Zur Hemmung der Verjährung aufgrund Verhinderung an der Rechtsverfolgung durch „höhere Gewalt“ gemäß § 203 II BGB.
BGH, Urteil vom 07.05.1997 – VIII ZR 253/96
Diese Entscheidung ist zum „alten“ Schuldrecht und vor Inkrafttreten der ZPO-Reform 2002 ergangen. Sie kann nicht ohne Weiteres auf das seit dem 01.01.2002 geltende Recht übertragen werden (so ist z. B. an die Stelle der Wandelung der Rücktritt vom Kaufvertrag getreten). Die genannten Vorschriften existieren heute möglicherweise nicht mehr oder haben einen anderen Inhalt.
Sachverhalt: Der Kläger verlangt die Rückgängigmachung eines Kfz-Kaufvertrags.
Er schloss am 04./05.11.1993 mit der beklagten Kfz-Händlerin einen Kaufvertrag über einen gebrauchten Nissan Sunny Coupé zum Preis von 14.300 DM, und zwar unter Inzahlunggabe eines Altfahrzeugs (Wert: 3.000 DM). Nach dem vorgedruckten Bestellformular wurde das Fahrzeug „mit Gebrauchtwagen-Garantie durch Reparaturkostenversicherung gemäß den beigefügten Garantiebedingungen“ und „im Übrigen … unter Ausschluss jeder Gewährleistung verkauft“. Der Pkw, den die Beklagte ihrerseits von dem Vorbesitzer M gekauft hatte, wurde dem Kläger am 04.11.1993 übergeben und von ihm bezahlt.
Aufgrund eines wegen Diebstahlsverdachts erlassenen Beschlusses des AG Chemnitz beschlagnahmte die Kriminalpolizei das Fahrzeug am 03.02.1994. Auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft erstattete die DEKRA AG unter dem 07.04.1994 ein Gutachten. Danach sind an dem Wagen das Produktionsschild mechanisch bearbeitet und dessen Farbnummer entfernt sowie die Fahrzeug-Identifizierungsnummer durch eine von einem Fremdfahrzeug stammende Nummer ersetzt worden. Am 21.04.1994 gab die Kriminalpolizei den Wagen nach Freigabe durch die Staatsanwaltschaft dem Kläger zurück. Nach dem Übergabeprotokoll von diesem Tage konnten die Identität des Pkw und der vorherige Eigentümer nicht ermittelt werden; der Kläger wurde darauf hingewiesen, daß eine Zulassung zum Straßenverkehr nur mit den durch die Kriminalpolizei übergebenen Unterlagen und nach Rücksprache mit der zuständigen Zulassungsstelle erfolgen könne.
Bereits mit Anwaltsschreiben vom 11.03.1994 ließ der Kläger die Beklagte unter Hinweis auf die Beschlagnahme wegen Diebstahls des Fahrzeugs zur Rückzahlung des Kaufpreises auffordern. Die Beklagte lehnte dies ab. Auch das nach Freigabe des Fahrzeugs am 21.04. und 26.04.1994 – zuletzt unter Fristsetzung – wiederholte Verlangen des Klägers, verbunden mit der Aufforderung nach Rücknahme des von ihm zwischenzeitlich auf fremdem Gelände abgestellten Wagens, blieb erfolglos.
Mit der am 19.05.1994 bei Gericht eingegangenen und am 04.07.1994 zugestellten Klage hat der Kläger zuletzt die Zahlung von 13.886 DM (14.300 DM Kaufpreis abzüglich 414 DM Nutzungsentschädigung) und von 3.987,63 DM Standkosten, Zug um Zug gegen Rückgabe des Wagens, sowie die Feststellung verlangt, dass die Beklagte mit der Fahrzeugrücknahme seit dem 11.03.1994 in Verzug sei. Er hat in erster Linie einen „Rechtsmangel“ des nach seiner Behauptung gestohlenen Pkw, hilfsweise einen Sachmangel geltend gemacht. Die Beklagte hat einen Diebstahl bestritten, sich auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen und die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Oberlandesgericht hat ihr im wesentlichen stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten, die die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrte, wurde das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache an dieses Gericht zurückverwiesen.
Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Der Rückzahlungsanspruch sei aufgrund Wandelung des Kaufvertrags wegen eines Sachmangels des Fahrzeugs begründet . Denn die Manipulationen an den Identitätsnachweisen des Pkw, von deren Originalzustand die Parteien bei Vertragsschluss ausgegangen seien, hätten Einfluss auf den Wert des Wagens, weil bei einem Weiterverkauf die gebotene Aufklärung durch den Kläger einen Minderpreis zur Folge haben könne und auch ohne Weiterverkauf die kriminelle Herkunft des Fahrzeugs für den Kläger, der sich seines Eigentums und Besitzes nicht völlig sicher sein könne, einen Mangel darstelle. Der Gewährleistungsausschluss stehe der Klage nicht entgegen; er betreffe, wie der Bezug zur Gebrauchtwagengarantie durch Reparaturkostenversicherung zeige, nur Sachsubstanzmängel und nicht unkörperliche Eigenschaften der verkauften Sache. Ob auch ein „Rechtsmangel“ wegen mangelnden Eigentumserwerbs durch den Kläger vorliege, könne offenbleiben.
Die sechsmonatige Verjährungsfrist (§ 477 BGB) sei während der Dauer der Beschlagnahme gemäß § 203 II BGB gehemmt gewesen, weil der Kläger dadurch wie durch höhere Gewalt an der erfolgreichen Durchsetzung seines Anspruchs auf Wandelung gehindert gewesen sei. Eine Rückzahlung des Kaufpreises hätte die Beklagte bis zur Rückübereignung des Fahrzeugs verweigern können. Während der Beschlagnahme aber hätte der Kläger durch Übergabe des Wagens diesen nicht zurückübereignen können; auf eine Rückübereignung durch Abtretung des Herausgabeanspruchs hätte sich die Beklagte nicht einlassen müssen, weil der Wandelungsberechtigte die Rückgabe in der Form, wie er die Sache erhalten habe, hier also durch Verschaffung des unmittelbaren Besitzes schulde. Im Übrigen habe für den Kläger aufgrund des Beschlagnahmebeschlusses nicht festgestanden, ob es sich überhaupt um ein gestohlenes Fahrzeug gehandelt habe und was tatsächlich geschehen sei; vor Freigabe des Wagens am 21.04.1994 habe er keine Gelegenheit gehabt, die Frage möglicher Wandelungsansprüche überprüfen zu lassen, ein „Prozessieren ins Blaue hinein“ könne ihm nicht abverlangt werden.
Von dem Rückzahlungsanspruch brauche sich der Kläger nur die von ihm selbst zugestandene Nutzungsentschädigung abziehen zu lassen, weil die Beklagte eine weitergehende Nutzung nicht unter Beweis gestellt habe.
Mit der Rücknahme des Wagens sei die Beklagte – erst – seit dem 22.12.1995 in AnnahmeVerzug, weil der Kläger durch Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten von diesem Tage ein neues Angebot unterbreitet habe.
Die Standkosten habe die Beklagte als notwendige Verwendungen nach den §§ 467, 347, 994 II BGB zu tragen.
II. Mit der gegebenen Begründung kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Dem Kläger stehen aus dem Gesichtspunkt der Sachmängelhaftung der Beklagten (§ 459 I 1, §§ 462, 465, 467 Satz 1 Halbsatz 1, § 346 Satz 1 BGB) die geltend gemachten Ansprüche auf Rückzahlung des Kaufpreises, Erstattung der Standkosten und Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagte mit der Rücknahme des Wagens nicht zu.
1. Dabei kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht zu Recht – was von der Revision aber in Zweifel gezogen wird – einen wertmindernden Sachmangel des Fahrzeugs darin gesehen hat, dass Manipulationen an den Identitätsnachweisen des Wagens vorgenommen worden sind und daraus folgend der nicht ausgeräumte Verdacht eines Diebstahls oder einer anderweitigen kriminellen Herkunft des Pkw besteht. Ebenso wenig bedarf einer abschließenden Entscheidung, ob der formularmäßige Gewährleistungsausschluss, wie das Berufungsgericht angenommen hat, so ausgelegt werden muss oder kann (§ 5 AGBG), dass er eine derartige unkörperliche Eigenschaft nicht einbezieht.
2. Denn ein Wandelungsanspruch des Klägers ist jedenfalls nach § 477 I 1 BGB verjährt, weil die Klage erst später als sechs Monate seit Ablieferung des Fahrzeugs an den Kläger erhoben worden ist. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war der Kläger während der Beschlagnahme des Wagens nicht gemäß § 203 II i. V. mit I BGB durch „höhere Gewalt“ an der Rechtsverfolgung gehindert. Deshalb war der Lauf der Verjährungsfrist während des genannten Zeitraums nicht mit der Folge gehemmt, dass sich die Frist nach Wegfall des Hinderungsgrundes um die betreffende Zeitspanne verlängerte (BGH, Urt. v. 06.07.1994 – XII ZR 136/93, NJW 1994, 2752 unter 1 a).
a) An die Annahme höherer Gewalt sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. z. B. Staudinger/Peters, BGB, 13. Bearb., § 203 Rn. 1), der Begriff entspricht im Wesentlichen dem unabwendbaren Zufall i. S. des § 233 I ZPO a.F. (z. B. Staudinger/Peters, a. a. O., § 203 Rn. 11; MünchKomm-BGB/v. Feldmann, 3. Aufl., § 203 Rn. 3). Das Hindernis muss auf Ereignissen beruhen, die auch durch die äußerste, billigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden konnten, schon das geringste Verschulden schließt höhere Gewalt aus (BGH, Urt. v. 24.09.1981 – IX ZR 93/80, BGHZ 81, 353, 355; Urt. v. 06.07.1994 – XII ZR 136/93, NJW 1994, 2752 unter 1 a). Dabei stellen Rechtsunkenntnis oder Rechtsirrtum des Gläubigers in aller Regel noch keine höhere Gewalt dar (BGH, Urt. v. 17.04.1957 – IV ZR 311/56, BGHZ 24, 134, 135 f.; Urt. v. 16.06.1982 – IVb ZR 720/80, FamRZ 1982, 917 unter B II 3), es sei denn, sie sind – wofür kein Anhalt besteht – durch ein Fehlverhalten von Behörden oder Gerichten hervorgerufen oder verstärkt worden oder selbst bei aller vernünftigerweise zumutbaren Sorgfalt nicht zu vermeiden gewesen (BGH, Urt. v. 28.04.1995 – LwZR 9/94, BGHZ 129, 282, 289 m. w. Nachw.). Der spätestens seit dem 11.03.1994 anwaltlich vertretene Kläger muss sich ein etwaiges Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (BGH, Urt. v. 04.05.1955 – VI ZR 37/54, BGHZ 17, 199, 203; Urt. v. 16.12.1959 – IV ZR 103/59, BGHZ 31, 342, 347; Urt. v. 24.09.1981 – IX ZR 93/80, BGHZ 81, 353, 355). Er hätte sich notfalls auch schon vor dem 11.03.1994 anwaltlicher Hilfe versichern müssen.
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze war der Kläger nicht durch höhere Gewalt an der gerichtlichen Verfolgung seines Rückzahlungsanspruchs verhindert. Die vom Berufungsgericht für seine gegenteilige Auffassung gegebenen Begründungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Auch während der Dauer der Beschlagnahme hätte der Kläger mit Aussicht auf Erfolg Wandelungsklage erheben können, ohne Zug um Zug die Rückgabe des Pkw anzubieten, und hierzu wäre er entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch gehalten gewesen.
aa) So war es ihm unbenommen, allein auf Zustimmung der Beklagten zur Wandelung zu klagen (§§ 462, 465 BGB), ohne damit zugleich einen Antrag auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises zu verbinden. In diesem Fall wäre es noch nicht um die Durchführung der Wandelung (§ 467 BGB) gegangen und die Vorschrift des § 348 BGB schon deshalb nicht anwendbar gewesen. Der Kläger hätte zwar unter Umständen nach erfolgreichem ersten Rechtsstreit die Beklagte zusätzlich auf Rückzahlung des Kaufpreises in Anspruch nehmen müssen. Die damit verbundenen Unbequemlichkeiten und Zeitverluste rechtfertigen aber nicht die Annahme, dass er durch höhere Gewalt an einer verjährungsunterbrechenden Rechtsverfolgung verhindert gewesen sei.
bb) Darüber hinaus hätte der Kläger aber auch während der Dauer der Beschlagnahme klageweise schon Rückzahlung des Kaufpreises – nach seiner Wahl auch hilfsweise und ebenfalls verjährungsunterbrechend (z. B. Senat, Urt. v. 10.10.1977 – VIII ZR 110/76, NJW 1978, 261 unter II 2; Staudinger/Peters, a. a. O., § 209 Rn. 15) Zustimmung zur Wandelung – verlangen können, ohne zugleich Zug um Zug Rückgabe des Fahrzeugs anbieten zu müssen. Zutreffend weist das Berufungsgericht zwar darauf hin, dass auf das durch die Vollziehung der Wandelung begründete Rückabwicklungsschuldverhältnis gemäß § 467 Satz 1 Halbsatz 1 BGB die §§ 348, 320 BGB Anwendung finden, wonach die beiderseitigen Rückgewährverpflichtungen (§ 346 Satz 1 BGB) Zug um Zug zu erfüllen sind und der Verkäufer daher bis zum Rückerhalt der von ihm erbrachten Leistung die Rückzahlung des Kaufpreises verweigern kann. Das Berufungsgericht hat aber übersehen, dass über § 467 Satz 1 Halbsatz 1 BGB auch die §§ 350, 351 BGB anwendbar sind. Aus letzteren Vorschriften folgt, dass die Durchführung der Wandelung für den Käufer dann nicht ausgeschlossen ist, wenn ihm die Herausgabe des empfangenen Gegenstands ohne sein Verschulden unmöglich ist; ob dies aus einem Umkehrschluss aus § 351 Satz 1 BGB oder aus einer Anwendung des § 350 BGB über seinen Wortlaut hinaus (so z. B. Staudinger/Kaiser, BGB, 13. Bearb., § 350 Rn. 2; MünchKomm-BGB/Janßen, 3. Aufl., § 350 Rn. 3) zu entnehmen ist, bedarf keiner Vertiefung. In einem solchen Fall erhält der Wandelungsberechtigte das Geleistete zurück, ist selbst aber nicht zur Rückgewähr des Empfangenen verpflichtet (z. B. Staudinger/Kaiser, a. a. O., § 350 Rn. 2), sodass für eine Anwendung des § 348 BGB kein Raum ist. Dieser Fall ist hier gegeben: Zur Unmöglichkeit der Herausgabe zählt nach allgemeiner Meinung auch das Unvermögen des Rücktritts- bzw. Wandelungsberechtigten (z. B. Staudinger/Kaiser, a. a. O., § 351 Rn. 11). Während der Zeit der Beschlagnahme war der Kläger außerstande, der Beklagten jedenfalls den unmittelbaren Besitz am Fahrzeug zurückzugewähren (vgl. auch Glaß, Gefahrtragung und Haftung beim gesetzlichen Rücktritt, 1959, S. 58 f.).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob dem Wandelungsberechtigten die Herausgabe unmöglich ist, ist allerdings die Vollziehung der Wandelung (z. B. Staudinger/Kaduk, BGB, 12. Aufl., § 351 Rn. 6; Jauernig/Vollkommer, BGB, 7. Aufl., § 351 Anm. 2 b), die hier mangels Zustimmung der Beklagten nur durch Urteil erfolgen konnte.
Der Kläger aber konnte während der Dauer der Beschlagnahme nicht wissen, ob im entscheidenden Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung die Beschlagnahme noch Bestand haben würde oder ob und wem – ihm selbst oder etwa dem wahren Eigentümer – das Fahrzeug zurückgegeben worden sein könnte. Auch dieser Umstand führt indessen nicht zur Hemmung der Verjährung. Denn ihm konnte der Kläger bei Anwendung der gebotenen prozessualen Sorgfalt dadurch Rechnung tragen, dass er entweder zunächst ohne Einschränkung Klage auf Rückzahlung erhob und bei einer bis zur letzten mündlichen Verhandlung erfolgenden Freigabe des Wagens an ihn seinen Antrag auf eine Zug-um-Zug-Verurteilung beschränkte oder aber von vornherein einen uneingeschränkten Leistungsantrag hilfsweise mit einem Zug-um-Zug-Antrag verband.
cc) Dem Berufungsgericht ist weiter auch nicht in seiner Ansicht zuzustimmen, einer Verhinderung durch höhere Gewalt stehe hier der Umstand gleich, dass dem Kläger wegen seiner Unkenntnis über das frühere Schicksal des Wagens während der Dauer der Beschlagnahme ein Prozessieren „ins Blaue hinein“ nicht zumutbar gewesen sei. Unkenntnis des Gläubigers von seinem Anspruch oder ein Irrtum über dessen Bestehen sind schon allgemein noch keine höhere Gewalt i. S. des § 203 II BGB (z. B. BGH, Urt. v. 10.04.1968 – V ZR 13/65, NJW 1968, 1381 unter II 2; Staudinger/Peters, a. a. O., § 203 Rn. 28; MünchKomm-BGB/v. Feldmann, a. a. O., § 203 Rn. 8; vgl. bereits Motive zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Band I, 1888, S. 316 f.). Das folgt bereits daraus, dass der Gesetzgeber einer derartigen Kenntnis des Anspruchsberechtigten teilweise Einfluss auf den Verjährungsbeginn einräumt (z. B. § 852 I BGB), teilweise aber auch – und so hier (§ 477 I 1 BGB) – den Lauf der Verjährungsfrist ohne Rücksicht auf eine solche Kenntnis beginnen lässt. Kommt somit der Unkenntnis des Käufers von seinem Wandelungsrecht nicht die Bedeutung höherer Gewalt zu, so können erst recht nicht Zweifel über das Bestehen des Anspruchs eine Verjährungshemmung begründen.
Im Übrigen trifft es hier auch nicht zu, dass dem Kläger wegen der für ihn zum Zeitpunkt der Beschlagnahme bestehenden Ungewissheit darüber, ob die weiteren kriminalpolizeilichen Ermittlungen den Diebstahlsverdacht bestätigen, ihn ausräumen oder fortbestehen lassen würden, die Erhebung einer Rückzahlungsklage nicht zuzumuten war. Der Möglichkeit, dass der Diebstahlsverdacht – weder erhärtet noch widerlegt – zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung unverändert weiterbestehen könnte, konnte der Kläger vom Standpunkt des Berufungsgerichts (oben II 1) dadurch Rechnung tragen, dass er seinen Rückzahlungsanspruch mit einer Sachmängelhaftung der Beklagten begründete (dazu oben II 2 b). Den Umstand, dass im Laufe des Rechtsstreits ein Diebstahl des Fahrzeugs positiv festgestellt würde, konnte der Kläger in der Form berücksichtigen, dass er die Klage alternativ auf ein Unvermögen der Beklagten stützte, ihm Eigentum am Pkw zu verschaffen (§ 935 BGB). Scheitert der Verkäufer bei dem Versuch der Erfüllung seiner Leistungsverpflichtung zur Eigentumsverschaffung (§ 433 I 1 BGB), so hat er dafür nach überwiegender und auch von der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung vertretener Meinung wegen dauernden anfänglichen Unvermögens gemäß §§ 440 I, 325 I BGB einzustehen (z. B. BGH, Urt. v. 08.02.1974 – V ZR 21/72, BGHZ 62, 119, 120; Urt. v. 10.03.1995 – V ZR 7/94, BGHZ 129, 103, 105; Urt. v. 05.01.1960 – VIII ZR 1/59, NJW 1960, 720 unter III 1; Urt. v. 10.03.1972 – V ZR 87/70, WM 1972, 656 unter 1; Staudinger/Köhler, BGB, 13. Bearb., § 440 Rn. 21 ff., 26; Erman/B. Grunewald, BGB, 9. Aufl., § 440 Rn. 5). Während ein Anspruch des Käufers auf Schadensersatz die Erfüllung der Vorgaben des § 440 II BGB voraussetzt, kann der Käufer unabhängig davon gemäß § 325 I 1 BGB von dem Vertrag zurücktreten (st. Rspr. seit BGH, Urt. v. 28.03.1952 – I ZR 111/51, BGHZ 5, 337, 341) und die von ihm bereits erbrachte Leistung nach § 327 Satz 1, § 346 Satz 1 BGB zurückfordern. Wegen der sodann ebenfalls – wie bei der Wandelung (oben II 2 b) – anwendbaren Vorschriften der §§ 350, 351 BGB brauchte der Kläger seinen Rückzahlungsantrag nicht, jedenfalls nicht von vornherein, mit dem Angebot, Zug um Zug den Pkw zurückzugeben, zu verbinden.
Es verblieb dem Kläger in der Tat das mit der Kostentragungspflicht verbundene Risiko eines Prozessverlusts, wenn sich im Laufe des Rechtsstreits herausstellte, dass das Fahrzeug nicht gestohlen war und die Beklagte dem Kläger „unbemakeltes“ Eigentum verschafft hatte. Dieses Risiko aber kann einem Gläubiger, der über das Bestehen eines Anspruchs, dessen Verjährung droht, im Ungewissen ist, in keinem Fall abgenommen werden, ohne dass es gerechtfertigt wäre, von einem unzumutbaren „Prozessieren ins Blaue hinein“ zu sprechen und daraus eine Hemmung der Verjährungsfrist abzuleiten.
3. Nach allem kommt eine Anwendung des § 203 II BGB auf den – unterstellten – Wandelungsanspruch des Klägers nicht in Betracht, weil es ihm auch während der Dauer der Beschlagnahme möglich war, Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises – gegebenenfalls Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs – und hilfsweise auf Zustimmung zur Wandelung zu erheben.
III. Eine abschließende Entscheidung der Sache (§ 565 III Nr. 1 ZPO) ist dem Senat nicht möglich.
1. Das Berufungsgericht hat, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, offengelassen, ob die Beklagte dem Kläger kein Eigentum am Fahrzeug verschaffen konnte, weil es dem wahren Eigentümer gestohlen worden war. Das Gegenteil ist daher zugunsten der Beklagten für die Revisionsinstanz zu unterstellen. Das Berufungsgericht hat andererseits selbst erwogen, ob zugunsten des – beweispflichtigen (z. B. Soergel/Huber, BGB, 13. Bearb., § 442 Rn. 1; MünchKomm-BGB/H. P. Westermann, 3. Aufl., § 442 Rn. 1; Staudinger/Köhler, a. a. O., § 442 Rn. 2) – Klägers wegen der erwiesenen Manipulationen an den Identitätsnachweisen des Fahrzeugs ein Anscheinsbeweis für einen Diebstahl des Pkw spricht. Ein Erfahrungssatz, dass Fahrzeuge, die ohne vorherigen Unfall „umgenummert“ werden, in der Regel gestohlen worden sind (vgl. dazu auch Reinking/Eggert, Der Autokauf, 6. Aufl., Rn. 1623), läge möglicherweise besonders nahe, wenn sich die vom Kläger unter Beweis gestellten Tatsachen feststellen ließen, dass an dem ihm verkauften Pkw auch die Zünd- und Türschlösser ausgetauscht worden sind und der Wagen von der Firma P stammt, die in einer Vielzahl von Fällen gestohlene Fahrzeuge aufgekauft und an ihnen die Fahrzeug-Identifizierungsnummern ausgewechselt haben soll.
Kann ein Diebstahl des Wagens als erwiesen angesehen werden, so wäre ein daraus folgender Kaufpreisrückzahlungs anspruch des Klägers (dazu oben II 2 b cc) nicht von dem vereinbarten Gewährleistungsausschluss betroffen, weil dieser sich nach Wortlaut und Sinn nur auf Sachmängel und nicht auf die Haftung des Verkäufers nach den §§ 440 I, 323 ff. BGB bezieht. Ein derartiger Anspruch wäre auch nicht nach § 477 I BGB verjährt, auf ihn findet vielmehr die 30-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB Anwendung (z. B. Staudinger/Honsell, BGB, 13. Bearb., § 477 Rn. 10; MünchKomm-BGB/H. P. Westermann, a. a. O., § 477 Rn. 4).
2. Gelangt das Berufungsgericht wiederum zu einem Rückzahlungsanspruch dem Grunde nach, so wird es zu beachten haben, dass der Kläger den nach dem Kaufvertrag auf seinen Altwagen angerechneten Kaufpreisteil nur verlangen kann, wenn der Beklagten die Rückgabe des in Zahlung gegebenen Altwagens selbst nicht mehr möglich ist (Senat, Urt. v. 30.11.1983 – VIII ZR 190/82, BGHZ 89, 126, 135 f).