Ein Kfz-Händ­ler, der ge­stützt auf sei­ne All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen vom Käu­fer we­gen Nicht­er­fül­lung des Kauf­ver­trags Scha­dens­er­satz in Hö­he von pau­schal 15 % des Kauf­prei­ses ver­langt, muss auch un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­ner se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last nicht sei­ne Kal­ku­la­ti­on of­fen­le­gen, um den Käu­fer den Nach­weis zu er­mög­li­chen, dass ein Scha­den gar nicht ent­stan­den oder we­sent­lich nied­ri­ger als die Pau­scha­le sei.

OLG Naum­burg, Ur­teil vom 19.03.1999 – 6 U 13/98

Sach­ver­halt: Der Be­klag­te be­stell­te über die S-Au­to­mo­bil­ge­sell­schaft mbH (im Fol­gen­den: S-GmbH) am 23.04.1996 bei der Klä­ge­rin ei­nen Lkw zum Preis von 189.900 DM net­to (= 218.385 DM brut­to). Auf dem von dem Be­klag­ten un­ter­zeich­ne­ten Be­stell­for­mu­lar heißt es vor­ge­druckt un­ter an­de­rem: „Un­ter An­er­ken­nung der um­sei­ti­gen Neu­fahr­zeug-Ver­kaufs­be­din­gun­gen be­stellt: …“.

Mit schrift­li­cher „Auf­trags­be­stä­ti­gung“ vom 03.05.1996 nahm die Klä­ge­rin die Be­stel­lung „un­ter Zu­grun­de­le­gung der … bei Be­stel­lung … aus­ge­hän­dig­ten Ver­kaufs­be­din­gun­gen“ an.

Am 09.05.1996 „stor­nier­te“ der Be­klag­te sei­ne Be­stel­lung bei der S-GmbH. Mit Schrei­ben vom 24.06.1996 for­der­te die Klä­ge­rin den Be­klag­ten zur Ab­nah­me des Fahr­zeugs auf. Mit Schrei­ben vom 09.07.1996 setz­te sie ihm hier­für ei­ne Nach­frist von 14 Ta­gen und kün­dig­te an, nach Ab­lauf der Frist die Lie­fe­rung ab­zu­leh­nen und Scha­dens­er­satz in Hö­he von 15 % des Kauf­prei­ses zu for­dern. Mit Schrei­ben vom 28.01.1997 ver­lang­te die Klä­ge­rin schließ­lich un­ter Hin­weis auf Ab­schnitt V Nr. 5 „der ver­ein­bar­ten Be­din­gun­gen“ Scha­dens­er­satz in Hö­he von 32.757,75 DM.

Im vor­lie­gen­den Rechts­streit macht die Klä­ge­rin ei­nen Teil­be­trag von 15.000 DM gel­tend. Das Land­ge­richt hat den Be­klag­ten an­trags­ge­mäß zur Zah­lung die­ses Be­trags ver­ur­teilt. Die Be­ru­fung des Be­klag­ten hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: 1. Grund­la­ge für das Be­geh­ren der Klä­ge­rin ist § 326 I BGB i. V. mit Ab­schnitt V Nr. 5 der „Neu­fahr­zeug-Ver­kaufs­be­din­gun­gen“ der Klä­ge­rin.

a) Die „Neu­fahr­zeug-Ver­kaufs­be­din­gun­gen“ sind wirk­sam ein­be­zo­gen wor­den. In der vom Be­klag­ten un­ter­schrie­be­nen „Be­stel­lung“ heißt es aus­drück­lich: „Un­ter An­er­ken­nung der um­sei­ti­gen Neu­fahr­zeug-Ver­kaufs­be­din­gun­gen be­stellt …“. Dass dem Be­klag­ten Ver­kaufs­be­din­gun­gen aus­ge­hän­digt wor­den sind, ist un­strei­tig. Dann muss er dar­le­gen und be­wei­sen, dass es sich da­bei nicht um die „Neu­fahr­zeug-Ver­kaufs­be­din­gun­gen“, son­dern um an­de­re All­ge­mei­ne Ge­schäfts­be­din­gun­gen ge­han­delt hat. Die ihm an­geb­lich über­ge­be­nen ab­wei­chen­den Ver­kaufs­be­din­gun­gen hat er je­doch nicht vor­ge­legt.

b) Ab­schnitt V Nr. 5 der „Neu­fahr­zeug-Ver­kaufs­be­din­gun­gen“ ist wirk­sam.

(1) Die be­tref­fen­de Klau­sel lau­tet:

„Ver­langt der Ver­käu­fer Scha­dens­er­satz, so be­trägt die­ser 15 % des ver­ein­bar­ten Kauf­prei­ses. Der Scha­den­be­trag ist hö­her oder nied­ri­ger, wenn der Ver­käu­fer ei­nen hö­he­ren oder der Käu­fer ei­nen ge­rin­ge­ren Scha­den nach­weist.“

(2) Be­den­ken ge­gen die Wirk­sam­keit die­ser Klau­sel be­ste­hen nicht. Ins­be­son­de­re ist die Klau­sel nicht ge­mäß § 9 AGBG we­gen Ver­sto­ßes ge­gen § 11 Nr. 5 AGBG, der im kauf­män­ni­schen Ver­kehr ent­spre­chend gilt, un­wirk­sam. Der Nach­weis ei­nes ge­rin­ge­ren Scha­dens wird dem Käu­fer nicht ab­ge­schnit­ten.

Dass die ver­ein­bar­te Pau­scha­le von 15 % den nach dem ge­wöhn­li­chen Lauf der Din­ge zu er­war­ten­den Scha­den oder die ge­wöhn­lich ein­tre­ten­de Wert­min­de­rung über­steigt, be­haup­tet der Be­klag­te nicht. Im Neu­wa­gen­ge­schäft sind 15 % bis­her als un­be­denk­lich an­ge­se­hen wor­den (BGH, Urt. v. 16.06.1982 – VI­II ZR 89/81, NJW 1982, 2316; krit. al­ler­dings Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 6. Aufl., Rn. 511).

Der Be­klag­te be­ruft sich auf ei­ne Ent­schei­dung des OLG Köln, der­zu­fol­ge 15 % beim Ver­kauf von Ge­braucht­wa­gen im „Misch­ge­schäft“ – im Fal­le von Neu­wa­gen­händ­lern, die Ge­braucht­wa­gen in Zah­lung neh­men und wei­ter­ver­kau­fen – über­höht sei­en (OLG Köln, Urt. v. 27.05.1993 – 12 U 141/92, NJW-RR 1993, 1404; zu­stim­mend LG Ham­burg, Urt. v. 26.07.1996 – 313 S 33/96, NJW-RR 1997, 560; Ul­mer/Brand­ner/Hen­sen, AGBG, 8. Aufl., Anh. §§ 9–11 Rn. 436; krit. hin­sicht­lich ei­ner Pau­scha­le von 15 % bei Ge­braucht­wa­gen wohl auch BGH, Urt. v. 29.06.1994 – VI­II ZR 317/93, NJW 1994, 2478, 2479). Im vor­lie­gen­den Fall han­delt es sich je­doch nicht um ein sol­ches Ge­schäft.

Man mag dar­über strei­ten kön­nen, ob ein Fahr­zeug, das ein Jahr lang „auf Hal­de“ stand, noch als „Neu­wa­gen“ an­zu­se­hen ist. Durch die län­ge­re Stand­zeit des ver­kauf­ten Fahr­zeugs al­lein wird der Ver­kauf je­doch nicht zu ei­nem „Ge­braucht­wa­gen­ge­schäft“ im Sin­ne der neue­ren Recht­spre­chung zur Scha­dens­pau­scha­lie­rung.

Die Ar­gu­men­ta­ti­on des OLG Köln lau­tet wie folgt: Ein Ver­trags­händ­ler ei­nes Au­to­mo­bil­her­stel­lers „lebt“ vom Neu­wa­gen­ge­schäft. Ge­braucht­wa­gen nimmt er in Zah­lung, um ein Neu­fahr­zeug ver­kau­fen zu kön­nen. Um die­ses Ziel – den Ver­kauf ei­nes Neu­wa­gens – er­rei­chen zu kön­nen, bie­tet er oft ei­nen über­höh­ten An­kaufs­preis als ver­steck­ten Ra­batt auf den Preis des zu ver­kau­fen­den Neu­wa­gens. Die Ver­äu­ße­rung ei­nes sol­chen Ge­braucht­wa­gens dient dann we­ni­ger der Ge­winn­erzie­lung als der Mei­dung zu ho­her Ver­lus­te.

Im vor­lie­gen­den Fall geht es je­doch nicht um den Ver­kauf ei­nes Fahr­zeugs, das ty­pi­scher­wei­se zu ei­nem zu ho­hen Preis an­ge­kauft und da­her mit ge­rin­gem Ge­winn, oft so­gar mit Ver­lust, wei­ter­ver­kauft wird. Es geht um ein von der Klä­ge­rin pro­du­zier­tes Fahr­zeug, das wie al­le an­de­ren von der Klä­ge­rin pro­du­zier­ten Fahr­zeu­ge ver­äu­ßert wird, um die Pro­duk­ti­ons­kos­ten und den bei der Klä­ge­rin üb­li­chen Ge­winn „ein­zu­spie­len“. Es gel­ten da­her zu­nächst die Grund­sät­ze für den Neu­wa­gen­kauf. Be­son­der­hei­ten des ein­zel­nen Fal­les – hier: die lan­ge Stand­zeit und die an­schei­nend ge­währ­ten Ra­bat­te – kön­nen im We­ge des Nach­wei­ses ei­nes ge­rin­ge­ren Scha­dens gel­tend ge­macht wer­den.

(3) Da­mit ist zu­nächst von ei­nem An­spruch der Klä­ge­rin in Hö­he von 32.757,75 DM aus­zu­ge­hen.

2. Dem Be­klag­ten steht dem­ge­gen­über der Nach­weis of­fen, dass der Klä­ge­rin kein oder nur ein ge­rin­ge­rer Scha­den ent­stan­den ist. Die­sen Nach­weis hat er nicht ge­führt. Schon sein Vor­trag ist un­zu­rei­chend.

a) Der Be­klag­te be­haup­tet, der ver­ein­bar­te Kauf­preis von 189.000 DM net­to ha­be dem Selbst­kos­ten­preis der Klä­ge­rin ent­spro­chen. Die­se Be­haup­tung ist im Grund­satz er­heb­lich. Scha­dens­er­satz we­gen Nicht­er­fül­lung kann ent­we­der in Hö­he der Dif­fe­renz zwi­schen den Selbst­kos­ten und dem Ver­trags­preis oder in Hö­he der Dif­fe­renz zwi­schen dem bei ei­nem De­ckungs­ver­kauf er­ziel­ten nied­ri­ge­ren Ver­kaufs­er­lös und dem Ver­trags­preis ver­langt wer­den (BGH, Urt. v. 22.02.1989 – VI­II ZR 45/88, BGHZ 107, 67, 69).

Der Be­klag­te ist je­doch da­für, dass kein oder nur ein ge­rin­ge­rer Scha­den ent­stan­den ist, be­weis­pflich­tig. Er hat die Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens be­an­tragt. Die­ses Be­weis­mit­tel ist un­ge­eig­net (§ 244 II 2 StPO ana­log). Der Sach­ver­stän­di­ge kann auf der Grund­la­ge der An­ga­ben des Be­klag­ten nicht be­ur­tei­len, ob und in wel­cher Hö­he der Klä­ge­rin ein Scha­den ent­stan­den ist.

b) Ob­wohl der Be­klag­te je­doch aus ei­ge­ner Kennt­nis we­der zu den Selbst­kos­ten der Klä­ge­rin noch zu dem bei ei­nem De­ckungs­ver­kauf er­ziel­ten nied­ri­ge­ren Er­lös vor­tra­gen kann, ist die Klä­ge­rin auch nach den Grund­sät­zen über die se­kun­dä­re Dar­le­gungs­last (zu­letzt BGH, Urt. v. 24.11.1998 – VI ZR 288/97 m. w. Nachw.) nicht ver­pflich­tet, ih­re Kal­ku­la­ti­on of­fen­zu­le­gen.

(1) Nach § 138 II und III ZPO hat sich je­de Par­tei über die vom Geg­ner be­haup­te­ten Tat­sa­chen zu er­klä­ren. Tat­sa­chen, die nicht aus­drück­lich be­strit­ten wer­den, sind als zu­ge­stan­den an­zu­se­hen, so­fern nicht die Ab­sicht, sie be­strei­ten zu wol­len, aus den üb­ri­gen Er­klä­run­gen der Par­tei her­vor­geht. Hier­aus folgt, dass ei­ne Par­tei, soll ihr Vor­trag be­acht­lich sein, auf Be­haup­tun­gen des Pro­zeß­geg­ners un­ter Um­stän­den „sub­stan­zi­iert“ (das heißt mit nä­he­ren po­si­ti­ven An­ga­ben) zu er­wi­dern hat. Ei­ne sol­che Pflicht kann ins­be­son­de­re dann in Be­tracht kom­men, wenn die Par­tei al­le we­sent­li­chen Tat­sa­chen kennt, weil sie sich in ih­rem Wahr­neh­mungs­be­reich ab­ge­spielt ha­ben, und es ihr zu­mut­bar ist, nä­he­re An­ga­ben ma­chen (BGH, Urt. v. 19.12.1953 – II ZR 27/53, BGHZ 12, 49, 50; Urt. v. 01.12.1982 – VI­II ZR 279/81, BGHZ 86, 23, 30; Urt. v. 17.03.1987 – VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 195 m. w. Nachw.). Ei­ne all­ge­mei­ne Auf­klä­rungs­pflicht der nicht dar­le­gungs- und be­weis­pflich­ti­gen Par­tei be­steht je­doch nicht (BGH, Urt. v.  12.11.1991 – KZR 18/90, NJW 1992, 1817, 1819).

(2) Der vor­lie­gen­de Fall ge­hört nicht zu den Fall­grup­pen, in de­nen der BGH bis­her ei­ne se­kun­dä­re Dar­le­gungs­last an­ge­nom­men hat (z. B. Ver­un­treu­ung an­ver­trau­ter Gel­der; wei­te­re Bei­spie­le bei Zöl­ler/Gre­ger, ZPO, 21. Aufl., vor § 284 Rn. 34). Der BGH hat um­ge­kehrt ent­schie­den, dass die Auf­de­ckung von Be­triebs­in­ter­na je­den­falls dann, wenn zwi­schen den Pro­zess­par­tei­en ein Wett­be­werbs­ver­hält­nis be­steht, nicht zu­mut­bar ist (BGH, Urt. v. 12.11.1991 – KZR 18/90, NJW 1992, 1817, 1819), weil da­durch die Er­folgs­aus­sich­ten ei­nes Un­ter­neh­mens im Wett­be­werb nach­hal­tig be­ein­träch­tigt wer­den könn­ten.

Auch der Klä­ge­rin ist ei­ne Of­fen­le­gung ih­rer Kal­ku­la­ti­on nicht zu­mut­bar. Zwi­schen den Par­tei­en be­steht zwar kein Wett­be­werbs­ver­hält­nis. Da­mit wä­re je­doch nicht ge­währ­leis­tet, dass die Kal­ku­la­ti­on nicht in fal­sche Hän­de ge­rät; ei­ne Ver­schwie­gen­heits­pflicht der Pro­zess­par­tei­en be­stün­de näm­lich nicht.

(3) Ei­ne Be­gut­ach­tung in der Form, dass nur der Gut­ach­ter Ein­sicht in die er­for­der­li­chen Un­ter­la­gen der Klä­ge­rin er­hält, ist pro­zes­su­al un­zu­läs­sig. Die­se Vor­ge­hens­wei­se ver­stie­ße ge­gen den Grund­satz recht­li­chen Ge­hörs (Art. 103 I GG), weil der Be­klag­te das Gut­ach­ten nicht sub­stan­zi­iert an­grei­fen könn­te; au­ßer­dem wä­re der Se­nat nicht, wie § 286 ZPO es ver­langt, in der La­ge, das Gut­ach­ten sorg­fäl­tig und kri­tisch zu wür­di­gen.

(4) Ge­gen ei­ne „Aus­kunfts­pflicht“ der Be­klag­ten spricht schließ­lich fol­gen­de wei­te­re Über­le­gung: Die Ver­ein­ba­rung ei­ner Scha­dens­pau­scha­le dient ge­ra­de da­zu, den Nach­weis des tat­säch­lich ent­stan­de­nen Scha­dens zu er­leich­tern. Ei­ne sol­che Ver­ein­ba­rung ist, wie ge­zeigt, zu­läs­sig. Dann wä­re es wi­der­sprüch­lich, über den Um­weg der se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last doch wie­der den Tat­sa­chen­vor­trag zu ver­lan­gen, den die Ver­ein­ba­rung der Pau­scha­le er­set­zen soll.

3. Die Be­haup­tung des Klä­gers, der Mit­ar­bei­ter der S-GmbH M ha­be ihm er­klärt, mit der Stor­nie­rung sei „al­les er­le­digt“, ist aus Rechts­grün­den un­er­heb­lich. Es ist nicht er­sicht­lich, dass M zur Ver­tre­tung der Klä­ge­rin bei Ab­schluss ei­nes Ver­zichts- oder Er­lass- oder sons­ti­gen Ver­tra­ges be­rech­tigt war. …

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