Kauft eine natürliche Person von einem Kfz-Händler ein Fahrzeug, so ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie dabei als Verbraucher (§ 13 BGB) handelt, also den Kaufvertrag zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Anders ist dies nur, wenn Umstände vorliegen, nach denen das Handeln aus der Sicht des Verkäufers eindeutig und zweifelsfrei einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit zuzurechnen ist (vgl. BGH Urt. v. 30.09.2009 – VIII ZR 7/09, NJW 2009, 3780 Rn. 11). Dafür genügt es nicht, dass der Käufer ein Gewerbe betreibt. Vielmehr liegt auch in diesem Fall grundsätzlich ein Verbrauchsgüterkauf (§ 474 I 1 BGB), bei dem ein vollständiger Gewährleistungsausschluss gemäß § 475 I BGB a.F. unzulässig ist.

AG München, Urteil vom 18.10.2018 – 174 C 4185/18

Sachverhalt: Der Kläger erwarb von dem Beklagten am 18.01.2017 einen gebrauchten Pkw Fiat 500 zum Preis von 5.100 € netto. Das Kaufvertragsformular wurde von dem Beklagten als Verkäufer ausgefüllt; dieser kreuzte darin „Geschäft unter Händlern ohne Gewährleistung" an. Der Kaufvertrag wurde von beiden Parteien unterschrieben, und der Kläger zahlte den Kaufpreis in bar. Nachdem die mitverkauften Winterreifen aufgezogen worden waren, trat der Kläger mit dem Fahrzeug die Fahrt nach Hause an.

Schon auf dieser Fahrt bemerkte der Kläger, dass der Pkw nicht mehr „zog“ und rüttelte. Nach einem kurzen Halt auf dem Seitenstreifen leuchtete außerdem eine Warnleuchte auf. Der Kläger brachte das Fahrzeug deshalb sofort zu dem ihm bekannten Fiat-Werkstattmeister F, der den Wagen untersuchte und feststellte, dass die Lamdasonde sowie die Heckklappendämpfer defekt und die Seitenschweller eingedrückt seien. Zudem konstatierte F einen nicht fachgerecht beseitigten Unfallschaden vorne links sowie weitere – nicht streitgegenständliche – Mängel.

Mit Schreiben vom 23.01.2017 forderte der spätere Prozessbevollmächtigte des Klägers den Beklagten auf, die vorgenannten Mängel bis zum 01.02.2017 zu beseitigen. Der Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach. Auf Veranlassung des Klägers wurde deshalb ein selbstständiges Beweisverfahren durchgeführt. Nach dessen Abschluss forderte der Kläger den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 12.01.2018 auf, an ihn – den Kläger – Schadensersatz in Höhe von 4.379,41 € zu leisten. Der spätere Prozessbevollmächtigte des Beklagten teilte mit Schreiben vom 15.01.2018 mit, dass der Beklagte keinen Schadensersatz leisten werde und die behaupteten Sachmängel nicht anerkenne.

Mit der Klage hat der Kläger den Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von 4.125,29 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus der im selbstständigen Beweisverfahren festgestellten Wertminderung wegen des Unfallschadens (400 €), der Kosten für die Instandsetzung des Fahrzeugs (Seitenschweller: 3.529,41 €; Heckklappendämpfer: 41,04 €; Lamdasonde: 129,84 €) sowie einer Unkostenpauschale von 25 €. Darüber hinaus hat der Kläger den Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 492,54 € begehrt.

Der Beklagte hat geltend gemacht, die Parteien hätten einen wirksamen Gewährleistungsausschluss vereinbart, da sowohl er als auch der Kläger Händler seien. Die am 18.01.2017 aufgezogenen Winterreifen habe der Kläger mit dem Fahrzeug erworben. Der Kläger selbst bzw. ein von ihm vor Ort beauftragten Monteur habe die Reifen aufgezogen; er – der Beklagte – habe dafür lediglich seine Hebebühne zur Verfügung gestellt. Sowohl der Unfallschaden als auch der Defekt des Heckklappendämpfer seien dem Kläger bei der Übergabe des Fiat 500 bekannt gewesen. Der Beklagte hat gemeint, hinsichtlich des Heckklappendämpfers liege zudem eine unzulässige Ersatzvornahme vor, und die in § 476 BGB a.F. vorgesehene Beweislastumkehr komme dem Kläger nicht zugute, weil das streitgegenständliche Fahrzeug zunächst noch gefahren sei.

Die Klage hatte im Wesentlichen Erfolg.

Aus den Gründen: Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 4.100,29 € gemäß § 437 Nr. 3 Fall 1, §§ 280 I, III, 281 I 1 BGB.

Die Parteien haben am 18.01.2018 einen wirksamen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug geschlossen (§ 433 BGB).

Der Gewährleistungsausschluss wurde nicht wirksam vereinbart (§ 475 I BGB a.F.).

Bei dem streitgegenständlichen Geschäft handelt es sich um einen Verbrauchsgüterkauf gemäß § 474 I 1 BGB, also um einen Vertrag, durch den ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache kauft. Zwar handelt es sich bei dem Kläger, der ein Elektrounternehmen betreibt, um einen Unternehmer i. S. von § 14 I BGB. Verbraucher ist gemäß § 13 BGB aber jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Dieser private Zweck ist unabhängig vom inneren Willen des kaufenden Verbrauchers und nach den äußeren Umständen, dem Auftreten und den Erklärungen des Käufers, dem Gegenstand und Inhalt des Kaufvertrags zu ermitteln. Dabei ist bei einem Vertragsschluss mit einer natürlichen Person grundsätzlich von Verbraucherhandeln auszugehen. Anders ist dies nur dann, wenn Umstände vorliegen, nach denen das Handeln aus der Sicht des anderen Teils eindeutig und zweifelsfrei einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit zuzurechnen ist (BGH Urt. v. 30.09.2009 – VIII ZR 7/09, NJW 2009, 3780 Rn. 11).

Zwar hat der Kläger einen Kaufvertrag unterschrieben, bei dem in einem Unterpunkt „Geschäft unter Händlern ohne Gewährleistung“ angekreuzt ist. Hierbei ist aber wertend zu berücksichtigen, dass das Vertragsformular unstreitig von dem Beklagten ausgefüllt wurde. Vom Beklagten wurde auch nicht vorgetragen, wie und in welcher Form der Kläger bei den Vertragsverhandlungen im Übrigen als Unternehmer aufgetreten sein soll. Die Behauptung, der Kläger sei Inhaber eines Paketdienstes und besitze über zehn Fahrzeuge, erfolgte offensichtlich „ins Blaue hinein“. Darüber hinaus hat die durchgeführte Beweisaufnahme für das Gericht eindeutig ergeben, dass nach dem vom Kläger objektiv verfolgten Zweck ein seinem privaten Rechtskreis zuzuordnendes Rechtsgeschäft vorlag. Die Zeugin E hat nach eingehender Belehrung über die Strafbarkeit einer falschen Aussage bekundet, das streitgegenständliche Fahrzeug sei als Familienfahrzeug nicht für den Betrieb des Klägers, sondern für ihre private Nutzung bzw. für ihre berufliche Tätigkeit als Familienpflegerin angeschafft worden. Auch das Vorgängerfahrzeug, ein Smart, der bei dem Beklagten in Zahlung gegeben worden sei, sei für diese Zwecke verwendet worden. Der Betrieb ihres Mannes werde in der Form eines Einmannbetriebs ohne Angestellte geführt. Der Kläger benutze für sein Geschäft ein anderes Firmenfahrzeug. Die Zeugin hat besonnen und ruhig ausgesagt. An ihrer Glaubwürdigkeit bestehen keine Zweifel. Das Gericht hält es daher für nachvollziehbar und glaubwürdig, dass der Kläger, wie von ihm vorgetragen, den Vertragspassusus bei Unterzeichnung schlicht übersehen hat.

Aufgrund des im selbstständigen Beweisverfahrens eingeholten Gutachtens des Sachverständigen S vom 09.11.2017 steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das Fahrzeug folgende Mängel aufwies: Unfallschaden vorne links, zerstörte Lamdasonde, Funktionsstörungen an den Heckklappendämpfern sowie starke Beschädigung der Schweller des Fahrzeugs vorne und hinten. Die Feststellung dieser Schäden durch den Sachverständigen wurde von den Parteien nicht angegriffen.

Diese Mängel waren bereits bei Gefahrübergang vorhanden.

Gemäß § 476 BGB a.F. wird vermutet, dass ein Mangel, der sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang zeigt, bereits bei Gefahrübergang vorhanden war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar. Zwar hat der Sachverständige das streitgegenständliche Fahrzeug erst knapp elf Monate nach Abschluss des Kaufvertrags untersucht. Es ist zwischen den Parteien jedoch unstreitig, dass das Fahrzeug bereits auf dem Nachhauseweg nach Kaufvertragsabschluss nicht mehr „zog“ und rüttelte, die Warnleuchte aufleuchtete und noch am Tag des Kaufs, dem 18.01.2017, von dem Fiat-Werkstattmeister F untersucht wurde, der eben diese Schäden feststellte. Es wäre daher Sache des Beklagten gewesen zu beweisen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug die Mängel bei Gefahrübergang noch nicht aufgewiesen hat. Einen dahin gehenden Beweis hat der Beklagte aber nicht angetreten. Auch liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die streitgegenständlichen Mängel mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar wären.

Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dahin gehend, dass die Schäden dem Kläger bekannt waren. Der bloße Umstand, dass der Kläger Reifen in den Kofferraum geladen hat, begründet keine Vermutung der Kenntnis dahin gehend, dass er von den Schäden an den Heckklappendämpfern Kenntnis hatte. Warum der Kläger von dem Unfallschaden Kenntnis gehabt haben soll, wurde vom Beklagten nicht vorgetragen.

Mit Schreiben vom 23.01.2017 hat der Kläger dem Beklagten eine Nachfrist zur Behebung der Mängel gesetzt (§ 281 I 1 BGB). Er hat daher Anspruch auf Schadensersatz.

Gemäß § 249 I BGB ist der entstandene Schaden grundsätzlich durch Naturalrestitution auszugleichen. Dies bedeutet, dass vom Schädiger der gleiche wirtschaftliche Zustand herzustellen ist, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen S in seinem Gutachten vom 29.12.2017 ist die technische Wertminderung für den Unfallschaden vorne links mit einem Betrag in Höhe von 400 € anzusetzen. Die Reparaturkosten betragen nach der Einschätzung des Sachverständigen für die Lamdasonde 129,84 € netto, für den Heckklappendämpfer 41,04 € netto und für beide Seitenschweller 3.529,41 € netto. Das Gericht macht sich die Ausführungen des Sachverständigen, an dessen Sachkunde keine Zweifel bestehen, zu eigen. Diese wurden von den Parteien auch nicht angegriffen. Insgesamt kann der Kläger vom Beklagten daher im Wege des Schadensersatzes 4.100,29 € verlangen.

Eine darüber hinausgehende Schadenspauschale in Höhe von 25 € ist dem Gewährleistungsrecht unbekannt, sodass diese Forderung abzuweisen war.

Der Anspruch auf die geltend gemachten Zinsforderungen ergibt sich aus Verzug gemäß § 286 I , § 288 I BGB.

Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten waren nicht zu ersetzen, da sich der Beklagte zum Zeitpunkt der Beauftragung des Klägervertreters nicht in Verzug befand. Bereits das erste Aufforderungsschreiben vom 23.01.2017 zur Nachbesserung wurde von dem Klägervertreter versendet. …

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