- Grundsätzlich trägt der Käufer, der sich auf das Vorliegen eines Mangels beruft und den Verkäufer deshalb auf Rückabwicklung des Kaufvertrags in Anspruch nimmt, die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass de Mangel bereits bei Übergabe der Kaufsache vorhanden war. Eine Beweislastumkehr (§ 476 BGB) kommt ihm bei einem acht Jahre alten Pkw mit einer Laufleistung von ca. 130.000 Kilometern nicht zugute.
- Eine falsch eingestellte Spur ist bei einem solchen Pkw kein Mangel, sondern eine bloße Abnutzungserscheinung.
LG Hof, Urteil vom 23.07.2003 – 32 O 713/02
Sachverhalt: Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Rückzahlung des Kaufpreises nach Rücktritt von einem Pkw-Kaufvertrag geltend.
Im Februar 2002 wurde die Klägerin durch eine Anzeige im Internet auf einen gebrauchte Pkw aufmerksam, den die Beklagte dort zum Kauf anbot. Das Fahrzeug wurde unter anderem damit beworben, dass zur Ausstattung elektrische Fensterheber, eine Klimaanlage, eine Anhängerkupplung, eine Sitzheizung, eine Standheizung und ein Tempomat gehörten. Am 28.02.2002 fuhr die Klägerin zum Betriebsgelände der Beklagten, um sich den Pkw anzusehen. An dem Pkw der war ein Schild angebracht, auf dem wiederum die Ausstattungsmerkmale des Fahrzeugs, die bereits im Internet angepriesen worden waren, enthalten waren. Noch am selben Tag unterzeichnete die Klägerin einen Kaufvertrag über den Pkw für einen Kaufpreis von 7.150 €. Ihr und der Beklagten war bekannt, dass das Fahrzeug acht Jahre alt war und bereits eine Fahrleistung von 130.000 km aufwies. Zur Zahlung des Kaufpreises gab die Klägerin einen anderen Pkw in Zahlung, der mit 500 € auf den Kaufpreis angerechnet wurde. Der Restkaufpreis sollte über die O-Bank finanziert werden. Der Pkw wurde schließlich am 11.03.2002 auf dem Betriebsgelände der Beklagten an die Klägerin übergeben. Die Klägerin übereignete das Fahrzeug sodann zur Sicherheit an die O-Bank, die die Klägerin aber später ermächtigte, etwaige Ansprüche gegen die Beklagte in eigenem Namen geltend zu machen.
Mit Schreiben vom 21.03.2002 rügte die Klägerin gegenüber der Beklagten mehre Mängel an dem Pkw und forderte sie auf, diese Mängel kostenlos zu beheben. In der Folgezeit kam die Beklagte dieser Aufforderung teilweise nach. Nicht behoben wurden Mängel am Tempomaten sowie an der Sitzheizung des Fahrersitzes.
Am 06.05.2002 lief am Kühler des Pkw Kühlwasser aus, woraufhin die Klägerin den Pkw zur Reparatur zur Firma F gab. Dort fielen Kosten in Höhe von 119,03 € an. Am 18.07.2002 zeigte der Bordcomputer des Pkw einen Fehler am Automatikgetriebe an. Wiederum wurde das Fahrzeug zur Reparatur zur Firma F gebracht, wo Reparaturkosten in Höhe von 158,71 € anfielen. Der Schaden am Getriebe konnte aber nicht behoben werden. Anlässlich der Reparatur wurde festgestellt, dass die Spur des Pkw verstellt und daher die Reifen abgefahren waren. Am 25. und am 30.07.2002 fuhr die Klägerin zur Beklagten, um die Fehler beheben zu lassen. Die Beklagte führte eine Getriebereparatur durch und stellte der Klägerin dafür 369,53 € in Rechnung . Das Einstellen der Spur und ein Auswechseln der Reifen lehnte die Beklagte ab, da die Klägerin nicht bereit war, dies zu bezahlen. Die Klägerin ließ daraufhin am 28.08.2002 durch die Firma F die Spur neu einstellen und zwei gebrauchte Reifen montieren, wodurch Kosten in Höhe von 352,95 € entstanden. Nachdem erneut ein Fehler am Automatikgetriebe auftrat, forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 04.09.2002 auf, den Fehler am Getriebe bis spätestens 05.10.2002 zu beheben. Dies lehnte die Beklage mit Schreiben vom 10.09.2002 ab.
Am 17.09.2002 brachte die Klägerin das streitgegenständliche Fahrzeug zu der Beklagten. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 01.10.2002 forderte die Klägerin die Beklagte nochmals zur Beseitigung der Mängel an der Sitzheizung, am Tempomaten und am Getriebe auf. Dies wurde mit Schreiben der Beklagten vom 22.10.2002 erneut abgelehnt. Daraufhin erklärte die Klägerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 10.12.2002 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Ihre Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: I. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw gemäß §§ 433 I, 434, 437 Nr. 2, 323 BGB.
1. Der Klägerin ist der Nachweis, dass an dem Pkw, den sie mit Kaufvertrag vom 28.02.2002 von der Beklagten erwarb, zum Zeitpunkt der Übergabe am 11.03.2002 Mängel vorlagen, die sie zum Rücktritt von dem Kaufvertrag berechtigten, nicht gelungen. Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass Ende März 2002 die Sitzheizung, die Standheizung und der Tempomat nicht funktionierten. Unstreitig ist auch, dass Ende Juli 2002 die Spur verstellt war und im Laufe des Juli 2002 Fehler am Automatikgetriebe auftraten, die nicht behoben wurden. Die Klägerin behauptet, dass diese Mängel bereits zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs am 11.03.2002 neben anderen – nicht streitgegenständlichen, da behobenen – Mängel vorhanden waren. Die Beklagte bestreitet das Vorliegen von Mängeln zum Zeitpunkt der Übergabe.
a) Hinsichtlich der falsch eingestellten Spur liegt ein Sachmangel i. S. des § 434 BGB bereits nicht vor. Ein Sachmangel wäre insoweit nur gegeben, wenn eine Abweichung von dem üblicherweise zu erwartenden Zustand gegeben wäre. Verschleiß, Abnutzung und Alterung sind natürliche Vorgänge, denen ein Fahrzeug vom ersten Tag bei der Inbetriebnahme zwangsläufig ausgesetzt ist. Handelt es sich bei einem aufgetretenen Fehler wie hier lediglich um eine solche Abnutzungs- oder Verschleißerscheinung, so ist ein Mangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB nicht gegeben (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl., Rn. 1239 ff.).
Bei dem Getriebeschaden handelt es sich hingegen um einen Mangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB, da auch bei einem gebrauchten Pkw erwartet werden darf, dass das Getriebe in Ordnung ist.
Hinsichtlich der Defekte an der Sitzheizung, an der Standheizung und am Tempomaten handelt es sich um Sachmängel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2, I 3 BGB. Das Fahrzeug, das die Beklagte an die Klägerin veräußerte, wurde im Internet und auch mit dem an dem Pkw angebrachten Verkaufsschild mit der umfangreichen Sonderausstattung, zu der auch Sitzheizung, Standheizung und Tempomat gehörten, beworben. Es handelt sich dabei um eine Beschaffenheitsangabe i. S. des § 434 I 3 BGB (Palandt/Putzo, BGB, 62. Aufl., § 434 Rn. 31 ff.).
b) Dass die vorgenannten Mängel aber bereits zum Zeitpunkt der Übergabe des Pkw an die Klägerin vorlagen, konnte diese nicht beweisen.
Sie ist insoweit beweispflichtig. Die Beweislastumkehr gemäß § 476 BGB gilt im vorliegenden Fall nicht, da die Vermutung hier mit der Art der Sache unvereinbar wäre. Grundlage der Beweisvermutung ist nämlich der allgemeine Erfahrungssatz, dass eine bewegliche Kaufsache, die sechs Monate nicht „hält“, schon bei Übergabe mangelhaft war. Bei gebrauchten Sachen, so der Gesetzgeber, gelte ein entsprechender allgemeiner Lebenserfahrungssatz nicht (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1342) &ndash dies insbesondere wegen des sehr unterschiedlichen Grades der Abnutzung gebrauchter Sachen. Je intensiver die Abnutzung vor der Übergabe an den Käufer war, desto eher lässt sich eine Erklärung für die Entstehung von Defekten in der gebrauchsbedingten Abnutzung in Verbindung mit dem Alter der Sache finden. Auch im vorliegenden Fall ist angesichts des Alters des Fahrzeugs von acht Jahren bei Übergabe sowie der hohen Fahrleistung von ca. 130.000 km eine Vermutung dahin gehend, dass nach Gefahrübergang aufgetretene Mängel bereits bei Gefahrübergang vorlagen, nicht zulässig. Es gilt daher der allgemeine Grundsatz, wonach derjenige der sich auf einen Mangel beruft, beweisen muss, dass dieser Mangel bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag.
Diesen Beweis ist die Klägerin aber schuldig geblieben. Der von der Klägerin benannte Zeuge Z war bei der Übergabe des Fahrzeugs nicht dabei. Er konnte damit auch nicht bezeugen, ob die aufgetretenen Mängel bereits bei Übergabe des Fahrzeugs an die Klägerin vorlagen. Die Zeugin X gab bei ihrer Vernehmung an, dass sie zu den Mängeln an der Sitzheizung und an der Standheizung nichts sagen könne. Nachdem sie mit ihrer Tochter, der Klägerin, am 11.03.2002 den Pkw bei der Beklagten abgeholt hatte, habe ihre Tochter auf der Autobahn versucht, den Tempomaten einzuschalten. Dies sei aber nicht gelungen. Die Klägerin habe bis auf 120 km/h beschleunigt und dann den Tempomaten eingestellt. Das Auto habe dann Geschwindigkeit verloren. Der Tempomat habe nicht funktioniert. Die Zeugin konnte aber nicht angeben, welche Knöpfe oder Schalter die Klägerin zum Einschalten des Tempomaten betätigt hatte. Es ist daher nicht auszuschließen, dass insoweit ein Bedienungsfehler der Klägerin vorlag. Dies umso mehr deshalb, weil nach Angabe der Zeugin X die Klägerin lediglich einmal versuchte, den Tempomaten einzuschalten.
Nachdem von der Klägerin nicht bewiesen werden konnte, dass die Mängel bereits zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs vorlagen, steht ihr ein Rücktrittsrecht nicht zu.
2. Die Klägerin ist auch nicht deswegen zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt, weil ihr bei Abschluss des Kaufvertrags ein Jahr Reparaturfreiheit zugesichert worden war. Dies behauptet die Klägerin, wird aber von der Beklagten bestritten. Das Gericht hat insoweit Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen Z und M.
Der Zeuge Z gab an, dass der Mitarbeiter der Beklagten M zugesagt habe, dass das Fahrzeug technisch in einem einwandfreien Zustand sei und auch noch einmal in der Werkstatt überprüft werde. Herr M habe auch gesagt, dass an dem Fahrzeug keine Mängel vorlägen, und dass für dieses die gesetzliche Gewährleistung gelte. Über einen konkreten Zeitraum, in dem an dem Fahrzeug keine Reparaturen anfallen sollten, sei indes nicht gesprochen worden. Den Vertrag selbst habe nicht Herr M, sondern der Automobilverkäufer A gemacht. Der Zeuge M gab an, dass er der Klägerin nicht zugesagt habe, dass das Fahrzeug ein Jahr reparaturfrei sein würde. So etwas könne er nicht einmal bei einem Neuwagen zusichern, geschweige denn bei einem Fahrzeug, das bereits acht Jahre alt war und ca. 130.000 km auf dem Tacho hatte. Auch Herr A habe ihm nichts darüber gesagt, dass er der Klägerin Mangelfreiheit oder Reparaturfreiheit zugesagt habe. Aus den übereinstimmenden Aussagen der beiden Zeugen ergibt sich nicht, dass tatsächlich ein Jahr Reparaturfreiheit zugesichert wurde. Die Behauptung der Klägerin ist damit widerlegt …