Dem Käufer eines mangelhaften Gebrauchtwagens steht für den Zeitraum, in dem ihm das Fahrzeug mangel- und reparaturbedingt nicht zur Verfügung steht, generell keine abstrakt berechnete Nutzungsausfallentschädigung zu.
AG Aachen, Urteil vom 15.01.2003 – 80 C 468/02
(nachfolgend: LG Aachen, Urteil vom 11.04.2003 – 5 S 40/03)
Sachverhalt: Der Beklagte betreibt einen gewerblichen Autohandel. Mit schriftlichem Kaufvertrag vom 15.03.2002 erwarb der Kläger von ihm einen Gebrauchtwagen BMW 750i (Erstzulassung: 24.04.1995) zum Preis von 17.000 €. Die Parteien vereinbarten eine Gewährleistung von zwölf Monaten. Bei Übergabe des Fahrzeugs am 15.03.2002 zahlte der Kläger den Kaufpreis in voller Höhe.
Am 17.06.2002 trat ein Mangel am Automatikgetriebe des Fahrzeugs auf; das Fahrzeug ließ sich nicht mehr rückwärts fahren. Am 18.06.2002 zeigte der Kläger diesen Mangel dem Beklagten an. Dieser forderte den Kläger am 20.06.2002 auf, in eine Fachwerkstatt zu fahren und dort eine Diagnose des Mangels in Auftrag zu geben. Das von dem Kläger beauftragte Fachunternehmen konnte einen Mangel am Steuergerät des Automatikgetriebes nicht feststellen.
Mit Schreiben vom 01.07.2002 forderte der Kläger den Beklagten unter Fristsetzung auf mitzuteilen, wo eine Reparatur durchzuführen sei, sowie bis zum 15.07.2002 selbst eine Reparatur durchzuführen. Für den Fall des ergebnislosen Fristablaufs behielt sich der Kläger vor, die Nacherfüllung durch den Beklagten abzulehnen sowie von dem geschlossenen Vertrag zurückzutreten bzw. den Kaufpreis zu mindern. Am 04.07.2002 bot der Beklagte dem Kläger an, das Fahrzeug abzuholen und das Getriebe in seiner Fachwerkstatt überholen zu lassen.
Am 15.07.2002 erhielt der Kläger das Fahrzeug von dem Beklagten repariert zurück. Anschließend ließ er es erneut von der schon einmal beauftragten Fachwerkstatt überprüfen. Hierbei wurde festgestellt, dass die Reparatur ordnungsgemäß erfolgt war. Die Fachwerkstatt berechnete für ihre Tätigkeit 26,91 €.
Der Kläger begehrt nunmehr für die Zeit vom 18.06.2002 bis zum 15.07.2002, in der er das erworbene Fahrzeug nicht nutzen konnte und keinen Mietwagen in Anspruch nahm, Nutzungsausfall. Diesen berechnet er mit 99 € pro Tag, insgesamt also mit 2.673 €. Mit Schreiben vom 18.07.2002 forderte der Kläger den Beklagten erfolglos auf, diesen Betrag an ihn zu zahlen.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Ersatz der entgangenen Nutzungen für den Zeitraum vom 18.06.2002 bis zum 15.07.2002.
Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich dieser Anspruch nicht aus selbstständiger Anwendung von § 280 I BGB. Vielmehr setzt der Anspruch auf Ersatz eines Mangelfolgeschadens bei Abschluss eines Kaufvertrags aus §§ 437 Nr. 3, 440, 280 BGB eine Auslegung im Lichte von § 281 BGB voraus, wenn der geltend gemachte Mangelfolgeschaden lediglich abstrakt nach §§ 250, 252 BGB berechnet wird. Grundsätzlich besteht zwar nach der Reform des Schuldrechts auch ein Anspruch des Käufers auf Ersatz seines Nutzungsausfalls für den Entzug der erworbenen Kaufsache während der Nachbesserungszeit (Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 280 Rn. 18 a. E.). Dieser Anspruch muss jedoch bei abstrakter Berechnung des Schadens – mithin wenn der Käufer keinen Ersatz für die reparaturbedürftige Kaufsache in Anspruch genommen hat – einschränkend ausgelegt werden. Dies ergibt sich zum einen aus § 250 BGB, der für ein Schadensersatz in Geld grundsätzlich eine Fristsetzung voraussetzt.
Eine abstrakte Berechnung des Nutzungsausfalls entspricht auch nicht der Regelungssystematik des Werkvertragsrechts, an das die neuen Regelungen des Kaufrechts angelehnt wurden. Vielmehr muss der Nutzungsausfall konkret berechnet werden bzw. ein erheblicher Eingriff in die Interessen des Bestellers gegeben sein. Für die abstrakte Berechnung des Nutzungsausfalls ist daher erforderlich, dass ein erheblicher Eingriff in die Vermögensinteressen des Käufers gegeben ist sowie dem Verkäufer vorab die Möglichkeit gegeben wurde, diesen Eingriff in die Vermögensinteressen des Käufers durch die Bereitstellung einer zumindest gleichwertigen Kaufsache abzuwenden. Diesem Rechtsgedanken entspricht auch § 250 BGB. Insoweit ist es daher angemessen, dass bei abstrakter Berechnung eines Schadens auch die Voraussetzungen von § 281 BGB vorliegen müssen. Denn es ist zu befürchten, dass anderenfalls aufgrund der neuen Beweiserleichterung in § 276 BGB sowie der in § 280 I 2 BGB n.F. übernommenen Vermutung für das Verschulden des Verkäufers für den vorhandenen Mangel sich der Verkäufer gegen die Geltendmachung dieses Anspruches nicht mehr angemessen wehren kann, und so nur eine – vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte – abstrakte Garantiehaftung die praktische Folge wäre.
Unabhängig von den vorherigen Ausführungen gilt bei der abstrakten Berechnung des Schadensersatzes jedenfalls auch § 254 II 1 BGB. Der Käufer muß seinerseits alles erforderliche tun, um den ihm entstehenden Schaden zu reduzieren und zu vermindern. Im vorliegenden Falle hätte daher der Kläger den Verkäufer zumindest darauf ansprechen müssen, ob dieser ihm ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung stellen kann. Dies ist jedoch unstreitig nicht erfolgt. Damit hat der Kläger seinerseits auch die ihm obliegende Schadensminderungspflicht nicht erfüllt.
Der Kläger kann ferner nicht von dem Beklagten Ersatz für die ihm entstandenen Kosten der Fachwerkstatt im Rahmen der Überprüfung der Mängelbeseitigung nach § 439 II BGB ersetzt verlangen. Nach § 439 II BGB sind dem Käufer nur diejenigen Kosten zu erstatten, die durch die Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs entstanden sind. Die von dem Kläger geltend gemachten Kosten für die Überprüfung der Reparaturmaßnahmen des Beklagten sind jedoch erst nach der Nacherfüllung seitens des Beklagten entstanden. Der Kläger hat ferner keine Anhaltspunkte vorgetragen, die ihn berechtigt hätten, Zweifel an der Qualität der Nacherfüllung seitens des Beklagten zu haben. Eine Überprüfung der Nacherfüllung durch eine weitere Fachwerkstatt ist jedoch nur geboten, wenn der Käufer seinerseits befürchten muss, dass die von dem Verkäufer vorgenommene Überprüfung mangelhaft ist. Dis war jedoch unstreitig im vorliegenden Falle nicht gegeben …
Hinweis: Das LG Aachen hat die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil zurückgewiesen. In der Entscheidung (LG Aachen, Urt. v. 11.04.2003 – 5 S 40/03) heißt es unter anderem:
„Die in der angefochtenen Entscheidung aufgeworfene Frage, ob dem Käufer eines mangelhaften Gebrauchtfahrzeugs für den Zeitraum, in dem ihm das Fahrzeug wegen eines technischen Mangels und infolge einer anschließend durchgeführten Reparatur nicht zur Verfügung steht, generell keine abstrakt zu berechnende Nutzungsentschädigung gewährt werden kann, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, da dieser Nutzungsausfall nicht durch eine von dem Kläger zu vertretende Pflichtverletzung i. S. der §§ 280 I, 276 I BGB verursacht worden ist.
Allerdings bestehen in der bislang veröffentlichten Literatur unterschiedliche Auffassungen darüber, ob derartige Mangelfolgeschäden als eine Form des ‚Schadensersatzes neben der Leistung‘ unmittelbar aus den §§ 280 I 1, 437 Nr. 3 BGB zu ersetzen sind (so Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl. [2003], § 280 Rn 18 a. E., Rn. 20; Lorenz, NJW 2002, 2501 [unter bb] und 2503 [unter cc]; Schubel, JuS 2002, 319 [unter bb und cc mit Hinweis auf die entsprechende Begründung zu § 437 BGB, BT-Drs. 14/6040, S. 225]) oder als Schäden, die aus der verspäteten Nutzbarkeit der geschuldeten Sache resultieren, nur unter den engeren Verzugsvoraussetzungen der §§ 286, 280 II, 437 Nr. 3 BGB (so AnwK-BGB/Dauner-Lieb, 2002, § 280 Rn. 42 ff., insbes. Rn. 48). Selbst bei Bejahung der Ersatzfähigkeit des hier von dem Kläger geltend gemachten Nutzungsausfalls unmittelbar aus § 280 I 1 BGB wäre jedoch neben einer objektiven Pflichtverletzung des Beklagten erforderlich, dass dieser die Pflichtverletzung in Form der Lieferung des infolge eines Defekts an dem Automatikgetriebe mangelhaften Pkw (§ 434 I BGB) zu vertreten hätte. Hinsichtlich dieser letztgenannten Anspruchsvoraussetzung ist dem Beklagten jedoch der ihm im Streitfalle gemäß § 280 I 2 BGB obliegende Entlastungsbeweis ‚gelungen‘, da sich die hierfür erforderlichen Umstände bereits aus dem unstreitigen Sachvortrag beider Parteien ergeben.
Der Kläger hat … vorgetragen, dass der Rückwärtsgang des Automatikgetriebes bei der Übergabe des Fahrzeugs am 15.03.2002 ordnungsgemäß bedient bzw. eingelegt werden konnte, und sich der Pkw erstmals am 17.06.2002 nicht mehr rückwärts fahren ließ. Der hierfür ursächliche Defekt an dem Automatikgetriebe konnte zunächst auch mittels einer elektronischen Diagnose durch eine BMW-Fachwerkstatt nicht ermittelt werden, da kein Fehler in dem sog. EGS-Steuergerät abgelegt war. Aufgrund des hierdurch zu vermutenden mechanischen Defekts wurde das Automatikgetriebe des Pkw sodann auf Veranlassung des Beklagten in dieser Fachwerkstatt einer aufwändigen Reparatur unterzogen.
Hieraus folgt, dass der Getriebemangel … für den Beklagten als Inhaber eines Gebrauchtwagenhandels ohne angegliederte Fachwerkstatt auch bei einer ohne besonderen technischen Aufwand oder gar Demontage des Pkw durchzuführenden Untersuchung vor der Veräußerung an den Kläger nicht erkennbar gewesen ist, und der Beklagte diesen erst nachträglich festgestellten Mangel und damit auch den Nutzungsausfall des Fahrzeugs nicht i. S. der §§ 280 I, 276 I BGB zu vertreten hat. Zu weiteren, über diese ohnehin umstrittene eingeschränkte Untersuchungspflicht des Gebrauchtwagenverkäufers (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 7. Aufl. [2000], Rn. 1898 ff. m. w. Nachw.) hinausgehenden Maßnahmen war der Beklagte dem Kläger gegenüber auch nach dem Inhalt des schriftlichen Kaufvertrags vom 15.03.2002 nicht verpflichtet (§ 276 I 1 BGB; vgl. ferner: Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 280 Rn. 19).
Auch eine gegebenenfalls über die §§ 286, 280 II, 437 Nr. 3 BGB schadensersatzbegründende Pflichtverletzung des Beklagten in Form einer verzögerten Durchführung der als Nacherfüllung anzusehenden Reparatur des Fahrzeugs (§ 439 I BGB) liegt nicht vor. Der Beklagte hat die Reparaturarbeiten unverzüglich nach Erhalt des klägerischen Schreibens vom 01.07.2002 in Auftrag gegeben mit der Folge, dass das Fahrzeug innerhalb der von dem Kläger gesetzten Frist wieder instandgesetzt worden ist.“