Ei­ne auf der Grund­la­ge von § 111b StPO recht­mä­ßig durch­ge­führ­te Be­schlag­nah­me der Kauf­sa­che in ei­nem straf­recht­li­chen Er­mitt­lungs­ver­fah­ren be­grün­det ei­nen Rechts­man­gel, der den Käu­fer zum Rück­tritt vom Kauf­ver­trag be­rech­tigt, so­fern der Sach­ver­halt, auf­grund des­sen die Be­schlag­nah­me er­folg­te, be­reits bei Ge­fahr­über­gang be­stand.

BGH, Ur­teil vom 18.02.2004 – VI­II ZR 78/03

Sach­ver­halt: Der Klä­ger kauf­te von dem Be­klag­ten mit Ver­trag vom 02.05.2000 ei­nen Pkw zum Preis von 98.000 DM. Den Kauf­preis zahl­te der Klä­ger noch am sel­ben Tag in bar und er­hielt das Fahr­zeug, das am 07.02.2000 in Pa­ris als ge­stoh­len ge­mel­det wor­den war.

Am 18.05.2000 wur­de das Fahr­zeug im Rah­men ei­nes Er­mitt­lungs­ver­fah­rens der Staats­an­walt­schaft Stutt­gart we­gen des Ver­dachts der Heh­le­rei von der Po­li­zei in Frank­furt a. M. bei ei­ner vom Klä­ger be­auf­trag­ten Spe­di­ti­on si­cher­ge­stellt. Die­se Maß­nah­me wur­de durch Be­schluss des AG Frank­furt a. M. vom 15.08.2000 rich­ter­lich be­stä­tigt. Zur Be­grün­dung heißt es, die Be­schul­dig­ten, zu de­nen ne­ben bei­den Par­tei­en wei­te­re Per­so­nen ge­hör­ten, stän­den im Ver­dacht, das Fahr­zeug im In­land ver­scho­ben zu ha­ben. Der si­cher­ge­stell­te Pkw kön­ne als Be­weis­mit­tel von Be­deu­tung sein; auch die Vor­aus­set­zun­gen des Ver­falls lä­gen vor. Ei­ne da­ge­gen ge­rich­te­te Be­schwer­de wur­de durch Be­schluss des Land­ge­richts Frank­furt a. M. vom 09.09.2000 zu­rück­ge­wie­sen.

Be­reits am 25.08.2000 hat­te die Po­li­zei das Fahr­zeug im Auf­trag der mut­maß­li­chen Ei­gen­tü­me­rin  an ei­ne I-GmbH in M. her­aus­ge­ge­ben.

Der Klä­ger hat den Be­klag­ten un­ter An­rech­nung ei­ner vor­pro­zes­sua­len Zah­lung von 10. 000 DM auf Rück­zah­lung des rest­li­chen Kauf­prei­ses in Hö­he von 88.000 DM nebst Zin­sen in An­spruch ge­nom­men. Er hat in bei­den In­stan­zen ob­siegt. Die Re­vi­si­on des Be­klag­ten hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat aus­ge­führt:

Der Klä­ger sei zu Recht nach §§ 440 I, 325 I BGB a.F. vom Kauf­ver­trag zu­rück­ge­tre­ten und kön­ne des­halb Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ver­lan­gen. Ei­ne recht­mä­ßi­ge Si­cher­stel­lung der Kauf­sa­che in ei­nem Er­mitt­lungs­ver­fah­ren be­grün­de ei­nen Rechts­man­gel, wenn die­se Maß­nah­me auch auf die §§ 111b, 111c StPO ge­stützt wer­de. Die Rechts­stel­lung des Käu­fers sei durch die staat­li­che Be­fug­nis, ein­zel­ne Ge­gen­stän­de ih­rem Be­sit­zer auf Dau­er zu ent­zie­hen, be­ein­träch­tigt. Ei­ne Be­schlag­nah­me des Fahr­zeugs le­dig­lich zu Be­weis­zwe­cken nach § 94 StPO, die kei­nen Rechts­man­gel dar­stel­le, lie­ge nicht vor. Es kön­ne da­hin­ste­hen, ob das Fahr­zeug tat­säch­lich ge­stoh­len sei und der Be­klag­te des­halb dem Klä­ger das Ei­gen­tum dar­an nicht ha­be ver­schaf­fen kön­nen.

II. Die Aus­füh­run­gen des Be­ru­fungs­ge­richts hal­ten recht­li­cher Nach­prü­fung stand, so­dass die Re­vi­si­on zu­rück­zu­wei­sen ist.

1. Zu­tref­fend hat das Be­ru­fungs­ge­richt an­ge­nom­men, dass die Si­cher­stel­lung des Fahr­zeugs durch po­li­zei­li­che Be­schlag­nah­me am 18.05.2000, be­stä­tigt durch Be­schluss des AG Frank­furt a. M. vom 15.08.2000, ei­nen Rechts­man­gel dar­stel­le.

Ei­ne auf der Grund­la­ge von § 111b StPO durch­ge­führ­te Be­schlag­nah­me der Kauf­sa­che in ei­nem straf­recht­li­chen Er­mitt­lungs­ver­fah­ren be­grün­det ei­nen Rechts­man­gel, der den Käu­fer nach Maß­ga­be der §§ 440 I, 325 I 1, 327 Satz 1, 346 ff. BGB a.F. zum Rück­tritt vom Kauf­ver­trag be­rech­tigt. Nach § 434 BGB a.F., der hier noch an­wend­bar ist (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB), ist der Ver­käu­fer ver­pflich­tet, dem Käu­fer den ver­kauf­ten Ge­gen­stand frei von Rech­ten zu ver­schaf­fen, die von Drit­ten ge­gen den Käu­fer gel­tend ge­macht wer­den kön­nen. Un­er­heb­lich ist da­bei, ob der Drit­te sein Recht erst nach Ge­fahr­über­gang aus­übt. Der Ver­käu­fer ist ver­pflich­tet, schon die blo­ße Ge­fahr der In­an­spruch­nah­me zu be­sei­ti­gen (RGZ 111, 86 [89]; Stau­din­ger/Köh­ler, BGB, 13. Be­arb., § 434 Rn. 5; So­e­gel/Hu­ber, BGB, 12. Aufl., § 434 Rn. 81; MünchKomm-BGB/Wes­ter­mann, 3. Aufl., § 434 Rn. 10; Er­man/Gru­ne­wald, BGB, 10. Aufl., § 434 Rn. 1). Maß­ge­bend ist al­lein, dass der Sach­ver­halt, der Rech­te Drit­ter ent­ste­hen ließ, be­reits bei Ge­fahr­über­gang be­stand.

Un­ter die Rech­te Drit­ter i. S. des § 434 BGB a.F. fal­len öf­fent­lich-recht­li­che Be­fug­nis­se wie ei­ne staat­li­che Be­schlag­nah­me, so­fern die­se tat­säch­lich aus­ge­übt wird, zu Recht er­folgt und den Ver­fall oder die Ein­zie­hung der Sa­che zur Fol­ge ha­ben kann (RGZ 111, 86 [89]; Stau­din­ger/Köh­ler, a. a. O., § 434 Rn. 26; So­er­gel/Hu­ber, a. a. O., § 434 Rn. 69; MünchKomm-BGB/Wes­ter­mann, a. a. O., § 434 Rn. 10; Er­man/Gru­ne­wald, a. a. O., § 434 Rn. 5). Dar­un­ter ist auch ei­ne Be­schlag­nah­me in ei­nem straf­recht­li­chen Er­mitt­lungs­ver­fah­ren nach §§ 111b, 111c StPO zu ver­ste­hen. Die­se ist nach § 111b I StPO zu­läs­sig, wenn Grün­de für die An­nah­me vor­han­den sind, dass die Vor­aus­set­zun­gen für den Ver­fall oder die Ein­zie­hung des si­cher­zu­stel­len­den Ge­gen­stan­des nach §§ 73, 74 StGB vor­lie­gen. Für den Käu­fer be­steht die Ge­fahr, dass ihm die Kauf­sa­che durch den staat­li­chen Ein­griff ent­zo­gen wird und das Ei­gen­tum an der Sa­che auf den Staat nach § 73e I 1 StGB über­geht. Glei­ches gilt nach § 111b V StPO, wenn die Be­schlag­nah­me der Si­che­rung der zi­vil­recht­li­chen An­sprü­che des durch die Tat Ver­letz­ten die­nen soll. Auch in die­sem Fall läuft der Käu­fer Ge­fahr, sei­ne Rechts­stel­lung zu ver­lie­ren. Es ist da­her ge­recht­fer­tigt, ei­ne staat­li­che Be­schlag­nah­me der Sa­che nach § 111b StPO als Aus­übung des Rechts ei­nes Drit­ten i. S. des § 434 BGB a.F. an­zu­se­hen.

Dies gilt je­den­falls dann, wenn wie im vor­lie­gen­den Fall der Käu­fer durch die Be­schlag­nah­me sei­ne Rech­te an der Sa­che nicht nur vor­über­ge­hend, son­dern end­gül­tig ver­liert. Zwar wur­de das Fahr­zeug durch die Po­li­zei in Frank­furt a. M. be­reits am 25.08.2000 oh­ne Ab­spra­che mit der Staats­an­walt­schaft oder dem Er­mitt­lungs­rich­ter frei­ge­ge­ben. Die Auf­he­bung er­folg­te je­doch nicht zu­guns­ten des Klä­gers, son­dern ei­ner I-GmbH, M., die das Fahr­zeug auch un­ver­züg­lich im Auf­trag ei­ner fran­zö­si­schen Ver­si­che­rung ab­hol­te und nach Frank­reich ver­brach­te. Es kann da­hin­ste­hen, ob die Frei­ga­be zu Recht er­folg­te. Je­den­falls ist dem Klä­ger durch die Be­schlag­nah­me der Pkw ent­zo­gen wor­den. Es be­ste­hen auch kei­ne An­halts­punk­te da­für, dass es dem Klä­ger im wei­te­ren Ver­lauf des Ver­fah­rens tat­säch­lich mög­lich ge­we­sen wä­re, das Fahr­zeug wie­der in Be­sitz zu neh­men.

2. Oh­ne Er­folg rügt die Re­vi­si­on, dass die Be­schlag­nah­me tat­säch­lich nicht auf § 111b V StPO ge­stützt wor­den, son­dern die Maß­nah­me nur zur Si­che­rung von Be­weis­mit­teln nach § 94 StPO er­folgt sei. Vor­lie­gend ist die Si­cher­stel­lung je­den­falls auch aus § 111b StPO be­grün­det wor­den, so­dass da­hin­ste­hen kann, ob ei­ne le­dig­lich nach § 94 StPO durch­ge­führ­te Si­cher­stel­lung der ver­kauf­ten Sa­che als Be­weis­mit­tel ei­nen Rechts­man­gel dar­stel­len kann (ver­nei­nend OLG Köln, OLGR 2002, 169; OLG Hamm, OLGR 2000, 67 [68]; LG Bonn, NJW 1977, 1822 [1823]; Stau­din­ger/Köh­ler, a. a. O., § 434 Rn. 26; So­er­gel/Hu­ber, a. a. O., § 434 Rn. 69; a. A. Er­man/Gru­ne­wald, a. a. O., § 434 Rn. 5).

Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zu­tref­fend aus­ge­führt, dass die maß­geb­li­che Be­schlag­nah­mean­ord­nung, die durch den Be­schluss des AG Frank­furt a. M. vom 18.05.2000 und den Be­schluss des LG Frank­furt a. M. vom 09.09.2000 be­stä­tigt wur­de, ei­ne Si­cher­stel­lung nach § 111b StPO um­fass­te. Die Be­schlag­nah­me am 18.05.2000 und der da­bei aus­ge­füll­te „Nach­weis über si­cher­ge­stell­te/be­schlag­nahm­te Ge­gen­stän­de“ lässt un­mit­tel­bar kei­nen si­che­ren Schluss auf die Rechts­grund­la­ge die­ser Maß­nah­me zu. Aus dem Stand des Er­mitt­lungs­ver­fah­rens er­gibt sich je­doch ein­deu­tig, dass we­gen des Ver­dachts der Heh­le­rei un­ter an­de­rem an dem ver­kauf­ten Fahr­zeug er­mit­telt wur­de. In­so­fern lag es auf der Hand, dass ei­ne Be­schlag­nah­me des Fahr­zeugs nicht nur zu Be­weis­zwe­cken er­folg­te, son­dern auch, um den Ge­gen­stand für den Staat oder den Ver­letz­ten zu si­chern. Ist der Zweck der Maß­nah­me je­doch of­fen­sicht­lich, so ist ei­ne nä­he­re Be­zeich­nung ent­behr­lich (BGH, Beschl. v. 25.02.1985 – 1 StE 4/85, NStZ 1985, 262 [un­ter 1b aa]; KK-Nack, StPO, 5. Aufl., § 111b Rn. 14).

Dar­über hin­aus wird der Si­che­rungs­cha­rak­ter der Be­schlag­nah­me nach § 111b I StPO im Be­schluss des AG Frank­furt a. M. vom 15.08.2000 aus­drück­lich ge­nannt. Die rich­ter­li­che Be­stä­ti­gung er­wähnt die Vor­schrif­ten der §§ 111b, 111c, 111e StPO i. V. mit § 73 StGB und führt aus, die Vor­aus­set­zun­gen des Ver­falls lä­gen vor. Un­schäd­lich ist, dass zu­sätz­lich auch die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Si­cher­stel­lung nach § 94 I StPO zu Be­weis­zwe­cken als er­füllt an­ge­se­hen wer­den (Klein­k­necht/Mey­er-Goß­ner, StPO, 46. Aufl., § 94 Rn. 2). Glei­ches gilt für den be­stä­ti­gen­den Be­schluss des LG Frank­furt a. M. vom 09.09.2000.

Wei­ter­hin ist un­er­heb­lich, dass die Be­schlag­nah­me nicht aus­drück­lich § 111b V StPO be­nennt. Die­se Vor­schrift ent­hält ei­ne Er­wei­te­rung der Be­fug­nis­se le­dig­lich für den Fall, dass auf­grund § 73 I 2 StGB die Si­che­rung der In­ter­es­sen mög­li­cher Ver­letz­ter Vor­rang vor dem mög­li­chen Ver­fall des Ge­gen­stan­des zu­guns­ten des Staa­tes ge­nießt. Ist auf­grund der Ver­dachts­la­ge noch of­fen, ob der Ver­fall nach § 73 StGB zu si­chern ist oder ob es sich um ei­ne Si­cher­stel­lung nach § 111b V StPO han­delt, so kann die An­ord­nung wahl­wei­se auf bei­de Vor­schrif­ten ge­stützt wer­den (KMR-StPO/May­er, 7. Aufl., § 111b Rn. 28; SK-StPO/Ru­dol­phi, § 111b Rn. 11; KK-Nack, a. a. O., § 111b Rn. 20; wei­ter­ge­hend Klein­k­necht/Mey­er-Goß­ner, a. a. O., § 111b Rn. 7). Die aus­drück­li­che An­ga­be der Nor­men ist ent­behr­lich, da in bei­den ge­richt­li­chen Beschlüs­sen Si­che­rungs­ge­gen­stand und Si­che­rungs­zweck so kon­kret an­ge­ge­ben sind, dass für die von der Be­schlag­nah­me Be­trof­fe­nen An­lass und Ziel­rich­tung der Si­cher­stel­lung klar er­kenn­bar wa­ren.

3. Zum Zeit­punkt der Über­ga­be am 02.05.2000 war das Fahr­zeug be­reits in Pa­ris als ge­stoh­len ge­mel­det, so­dass ein ent­spre­chen­der Dieb­stahls­ver­dacht und die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Si­cher­stel­lung nach § 111b StPO be­reits bei Ge­fahr­über­gang vor­la­gen.

Nach die­sen Um­stän­den kann da­hin­ge­stellt blei­ben, ob sich das Rück­tritts­recht des Klä­gers auch aus dem von ihm be­haup­te­ten Dieb­stahl des Fahr­zeu­ges im Fe­bru­ar 2000 und ei­nem des­halb mög­li­cher­wei­se ge­schei­ter­ten Ei­gen­tums­über­gang er­gibt.

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