Zur recht­li­chen Be­ur­tei­lung ei­nes Neu­wa­gen­kaufs, bei dem der Kraft­fahr­zeug­händ­ler den al­ten Wa­gen des Käu­fers in der Form „in Zah­lung nimmt“, dass die Be­tei­lig­ten ei­nen Ver­mitt­lungs­auf­trag („Agen­tur­ver­trag“) über die Ver­äu­ße­rung des Alt­wa­gens ab­schlie­ßen.

BGH, Ur­teil vom 05.04.1978 – VI­II ZR 83/77

Sach­ver­halt: Durch schrift­li­chen „Kauf­an­trag“ vom 05.04.1975 be­stell­te der Be­klag­te bei der Klä­ge­rin, ei­nem Au­to­haus, ei­nen neu­en Pkw BMW 2002 zum Preis von 14.990 DM und ver­ein­bar­te gleich­zei­tig die An­rech­nung sei­nes in Zah­lung ge­ge­be­nen ge­brauch­ten Pkw BMW 1600-2 zum Preis von 4.500 DM. Über Letz­te­res ist im „Kauf­an­trag“ nichts ge­sagt,  ob­wohl der be­nutz­te Vor­druck (links un­ten) über die In­zah­lung­nah­me von Ge­braucht­wa­gen bei Neu­wa­gen­kauf die Be­ant­wor­tung meh­re­rer Fra­gen vor­sieht. Viel­mehr un­ter­zeich­ne­ten die Par­tei­en – eben­falls am 05.04.1975 – hin­sicht­lich des Ge­braucht­wa­gens ei­nen wei­te­ren, als „Ver­mitt­lungs­auf­trag“ über­schrie­be­nen For­mu­lar­ver­trag, wo­bei als Pro­vi­si­on der Klä­ge­rin der über den „Min­dest­ver­kaufs­preis“ von 4.500 DM er­ziel­te Mehr­er­lös vor­ge­se­hen war.

We­ni­ge Ta­ge nach der Zu­las­sung am 22.04.1975 über­nahm der Be­klag­te den neu­en Wa­gen und über­gab der Klä­ge­rin den in Zah­lung ge­nom­me­nen Ge­braucht­wa­gen.

Am 29.04.1975 schrieb die Klä­ge­rin dem Be­klag­ten, bei Durch­sicht der Fahr­zeug­pa­pie­re sei ihr auf­ge­fal­len, dass der in Zah­lung ge­ge­be­ne Wa­gen ei­nen er­heb­li­chen Un­fall ge­habt ha­be, was der Be­klag­te als Be­sit­zer des Fahr­zeug­briefs ge­wusst, ihr aber ver­schwie­gen ha­be. Bei Schei­tern ei­ner Klä­rung der An­ge­le­gen­heit wer­de sie dem Be­klag­ten den al­ten Wa­gen wie­der zur Ver­fü­gung stel­len und die Rest­sum­me von ihm an­for­dern.

Aus dem Fahr­zeug­brief er­gibt sich, dass der Be­klag­te vier­ter Be­sit­zer des am 03.08.1970 erst­zu­ge­las­se­nen Ge­braucht­wa­gens war. Der Brief ent­hält fol­gen­den Ver­merk des Land­rats des Land­krei­ses L. vom 13.09.1972:

„Das Fahr­zeug hat­te ei­nen Un­fall. Hier­bei wur­de die Fahr­ge­stell-Nr. von der Fa. X-KG in R. neu ein­ge­schla­gen. Das Teil mit der Ori­gi­nal­fahr­ge­stell-Nr. wur­de ver­schrot­tet.“

Die Klä­ge­rin hat 4.300 DM nebst Zin­sen Zug um Zug ge­gen Her­aus­ga­be des Alt­wa­gens ein­ge­klagt. Der Be­klag­te hat vor­ge­tra­gen, die Klä­ge­rin ha­be den Un­fall­scha­den ge­kannt oder doch ken­nen müs­sen, denn bei den Ver­kaufs­ver­hand­lun­gen vom 05.04.1975 sei der Fahr­zeug­schein vor­ge­legt wor­den, aus dem für ei­nen Fach­mann der Un­fall her­vor­ge­he. Die Klä­ge­rin ha­be den Ge­braucht­wa­gen auch un­ter Hoch­he­ben der Mo­tor­hau­be be­sich­tigt und hier­bei er­sicht­lich die neu ein­ge­stanz­te Fahr­ge­stell­num­mer fest­ge­stellt.

Nach­dem im Be­ru­fungs­ver­fah­ren das Stra­ßen­ver­kehrs­amt ei­ne Fo­to­ko­pie des ein­ge­zo­ge­nen al­ten Fahr­zeug­scheins, die über ei­nen Un­fall nichts ent­hält, über­sandt hat­te, hat der Be­klag­te be­haup­tet, bei den Ver­hand­lun­gen am 05.04.1975 ha­be nicht der Fahr­zeug­schein son­dern der Fahr­zeug­brief Vor­ge­le­gen; dies ha­be er ver­wech­selt. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat die­ses neue Vor­brin­gen des Be­klag­ten als ver­spä­tet zu­rück­ge­wie­sen.

Das Land­ge­richt hat­te die auf Zah­lung von 4.500 DM nebst Zin­sen ge­rich­te­te Klge ab­ge­wie­sen; das Be­ru­fungs­ge­richt hat ihr statt­ge­ge­ben. Die Re­vi­si­on des Be­klag­ten, der da­mit die Wie­der­her­stel­lung des kla­ge­ab­wei­sen­den land­ge­richt­li­chen Ur­teils er­streb­te, hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Das Be­ru­fungs­ge­richt führt aus, die Par­tei­en hät­ten statt ei­ner ei­gent­li­chen In­zah­lung­nah­me (hier­zu Se­nat, Urt. v. 18.01.1967 – VI­II ZR 209/64, BGHZ 46, 338) hier zum Zwe­cke der Ein­spa­rung der sonst an­fal­len­den Mehr­wert­steu­er ei­nen so­ge­nann­ten „Agen­tur­ver­trag“ (Ver­kauf des Wa­gens durch die Klä­ge­rin na­mens und für Rech­nung des Be­klag­ten) ver­ein­bart. Der Agen­tur­ver­trag ha­be frei­lich in wich­ti­gen Punk­ten ei­nen an­de­ren In­halt ge­habt als das be­nutz­te For­mu­lar, das auf ei­ne ent­gelt­li­che Ge­braucht­fahr­zeug-Ver­mitt­lung zu­ge­schnit­ten sei und schon des­halb hier nicht ge­passt ha­be. Dem Be­klag­ten sei es nicht ent­schei­dend auf die Ver­wer­tung (Ver­äu­ße­rung) des Alt­wa­gens zu ei­nem be­stimm­ten (Min­dest-)Preis an­ge­kom­men, son­dern dar­auf, in je­dem Fal­le ei­ne Gut­schrift von 4.500 DM auf den Neu­wa­gen­preis zu er­hal­ten. Das ha­be man auch in der Form des Agen­tur­ver­trags er­rei­chen kön­nen, wenn das Preis­ri­si­ko hin­sicht­lich des Wei­ter­ver­kaufs bei der Klä­ge­rin lag, wenn die­se al­so ei­ner­seits ei­nen Er­lös über 4.500 DM be­hal­ten, bei ei­nem Min­der­er­lös aber die Dif­fe­renz „aus ei­ge­ner Ta­sche zu­le­gen“ muss­te, und wenn ihr die will­kür­li­che, ein­sei­ti­ge Be­en­di­gung des Ver­mitt­lungs­auf­trags ver­wehrt blieb. An­ge­sichts der er­kenn­ba­ren In­ter­es­sen­la­ge des Be­klag­ten, der sich auf ei­ne blo­ße Ver­mitt­lung sei­nes Alt­fahr­zeugs mit dem In­halt des For­mu­lars un­ter gleich­zei­ti­ger fes­ter Neu­wa­gen­be­stel­lung si­cher­lich nie ein­ge­las­sen hät­te, sei­en die ge­trof­fe­nen Ab­re­den in die­sem Sin­ne aus­zu­le­gen. So­weit der In­halt des For­mu­lars des Ver­mitt­lungs­auf­trags hier­von ab­wei­che, sei der Ver­trag nur „Schein“ ge­we­sen. Mit der bei­der­seits ge­woll­ten In­zah­lung­nah­me­ver­ein­ba­rung sei zu­gleich ei­ne Stun­dungs­ab­re­de in Hö­he ei­nes Teils von 4.500 DM des Neu­wa­gen­prei­ses ver­bun­den ge­we­sen, und zwar für die Dau­er bis zur er­folg­ten Durch­füh­rung bzw. Be­en­di­gung des Agen­tur­ver­trags. Die­se Stun­dung sei hier aber da­durch ent­fal­len, dass die Klä­ge­rin den Ver­mitt­lungs­auf­trag (Agen­tur­ver­trag) aus wich­ti­gem Grun­de wirk­sam ge­kün­digt ha­be; denn der Be­klag­te ha­be ei­nen für die Wert­bil­dung des her­ein­ge­nom­me­nen Wa­gens maß­geb­li­chen Um­stand, näm­lich den im Kraft­fahr­zeug­brief ver­merk­ten schwe­ren Un­fall­scha­den, arg­lis­tig ver­schwie­gen.

II. Die­se Aus­füh­run­gen hal­ten der recht­li­chen Nach­prü­fung stand.

1. Die Aus­le­gung der von den Par­tei­en ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen ist, da es sich um ein Ty­pen­ge­schäft des All­tags han­delt, das in die­ser Form seit Jah­ren in un­zäh­li­gen Fäl­len ab­ge­schlos­sen wird, durch das Re­vi­si­ons­ge­richt frei nach­prüf­bar. Sie ist nicht zu be­an­stan­den.

Mit Recht hat das Be­ru­fungs­ge­richt an­ge­sichts der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen­la­ge und im Hin­blick auf das, was die Par­tei­en er­sicht­lich er­rei­chen woll­ten, dem In­halt der ver­wen­de­ten Ver­trags­for­mu­la­re kei­ne al­lein ent­schei­den­de Be­deu­tung bei­ge­legt (§§ 133, 157 BGB). Maß­ge­bend ist viel­mehr Fol­gen­des:

Der Ver­kauf ei­nes Neu­wa­gens durch den Kraft­fahr­zeug­händ­ler ist in sehr vie­len Fäl­len über­haupt nur mög­lich, wenn der Händ­ler be­reit ist, den Alt­wa­gen des Kauf­In­ter­es­sen­ten „in Zah­lung“ zu neh­men. Zu­min­dest wird dem In­ter­es­sen­ten auf die­se Wei­se der Neu­wa­gen­kauf er­heb­lich er­leich­tert. An­de­rer­seits ist das In­ter­es­se des Käu­fers, nach Be­zah­lung des nicht zur Ver­rech­nung vor­ge­se­he­nen Teils des Kauf­prei­ses und Hin­ga­be sei­nes Alt­wa­gens den Neu­wa­gen­kauf end­gül­tig ab­ge­wi­ckelt zu ha­ben, dem Au­to­händ­ler be­kannt. Die­sem In­ter­es­se wä­re oh­ne Wei­te­res Rech­nung ge­tra­gen, wenn der Alt­wa­gen im Sin­ne ei­ner Er­set­zungs­be­fug­nis des Käu­fers in Zah­lung ge­nom­men wür­de (vgl. hier­zu Se­nat, Urt. v. 18.01.1967 – VI­II ZR 209/64, BGHZ 46, 338). Da­bei wird al­ler­dings der Au­to­händ­ler Er­wer­ber des Alt­wa­gens und ein mehr­wert­steu­er­pflich­ti­ger Vor­gang aus­ge­löst. Es liegt auf der Hand, dass hier­durch der In­zah­lung­nah­me­preis ge­drückt wird. Bei die­ser Sach­la­ge ist es das bei­der­sei­ti­ge In­ter­es­se der Ver­trag­schlie­ßen­den, die In­zah­lung­nah­me recht­lich so zu ge­stal­ten, dass ein mehr­wert­steu­er­pflich­ti­ger Tat­be­stand nicht ent­steht. Das setzt vor­aus, dass der Wa­gen – bis zur (Wei­ter-)Ver­äu­ße­rung an ei­nen Drit­ten – im Ei­gen­tum des Au­to­käu­fers bleibt. Es stellt da­her kei­nen Ver­stoß ge­gen §§ 133, 157 BGB dar, wenn das Be­ru­fungs­ge­richt an­nimmt, dass der Agen­tur­ver­trag von bei­den Sei­ten wirk­sam ge­wollt war. Eben­so we­nig ist aber zu be­an­stan­den, wenn es an­nimmt, die Par­tei­en hät­ten in Ab­wei­chung von dem ver­wen­de­ten Ver­trags­for­mu­lar die Über­nah­me des Kauf­preis­ri­si­kos durch die Klä­ge­rin so­wie de­ren Ver­zicht auf ein­sei­ti­ge Ver­trags­be­en­di­gung ver­ein­bart. Denn nur so war dem er­kenn­ba­ren In­ter­es­se des Be­klag­ten, den Neu­wa­gen­kauf end­gül­tig ab­ge­wi­ckelt zu ha­ben, Rech­nung ge­tra­gen.

Eben­so we­nig be­ste­hen aber Be­den­ken ge­gen die An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts, die Klä­ge­rin ha­be den Kauf­preis bis zur Be­en­di­gung des Agen­tur­ver­trags ge­stun­det. Dass der Be­klag­te nach dem Wil­len der Par­tei­en zwar ei­ner­seits (zu­nächst) auf die Zah­lung des Rest­kauf­prei­ses nicht in An­spruch ge­nom­men wer­den soll­te, an­de­rer­seits aber ei­ne Ver­rech­nung in­so­weit erst mög­lich war, wenn die Klä­ge­rin den Alt­wa­gen ver­äu­ßert hat­te, läuft, wie das Be­ru­fungs­ge­richt rich­tig ge­se­hen hat, im Er­geb­nis auf die Ver­ein­ba­rung ei­ner Stun­dung hin­aus. Sie en­de­te, wie sich von selbst ver­steht, durch die Ab­wick­lung des Agen­tur­ver­trags durch den Ver­kauf des Alt­wa­gens und die da­bei vor­zu­neh­men­de Ver­rech­nung mit dem Rest­kauf­preis des Neu­wa­gens. Sie en­de­te aber auch, wenn, wie hier, die Klä­ge­rin – aus­nahms­wei­se – den Agen­tur­ver­trag von sich aus we­gen Vor­lie­gens ei­nes wich­ti­gen Grun­des kün­di­gen konn­te.

2. Dem Be­ru­fungs­ge­richt ist auch dar­in zu­zu­stim­men, dass das Ver­schwei­gen des schwe­ren Un­fall­scha­dens bei den Ver­hand­lun­gen vom 05.04.1975 sei­tens des Be­klag­ten ein wich­ti­ger Grund war, der die Klä­ge­rin zur frist­lo­sen Kün­di­gung be­rech­tig­te. In tat­säch­li­cher Hin­sicht stellt das Be­ru­fungs­ge­richt fest, der Be­klag­te ha­be arg­lis­tig ge­han­delt, weil er den Kraft­fahr­zeug­brief in Hän­den ge­habt und den Ein­trag des Land­rats­amts vom 13.09.1972 ge­kannt ha­be. Auch ha­be er zu­nächst ver­sucht, sei­nen Alt­wa­gen bei ei­nem an­de­ren Au­to­haus für 4.500 DM zu ver­äu­ßern, frei­lich oh­ne Er­folg, denn dort ha­be man den schwe­ren Un­fall­scha­den er­kannt. Dies ha­be der Be­klag­te aber nicht zum An­lass ge­nom­men, die Klä­ge­rin bei den Kauf­ver­hand­lun­gen über das Vor­lie­gen des Scha­dens auf­zu­klä­ren. Im Ge­gen­teil ha­be er ge­hofft, die al­te Un­fall­be­schä­di­gung wer­de ver­bor­gen blei­ben. Das be­wuss­te Ver­schwei­gen stel­le ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung des Be­klag­ten ge­gen­über der Klä­ge­rin dar.

Die­se Aus­füh­run­gen sind recht­lich feh­ler­frei, und auch die Re­vi­si­on bringt nichts vor, was die Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts er­schüt­tern könn­te. Da­bei kann mit der Re­vi­si­on un­ter­stellt wer­den, dass die Klä­ge­rin bei Be­sich­ti­gung des Alt­wa­gens nicht sehr sorg­fäl­tig ver­fah­ren ist. Man­geln­de Sorg­falt der Klä­ge­rin schließt aber Arg­list des Be­klag­ten nicht aus. Für die An­nah­me, die Klä­ge­rin ha­be den Ge­braucht­wa­gen oh­ne Rück­sicht auf et­wai­ge schwe­re Un­fall­schä­den un­be­dingt über­neh­men wol­len, um so das Neu­wa­gen­ge­schäft un­ter Dach zu brin­gen, be­steht kei­ner­lei An­halt. Da­hin­ste­hen kann, ob die Nicht­vor­la­ge des Kfz-Briefs bei den Ver­hand­lun­gen vom 05.04.1975 nicht gleich­falls das Be­mü­hen des Be­klag­ten er­ken­nen lässt, der Klä­ge­rin die schwe­re Un­fall­be­schä­di­gung des in Zah­lung zu neh­men­den Wa­gens zu ver­heim­li­chen.

Die An­nah­me ei­ner Of­fen­ba­rungs­pflicht des Be­klag­ten be­geg­net an­ge­sichts ei­nes so schwe­ren Scha­dens, bei dem, wie sich aus dem Kraft­fahr­zeug­brief er­gibt, tra­gen­de Ka­ros­se­rie­tei­le aus­ge­tauscht wer den muß­ten, kei­nen Be­den­ken.

III. Nach al­lem war die Re­vi­si­on des Be­klag­ten als un­be­grün­det zu­rück­zu­wei­sen. …

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