- Das Eigentum an einem im Ausland als gestohlen gemeldeten Pkw kann jedenfalls dann gutgläubig erworben (§§ 929 Satz 1, 932 BGB) werden, wenn sich die der Diebstahlsanzeige zugrunde liegenden Angaben erheblichen Bedenken ausgesetzt sehen und statt eines Diebstahls des Fahrzeugs auch eine Unterschlagung in Betracht kommt. Denn bei einer Unterschlagung ist steht einem gutgläubigen Erwerb nicht § 935 I BGB entgegen.
- Unter die Rechte Dritter i. S. des § 435 Satz 1 BGB fallen auch öffentlich-rechtliche Befugnisse wie eine staatliche Sicherstellung oder Beschlagnahme, sofern diese tatsächlich ausgeübt wird, zu Recht erfolgt und den Verfall der Sache zur Folge haben kann.
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Maßgeblicher Zeitpunkt, in dem die Kaufsache frei von Rechten Dritter sein muss, ist derjenige, in dem der Käufer das Eigenum erwerben soll; abzustellen ist also in der Regel auf die Übergabe der Kaufsache an den Käufer. War ein Kraftfahrzeug zu diesem Zeitpunkt noch nicht als gestohlen gemeldet, sodass ein Diebstahlsverdacht und die Voraussetzungen einer Sicherstellung oder Beschlagnahme noch nicht vorlagen, leidet das Fahrzeug nicht an einem Rechtsmangel.
LG Koblenz, Urteil vom 05.02.2013 – 1 O 281/12
Sachverhalt: Der Geschäftsführer der Beklagten erwarb am 14.05.2012 von V einen BMW X5, der am 14./15.05.2012 auf ihn zugelassen wurde.
Am 17.05.2012 kaufte der Kläger dieses Fahrzeug von der Beklagten zum Preis von 24.300 €. Es wurde dem Kläger gegen Zahlung des Kaufpreises am selben Tag übergeben; die Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) und einen Zweitschlüssel sollte der Kläger von der Beklagten per Post erhalten.
Nachdem der Kläger die Beklagte unter anderem am 22.05. und am 23.05.2012 erfolglos auffordert hatte, ihm die Zulassungsbescheinigung Teil II zu übersenden, erklärte er mit E-Mail vom 29.05.2012, dass er nicht mehr am Kaufvertrag festhalten wolle.
Am 01.06.2012 erhielt der Kläger von der Beklagten die Zulassungsbescheinigung Teil II. Am 15.06.2012 wollte seine Ehefrau das Fahrzeug zulassen. Eine Zulassung erfolgte jedoch nicht, weil der BMW X5 aufgrund einer am 13.06.2012 erstatteten Anzeige zur Fahndung ausgeschrieben worden war. Das Fahrzeug sollte in der Nacht vom 12.06. auf den 13.06.2012 in A. gestohlen worden sein.
Der BMW X5 wurde am 19.06.2012 bei dem Kläger sichergestellt, dem Kläger wurde aber gestattet, das Fahrzeug vorerst weiter zu benutzen.
Mit Schreiben vom 13.09.2012 hat der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Er meint, dass er trotz seines guten Glaubens kein Eigentum an dem – im Übrigen mangelhaften – BMW X5 habe erwerben können, weil dieser gestohlen worden sei (§ 935 I BGB).
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Rückzahlung des für das streitgegenständliche Fahrzeug gezahlten Kaufpreises zu, und zwar weder als Schadensersatz noch aufgrund des vom Kläger erklärten Rücktritts vom Vertrag.
Der Kläger hat zunächst keinen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung gemäß §§ 437 Nr. 3, 311a II BGB. Es kann nämlich nicht festgestellt werden, dass der Kläger an dem Fahrzeug kein Eigentum erworben hat.
Die Parteien waren sich über die Übertragung des Eigentums an dem Fahrzeug einig. Die Beklagte hat dem Kläger das Fahrzeug auch unstreitig übergeben. Damit liegen die Voraussetzungen für einen Eigentumsübergang gemäß § 929 Satz 1 BGB grundsätzlich vor.
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Beklagte gemäß § 935 I BGB nicht in der Lage gewesen ist, dem Kläger das Eigentum an dem Fahrzeug zu verschaffen. Dies hätte vorausgesetzt, dass das Fahrzeug dem ursprünglichen Eigentümer abhandengekommen ist. Zwar ist zu berücksichtigen, dass ausweislich der beigezogenen Ermittlungsakte das Fahrzeug am 13.06.2012 in A. als gestohlen gemeldet wurde. Gleichwohl ergibt sich daraus noch kein zweifelsfreier Rückschluss darauf, dass das Fahrzeug dem Eigentümer tatsächlich entwendet worden ist. Denn die der Anzeige zugrunde liegende Darstellung ist nicht plausibel und nachvollziehbar.
Unstreitig hat der Kläger den Besitz an dem Fahrzeug bereits am Tag des Vertragsschlusses, nämlich am 17.05.2012, erhalten. Seitdem befand sich das Fahrzeug in seinem Besitz und ist auch bei ihm sichergestellt worden. Mithin kann das Fahrzeug einem X nicht wie in der Anzeige dargestellt in der Nacht vom 12.06. auf den 13.06.2012 entwendet worden sein. Mithin bestehen an der Richtigkeit der der Anzeige zugrunde liegenden Angaben erhebliche Bedenken. Davon scheint ausweislich des Schreibens seiner Bevollmächtigten vom 27.11.2012 an die Kriminalinspektion K. nunmehr auch der Kläger auszugehen.
Zusätzlich lassen sich der Anzeige keine näheren Einzelheiten dazu entnehmen, wie es zu der Entwendung gekommen sein soll. Nähere Erkenntnisse dazu wären aber erforderlich, weil lediglich ein Diebstahl einen gutgläubigen Erwerb ausschließt, nicht aber etwa eine Unterschlagung (vgl. dazu MünchKomm-BGB/Oechsler, 5. Aufl. [2009], § 935 Rn. 3).
Weiterhin besteht kein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I, 433 I 2, 435 BGB und auch kein Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages gemäß §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 435, 323 I, 346 wegen eines Rechtsmangels.
Ein Rechtsmangel folgt nicht aus der Sicherstellung des Fahrzeugs.
Unter den Begriff der Rechte Dritter i. S. des § 435 Satz 1 BGB fallen zwar auch öffentlich-rechtliche Befugnisse wie eine staatliche Sicherstellung bzw. Beschlagnahme, sofern diese tatsächlich ausgeübt wird, zu Recht erfolgt und den Verfall der Sache zur Folge haben kann (vgl. dazu OLG Hamm, Urt. v. 29.03.2012 – I-28 U 150/11, NJW-RR 2012, 1441).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Freiheit von Rechtsmängel ist der Eigentumsübergang (vgl. dazu OLG Hamm, Urt. v. 20.01.2011 – I-28 U 139/10). Zu diesem Zeitpunkt lagen allerdings die Voraussetzungen für ein staatliches Handeln noch nicht vor. Denn die Anzeige, die der Sicherstellung zugrunde lag, erfolgte wie ausgeführt erst nach der Eigentumsübertragung.
Abgesehen davon hätte der Kläger den Beklagten zunächst eine Nachfrist setzen müssen, um für die Freigabe des Fahrzeugs zu sorgen und es gegebenenfalls vom – vermeintlichen – wahren Eigentümer zu erwerben (vgl. dazu OLG Hamm, Urt. v. 29.03.2012 – I-28 U 150/11, NJW-RR 2012, 1441). Eine Nachfristsetzung wäre nur entbehrlich gewesen, wenn sich der Diebstahlsverdacht erhärtet und der wahre Eigentümer nicht zum Verkauf bereit gewesen wäre (vgl. dazu OLG Hamm, Urt. v. 29.03.2012 – I-28 U 150/11, NJW-RR 2012, 1441). Dies ist aber nicht dargetan. Ebenso war eine Nachfristsetzung auch nicht unzumutbar. Denn es ist nicht hinreichend vorgetragen, dass die Beklagte von einer vermeintlichen Entwendung Kenntnis hatte, zumal die Anzeige erst nach Verkauf erfolgt ist und eine Zulassung des Fahrzeugs auf den Geschäftsführer der Beklagten möglich gewesen ist.
Auch war der Kläger nicht berechtigt, den Rücktritt vom Vertrag wegen vermeintlicher Sachmängel zu erklären.
Soweit sich der Kläger zur Begründung eines Rücktrittrechts darauf beruft, dass in das Fahrzeug Wasser in die Rücklichter eingedrungen sei, die Beklagte ihm bis heute keine funktionsfähigen Schlüssel zur Verfügung gestellt habe, der Elektrolüfter defekt gewesen sei, und er auch keine Unterlagen erhalten habe, mit denen er das Fahrzeug habe zulassen können, fehlt es für die Wirksamkeit des Rücktritts bereits an einer Nachfristsetzung. Der Kläger hat nicht vorgetragen, wann er konkret der Beklagten eine Frist zur Behebung dieser Mängel gesetzt hätte. Im anwaltlichen Schreiben vom 30.05.2012 hat er lediglich auf einen defekten Zweitschlüssel und eingedrungenes Wasser hingewiesen. Eine Nachfristsetzung enthält das Schreiben aber nicht.
Abgesehen davon hat die Beklagte noch im Prozesskostenhilfeverfahren durchaus Bereitschaft erklärt, in die Rücklichter eingedrungenes Wasser auf ihre Kosten zu beseitigen.
Auf die Frage, ob die gerügten Mängel tatsächlich vorliegen, kam es daher nicht an.
Ein Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages ergibt sich auch nicht aus dem vom Kläger mit Schreiben vom 29.05.2012 erklärten Rücktritt. Auf diesen hat sich der Kläger im vorliegenden Verfahren zum einen nicht mehr berufen. Zum anderen hat er nach dem erklärten Rücktritt die von ihm begehrte Zulassungsbescheinigung Teil II erhalten und wollte das Fahrzeug anschließend zulassen, womit er selbst zum Ausdruck gebracht hat, an dem Kaufvertrag weiter festhalten zu wollen. …