- Der Käufer eines Neuwagens der Mittelklasse (hier: CITROËN Grand C4 Picasso), der ab Werk zum Preis von 39.110 € angeboten wird, darf erwarten, dass das Fahrzeug kein Getriebe hat, bei dem die Kraftübertragung mitunter bis zu vier Sekunden unterbrochen ist.
- Ein Kfz-Käufer gibt dadurch, dass er sein Fahrzeug nach einem mangelbedingten Rücktritt vom Kaufvertrag zunächst weiternutzt, nicht zu erkennen, dass er selbst den Mangel als nicht erheblich ansieht.
KG, Urteil vom 19.04.2013 – 4 U 208/11
Sachverhalt: Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Neufahrzeug in Anspruch. Er verlangt außerdem, von Ansprüchen der B-Bank, die den Fahrzeugkauf im Rahmen eines Leasingvertrags finanziert hat, freigestellt zu werden.
Das Landgericht hat die Beklagte nach Einholung eines Sachverständigengutachtens antragsgemäß verurteilt, an den Kläger 5.449,25 € zurückzuzahlen und ihn von Ansprüchen der finanzierenden Bank aus dem Leasingvertrag freizustellen. Es hat außerdem festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich einer Entschädigung, die der Kläger für die Nutzung des Fahrzeugs bis zu dessen – bereits erfolgter – Rückgabe zu zahlen hat, in der Hauptsache erledigt ist.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Kläger habe als Partei des Kfz-Kaufvertrags einen Anspruch darauf, dass dieser rückabgewickelt werde. Das erworbene Fahrzeug habe einen nicht unerheblichen Mangel, weil es im Bereich der Kraftübertragung zu Funktionsstörungen komme. Dem stehe nicht entgegen, dass der Sachverständige insgesamt rund 1.000 Kilometer mit dem Fahrzeug zurückgelegt habe und Auffälligkeiten dabei nur ein Mal aufgetreten seien. Schließlich genüge im Rahmen des § 323 V 2 BGB schon der nicht auszuräumende Verdacht eines schwerwiegenden Mangels.
Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: B. … I. Der Kläger kann … von der Beklagten die Rückzahlung … von 5.549,25 € nebst Zinsen in Gestalt der für den Erwerb des … Fahrzeugs bisher geleisteten Zahlungen abzüglich der für den Ausgleich der gezogenen Nutzungen in Ansatz zu bringenden Entschädigungsbeträge verlangen (§ 346 I BGB i. V. mit §§ 433 I 2, 434 I, 437 Nr. 2, 323 BGB).
Denn dem Kläger steht … ein Rücktrittsrecht wegen eines Mangels des streitgegenständlichen Fahrzeugs nach den §§ 437 Nr. 2, 323 BGB zu. Die … Einwendungen [der Beklagten] führen nicht zu einer anderen Wertung.
1. Dem Kläger fehlt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht die für die Geltendmachung eines Rücktrittsrechts erforderliche Aktivlegitimation.
a) Dem Kläger steht bereits ein Anspruch auf Rückzahlung des für den Erwerb des Fahrzeugs geleisteten Kaufpreises aus eigenem Recht zu. Denn zwischen den Parteien ist ein Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug i. S. des § 433 BGB zustande gekommen. Den Abschluss eines Kaufvertrags mit der finanzierenden Bank als Leasinggeberin legt die Beklagte nicht substanziiert dar. Der als Anlage zur Klageschrift eingereichte Kaufvertrag führt als Besteller des Fahrzeugs und Vertragspartner der Beklagten vielmehr den Kläger selbst auf. Auch die Auftragsbestätigung vom 02.05.2007 ist auf den Kläger und nicht auf die Leasinggeberin ausgestellt.
Der ebenfalls unter dem 02.05.2007 zwischen dem Kläger und der B-Bank abgeschlossene Leasingvertrag war hier nur Finanzierungsmittel für den an die Beklagte für das Fahrzeug zu entrichtenden Kaufpreis.
b) Darüber hinaus kann der Kläger die Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises auch aus abgetretenem Recht (§ 398 BGB) der B-Bank … verlangen. In Ziffer 4 Nr. 1 lit. a der Allgemeinen Bedingungen der B-Bank hat diese eine Abtretung ihrer Rechte und Ansprüche gegen den Lieferanten des Leasingobjekts, das heißt gegen die Beklagte, wegen Pflichtverletzung an den Leasingnehmer, das heißt den Kläger, erklärt, wobei der Leasingnehmer … sogar verpflichtet ist, die abgetretenen Rechte und Ansprüche gegebenenfalls auch gerichtlich geltend zu machen und durchzusetzen.
Auch die inzwischen erfolgte Rückgabe des Fahrzeugs lässt die Aktivlegitimation des Klägers aus abgetretenem Recht nicht wieder entfallen. Denn die erklärte Abtretung war weder zeitlich befristet, noch stand sie unter einer entsprechenden Bedingung (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.01.2008 – I-17 U 2/07).
2. Entgegen der Ansicht der Beklagten weist das streitgegenständliche Fahrzeug einen Sachmangel i. S. des § 434 I BGB auf, der den Kläger zu der mit Schreiben vom 27.07.2008 verlangten Rückabwicklung des Kaufvertrags im Wege des Rücktritts gemäß den §§ 437 Nr. 2, 323 BGB berechtigte. Denn aufgrund der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme steht auch zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass sich die Behauptung des Klägers bestätigt hat, es liege ein Mangel im Bereich der Kraftübertragung vor. Die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden.
a) Hinsichtlich der Frage der Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs kann der Kläger allerdings nicht schon einwenden, es handele sich um eine Frage, die der Entscheidung des Tatrichters obliege und mit der Berufung nicht angreifbar sei. Zwar weist der Kläger zutreffend darauf hin, die Frage, ob ein Mangel des streitgegenständlichen Fahrzeugs gegeben sei, unterliege der tatrichterlichen Beurteilung. Allerdings ist die Berufung im Gegensatz zur Revision eine weitere, allerdings unter Berücksichtigung der §§ 529 ff. ZPO eingeschränkte Tatsacheninstanz, in der unter anderem auch die Beweiswürdigung der Überprüfung durch das Berufungsgericht unterliegt.
Nach § 529 I Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Aus dieser Bestimmung ist nicht herzuleiten, dass die Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts hinsichtlich der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung auf Verfahrensfehler und damit auf den Umfang beschränkt wäre, in dem eine zweitinstanzliche Tatsachenfeststellung der Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt. Denn die Aufgabe der Berufungsinstanz als zweite – wenn auch eingeschränkte – Tatsacheninstanz besteht auch nach der Reform des Zivilprozesses in der Gewinnung einer „fehlerfreien und überzeugenden“ und damit „richtigen", das heißt der materiellen Gerechtigkeit entsprechenden Entscheidung des Einzelfalls. Das Berufungsgericht ist an die vorinstanzliche Tatsachenfeststellung bereits dann nicht mehr gebunden, wenn „konkrete Anhaltspunkte“ Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Für die Bindung des Berufungsgerichts an die Tatsachenfeststellung des erstinstanzlichen Gerichts genügt es – im Gegensatz zur revisionsrechtlichen Regelung (§ 559 II ZPO) – somit nicht, dass die vorinstanzliche Tatsachenfeststellung keine Verfahrensfehler aufweist; auch verfahrensfehlerfrei getroffene Tatsachenfeststellungen sind für das Berufungsgericht nach § 529 I Nr. 1 ZPO nicht bindend, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Feststellungen unvollständig oder unrichtig sind. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen können sich auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertung ergeben, insbesondere daraus, dass das Berufungsgericht das Ergebnis einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme anders würdigt als das Gericht der Vorinstanz. Wenn sich das Berufungsgericht von der Richtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung nicht zu überzeugen vermag, so ist es an die erstinstanzliche Beweiswürdigung, die es aufgrund konkreter Anhaltspunkte nicht für richtig hält, nicht gebunden, sondern zu einer erneuten Tatsachenfeststellung nach der gesetzlichen Neuregelung nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet (vgl. BGH, Urt. v. 09.05.2005 – VIII ZR 266/03 Rn. 5 ff. m. w. Nachw.).
b) Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten, sind hier allerdings nicht gegeben. Die Beweiswürdigung des Landgerichts gibt zu Beanstandungen keinen Anlass. In der Tat steht aufgrund der Feststellungen des vom Landgericht mit der Erstellung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens beauftragten Sachverständigen H fest, dass das streitgegenständliche Fahrzeug einen Mangel im Bereich der Kraftübertragung aufwies.
Denn der Sachverständige H führt zum einen in seinem Ergänzungsgutachten vom 17.12.2010 aus, er habe während einer Fahrt festgestellt, dass bei einem Anfahrvorgang aus dem Stillstand heraus ein plötzlicher Leistungsverlust bzw. Leistungsabfall für eine Dauer von vier Sekunden aufgetreten sei und bei einer Geschwindigkeit von etwa 10–15 km/h das Fahrzeug plötzlich keinen Vortrieb mehr aufgewiesen habe. Diese vom Kläger behauptete und vom Sachverständigen festgestellte Funktionsstörung der Kraftübertragung ist in Übereinstimmung mit der Wertung des Landgerichts als ein Mangel betreffend Kupplung bzw. Getriebe anzusehen. Überzeugend führt das Landgericht dazu aus, dass es sich dabei um einen Bereich handelt, der für die originäre Funktionalität des Fahrzeugs als Mittel der Fortbewegung von zentraler Bedeutung ist.
aa) Die Beklagte kann dagegen nicht mit Erfolg einwenden, hier solle … ein erheblicher Sachmangel angenommen werden, obwohl auch der Sachverständige lediglich eine einmalige „Auffälligkeit“ habe feststellen können. Denn der Sachverständige hat – worauf bereits das Landgericht hingewiesen hat – nicht nur eine einmalige „Auffälligkeit“ beschrieben. Vielmehr hat der Sachverständige die Störung im Bereich der Kraftübertragung ausweislich seiner Ausführungen in seinem Ergänzungsgutachten vom 17.12.2010 einmal am 16.09.2010 bei einem Anfahrvorgang bei einer Geschwindigkeit von ca. 10–15 km/h festgestellt. Er beschreibt das Auftreten dieses Phänomens einer kurzen Unterbrechung der Kraftübertragung aber auch schon in seinem Erstgutachten vom 30.09.2009, und zwar insoweit bei einer Geschwindigkeit von ca. 160 km/h.
Damit sieht der Senat auch die Behauptung des Klägers bestätigt, dass sich solche Unterbrechungen der Kraftübertragung auch schon vorher ereignet haben. Insbesondere ist für den von der Beklagten vorgebrachten Einwand kein Raum, eine Häufigkeit des Mangels könne nicht nur deshalb unterstellt werden, weil der Kläger solches im selbstständigen Beweisverfahren und erstinstanzlich behauptet hatte. Denn hier ist besonders zu berücksichtigen, dass der Kläger die Symptome des von ihm behaupteten Mangels sehr exakt beschrieben hat und dem die Feststellungen des Sachverständigen H in ihrer genauen Ausgestaltung entsprechen. So hat der Kläger in seinem Antrag … auf Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens ausgeführt, teilweise dauere es bis zu vier Sekunden nach dem Gasgeben, bis die Kraftübertragung beginne. Nach den Feststellungen des Sachverständigen trat bei der von ihm am 16.09.2010 durchgeführten Probefahrt ein Leistungsverlust von ebenfalls etwa vier Sekunden auf. Zudem hat sich auch die weitere Behauptung des Klägers aus dessen Schriftsatz vom 26.01.2009 bestätigt, bei Geschwindigkeiten von ca. 150 km/h komme es zu einem kurzen Abbrechen der Kraftübertragung. Dem entsprechen die Feststellungen des Sachverständigen, der in seinem Erstgutachten vom 30.09.2009 eine kurze Unterbrechung der Kraftübertragung bei einer Geschwindigkeit von ca. 160 km/h beschrieben hat.
Der Senat vermag auch nicht aufgrund des in der Berufungsverhandlung geäußerten Hinweises der Beklagten auf die Besonderheiten des Automatikgetriebes nur von einem einmaligen Auftreten des Fehlers auszugehen. Denn der Sachverständige H … hat in seinem Erstgutachten vom 30.09.2009 die von ihm festgestellte Unterbrechung der Kraftübertragung gerade als Auffälligkeit beschrieben, konnte jedoch ohne weitere zeit- und kostenintensive Untersuchungen nicht sagen, ob dies auf einen Defekt zurückzuführen sei oder es sich um einen softwarebedingten „gewollten“ elektronischen Eingriff handele. Weitere Untersuchungen hat der Sachverständige sodann zwecks Erstellung seines Ergänzungsgutachtens durchgeführt und dabei den plötzlichen Leistungsverlust von etwa vier Sekunden festgestellt.
Die Beklagte kann des Weiteren nicht mit Erfolg darauf verweisen, insbesondere elektronische Steuerungsgeräte unterlägen Auffälligkeiten; bei einem Personalcomputer werde dies allgemein gebräuchlich so bezeichnet, dass er sich „aufgehangen“ habe, aber durch einfaches „Resetten“ beanstandungsfrei weitergenutzt werden könne. Indes sind die aufgetretenen Auffälligkeiten im Bereich der Kraftübertragung bei dem klägerischen Fahrzeug gerade nicht nur einmal aufgetreten und somit nicht mittels Neustarts zu beseitigen.
bb) Auch eine erneute Beweisaufnahme ist nicht veranlasst, soweit die Beklagte geltend macht, auch andere, nicht in ihren Verantwortungsbereich fallende Ursachen außerhalb der Elektronik seien für das Auftreten des Phänomens denkbar, zum Beispiel Verunreinigungen im Kraftstoff. Die von der Beklagten angeführte allgemeine Möglichkeit anderer Ursachen stellt … keine ausreichend substanziierte Behauptung einer anderen Fehlerursache im Rahmen eines ordnungsgemäßen Beweisantritts … dar. Die Beklagte behauptet selbst nicht, es habe bei jeder Unterbrechung der Kraftübertragung eine Verunreinigung vor der Einspritzdüse … die Kraftstoffversorgung gestört. Die bloße Möglichkeit, dass in einem Falle eine Verunreinigung die Kraftstoffversorgung gestört haben kann, schließt einen für die weiteren Fälle der Unterbrechung der Kraftübertragung ursächlichen Mangel nicht aus.
3. Der Senat vermag auch nicht dem weiteren Einwand der Beklagten zu folgen, die Rückabwicklung des Vertrages scheitere jedenfalls an § 323 V 2 BGB. In der Tat kann nach der genannten Vorschrift, obwohl der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt hat, der Gläubiger dann nicht vom Vertrag zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.
a) Indes sieht der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht die in einem Mangel der Kaufsache liegende Pflichtverletzung der Beklagten nicht als unerheblich i. S. des § 323 V 2 BGB an. Zutreffend ist zunächst der vom Landgericht für die Klärung der Erheblichkeitsfrage gewählte Ansatz. Denn in der Tat erfordert die Erheblichkeitsprüfung eine umfassende Interessenabwägung; zu berücksichtigen sind vor allem der für die Mängelbeseitigung erforderliche Aufwand und bei einem nicht behebbaren Mangel die von ihm ausgehende funktionelle und ästhetische Beeinträchtigung, wobei der nicht ausräumbare Verdacht eines nicht ganz unerheblichen Mangels ausreicht (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl. [2013], § 323 Rn. 32).
Die danach vorzunehmende Abwägung der Interessen des Gläubigers an einer Rückabwicklung des Vertrags und der Interessen des Schuldners am Bestand des Vertrages fällt hier … unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zugunsten des Klägers aus. Zum einen ist der vom Sachverständigen festgestellte Mangel der Kraftübertragung im Bereich Kupplung/Getriebe nicht deshalb unerheblich, weil er nur einmal aufgetreten ist. Wie bereits vorstehend ausgeführt, ist nicht lediglich von einer einmaligen Auffälligkeit auszugehen, weil sich genau der vom Kläger geschilderte Mangel bei den Untersuchungen des Sachverständigen gezeigt hat.
Auch der Hinweis der Beklagten, für die Frage der Erheblichkeit der Pflichtverletzung des Verkäufers komme es auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung an, wenn – wie hier unstreitig der Fall – die Mangelursache im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ungeklärt ist (vgl. BGH, Urt. v. 29.06.2011 – VIII ZR 202/10 Rn. 21), führt nicht zu einem überwiegenden Interesse der Beklagten am Bestand des Vertrages. Vorliegend ist vielmehr von einem erheblichen Mangel auszugehen, für den dem Kläger ein Rücktrittsrecht zuzubilligen und eine Verweisung auf eine Minderung nicht als angemessen und ausreichend anzusehen ist. Durch die bereits mehrfach aufgetretenen Unterbrechungen der Kraftübertragung wird die Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeugs nämlich mehr als nur unerheblich beeinträchtigt.
Maßstab ist insoweit das Niveau, das nach Typ, Alter und Laufleistung vergleichbarer Fahrzeuge anderer Hersteller erreicht wird und das der Markterwartung entspricht (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.01.2008 – I-17 U 2/07; OLG Köln, Urt. v. 27.04.2010 – I-15 U 185/09). Danach kann der Kläger erwarten, dass das zum allgemeinen Straßenverkehr zugelassene Fahrzeug in dem Segment der Mittelklasse kein Getriebe hat, dessen Kraftübertragung mitunter bis zu vier Sekunden unterbrochen ist. Bei einem CITROËN Grand C4 Picasso, der als Neuwagen mit einem in der Auftragsbestätigung vom 02.05.2007 genannten Preis ab Werk von 39.110 € bei einem Nachlass von 8.408 € zum Barzahlungspreis von 30.702 € verkauft wurde, gehen die Parteien aufgrund des Anspruchs der Marke auf dem Pkw-Markt und der hochwertigen Baureihe angesichts des gezahlten Preises von besonderer Qualität, technischer Zuverlässigkeit und Reife sowie überdurchschnittlichem Komfort aus. Daher ist aufgrund der Pflicht der Beklagten zur mangelfreien Lieferung gemäß § 433 I 2 BGB die Schwelle der Unerheblichkeit der Pflichtverletzung niedrig anzusetzen.
Insbesondere ist die Kraftübertragung für den Betrieb des Fahrzeugs wesentlich, weil bei deren Ausfall oder auch nur bei einer Verzögerung der Schaltung im Rahmen einer Gefahrsituation das Fahrzeug nicht sicher gefahren werden kann. Der Kläger kann nämlich nicht übersehen, ob und wann der Mangel der Kraftübertragung auftreten wird, in welcher Verkehrssituation er auf die Leistungen einer ordnungsgemäß funktionierenden Kraftübertragung auch im Ein-Sekunden-Bereich angewiesen sein wird. Es ist für einen Fahrer besonders unangenehm, wenn er sich wie hier auf das Auftreten des Mangels nicht einstellen kann, sondern von ihm aufgrund fehlender Reproduzierbarkeit und Erkennbarkeit in einer Fahrsituation plötzlich deutlich wahrnehmbar überrascht wird. Allein deswegen liegt in dem Mangel nicht nur ein Komfortmangel, sondern auch ein die Verkehrssicherheit gefährdender Mangel (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.01.2008 – I-17 U 2/07 zu einem Mangel des Getriebes).
Für die Bejahung eines erheblichen, zum Rücktritt und nicht nur zur Minderung berechtigenden Mangels spricht hier auch der Umstand, dass nach der Überzeugung des Senats ein durchschnittlicher Käufer ein Fahrzeug mit einem solchen Mangel nicht zu einem niedrigen Kaufpreis erwerben würde, sondern vielmehr vom Kauf Abstand nehmen würde (vgl. zu diesem Abgrenzungskriterium BGH, Urt. v. 05.11.2008 – VIII ZR 166/07 Rn. 19). Denn ein Fahrzeug, dessen Kraftübertragung in nicht vorhersehbaren Situationen für eine Zeitspanne bis zu vier Sekunden unterbrochen sein kann, kann ein Sicherheitsrisiko beinhalten und entspricht nicht den oben genannten Erwartungen des Marktes.
Auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten in der Berufungsverhandlung angeführten Entscheidung des BGH (Urt. v. 09.03.2011 – VIII ZR 266/09 Rn. 17) ist die Wirksamkeit des Rücktritts nicht wegen einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung i. S. des § 323 V 2 BGB zu verneinen. Wenn auch in der der Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Fallgestaltung bei einer von einem Sachverständigen durchgeführten Probefahrt mehrmals in kurzer Folge Verbrennungsaussetzer auftraten, sodass das Fahrzeug angehalten und neu gestartet werden musste, ist daraus nicht im Umkehrschluss zu folgern, dass nur bei dem dort beschriebenen Ausmaß der Beeinträchtigung eine Erheblichkeit gegeben ist. Vielmehr führt der BGH in der genannten Entscheidung (unter Rn. 17 a. E.) ausdrücklich aus, Einschränkungen der Gebrauchstauglichkeit, die nicht nur den Fahrkomfort schmälern, sondern je nach der Verkehrssituation, in der sie auftreten, darüber hinaus die Verkehrssicherheit beeinträchtigen können, stellten, auch wenn sie nur sporadisch auftreten, einen erheblichen Mangel dar. So liegt der Fall hier im Hinblick auf die nur sporadisch auftretende und nicht reproduzierbare Unterbrechung der Kraftübertragung bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug.
b) Dem Landgericht ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vorzuwerfen, es habe den Umstand nicht ausreichend gewürdigt, dass der Kläger das Fahrzeug trotz des von ihm als erheblich angesehenen Mangels bis zum Ende des Leasingzeitraums weiter genutzt hat, nämlich nach dem Rücktrittsbegehren noch über drei Jahre und mehrere zehntausend Kilometer.
aa) Die unstreitig erfolgte Weiternutzung des Fahrzeugs steht nicht der Bejahung eines erheblichen Mangels entgegen. Insbesondere hat der Kläger mit der fortgesetzten Nutzung des Wagens nicht zum Ausdruck gebracht, er halte den Mangel selbst für unerheblich bzw. die Sicherheit nicht beeinträchtigend.
Zum einen ist für die Beurteilung der Frage, ob die auf der Mangelhaftigkeit des gelieferten Fahrzeugs beruhende Pflichtverletzung unerheblich ist und deshalb das Rücktrittsrecht des Käufers ausschließt, auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 09.03.2011 – VIII ZR 266/09 Rn. 18; Urt. v. 05.11.2008 – VIII ZR 166/07 Rn. 19). Die Weiternutzung des Fahrzeugs kann daher die einmal gegebene Erheblichkeit nicht wieder entfallen lassen.
Einen Rechtssatz dahin, die Weiternutzung der Kaufsache könne bei längerer Nutzung nicht mehr angenommen werden, vermag der Senat auch nicht den Ausführungen des OLG Düsseldorf in dessen Urteil vom 23.03.2011 – I-3 U 47/10 – … zu entnehmen. Die dortige Fallgestaltung ist mit der hiesigen im Übrigen nicht vergleichbar. In dem dem OLG Düsseldorf vorliegenden Fall ging es um einen die Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeugs nicht nennenswert einschränkenden Mangel, der sich mühelos mit Kosten unterhalb der Bagatellgrenze beheben ließ. Dem Käufer, der das Fahrzeug ebenfalls noch mehrere Jahre und mehrere zehntausend Kilometer genutzt hatte, könne daher – so das OLG Düsseldorf – zugemutet werden, sich mit einer Minderung des Kaufpreises zu begnügen. Im vorliegenden Falle handelt es sich jedoch um einen Mangel, der die Gebrauchstauglichkeit des Wagens durchaus beeinträchtigt und der auch mangels erkannter Ursache nicht behoben werden konnte.
Im Übrigen würde die Aufstellung eines Rechtsgrundsatzes, dass ein Käufer, der ein Fahrzeug nach einem Rückabwicklungsverlangen über längere Zeit weiter nutzt, damit zu erkennen gebe, er sehe den Mangel selbst nicht als erheblich an, zu willkürlichen und von der Rechtsordnung nicht zu billigenden Ergebnissen führen. Zum einen hätten Fahrzeugverkäufer dann zumeist im Falle eines Rücktrittsbegehrens ein Interesse daran, die Rückabwicklung möglichst lange zu verweigern in der Hoffnung, dass ihr Käufer das Fahrzeug bis zum Ende der vereinbarten Nutzung oder gar bis zur rechtskräftigen Klärung des Rücktrittsbegehrens weiternutzt, weil er auf die Nutzung angewiesen ist. Zum anderen würden lange Gerichtslaufzeiten den Verkäufern zugutekommen, ohne dass diese mit der Erheblichkeit eines Mangel in irgendeinem Zusammenhang stehen.
bb) Im Übrigen bestand auch keine Verpflichtung des Klägers, die Fahrzeugnutzung einzustellen, weder als Haupt- noch als Nebenpflicht aus dem Kauf- bzw. Leasingvertrag. Hätte der Kläger, der geltend macht, auf die Fahrzeugnutzung angewiesen zu sein, sich ein Ersatzfahrzeug beschafft, wären anderweitige Kosten angefallen. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass der Kläger mit der Erklärung des Rücktritts und auch der gerichtlichen Geltendmachung seines Rückabwicklungsverlangens nicht sicher davon ausgehen konnte, sein Begehren auch erfolgreich durchsetzen zu können. Dass eine weitere Nutzung stattgefunden hat, hat der Kläger bereits mit der von ihm selbst vorgenommenen Anrechnung der Nutzungsentschädigung berücksichtigt.
cc) Eine andere Wertung ist auch nicht deshalb veranlasst, weil die Beklagte meint, die zwischen den tatsächlichen und den vertraglich vereinbarten Aufwendungen des Klägers für die Fahrzeugnutzung liegende große Differenz beruhe auf einer vom Kläger bewusst gewählten Konstruktion. Für eine vom Kläger bewusst gewollte Gestaltung fehlen jegliche Anhaltspunkte. Das Rückabwicklungsverlangen des Klägers stammt bereits vom Juli 2008. Von diesem Zeitpunkt an wollte der Kläger das Fahrzeug zurückgeben und es gerade nicht weiternutzen. Die Beklagte hat sich jedoch dem Rückabwicklungsverlangen widersetzt und damit eine schnelle Rückabwicklung im Anfangszeitraum des Leasingvertrags bei erst in geringer Höhe entstandenen Kosten unmöglich gemacht.
Der Beklagten ist auch nicht darin zu folgen, der Kläger habe das Fahrzeug nach dem Rücktrittsbegehren weitestgehend unbeanstandet genutzt. Der Kläger hat vielmehr das Vorhandensein weiterer Mängel sowie das wiederholte Auftreten der Unterbrechung der Kraftübertragung auch innerhalb der Benutzungszeit nach dem Rückabwicklungsverlangen weiter moniert.
4. Eine Fristsetzung zur Mängelbeseitigung war … nach § 323 II Nr. 1 BGB entbehrlich, weil die Beklagte von Anfang an eine Leistung ernsthaft und endgültig verweigert hat und einen Mangel durchgängig in Abrede stellt …
II. Zu Recht hat das Landgericht auch erkannt, dass dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Freistellung von den Ansprüchen der B-Bank aus dem Leasingvertrag zusteht. Der Anspruch folgt aus § 257 BGB i. V. mit §§ 437 Nr. 3, 280 BGB im Hinblick auf die Mangelhaftigkeit der Kaufsache. Zur Begründung wird auf die vorstehenden Ausführungen unter I. verwiesen.
III. Schließlich hat das Landgericht auch zutreffend wegen der vom Kläger im weiteren Verlauf des Rechtsstreits getätigten Nutzung des Fahrzeugs und der dafür anzurechnenden Nutzungsentschädigung von weiteren 4.926,60 € die Erledigung der Hauptsache im Übrigen festgestellt …