Ein Kfz-Sachverständiger darf sich bei der Prüfung, ob ein Gebrauchtwagen über Airbags verfügt und diese funktionstüchtig sind, auf die Airbag-Kontrollleuchte und ein spezielles Diagnosegerät verlassen. Fahrzeugteile muss er schon deshalb nicht demontieren, weil sich auch dann – da es Airbag-Attrappen gibt – nicht sagen lässt, ob die verbauten Airbags tatsächlich funktionieren. Eine Funktionsprüfung ist vielmehr nur durch Auslösen der Airbags möglich.

LG Darmstadt, Urteil vom 21.01.2015 – 25 S 89/14

Sachverhalt: Der Kläger begehrte von dem Beklagten, einem Kfz-Sachverständigen, Schadensersatz.

Der Kläger kaufte im August 2010 einen aus den USA importierten gebrauchten Chrysler Voyager zum Preis von 21.500 €. Im August 2011 ließ er das Fahrzeug, an dessen Unfallfreiheit er mittlerweile zweifelte, von dem Beklagten begutachten.Dieser stellte in seinem Gutachten vom 29.08.2011 fest, dass das Fahrzeug einen Frontschaden erlitten habe, der weder vollständig noch fachgerecht behoben worden sei, und errechnete einen merkantilen Minderwert von 600 € und einen technischen Minderwert von 2.000 €.

Im Hinblick auf die Airbags heißt es in dem Gutachten des Beklagten:

„Folgt man dem ‚carfax‘, kommen noch ein ausgelöster und ausgetauschter Front- und ein Seitenairbag hinzu (welche Airbags genau betroffen waren, ist eventuell nach Freischaltung der gesperrten Fahrzeugdaten nachzuvollziehen).“

In dem erwähnten CARFAX-Bericht heißt es unter anderem: „03/05/2010, Accident reported/Involving a front impact/It hit a motor vehicle/Front and side airbag deployed“.

Bei der Begutachtung des Fahrzeugs hatte der Beklagte unter anderem die Airbag-Kontrollleuchten kontrolliert und ausgewertet. Dabei hatten sich keine Anhaltspunkte für das Fehlen von Airbags ergeben.

Angesichts der im Gutachten des Beklagten festgestellten Unfallschäden einigte sich der Kläger mit der Verkäuferin abschließend und unanfechtbar auf eine Reduzierung des Kaufpreises um 4.000 €.

Am 05.04.2013 wurde das Fahrzeug des Klägers von Herrn H untersucht. Dieser stellte fest, dass zwar im Fehlerspeicher ein Beifahrerairbag angezeigt werde, dieser aber tatsächlich nicht vorhanden sei, sondern man einen Widerstand eingelötet habe.

In der Folgezeit verkaufte der Kläger das Fahrzeug zum Preis von 9.500 €, wobei im Kaufvertrag ausdrücklich erwähnt wurde, dass im Frontbereich des Fahrzeugs keine Airbags vorhanden seien.

Mit der Klage begehrte der Kläger die Zahlung von 2.326,94 € sowie den Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten.

Er hat behauptet, in seinem Fahrzeug seien, als der Beklagte es begutachtet habe, keine Frontairbags vorhanden gewesen. Ob Airbags vorhanden seien, habe der Beklagte nicht überprüft, obwohl diese Überprüfung einen Mehraufwand von maximal 100 € erfordert hätte. Der Einbau der Airbags koste 2.326,94 €. Er, der Kläger, hätte für sein Fahrzeug einen um diesen Betrag höheren Verkaufspreis erzielen können, wenn Airbags vorhanden gewesen wären. Wäre bekannt gewesen, dass die Airbags fehlen, wäre der Kaufpreis nicht nur um 4.000 €, sondern um einen größeren Betrag reduziert worden.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Das Amtsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Gutachtenerstattung im Ergebnis zu Recht verneint.

Dem Beklagten ist keine Pflichtverletzung im Zusammenhang mit den Airbags vorzuwerfen. Zwar war er aufgrund der Angaben in dem CARFAX-Bericht verpflichtet, auch Feststellungen zum Vorhandensein bzw. zur Funktionsfähigkeit der Airbags zu treffen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht allerdings zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Beklagte alles Erforderliche getan hat, um zu prüfen, ob Airbags vorhanden sind und ob diese funktionieren. Auf die streitige Frage, ob tatsächlich alle Airbags fehlten und welcher Schaden dem Kläger dadurch entstanden ist, kommt es deswegen nicht an.

Der Beklagte selbst hat im Rahmen seiner informatorischen Anhörung erläutert, dass er sich im Rahmen seiner Begutachtung der Hilfe der Firma F bedient habe, weil diese über ein Diagnosegerät für diesen Fahrzeugtyp verfüge. Er habe dann nicht nur die Anzeige auf dem Armaturenbrett kontrolliert, sondern auch mit dem elektronischen Diagnosegerät geprüft, ob die Funktion der Airbags einwandfrei ist. Dies habe das Diagnosegerät angezeigt. Der Zeuge Z von der Firma F hat diese Aussage im Wesentlichen bestätigt. Er gab an, bei der Begutachtung durch den Beklagten wohl dabei gewesen zu sein. Er gehe davon aus, dass sie dann das Diagnosegerät angeschlossen hätten. Bei der Diagnose mithilfe des Geräts sei kein Fehler zu erkennen gewesen.

Aufgrund dieser Aussagen steht fest, dass der Beklagte das Vorhandensein der Airbags nicht nur anhand der Kontrollleuchte, sondern auch mithilfe des elektronischen Diagnosegeräts überprüft hat.

Weitere Untersuchungen waren seitens des Beklagten nicht veranlasst. Dies ergibt sich aus den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen S. Dieser hat erläutert, dass mithilfe des Diagnosegeräts nur der Stromkreis geprüft werden könne. Eine Funktionsprüfung der Airbags sei nur durch ein Auslösen der Airbags möglich. Es sei auch denkbar, dass ein korrekter Stromkreis durch das Einlöten eines Widerstands simuliert werde. An die Airbags käme man im konkreten Fall nur heran, wenn man entsprechende Teile abbauen würde. Bei dem Airbag im Lenkrad könne man im Grunde davon ausgehen, dass dann, wenn dort eine normale Prallplatte eingebaut sei, sich auch ein Airbag dahinter verberge. Bei dem Airbag auf der Beifahrerseite sei es zutreffend, dass erst nach der Demontage des Handschuhfachs der Raum eingesehen werden könne. Bei den Airbags in den Seitenverkleidungen müssten diese Verkleidungen abgebaut werden. Für die Überprüfung, ob Airbags eingebaut worden sind, sei mit Werkstattkosten von 600 € bis 1.000 € zu rechnen.

Allerdings könne man, so der Sachverständige, auch nach der Demontage dieser Teile keine Angaben zu der Funktionsfähigkeit machen. Es gebe für Airbags Attrappen (Dummys), die man sich auf illegalem Wege beschaffen könnte und mit denen man vortäuschen könne, dass Airbags eingebaut sind.

Aufgrund dieser Feststellungen steht zum einen fest, dass die Überprüfung, ob überhaupt Airbags vorhanden waren, mit einem erheblichen finanziellen Mehraufwand von 600 € bis 1.000 € verbunden gewesen wäre, und zum anderen auch das Vorhandensein der Airbags keine Rückschlüsse auf deren Funktionsfähigkeit erlaubt hätte.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Fahrzeugteile nicht ausgebaut hat, sondern sich auf eine Überprüfung der Kontrollleuchte und das Diagnosegerät verlassen hat. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass an den Airbags eine Manipulation vorgenommen worden wäre, waren nicht vorhanden. Auch der Gerichtssachverständige hat bestätigt, dass er sich in einer solchen Situation grundsätzlich auf das Diagnosegerät verlassen hätte.

Zwar hat der Beklagte in seinem Gutachten nicht explizit darauf hingewiesen, dass er sich bei der Überprüfung der Airbags auf die Kontrollleuchte und das Diagnosegerät verlassen und keine nähere Überprüfung der Airbags vorgenommen hat. Auf Seite 6 des Gutachtens hat er aber darauf hingewiesen, dass dann, wenn man dem CARFAX-Bericht folge, noch ein ausgelöster und ausgetauschten Front- und Seitenairbag hinzukomme und erst nach Freischaltung der Fahrzeugdaten geprüft werden könne, welche Airbags betroffen seien. Hieraus ergibt sich hinreichend deutlich, dass die Frage, ob und welche Airbags vorhanden und ob diese funktionstüchtig waren, vom Beklagten nicht abschließend überprüft worden ist.

Der Kläger konnte aufgrund dieser Angaben nicht davon ausgehen, dass alle Airbags vorhanden und funktionstüchtig sind …

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