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 8. Aufl., Rn. 342).

Es ist auch vom Be­ste­hen ei­ner Auf­klä­rungs­pflicht der Be­klag­ten aus­zu­ge­hen. Ein Ver­trags­part­ner hat die Pflicht, be­son­ders wich­ti­ge Um­stän­de un­ge­fragt zu of­fen­ba­ren (Pa­landt/Hein­richs, BGB, 63. Aufl., § 123 Rn. 5b). We­sent­li­che Män­gel dür­fen al­so nicht ver­schwie­gen wer­den (Pa­landt/Hein­richs, a. a. O., § 123 Rn. 5b). Ba­ga­tell­schä­den, die bei ver­nünf­ti­ger Be­trach­tungs­wei­se den Kauf­ent­schluss nicht be­ein­träch­ti­gen kön­nen – wie et­wa Kleinst­schä­den bei ei­nem Ge­braucht­wa­gen – brau­chen zwar nicht of­fen­bart zu wer­den (BGH, Urt. v. 03.03.1982 – VI­II ZR 78/81, NJW 1982, 1386). Bei ei­nem fa­brik­neu­en Fahr­zeug lie­gen die Din­ge aber an­ders. Bei ei­nem sol­chen Fahr­zeug er­war­tet der Käu­fer, ei­nen un­be­schä­dig­ten Wa­gen zu er­hal­ten, so­dass nur ganz un­er­heb­li­che Be­schä­di­gun­gen nicht zu of­fen­ba­ren sind (BGH, Urt. v. 18.06.1980 – VI­II ZR 185/79, NJW 1980, 2127 [2128]). Ins­be­son­de­re Schä­den an ei­nem Neu­wa­gen, die bei ei­nem Händ­ler ein­ge­tre­ten sind, bei de­nen die Nach­bes­se­rungs­kos­ten 640 DM über­stei­gen, sind be­kannt zu ge­ben (OLG Ol­den­burg, OLGR 2001, 50). Dies ent­spricht ei­nem Be­trag von heu­te 327,23 €. Es ist auch nicht will­kür­lich, auf die­se Sum­me ab­zu­stel­len. Der Be­trag von 640 DM, al­so rund 330 €, bringt viel­mehr ei­ne nach­voll­zieh­ba­re Grenz­li­nie.

Hier sind Re­pa­ra­tur­kos­ten von 390,81 € auf­ge­wen­det wor­den. Da­mit han­del­te sich um ei­nen of­fen­ba­rungs­pflich­ti­gen Man­gel.

Der Be­klag­ten ist auch Arg­list vor­zu­wer­fen. Die Klä­ge­rin ver­mag zwar nicht zu be­wei­sen, dass das Fahr­zeug schon vor dem Kauf­ab­schluss ge­spach­telt wur­de und neu la­ckiert wor­den ist und auch der Ver­käu­fer von die­sem Um­stand wuss­te. Die Be­klag­te hat je­den­falls ein­ge­räumt, vor Ver­trags­ab­schluss sei ei­ne Del­le vor­han­den ge­we­sen, und die­se sei da­nach für 390,81 € be­sei­tigt wor­den. Die Be­klag­te kann sich nicht mit Er­folg dar­auf be­ru­fen, al­lein das ört­li­che Per­so­nal ha­be von der Del­le ge­wusst, wäh­rend ihr Ver­käu­fer von die­sem Um­stand bei Ver­trags­ab­schluss nichts ge­wusst ha­be. Selbst wenn dies der Fall ge­we­sen sein soll­te, muss sich die Be­klag­te we­gen ei­nes Or­ga­ni­sa­ti­ons­man­gels wie ein Ver­käu­fer be­han­deln las­sen, der be­dingt vor­sätz­lich ge­täuscht hat. Es kann al­so da­hin­ste­hen, wann ge­nau die Re­pa­ra­tur er­folgt ist. Ent­schei­dend ist auch nicht, ob die Arg­lis­t­haf­tung im vor­lie­gen­den Fall auf den Rechts­ge­dan­ken des § 166 II 1 BGB ge­stützt wird (so LG Mün­chen I, ZIP 1988, 924) oder ein Or­ga­ni­sa­ti­ons­ver­schul­den an­ge­nom­men wird, weil die Be­klag­te ei­nen aus­rei­chen­den In­for­ma­ti­ons­stand hin­sicht­lich des Ver­käu­fers nicht her­ge­stellt hat (so OLG Ol­den­burg, MDR 1991, 249, Rein­king, ZIP 1988, 924). Der Be­klag­ten ist je­den­falls vor­zu­wer­fen, dass sie zu­min­dest ih­re Mit­ar­bei­ter nicht aus­rei­chend mit ver­trags­re­le­van­ten Mit­tei­lun­gen ver­sorgt hat, so­dass die­se in ih­rem Na­men im Rechts­ver­kehr un­rich­ti­ge Er­klä­run­gen ab­ge­ben konn­ten und sie dies in Kauf ge­nom­men hat.

Da­mit ist die Be­klag­te ver­pflich­tet, das Fahr­zeug zu­rück­zu­neh­men und der Klä­ge­rin die Son­der­zah­lung so­wie die Lea­sing­ra­ten in Hö­he von ins­ge­samt 7.911,50 € zu­rück­zu­zah­len.

Die Klä­ge­rin muss aber ih­rer­seits der Be­klag­ten Wert­er­satz für die aus der Be­nut­zung des Pkw ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen ent­rich­ten. Ob die Ab­wick­lung ent­spre­chend der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung (vgl. BGHZ 109, 139 [146]) nach § 812 ff. BGB oder jetzt nach §§ 313 III, 346 ff. BGB durch­zu­füh­ren ist (vgl. Pa­landt/Wei­den­kaff, a. a. O., vor § 535 Rn. 58) hat im vor­lie­gen­den Fall nur dog­ma­ti­sche Be­deu­tung. Gleich nach wel­cher Be­trach­tungs­wei­se ist Wert­er­satz für die ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen des Kfz zu ent­rich­ten. An­knüp­fungs­punkt ist der Brut­to­an­schaf­fungs­preis des Kfz (= 14.939,95 €), so­dass ein Be­rech­nungs­satz von 0,67 % der An­schaf­fungs­kos­ten pro ge­fah­re­ne 1.000 km von den Lea­sing­ra­ten ab­zu­set­zen ist (vgl. En­gel/Paul, Hand­buch Kraft­fahr­zeug-Lea­sing, 2000, § 3 Rn. 21). Die Klä­ge­rin hat un­wi­der­spro­chen vor­ge­tra­gen, am 25.10.2004 ex­akt 9.814 km mit dem Fahr­zeug zu­rück­ge­legt zu ha­ben. Dies gibt ei­nen Be­trag von 982,35 €. Da­mit be­steht ein Zah­lungs­an­spruch von 6.929,15 €.

Da die Klä­ge­rin hin­sicht­lich der An­mel­de­kos­ten in Hö­he von 84,10 € kei­ne Quit­tung vor­le­gen kann, kann sie in­so­fern kei­ne Rück­erstat­tung ver­lan­gen …

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