Der Grundsatz, dass die den amtlichen Sachverständigen für den Kraftfahrzeugverkehr bei der technischen Prüfung nach § 21 Satz 3 StVZO treffenden Amtspflichten nicht dem Schutz des Vermögens des zukünftigen Fahrzeugerwerbers dienen, gilt auch, soweit die generelle Benutzbarkeit des Fahrzeugs infrage steht.
BGH, Beschluss vom 30.09.2004 – III ZR 194/04
Sachverhalt: Der Kläger kaufte bei einem Fahrzeughändler ein Reisemobil. Der Verkäufer führte das Fahrzeug zum Zwecke der Erteilung einer Betriebserlaubnis nach § 21 StVZO dem TÜV Nord in H. vor. Ein Ingenieur des TÜV erteilte am 05.10.1999 ein Gutachten zur Vorlage beim Straßenverkehrsamt für die Ausfertigung eines Fahrzeugbriefs. Darin stellte er fest, dass das Fahrzeug den geltenden Vorschriften entspreche.
Der Kläger macht geltend, das Fahrzeug sei mit über sieben Tonnen Leergewicht deutlich schwerer als von dem Sachverständigen – ohne genügende Sachprüfung – festgestellt (5,98 Tonnen). Infolgedessen habe er, der Kläger, keine Verwendung für das Fahrzeug; den Kaufpreis habe er vergebens aufgebracht. Er dürfe das Fahrzeug im Straßenverkehr nicht bewegen, weil die Betriebserlaubnis erloschen sei. Außerdem habe er nur eine Fahrerlaubnis für Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 7,5 Tonnen, das beim normalen Betrieb des Reisemobils wegen der geringen Nutzlast nicht eingehalten werden könne.
Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben einen auf Amtshaftung gestützten Schadensersatzanspruch des Klägers verneint. Dessen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: 2. Die … Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 II 1 ZPO).
a) Das klageabweisende Urteil des Berufungsgerichts liegt auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung. Im Falle des § 21 StVZO handelt der amtlich anerkannte Sachverständige für den Kraftfahrzeugverkehr, der in dem vorzulegenden Kfz-Brief bescheinigen muss, dass das Fahrzeug richtig beschrieben ist und den geltenden Vorschriften entspricht, zwar in Ausübung hoheitlicher Befugnisse, jedoch verletzt er keine ihm gegenüber einem späteren Erwerber des Fahrzeugs obliegende Amtspflicht, wenn er fahrlässig Mängel übersieht oder unrichtige technische Angaben in dem Brief als richtig bescheinigt und der Erwerber dadurch einen Vermögensschaden erleidet; denn die Bescheinigung dient nicht dazu, allgemein im rechtsgeschäftlichen Verkehr das Vertrauen auf die Richtigkeit der Beschreibung in dem Brief zu schützen und dem Erwerber eine eigene Prüfung des fahrtechnischen Zustandes des Fahrzeugs abzunehmen (BGHZ 18, 110; BGH, Urt. v. 11.01.1973 – III ZR 32/71, NJW 1973, 458 [459 f.]). Diese Rechtsprechung ist auch in der Fachliteratur anerkannt, und sie hat – soweit ersichtlich – keinen Widerspruch gefunden (vgl. Staudinger/Wurm, BGB, 13. Bearb. [2002], § 839 Rn. 719; Hübner, VersR 1985, 701 [703]; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 21 StVZO Rn. 6; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 3. Aufl., § 16 StVG Rn. 453; Lütkes/Ferner/Kramer, Straßenverkehr, § 21 StVZO Rn. 9, 10).
b) Die Nichtzulassungsbeschwerde macht geltend, der im Streitfall vorliegende Sachverhalt sei mit den den besagten Senatsurteilen zugrunde liegenden Fallgestaltungen nicht vergleichbar. Es gehe hier – anders als dort – nicht um das Übergehen lediglich gewährleistungsrechtlicher Mängel, sondern darum, dass das vom TÜV zu überprüfende Fahrzeug von vornherein nicht zulassungsfähig, also „generell unbenutzbar“ gewesen sei. Die Prüfungspflicht des § 21 Satz 3 StVZO müsse aber Schutzwirkungen gegenüber potenziellen Käufern des geprüften Fahrzeugs jedenfalls insoweit entfalten, als die Frage der Zulassungsfähigkeit betroffen sei. Insoweit schaffe die Bescheinigung des Prüfingenieurs eine Verlässlichkeitsgrundlage hinsichtlich der generellen Benutzbarkeit des Fahrzeugs.
Indessen hat die von der Nichtzulassungsbeschwerde vorgenommene Differenzierung zwischen (keinen haftungsrechtlichen Drittschutz auslösenden) „gewährleistungsrechtlichen Mängeln“ und der (vermögensrechtlichen Drittschutz begründenden) „generellen Benutzbarkeit (Zulassungsfähigkeit)“ des Fahrzeugs keine hinreichende Grundlage. Ausgangspunkt ist, dass der TÜV bei allen wesentlichen Mängeln des zu prüfenden Fahrzeugs, die die Verkehrssicherheit desselben betreffen, die Zulassungsfähigkeit des Fahrzeugs verneinen, die für die Zulassung erforderliche technische Bestätigung also ablehnen muss. Aus dieser Sicht betrifft entgegen der Nichtzulassungsbeschwerde auch der Fall des Senatsurteils vom 11.01.1973 – III ZR 32/71, NJW 1973, 458 (abgenutzte Bremsen) – einen Fall fehlender „Zulassungsfähigkeit“. Es gibt auch keinen Anlass, dem Gedanken einer – sich auch vermögensrechtlich auswirkenden – „Verläßlichkeitsgrundlage“ bei der Kfz-Zulassung ein vergleichbares Gewicht zu geben wie bei der Erteilung einer Baugenehmigung (vgl. BGHZ 60, 112 [115 ff.]).
Hinweis: § 21 StVZO lautete zum hier maßgeblichen Zeitpunkt auszugsweise wie folgt:
„§ 21 Betriebserlaubnis für Einzelfahrzeuge
1Gehört ein Fahrzeug nicht zu einem genehmigten Typ, so hat der Hersteller oder ein anderer Verfügungsberechtigter die Betriebserlaubnis bei der Verwaltungsbehörde (Zulassungsbehörde) zu beantragen. 2Bei zulassungspflichtigen Fahrzeugen ist der Behörde mit dem Antrag ein Fahrzeugbrief vorzulegen … 3Mit dem Antrag auf Erteilung der Betriebserlaubnis ist der Zulassungsbehörde das Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen für den Kraftfahrzeugverkehr vorzulegen. 4Das Gutachten muss die technische Beschreibung des Fahrzeugs in dem Umfang enthalten, der für die Ausfertigung des Fahrzeugscheins erforderlich ist. 5In dem Gutachten bescheinigt der amtlich anerkannte Sachverständige für den Kraftfahrzeugverkehr, dass er das Fahrzeug im Gutachten richtig beschrieben hat und dass das Fahrzeug vorschriftsmäßig ist …“