Ein Kfz-Ver­käu­fer, der den Käu­fer un­ge­fragt über ei­nen Un­fall­scha­den ei­nes Fahr­zeugs auf­klä­ren muss, hat voll­stän­di­ge und rich­ti­ge An­ga­ben zu ma­chen und darf den Scha­den nicht ba­ga­tel­li­sie­ren. Der Ver­käu­fer muss von sich aus je­doch nicht dar­auf hin­wei­sen, dass ein Sach­ver­stän­di­ger den Scha­den als „wirt­schaft­li­chen To­tal­scha­den“ ein­ge­stuft hat.

OLG Schles­wig, Ur­teil vom 28.09.2001 – 14 U 71/01

Sach­ver­halt: Der Klä­ger ver­langt von dem Be­klag­ten Scha­den­er­satz mit der Be­haup­tung, der Be­klag­te ha­be ihn über ei­nen Un­fall­scha­den ei­nes ge­brauch­ten Kraft­fahr­zeugs nicht bzw. nur un­zu­rei­chend auf­ge­klärt.

Mit schrift­li­chem Ver­trag vom 12.01.2000 kauf­te der Klä­ger von dem Be­klag­ten ei­nen Pkw Opel Vec­tra mit ei­ner Ge­samt­fahr­leis­tung von 37.000 km zu ei­nem Kauf­preis von 19.900 DM. In der Ver­trags­ur­kun­de heißt es un­ter der Ru­brik „Zahl, Art und Um­fang von Un­fall­schä­den“: „be­ho­be­ner Front­scha­den Stoß­stan­ge, Ne­bel­schein­wer­fer“.

Un­strei­tig hat­te das ver­kauf­te Fahr­zeug vor der Ver­äu­ße­rung an den Klä­ger ei­nen Un­fall­scha­den er­lit­ten. Nach ei­nem Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten vom 02.11.1999 be­lie­fen sich die Re­pa­ra­tur­kos­ten auf ins­ge­samt 20.238,90 DM; den Wie­der­be­schaf­fungs­wert schätz­te der Sach­ver­stän­di­ge auf 26.700 DM brut­to und den Rest­wert auf 6.500 DM brut­to. Den Scha­den­sum­fang be­schrieb der Sach­ver­stän­di­ge wie folgt:

„Bei dem Scha­dens­er­eig­nis wur­de der Vor­der­wa­gen, über­wie­gend im Achs­be­reich vorn links, so­wie auch hin­ten links zum Teil stark be­schä­digt. Wei­ter­hin wur­de das kom­plet­te Fahr­zeug, au­ßer das Dach, zum Teil stark lack­be­schä­digt. Die Bo­den­grup­pe so­wie dort an­ge­brach­te An­bau­tei­le wur­den eben­falls be­schä­digt.“

Dem Be­klag­ten war der kon­kre­te Um­fang des Scha­dens zum Zeit­punkt der Ver­äu­ße­rung an den Klä­ger be­kannt, weil er das Fahr­zeug in un­re­pa­rier­tem Zu­stand von ei­nem Au­to­händ­ler aus Kiel ge­kauft und an­schlie­ßend selbst re­pa­riert hat­te.

Der Klä­ger be­haup­tet, der Be­klag­te ha­be ihn arg­lis­tig ge­täuscht. Statt ihn, wo­zu er ver­pflich­tet ge­we­sen sei, über den wirt­schaft­li­chen To­tal­scha­den des ver­kauf­ten Fahr­zeugs auf­zu­klä­ren, ha­be der Be­klag­te den Ein­druck er­weckt, der Pkw ha­be le­dig­lich ei­nen Ba­ga­tell­scha­den er­lit­ten. Der Be­klag­te ha­be den Scha­den als „leich­ten Front­scha­den“ be­zeich­net, was nur als arg­lis­ti­ge Täu­schung an­ge­se­hen wer­den kön­ne.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen und zur Be­grün­dung aus­ge­führt, dass ein Scha­den­er­satz­an­spruch nach § 463 BGB a.F. nicht ge­ge­ben sei. Ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung lie­ge nicht vor. We­gen des be­haup­te­ten wirt­schaft­li­chen To­tal­scha­dens ha­be kei­ne Auf­klä­rungs­pflicht des Be­klag­ten be­stan­den, weil das Fahr­zeug kei­nen wirt­schaft­li­chen To­tal­scha­den er­lit­ten ha­be und der Be­klag­te den Klä­ger hin­rei­chend kon­kret auf den Un­fall­vor­scha­den auf­merk­sam ge­macht ha­be.

Die Be­ru­fung des Klä­gers hat kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Die … Be­ru­fung … ist un­be­grün­det, denn die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen Scha­den­er­satz­an­spruch aus § 463 Satz 2 BGB a.F. lie­gen dem Grun­de nach nicht vor.

Der Be­klag­te hat den Klä­ger nicht arg­lis­tig ge­täuscht. Das Ver­schwei­gen von Tat­sa­chen stellt nur dann ei­ne Täu­schung dar, wenn hin­sicht­lich der ver­schwie­ge­nen Tat­sa­che ei­ne Auf­klä­rungs­pflicht be­steht (Pa­landt/Hein­richs, BGB, 60. Aufl., § 123 Rn. 5) und die­se Pflicht ent­we­der durch Ver­schwei­gen oder durch un­rich­ti­ge Be­haup­tun­gen ver­letzt wor­den ist.

Der Be­klag­te war nicht ver­pflich­tet, den Klä­ger vor Ab­schluss des Kauf­ver­trags – über die Be­schrei­bung des Scha­dens hin­aus – auf die Ein­stu­fung als so­ge­nann­ter wirt­schaft­li­cher To­tal­scha­den aus­drück­lich hin­zu­wei­sen. Zum ei­nen liegt hier – wie das Land­ge­richt be­reits zu Recht fest­ge­stellt hat – kein wirt­schaft­li­cher To­tal­scha­den vor, da der Sach­ver­stän­di­ge den Wie­der­be­schaf­fungs­wert des Fahr­zeugs auf 26.700 DM und die Re­pa­ra­tur­kos­ten auf le­dig­lich 20.238,90 DM (je­weils brut­to) ge­schätzt hat. Aber selbst dann, wenn ein wirt­schaft­li­cher To­tal­scha­den vor­ge­le­gen hät­te, wä­re der Ver­käu­fer – oh­ne be­son­de­re Nach­fra­ge zu die­sem Punkt – nicht ver­pflich­tet ge­we­sen, den Käu­fer über die­sen Um­stand als sol­chen auf­zu­klä­ren (OLG Cel­le, Urt. v. 11.02.1988 – 7 U 87/87, NJW-RR 1988, 1136; OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 24.05.1991 – 22 U 13/91, NJW-RR 1991, 1402; Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 7. Aufl., Rn. 1890). Die Ein­stu­fung durch den Sach­ver­stän­di­gen als „wirt­schaft­li­cher To­tal­scha­den“ stellt kei­ne Tat­sa­che dar, son­dern nur ei­ne Be­wer­tung des Sach­ver­stän­di­gen, die le­dig­lich Be­deu­tung für die Fra­ge hat, wie der Schä­di­ger bzw. des­sen Haft­pflicht­ver­si­che­rung den Scha­den zu re­gu­lie­ren ha­ben.

Ent­schei­dend ist des­halb, ob hier ei­ne un­zu­läs­si­ge Ba­ga­tel­li­sie­rung vor­liegt, das heißt, ob der Be­klag­te sei­ne Auf­klä­rungs­pflicht ord­nungs­ge­mäß er­füllt hat. Dem Be­klag­ten war der Um­fang des Scha­dens – wie er sich aus dem Gut­ach­ten des Sach­ver­stän­di­gen vom 02.11.1999 er­gibt – bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags be­kannt ge­we­sen, denn er hat das Fahr­zeug in un­re­pa­rier­tem Zu­stand von dem Au­to­händ­ler aus Kiel auf­ge­kauft und an­schlie­ßend selbst re­pa­riert. Un­strei­tig war er des­halb ver­pflich­tet, den Käu­fer über den Un­fall­scha­den auf­zu­klä­ren. Die­se An­ga­ben müs­sen voll­stän­dig und rich­tig sein und dür­fen nicht ge­eig­net sein, den Scha­den zu ba­ga­tel­li­sie­ren (BGH, Urt. v. 03.12.1986 – VI­II ZR 345/85, NJW-RR 1987, 436 [437]; OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 24.05.1991 – 22 U 13/91, NJW-RR 1991, 1402).

Ei­ne sol­che Ba­ga­tel­li­sie­rung lässt sich hier nicht mit der für ei­ne Ver­ur­tei­lung er­for­der­li­chen Si­cher­heit fest­stel­len. Wenn im schrift­li­chen Kauf­ver­trag auf Un­fall­schä­den hin­ge­wie­sen wur­de, dann ist es Sa­che des Käu­fers dar­zu­le­gen und nach­zu­wei­sen, dass der Ver­käu­fer den Un­fall­scha­den ba­ga­tel­li­siert hat (KG, Urt. v. 11.01.1996 – 12 U 1741/95). In der Ver­trags­ur­kun­de steht „be­ho­be­ner Front­scha­den Stoß­stan­ge, Ne­bel­schein­wer­fer“. Die­se Ur­kun­de hat i. S. von § 416 ZPO die Ver­mu­tung der Voll­stän­dig­keit und Rich­tig­keit für sich. Der Front­scha­den ist un­strei­tig fach­ge­recht be­sei­tigt wor­den, mög­li­cher­wei­se ver­blie­be­ne Rest­män­gel oder ein Min­der­wert sind von dem Klä­ger nicht dar­ge­legt.

Hin­sicht­lich sei­ner Be­haup­tun­gen, der Be­klag­te ha­be den Front­scha­den vor Ver­trags­ab­schluss als „leicht“ be­zeich­net und er ha­be auf Nach­fra­ge er­klärt, dass der Scha­den „nicht sehr groß ge­we­sen sei“, ist der Klä­ger be­weis­fäl­lig ge­blie­ben. Ent­spre­chen­de Äu­ße­run­gen des Ver­käu­fers wür­den zwar – im Hin­blick auf den tat­säch­li­chen Scha­den­sum­fang – ein­deu­tig ei­ne un­zu­läs­si­ge Ba­ga­tel­li­sie­rung des Un­fall­scha­dens dar­stel­len, der Be­klag­te hat je­doch sol­che Äu­ße­run­gen be­strit­ten und der Klä­ger hat hier­für kei­nen ent­spre­chen­den Be­weis an­ge­bo­ten.

Al­lein die Kurz­be­zeich­nung „Front­scha­den“ stellt auch im Hin­blick auf den von dem Sach­ver­stän­di­gen fest­ge­stell­ten Scha­den­sum­fang kei­ne un­zu­läs­si­ge Ba­ga­tel­li­sie­rung dar. Die we­sent­li­chen Un­fall­schä­den am Fahr­zeug lie­gen näm­lich im Achs­be­reich vorn so­wie in der Bo­den­grup­pe. Aus­weis­lich der Re­pa­ra­tur­kos­ten­kal­ku­la­ti­on des Sach­ver­stän­di­gen sind – im Hin­blick auf die Er­satz­tei­le – die kos­ten­in­ten­sivs­ten Punk­te der Aus­tausch des Ser­vo­lenk­be­triebs und der An­triebs­wel­le links so­wie des Vor­der­achs­kör­pers. Der Schwer­punkt des Scha­dens lag da­mit ein­deu­tig im Front­be­reich, die dar­über hin­aus­ge­hen­den Schä­den im hin­te­ren lin­ken Be­reich so­wie die Lack­schä­den im üb­ri­gen Fahr­zeug­be­reich – mit Aus­nah­me des Dachs – fie­len hin­ge­gen nicht be­son­ders ins Ge­wicht. Der Be­griff „Front­scha­den“ schließt auch die Mög­lich­keit schwers­ter Schä­den ein. Wer ein Fahr­zeug mit dem Hin­weis auf ei­nen „be­ho­be­nen Front­scha­den“ kauft, oh­ne nach Ein­zel­hei­ten des Scha­dens zu fra­gen, gibt da­mit kon­klu­dent zu ver­ste­hen, dass es ihm auf Art und Um­fang des Scha­dens bzw. der In­stand­set­zung nicht ent­schei­dend an­kommt. Ei­ne un­zu­läs­si­ge Ver­harm­lo­sung wür­de auch nicht be­reits in dem Um­stand lie­gen, wenn der Be­klag­te tat­säch­lich auf Nach­fra­ge zu der Un­fall­ur­sa­che er­klärt hät­te, der Vor­be­sit­zer wä­re ge­gen „ei­nen Be­ton­pol­ler“ ge­fah­ren. Bei der Fahrt ei­nes Fahr­zeugs ge­gen ei­nen Be­ton­pol­ler kön­nen eben­falls schwers­te Schä­den ent­ste­hen, so­dass auch die­se Be­haup­tung – für sich ge­nom­men – kei­ne Ba­ga­tel­li­sie­rung des Un­fall­ge­sche­hens dar­ge­stellt hät­te.

Der Zu­satz „Stoß­stan­ge und Ne­bel­schein­wer­fer“ ver­bun­den mit dem Hin­weis auf den „be­ho­be­nen Front­scha­den“ lässt eben­falls nicht zwei­fels­frei den Schluss auf ei­ne un­zu­läs­si­ge Ba­ga­tel­li­sie­rung zu. Un­strei­tig hat der Be­klag­te im Rah­men der Kauf­ver­trags­ver­hand­lun­gen von dem Front­scha­den be­rich­tet, und der Wort­laut der Kauf­ver­trags­ur­kun­de be­sagt nicht, dass durch den Un­fall nur ver­hält­nis­mä­ßig un­er­heb­li­che An­bau­tei­le wie zum Bei­spiel Ne­bel­schein­wer­fer und Stoß­stan­ge be­schä­digt wur­den. Der Klä­ger hät­te es in der Hand ge­habt, nach den Ein­zel­hei­ten des Front­scha­dens vor Ab­schluss des Kauf­ver­trags zu fra­gen. Al­lein der In­halt der Ver­trags­ur­kun­de recht­fer­tigt nicht das Ver­trau­en des Käu­fers dar­auf, dass es sich hier nur um ei­nen harm­lo­sen Ba­ga­tell­scha­den ge­han­delt hat.

Es dem Klä­ger im Er­geb­nis nicht ge­lun­gen, ein arg­lis­ti­ges Ver­hal­ten des Be­klag­ten dar­zu­le­gen oder nach­zu­wei­sen, so­dass die Vor­aus­set­zun­gen für den gel­tend ge­mach­ten Scha­den­er­satz­an­spruch schon dem Grun­de nach nicht ge­ge­ben sind.

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