Ein Neufahrzeug, das uneingeschränkt für den Betrieb mit Biodiesel (RME) geeignet sein soll, ist mangelhaft, wenn der Kfz-Hersteller dem Käufer später mitteilt, das Fahrzeug dürfe nicht mit Biodiesel betrieben werden, und trotz Rücknahme dieser Erklärung die Eignung des Fahrzeugs für den Betrieb mit Biodiesel zweifelhaft bleibt.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 29.05.2002 – 9 U 165/01
Sachverhalt: Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung eines Pkw-Kaufvertrags in Anspruch.
Der Kläger kaufte bei der Beklagten am 07.06.2000 ein neues Dieselfahrzeug, Modelljahr 2001, zum Preis von 62.526,69 DM brutto. Vertraglich wurde vereinbart, dass das Fahrzeug uneingeschräkt für den Betrieb mit sogenanntem Biodiesel (RME = Rapsmethylester) tauglich sei.
Nachdem die Beklagte das Fahrzeug am 21.09.2000 dem Kläger übergeben hatte, übersandte sie ihm am 23.01.2001 eine Mitteilung der G-GmbH, wonach die Verwendung von Biodiesel unter anderem für Dieselfahrzeuge der Baureihe, dem auch das vom Kläger erworbene Fahrzeug angehört, nicht zulässig sei. Der Grund sei, „dass Kraftstofftank- und Leitungsdichtungen u. U. schwellen oder Rückstände hinterlassen, die zu einem späteren Zeitpunkt Motorlaufprobleme verursachen könnten“. Ein Zubehörsatz zur Umrüstung auf Biodieseltauglichkeit sei nicht verfügbar und auch nicht in Planung.
Der Kläger wandte sich daraufhin an die Beklagte, die ihm am 06.03.2001 telefonisch mitteilte, dass das Fahrzeug nunmehr wieder mit RME betrieben werden könne. Eine entsprechende schriftliche Bestätigung lehnte die Beklagte unter Hinweis auf eine entsprechende Weisung der G-GmbH ab.
Mit Schreiben vom 21.03.2001 erklärte der Kläger die Anfechtung des Kaufvertrags unter Hinweis auf die fehlende oder zumindest zweifelhafte Tauglichkeit des Fahrzeugs für den Betrieb mit RME. Er meint, mangels einer schriftlichen Unbedenklichkeitserklärung müsse er davon ausgehen, dass das Fahrzeug nicht mit Biodiesel betrieben werden könne, ohne – möglicherweise erst nach Ablauf von Gewährleistungsfristen – Schaden zu nehmen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Dem Kläger stehe ein Wandelungsanspruch zu. Es sei vom Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft auszugehen, da die Beklagte die durch die Mitteilung der G-GmbH vom 23.01.2001 erweckten ernsthaften Zweifel an der Betriebssicherheit des Fahrzeugs, bezogen auf den Betrieb mit RME, nicht ausgeräumt habe.
Die Berufung der Beklagten blieb überwiegend erfolglos.
Aus den Gründen: Der Kläger ist zur Wandlung des Kaufvertrags vom 07.06.2000 berechtigt, weil das Fahrzeug einen erheblichen Sachmangel aufweist.
Es entspricht allgemeiner Rechtsansicht, dass auch der begründete Verdacht mangelnder Eignung einer Kaufsache zu dem vertraglich vereinbarten Zweck einen Fehler darstellen kann, sofern dieser Verdacht nicht nachträglich ausgeräumt wird.
Aufgrund der Mitteilung der G-GmbH vom 22.01.2001 … besteht der begründete Verdacht, dass das Fahrzeug entgegen der vertraglich vorausgesetzten Beschaffenheit zum Betrieb mit RME-Kraftstoff nicht geeignet ist, weil Kraftstofftank- und Leitungsdichtungen unter Umständen schwellen oder Rückstände hinterlassen, die zu einem späteren Zeitpunkt Motorlaufprobleme verursachen können. Aus diesem Grund ist in diesem Schreiben die Verwendung von Biodiesel unter anderem für die Fahrzeugreihe … für nicht zulässig erklärt. Es ist nicht anzunehmen, dass die Vertragshändler diese mit den bisherigen Werbeaussagen der G-GmbH in Widerspruch stehende Herstellerinformation ohne begründeten Anlass erhalten haben.
Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Kläger die als Anlage B 2 im Berufungsverfahren vorgelegte Mitteilung der G-GmbH vom 05.03.2001 vor Prozessbeginn zugegangen ist. Mit dieser Mitteilung ist der durch die Information vom 22.01.2001 entstandene Verdacht nicht ausgeräumt worden. Der nicht näher ausgeführte Hinweis, dass Langzeittests gezeigt hätten, dass der Gebrauch von RME unbedenklich sei, reicht dazu nicht aus. Vielmehr hätte die Beklagte eingehend darlegen müssen, aufgrund welcher Vorgänge der von der G-GmbH im nachhinein für unbegründet erklärte Verdacht entstanden war, und durch welche Untersuchungen, an wie vielen Fahrzeugen und über welchen Zeitraum, der Verdacht entkräftet wurde. Auch eine schriftliche Zusicherung etwa des Inhalts, dass Schäden am Fahrzeug infolge der Verwendung von Biodiesel nicht entstehen können, hat die Beklagte nicht abgegeben …
Zutreffend hat das Landgericht zur Ermittlung des Werts der gezogenen Nutzungen nicht den Listenpreis, sondern den tatsächlichen Kaufpreis zugrunde gelegt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Kläger das Fahrzeug inzwischen weiter gefahren hat, sodass sich ein höherer Betrag als Nutzungsvergütung ergibt. Zu vergüten sind die Gebrauchsvorteile bis zur Rückgabe des Fahrzeugs. Diese berechnen sich nach der Formel:
$$\frac{\text{Bruttokaufpreis}\times\text{gefahrene Kilometer}}{\text{erwartete Gesamtlaufleistung}}$$
[Die erwartete Gesamtlaufleistung] haben die Parteien übereinstimmend mit 200.000 km angegeben. Der Senat schließt sich der Auffassung von Reinking/Eggert … an, wonach aus praktischen Erwägungen eine über den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung hinausweisende Tenorierung zugelassen werden kann, sodass sich im vorliegenden Fall der vom Landgericht zugrunde gelegte Bruttokaufpreis von 62.326,69 DM … = 31.867,13 € um einen Euro-Betrag vermindert, der sich berechnet wie folgt:
$$\frac{31.867,13 €\times\text{Kilometerstand bei Rückgabe}}{200.000 \text{km}}$$
Insoweit ist das erstinstanzliche Urteil abzuändern.
Gemäß § 347 Satz 3 BGB hat der Verkäufer im Falle der Wandlung den empfangenen Kaufpreis nebst Zinsen ab Empfang des Kaufpreises zurückzuzahlen. Geltend gemacht sind Zinsen erst ab 21.03.2001 und zuzusprechen – vom Kläger nicht angegriffen – nur für den um die Gebrauchsvorteile verminderten Betrag …