Zur Hem­mung der Ver­jäh­rung auf­grund Ver­hin­de­rung an der Rechts­ver­fol­gung durch „hö­he­re Ge­walt“ ge­mäß § 203 II BGB.

BGH, Ur­teil vom 07.05.1997 – VI­II ZR 253/96

Die­se Ent­schei­dung ist zum „al­ten“ Schuld­recht und vor In­kraft­tre­ten der ZPO-Re­form 2002 er­gan­gen. Sie kann nicht oh­ne Wei­te­res auf das seit dem 01.01.2002 gel­ten­de Recht über­tra­gen wer­den (so ist z. B. an die Stel­le der Wan­de­lung der Rück­tritt vom Kauf­ver­trag ge­tre­ten). Die ge­nann­ten Vor­schrif­ten exis­tie­ren heu­te mög­li­cher­wei­se nicht mehr oder ha­ben ei­nen an­de­ren In­halt.

Sach­ver­halt: Der Klä­ger ver­langt die Rück­gän­gig­ma­chung ei­nes Kfz-Kauf­ver­trags.

Er schloss am 04./05.11.1993 mit der be­klag­ten Kfz-Händ­le­rin ei­nen Kauf­ver­trag über ei­nen ge­brauch­ten Nis­san Sun­ny Coupé zum Preis von 14.300 DM, und zwar un­ter In­zah­lung­ga­be ei­nes Alt­fahr­zeugs (Wert: 3.000 DM). Nach dem vor­ge­druck­ten Be­stell­for­mu­lar wur­de das Fahr­zeug „mit Ge­braucht­wa­gen-Ga­ran­tie durch Re­pa­ra­tur­kos­ten­ver­si­che­rung ge­mäß den bei­ge­füg­ten Ga­ran­tie­be­din­gun­gen“ und „im Üb­ri­gen … un­ter Aus­schluss je­der Ge­währ­leis­tung ver­kauft“. Der Pkw, den die Be­klag­te ih­rer­seits von dem Vor­be­sit­zer M ge­kauft hat­te, wur­de dem Klä­ger am 04.11.1993 über­ge­ben und von ihm be­zahlt.

Auf­grund ei­nes we­gen Dieb­stahls­ver­dachts er­las­se­nen Be­schlus­ses des AG Chem­nitz be­schlag­nahm­te die Kri­mi­nal­po­li­zei das Fahr­zeug am 03.02.1994. Auf Ver­an­las­sung der Staats­an­walt­schaft er­stat­te­te die DE­KRA AG un­ter dem 07.04.1994 ein Gut­ach­ten. Da­nach sind an dem Wa­gen das Pro­duk­ti­ons­schild me­cha­nisch be­ar­bei­tet und des­sen Farb­num­mer ent­fernt so­wie die Fahr­zeug-Iden­ti­fi­zie­rungs­num­mer durch ei­ne von ei­nem Fremd­fahr­zeug stam­men­de Num­mer er­setzt wor­den. Am 21.04.1994 gab die Kri­mi­nal­po­li­zei den Wa­gen nach Frei­ga­be durch die Staats­an­walt­schaft dem Klä­ger zu­rück. Nach dem Über­ga­be­pro­to­koll von die­sem Ta­ge konn­ten die Iden­ti­tät des Pkw und der vor­he­ri­ge Ei­gen­tü­mer nicht er­mit­telt wer­den; der Klä­ger wur­de dar­auf hin­ge­wie­sen, daß ei­ne Zu­las­sung zum Stra­ßen­ver­kehr nur mit den durch die Kri­mi­nal­po­li­zei über­ge­be­nen Un­ter­la­gen und nach Rück­spra­che mit der zu­stän­di­gen Zu­las­sungs­stel­le er­fol­gen kön­ne.

Be­reits mit An­walts­schrei­ben vom 11.03.1994 ließ der Klä­ger die Be­klag­te un­ter Hin­weis auf die Be­schlag­nah­me we­gen Dieb­stahls des Fahr­zeugs zur Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses auf­for­dern. Die Be­klag­te lehn­te dies ab. Auch das nach Frei­ga­be des Fahr­zeugs am 21.04. und 26.04.1994 – zu­letzt un­ter Frist­set­zung – wie­der­hol­te Ver­lan­gen des Klä­gers, ver­bun­den mit der Auf­for­de­rung nach Rück­nah­me des von ihm zwi­schen­zeit­lich auf frem­dem Ge­län­de ab­ge­stell­ten Wa­gens, blieb er­folg­los.

Mit der am 19.05.1994 bei Ge­richt ein­ge­gan­ge­nen und am 04.07.1994 zu­ge­stell­ten Kla­ge hat der Klä­ger zu­letzt die Zah­lung von 13.886 DM (14.300 DM Kauf­preis ab­züg­lich 414 DM Nut­zungs­ent­schä­di­gung) und von 3.987,63 DM Stand­kos­ten, Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Wa­gens, so­wie die Fest­stel­lung ver­langt, dass die Be­klag­te mit der Fahr­zeug­rück­nah­me seit dem 11.03.1994 in Ver­zug sei. Er hat in ers­ter Li­nie ei­nen „Rechts­man­gel“ des nach sei­ner Be­haup­tung ge­stoh­le­nen Pkw, hilfs­wei­se ei­nen Sach­man­gel gel­tend ge­macht. Die Be­klag­te hat ei­nen Dieb­stahl be­strit­ten, sich auf den ver­ein­bar­ten Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss be­ru­fen und die Ein­re­de der Ver­jäh­rung er­ho­ben.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen; das Ober­lan­des­ge­richt hat ihr im we­sent­li­chen statt­ge­ge­ben. Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten, die die Wie­der­her­stel­lung des land­ge­richt­li­chen Ur­teils be­gehr­te, wur­de das Ur­teil des Ober­lan­des­ge­richts auf­ge­ho­ben und die Sa­che an die­ses Ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.

Aus den Grün­den: I. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat aus­ge­führt:

Der Rück­zah­lungs­an­spruch sei auf­grund Wan­de­lung des Kauf­ver­trags we­gen ei­nes Sach­man­gels des Fahr­zeugs be­grün­det . Denn die Ma­ni­pu­la­tio­nen an den Iden­ti­täts­nach­wei­sen des Pkw, von de­ren Ori­gi­nal­zu­stand die Par­tei­en bei Ver­trags­schluss aus­ge­gan­gen sei­en, hät­ten Ein­fluss auf den Wert des Wa­gens, weil bei ei­nem Wei­ter­ver­kauf die ge­bo­te­ne Auf­klä­rung durch den Klä­ger ei­nen Min­der­preis zur Fol­ge ha­ben kön­ne und auch oh­ne Wei­ter­ver­kauf die kri­mi­nel­le Her­kunft des Fahr­zeugs für den Klä­ger, der sich sei­nes Ei­gen­tums und Be­sit­zes nicht völ­lig si­cher sein kön­ne, ei­nen Man­gel dar­stel­le. Der Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss ste­he der Kla­ge nicht ent­ge­gen; er be­tref­fe, wie der Be­zug zur Ge­braucht­wa­gen­ga­ran­tie durch Re­pa­ra­tur­kos­ten­ver­si­che­rung zei­ge, nur Sach­sub­stanz­män­gel und nicht un­kör­per­li­che Ei­gen­schaf­ten der ver­kauf­ten Sa­che. Ob auch ein „Rechts­man­gel“ we­gen man­geln­den Ei­gen­tums­er­werbs durch den Klä­ger vor­lie­ge, kön­ne of­fen­blei­ben.

Die sechs­mo­na­ti­ge Ver­jäh­rungs­frist (§ 477 BGB) sei wäh­rend der Dau­er der Be­schlag­nah­me ge­mäß § 203 II BGB ge­hemmt ge­we­sen, weil der Klä­ger da­durch wie durch hö­he­re Ge­walt an der er­folg­rei­chen Durch­set­zung sei­nes An­spruchs auf Wan­de­lung ge­hin­dert ge­we­sen sei. Ei­ne Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses hät­te die Be­klag­te bis zur Rück­über­eig­nung des Fahr­zeugs ver­wei­gern kön­nen. Wäh­rend der Be­schlag­nah­me aber hät­te der Klä­ger durch Über­ga­be des Wa­gens die­sen nicht zu­rück­über­eig­nen kön­nen; auf ei­ne Rück­über­eig­nung durch Ab­tre­tung des Her­aus­ga­be­an­spruchs hät­te sich die Be­klag­te nicht ein­las­sen müs­sen, weil der Wan­de­lungs­be­rech­tig­te die Rück­ga­be in der Form, wie er die Sa­che er­hal­ten ha­be, hier al­so durch Ver­schaf­fung des un­mit­tel­ba­ren Be­sit­zes schul­de. Im Üb­ri­gen ha­be für den Klä­ger auf­grund des Be­schlag­nah­me­be­schlus­ses nicht fest­ge­stan­den, ob es sich über­haupt um ein ge­stoh­le­nes Fahr­zeug ge­han­delt ha­be und was tat­säch­lich ge­sche­hen sei; vor Frei­ga­be des Wa­gens am 21.04.1994 ha­be er kei­ne Ge­le­gen­heit ge­habt, die Fra­ge mög­li­cher Wan­de­lungs­an­sprü­che über­prü­fen zu las­sen, ein „Pro­zes­sie­ren ins Blaue hin­ein“ kön­ne ihm nicht ab­ver­langt wer­den.

Von dem Rück­zah­lungs­an­spruch brau­che sich der Klä­ger nur die von ihm selbst zu­ge­stan­de­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung ab­zie­hen zu las­sen, weil die Be­klag­te ei­ne wei­ter­ge­hen­de Nut­zung nicht un­ter Be­weis ge­stellt ha­be.

Mit der Rück­nah­me des Wa­gens sei die Be­klag­te – erst – seit dem 22.12.1995 in An­nah­me­Ver­zug, weil der Klä­ger durch Schrift­satz sei­nes Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten von die­sem Ta­ge ein neu­es An­ge­bot un­ter­brei­tet ha­be.

Die Stand­kos­ten ha­be die Be­klag­te als not­wen­di­ge Ver­wen­dun­gen nach den §§ 467, 347, 994 II BGB zu tra­gen.

II. Mit der ge­ge­be­nen Be­grün­dung kann das an­ge­foch­te­ne Ur­teil kei­nen Be­stand ha­ben. Dem Klä­ger ste­hen aus dem Ge­sichts­punkt der Sach­män­gel­haf­tung der Be­klag­ten (§ 459 I 1, §§ 462, 465, 467 Satz 1 Halb­satz 1, § 346 Satz 1 BGB) die gel­tend ge­mach­ten An­sprü­che auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses, Er­stat­tung der Stand­kos­ten und Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs der Be­klag­te mit der Rück­nah­me des Wa­gens nicht zu.

1. Da­bei kann da­hin­ste­hen, ob das Be­ru­fungs­ge­richt zu Recht – was von der Re­vi­si­on aber in Zwei­fel ge­zo­gen wird – ei­nen wert­min­dern­den Sach­man­gel des Fahr­zeugs dar­in ge­se­hen hat, dass Ma­ni­pu­la­tio­nen an den Iden­ti­täts­nach­wei­sen des Wa­gens vor­ge­nom­men wor­den sind und dar­aus fol­gend der nicht aus­ge­räum­te Ver­dacht ei­nes Dieb­stahls oder ei­ner an­der­wei­ti­gen kri­mi­nel­len Her­kunft des Pkw be­steht. Eben­so we­nig be­darf ei­ner ab­schlie­ßen­den Ent­schei­dung, ob der for­mu­lar­mä­ßi­ge Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss, wie das Be­ru­fungs­ge­richt an­ge­nom­men hat, so aus­ge­legt wer­den muss oder kann (§ 5 AGBG), dass er ei­ne der­ar­ti­ge un­kör­per­li­che Ei­gen­schaft nicht ein­be­zieht.

2. Denn ein Wan­de­lungs­an­spruch des Klä­gers ist je­den­falls nach § 477 I 1 BGB ver­jährt, weil die Kla­ge erst spä­ter als sechs Mo­na­te seit Ab­lie­fe­rung des Fahr­zeugs an den Klä­ger er­ho­ben wor­den ist. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts war der Klä­ger wäh­rend der Be­schlag­nah­me des Wa­gens nicht ge­mäß § 203 II i. V. mit I BGB durch „hö­he­re Ge­walt“ an der Rechts­ver­fol­gung ge­hin­dert. Des­halb war der Lauf der Ver­jäh­rungs­frist wäh­rend des ge­nann­ten Zeit­raums nicht mit der Fol­ge ge­hemmt, dass sich die Frist nach Weg­fall des Hin­de­rungs­grun­des um die be­tref­fen­de Zeit­span­ne ver­län­ger­te (BGH, Urt. v. 06.07.1994 – XII ZR 136/93, NJW 1994, 2752 un­ter 1 a).

a) An die An­nah­me hö­he­rer Ge­walt sind stren­ge An­for­de­run­gen zu stel­len (vgl. z. B. Stau­din­ger/Pe­ters, BGB, 13. Be­arb., § 203 Rn. 1), der Be­griff ent­spricht im We­sent­li­chen dem un­ab­wend­ba­ren Zu­fall i. S. des § 233 I ZPO a.F. (z. B. Stau­din­ger/Pe­ters, a. a. O., § 203 Rn. 11; MünchKomm-BGB/v. Feld­mann, 3. Aufl., § 203 Rn. 3). Das Hin­der­nis muss auf Er­eig­nis­sen be­ru­hen, die auch durch die äu­ßers­te, bil­li­ger­wei­se zu er­war­ten­de Sorg­falt nicht ver­hü­tet wer­den konn­ten, schon das ge­rings­te Ver­schul­den schließt hö­he­re Ge­walt aus (BGH, Urt. v. 24.09.1981 – IX ZR 93/80, BGHZ 81, 353, 355; Urt. v. 06.07.1994 – XII ZR 136/93, NJW 1994, 2752 un­ter 1 a). Da­bei stel­len Rechtsun­kennt­nis oder Rechts­irr­tum des Gläu­bi­gers in al­ler Re­gel noch kei­ne hö­he­re Ge­walt dar (BGH, Urt. v. 17.04.1957 – IV ZR 311/56, BGHZ 24, 134, 135 f.; Urt. v. 16.06.1982 – IVb ZR 720/80, Fam­RZ 1982, 917 un­ter B II 3), es sei denn, sie sind – wo­für kein An­halt be­steht – durch ein Fehl­ver­hal­ten von Be­hör­den oder Ge­rich­ten her­vor­ge­ru­fen oder ver­stärkt wor­den oder selbst bei al­ler ver­nünf­ti­ger­wei­se zu­mut­ba­ren Sorg­falt nicht zu ver­mei­den ge­we­sen (BGH, Urt. v. 28.04.1995 – LwZR 9/94, BGHZ 129, 282, 289 m. w. Nachw.). Der spä­tes­tens seit dem 11.03.1994 an­walt­lich ver­tre­te­ne Klä­ger muss sich ein et­wai­ges Ver­schul­den sei­nes Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten zu­rech­nen las­sen (BGH, Urt. v. 04.05.1955 – VI ZR 37/54, BGHZ 17, 199, 203; Urt. v. 16.12.1959 – IV ZR 103/59, BGHZ 31, 342, 347; Urt. v. 24.09.1981 – IX ZR 93/80, BGHZ 81, 353, 355). Er hät­te sich not­falls auch schon vor dem 11.03.1994 an­walt­li­cher Hil­fe ver­si­chern müs­sen.

b) Bei An­wen­dung die­ser Grund­sät­ze war der Klä­ger nicht durch hö­he­re Ge­walt an der ge­richt­li­chen Ver­fol­gung sei­nes Rück­zah­lungs­an­spruchs ver­hin­dert. Die vom Be­ru­fungs­ge­richt für sei­ne ge­gen­tei­li­ge Auf­fas­sung ge­ge­be­nen Be­grün­dun­gen hal­ten der recht­li­chen Nach­prü­fung nicht stand. Auch wäh­rend der Dau­er der Be­schlag­nah­me hät­te der Klä­ger mit Aus­sicht auf Er­folg Wan­de­lungs­kla­ge er­he­ben kön­nen, oh­ne Zug um Zug die Rück­ga­be des Pkw an­zu­bie­ten, und hier­zu wä­re er ent­ge­gen der An­sicht des Be­ru­fungs­ge­richts auch ge­hal­ten ge­we­sen.

aa) So war es ihm un­be­nom­men, al­lein auf Zu­stim­mung der Be­klag­ten zur Wan­de­lung zu kla­gen (§§ 462, 465 BGB), oh­ne da­mit zu­gleich ei­nen An­trag auf Rück­zah­lung des ge­leis­te­ten Kauf­prei­ses zu ver­bin­den. In die­sem Fall wä­re es noch nicht um die Durch­füh­rung der Wan­de­lung (§ 467 BGB) ge­gan­gen und die Vor­schrift des § 348 BGB schon des­halb nicht an­wend­bar ge­we­sen. Der Klä­ger hät­te zwar un­ter Um­stän­den nach er­folg­rei­chem ers­ten Rechts­streit die Be­klag­te zu­sätz­lich auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses in An­spruch neh­men müs­sen. Die da­mit ver­bun­de­nen Un­be­quem­lich­kei­ten und Zeit­ver­lus­te recht­fer­ti­gen aber nicht die An­nah­me, dass er durch hö­he­re Ge­walt an ei­ner ver­jäh­rungs­un­ter­bre­chen­den Rechts­ver­fol­gung ver­hin­dert ge­we­sen sei.

bb) Dar­über hin­aus hät­te der Klä­ger aber auch wäh­rend der Dau­er der Be­schlag­nah­me kla­ge­wei­se schon Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses – nach sei­ner Wahl auch hilfs­wei­se und eben­falls ver­jäh­rungs­un­ter­bre­chend (z. B. Se­nat, Urt. v. 10.10.1977 – VI­II ZR 110/76, NJW 1978, 261 un­ter II 2; Stau­din­ger/Pe­ters, a. a. O., § 209 Rn. 15) Zu­stim­mung zur Wan­de­lung – ver­lan­gen kön­nen, oh­ne zu­gleich Zug um Zug Rück­ga­be des Fahr­zeugs an­bie­ten zu müs­sen. Zu­tref­fend weist das Be­ru­fungs­ge­richt zwar dar­auf hin, dass auf das durch die Voll­zie­hung der Wan­de­lung be­grün­de­te Rück­ab­wick­lungs­schuld­ver­hält­nis ge­mäß § 467 Satz 1 Halb­satz 1 BGB die §§ 348, 320 BGB An­wen­dung fin­den, wo­nach die bei­der­sei­ti­gen Rück­ge­währ­ver­pflich­tun­gen (§ 346 Satz 1 BGB) Zug um Zug zu er­fül­len sind und der Ver­käu­fer da­her bis zum Rück­erhalt der von ihm er­brach­ten Leis­tung die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ver­wei­gern kann. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat aber über­se­hen, dass über § 467 Satz 1 Halb­satz 1 BGB auch die §§ 350, 351 BGB an­wend­bar sind. Aus letz­te­ren Vor­schrif­ten folgt, dass die Durch­füh­rung der Wan­de­lung für den Käu­fer dann nicht aus­ge­schlos­sen ist, wenn ihm die Her­aus­ga­be des emp­fan­ge­nen Ge­gen­stands oh­ne sein Ver­schul­den un­mög­lich ist; ob dies aus ei­nem Um­kehr­schluss aus § 351 Satz 1 BGB oder aus ei­ner An­wen­dung des § 350 BGB über sei­nen Wort­laut hin­aus (so z. B. Stau­din­ger/Kai­ser, BGB, 13. Be­arb., § 350 Rn. 2; MünchKomm-BGB/Jan­ßen, 3. Aufl., § 350 Rn. 3) zu ent­neh­men ist, be­darf kei­ner Ver­tie­fung. In ei­nem sol­chen Fall er­hält der Wan­de­lungs­be­rech­tig­te das Ge­leis­te­te zu­rück, ist selbst aber nicht zur Rück­ge­währ des Emp­fan­ge­nen ver­pflich­tet (z. B. Stau­din­ger/Kai­ser, a. a. O., § 350 Rn. 2), so­dass für ei­ne An­wen­dung des § 348 BGB kein Raum ist. Die­ser Fall ist hier ge­ge­ben: Zur Un­mög­lich­keit der Her­aus­ga­be zählt nach all­ge­mei­ner Mei­nung auch das Un­ver­mö­gen des Rück­tritts- bzw. Wan­de­lungs­be­rech­tig­ten (z. B. Stau­din­ger/Kai­ser, a. a. O., § 351 Rn. 11). Wäh­rend der Zeit der Be­schlag­nah­me war der Klä­ger au­ßer­stan­de, der Be­klag­ten je­den­falls den un­mit­tel­ba­ren Be­sitz am Fahr­zeug zu­rück­zu­ge­wäh­ren (vgl. auch Glaß, Ge­fahr­tra­gung und Haf­tung beim ge­setz­li­chen Rück­tritt, 1959, S. 58 f.).

Maß­geb­li­cher Zeit­punkt für die Be­ur­tei­lung der Fra­ge, ob dem Wan­de­lungs­be­rech­tig­ten die Her­aus­ga­be un­mög­lich ist, ist al­ler­dings die Voll­zie­hung der Wan­de­lung (z. B. Stau­din­ger/Ka­duk, BGB, 12. Aufl., § 351 Rn. 6; Jau­er­nig/Voll­kom­mer, BGB, 7. Aufl., § 351 Anm. 2 b), die hier man­gels Zu­stim­mung der Be­klag­ten nur durch Ur­teil er­fol­gen konn­te.

Der Klä­ger aber konn­te wäh­rend der Dau­er der Be­schlag­nah­me nicht wis­sen, ob im ent­schei­den­den Zeit­punkt der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung die Be­schlag­nah­me noch Be­stand ha­ben wür­de oder ob und wem – ihm selbst oder et­wa dem wah­ren Ei­gen­tü­mer – das Fahr­zeug zu­rück­ge­ge­ben wor­den sein könn­te. Auch die­ser Um­stand führt in­des­sen nicht zur Hem­mung der Ver­jäh­rung. Denn ihm konn­te der Klä­ger bei An­wen­dung der ge­bo­te­nen pro­zes­sua­len Sorg­falt da­durch Rech­nung tra­gen, dass er ent­we­der zu­nächst oh­ne Ein­schrän­kung Kla­ge auf Rück­zah­lung er­hob und bei ei­ner bis zur letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung er­fol­gen­den Frei­ga­be des Wa­gens an ihn sei­nen An­trag auf ei­ne Zug-um-Zug-Ver­ur­tei­lung be­schränk­te oder aber von vorn­her­ein ei­nen un­ein­ge­schränk­ten Leis­tungs­an­trag hilfs­wei­se mit ei­nem Zug-um-Zug-An­trag ver­band.

cc) Dem Be­ru­fungs­ge­richt ist wei­ter auch nicht in sei­ner An­sicht zu­zu­stim­men, ei­ner Ver­hin­de­rung durch hö­he­re Ge­walt ste­he hier der Um­stand gleich, dass dem Klä­ger we­gen sei­ner Un­kennt­nis über das frü­he­re Schick­sal des Wa­gens wäh­rend der Dau­er der Be­schlag­nah­me ein Pro­zes­sie­ren „ins Blaue hin­ein“ nicht zu­mut­bar ge­we­sen sei. Un­kennt­nis des Gläu­bi­gers von sei­nem An­spruch oder ein Irr­tum über des­sen Be­ste­hen sind schon all­ge­mein noch kei­ne hö­he­re Ge­walt i. S. des § 203 II BGB (z. B. BGH, Urt. v. 10.04.1968 – V ZR 13/65, NJW 1968, 1381 un­ter II 2; Stau­din­ger/Pe­ters, a. a. O., § 203 Rn. 28; MünchKomm-BGB/v. Feld­mann, a. a. O., § 203 Rn. 8; vgl. be­reits Mo­ti­ve zu dem Ent­wurf ei­nes Bür­ger­li­chen Ge­setz­bu­ches für das Deut­sche Reich, Band I, 1888, S. 316 f.). Das folgt be­reits dar­aus, dass der Ge­setz­ge­ber ei­ner der­ar­ti­gen Kennt­nis des An­spruchs­be­rech­tig­ten teil­wei­se Ein­fluss auf den Ver­jäh­rungs­be­ginn ein­räumt (z. B. § 852 I BGB), teil­wei­se aber auch – und so hier (§ 477 I 1 BGB) – den Lauf der Ver­jäh­rungs­frist oh­ne Rück­sicht auf ei­ne sol­che Kennt­nis be­gin­nen lässt. Kommt so­mit der Un­kennt­nis des Käu­fers von sei­nem Wan­de­lungs­recht nicht die Be­deu­tung hö­he­rer Ge­walt zu, so kön­nen erst recht nicht Zwei­fel über das Be­ste­hen des An­spruchs ei­ne Ver­jäh­rungs­hem­mung be­grün­den.

Im Üb­ri­gen trifft es hier auch nicht zu, dass dem Klä­ger we­gen der für ihn zum Zeit­punkt der Be­schlag­nah­me be­ste­hen­den Un­ge­wiss­heit dar­über, ob die wei­te­ren kri­mi­nal­po­li­zei­li­chen Er­mitt­lun­gen den Dieb­stahls­ver­dacht be­stä­ti­gen, ihn aus­räu­men oder fort­be­ste­hen las­sen wür­den, die Er­he­bung ei­ner Rück­zah­lungs­kla­ge nicht zu­zu­mu­ten war. Der Mög­lich­keit, dass der Dieb­stahls­ver­dacht – we­der er­här­tet noch wi­der­legt – zur Zeit der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung un­ver­än­dert wei­ter­be­ste­hen könn­te, konn­te der Klä­ger vom Stand­punkt des Be­ru­fungs­ge­richts (oben II 1) da­durch Rech­nung tra­gen, dass er sei­nen Rück­zah­lungs­an­spruch mit ei­ner Sach­män­gel­haf­tung der Be­klag­ten be­grün­de­te (da­zu oben II 2 b). Den Um­stand, dass im Lau­fe des Rechts­streits ein Dieb­stahl des Fahr­zeugs po­si­tiv fest­ge­stellt wür­de, konn­te der Klä­ger in der Form be­rück­sich­ti­gen, dass er die Kla­ge al­ter­na­tiv auf ein Un­ver­mö­gen der Be­klag­ten stütz­te, ihm Ei­gen­tum am Pkw zu ver­schaf­fen (§ 935 BGB). Schei­tert der Ver­käu­fer bei dem Ver­such der Er­fül­lung sei­ner Leis­tungs­ver­pflich­tung zur Ei­gen­tums­ver­schaf­fung (§ 433 I 1 BGB), so hat er da­für nach über­wie­gen­der und auch von der ge­fes­tig­ten höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung ver­tre­te­ner Mei­nung we­gen dau­ern­den an­fäng­li­chen Un­ver­mö­gens ge­mäß §§ 440 I, 325 I BGB ein­zu­ste­hen (z. B. BGH, Urt. v. 08.02.1974 – V ZR 21/72, BGHZ 62, 119, 120; Urt. v. 10.03.1995 – V ZR 7/94, BGHZ 129, 103, 105; Urt. v. 05.01.1960 – VI­II ZR 1/59, NJW 1960, 720 un­ter III 1; Urt. v. 10.03.1972 – V ZR 87/70, WM 1972, 656 un­ter 1; Stau­din­ger/Köh­ler, BGB, 13. Be­arb., § 440 Rn. 21 ff., 26; Er­man/B. Gru­ne­wald, BGB, 9. Aufl., § 440 Rn. 5). Wäh­rend ein An­spruch des Käu­fers auf Scha­dens­er­satz die Er­fül­lung der Vor­ga­ben des § 440 II BGB vor­aus­setzt, kann der Käu­fer un­ab­hän­gig da­von ge­mäß § 325 I 1 BGB von dem Ver­trag zu­rück­tre­ten (st. Rspr. seit BGH, Urt. v. 28.03.1952 – I ZR 111/51, BGHZ 5, 337, 341) und die von ihm be­reits er­brach­te Leis­tung nach § 327 Satz 1, § 346 Satz 1 BGB zu­rück­for­dern. We­gen der so­dann eben­falls – wie bei der Wan­de­lung (oben II 2 b) – an­wend­ba­ren Vor­schrif­ten der §§ 350, 351 BGB brauch­te der Klä­ger sei­nen Rück­zah­lungs­an­trag nicht, je­den­falls nicht von vorn­her­ein, mit dem An­ge­bot, Zug um Zug den Pkw zu­rück­zu­ge­ben, zu ver­bin­den.

Es ver­blieb dem Klä­ger in der Tat das mit der Kos­ten­tra­gungs­pflicht ver­bun­de­ne Ri­si­ko ei­nes Pro­zess­ver­lusts, wenn sich im Lau­fe des Rechts­streits her­aus­stell­te, dass das Fahr­zeug nicht ge­stoh­len war und die Be­klag­te dem Klä­ger „un­be­makel­tes“ Ei­gen­tum ver­schafft hat­te. Die­ses Ri­si­ko aber kann ei­nem Gläu­bi­ger, der über das Be­ste­hen ei­nes An­spruchs, des­sen Ver­jäh­rung droht, im Un­ge­wis­sen ist, in kei­nem Fall ab­ge­nom­men wer­den, oh­ne dass es ge­recht­fer­tigt wä­re, von ei­nem un­zu­mut­ba­ren „Pro­zes­sie­ren ins Blaue hin­ein“ zu spre­chen und dar­aus ei­ne Hem­mung der Ver­jäh­rungs­frist ab­zu­lei­ten.

3. Nach al­lem kommt ei­ne An­wen­dung des § 203 II BGB auf den – un­ter­stell­ten – Wan­de­lungs­an­spruch des Klä­gers nicht in Be­tracht, weil es ihm auch wäh­rend der Dau­er der Be­schlag­nah­me mög­lich war, Kla­ge auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses – ge­ge­be­nen­falls Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Fahr­zeugs – und hilfs­wei­se auf Zu­stim­mung zur Wan­de­lung zu er­he­ben.

III. Ei­ne ab­schlie­ßen­de Ent­schei­dung der Sa­che (§ 565 III Nr. 1 ZPO) ist dem Se­nat nicht mög­lich.

1. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat, von sei­nem Stand­punkt aus fol­ge­rich­tig, of­fen­ge­las­sen, ob die Be­klag­te dem Klä­ger kein Ei­gen­tum am Fahr­zeug ver­schaf­fen konn­te, weil es dem wah­ren Ei­gen­tü­mer ge­stoh­len wor­den war. Das Ge­gen­teil ist da­her zu­guns­ten der Be­klag­ten für die Re­vi­si­ons­in­stanz zu un­ter­stel­len. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat an­de­rer­seits selbst er­wo­gen, ob zu­guns­ten des – be­weis­pflich­ti­gen (z. B. So­er­gel/Hu­ber, BGB, 13. Be­arb., § 442 Rn. 1; MünchKomm-BGB/H. P. Wes­ter­mann, 3. Aufl., § 442 Rn. 1; Stau­din­ger/Köh­ler, a. a. O., § 442 Rn. 2) – Klä­gers we­gen der er­wie­se­nen Ma­ni­pu­la­tio­nen an den Iden­ti­täts­nach­wei­sen des Fahr­zeugs ein An­scheins­be­weis für ei­nen Dieb­stahl des Pkw spricht. Ein Er­fah­rungs­satz, dass Fahr­zeu­ge, die oh­ne vor­he­ri­gen Un­fall „um­ge­num­mert“ wer­den, in der Re­gel ge­stoh­len wor­den sind (vgl. da­zu auch Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 6. Aufl., Rn. 1623), lä­ge mög­li­cher­wei­se be­son­ders na­he, wenn sich die vom Klä­ger un­ter Be­weis ge­stell­ten Tat­sa­chen fest­stel­len lie­ßen, dass an dem ihm ver­kauf­ten Pkw auch die Zünd- und Tür­schlös­ser aus­ge­tauscht wor­den sind und der Wa­gen von der Fir­ma P stammt, die in ei­ner Viel­zahl von Fäl­len ge­stoh­le­ne Fahr­zeu­ge auf­ge­kauft und an ih­nen die Fahr­zeug-Iden­ti­fi­zie­rungs­num­mern aus­ge­wech­selt ha­ben soll.

Kann ein Dieb­stahl des Wa­gens als er­wie­sen an­ge­se­hen wer­den, so wä­re ein dar­aus fol­gen­der Kauf­preis­rück­zah­lungs an­spruch des Klä­gers (da­zu oben II 2 b cc) nicht von dem ver­ein­bar­ten Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss be­trof­fen, weil die­ser sich nach Wort­laut und Sinn nur auf Sach­män­gel und nicht auf die Haf­tung des Ver­käu­fers nach den §§ 440 I323 ff. BGB be­zieht. Ein der­ar­ti­ger An­spruch wä­re auch nicht nach § 477 I BGB ver­jährt, auf ihn fin­det viel­mehr die 30-jäh­ri­ge Ver­jäh­rungs­frist des § 195 BGB An­wen­dung (z. B. Stau­din­ger/Hon­sell, BGB, 13. Be­arb., § 477 Rn. 10; MünchKomm-BGB/H. P. Wes­ter­mann, a. a. O., § 477 Rn. 4).

2. Ge­langt das Be­ru­fungs­ge­richt wie­der­um zu ei­nem Rück­zah­lungs­an­spruch dem Grun­de nach, so wird es zu be­ach­ten ha­ben, dass der Klä­ger den nach dem Kauf­ver­trag auf sei­nen Alt­wa­gen an­ge­rech­ne­ten Kauf­preis­teil nur ver­lan­gen kann, wenn der Be­klag­ten die Rück­ga­be des in Zah­lung ge­ge­be­nen Alt­wa­gens selbst nicht mehr mög­lich ist (Se­nat, Urt. v. 30.11.1983 – VI­II ZR 190/82, BGHZ 89, 126, 135 f).

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