1. Die Über­ga­be der Kauf­sa­che ist als Re­alakt nicht an­fecht­bar.
  2. Nimmt der Käu­fer den Ver­käu­fer kla­ge­wei­se nicht nur auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses, son­dern – ge­stützt auf § 823 I BGB i. V. mit § 263 I StGB oder § 826 BGB – auch auf Er­satz vor­ge­richt­lich auf­ge­wen­de­ter Sach­ver­stän­di­gen­kos­ten in An­spruch, so han­delt es sich in­so­weit nicht um ei­ne streit­wert­neu­tra­le Ne­ben­for­de­rung i. S. von § 4 I Halb­satz 2 ZPO, § 43 I GKG.

OLG Ros­tock, Ur­teil vom 21.05.2024 – 7 U 92/22

Sach­ver­halt: Der Klä­ger nimmt den Be­klag­ten, von dem er im Jahr 2020 ei­nen Old­ti­mer kauf­te, der ihm erst im Jahr 2021 über­ge­ben wur­de, auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses für das Fahr­zeug so­wie auf Er­satz von Rechts­an­walts- und Sach­ver­stän­di­gen­kos­ten in An­spruch. Er macht gel­tend, er ha­be den mit dem Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag so­wie ei­nen spä­ter – nach Über­ga­be des Fahr­zeugs – mit dem Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Ver­gleich we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung wirk­sam an­ge­foch­ten.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge un­ter Auf­recht­er­hal­tung ei­nes zu­vor er­gan­ge­nen (kla­ge­ab­wei­sen­den) Ver­säum­nis­ur­teils ab­ge­wie­sen. Zur Be­grün­dung hat es im We­sent­li­chen dar­auf ab­ge­stellt, dass sich der Old­ti­mer bei Ab­schluss des streit­ge­gen­ständ­li­chen Kauf­ver­trags in ei­nem un­strei­tig nicht ver­kehr­stüch­ti­gen Zu­stand be­fun­den ha­be und der Be­klag­te es des­halb über­nom­men ha­be, das Fahr­zeug bis zur Über­ga­be an den Klä­ger „TÜV-taug­lich“ zu ma­chen und die Vor­aus­set­zun­gen für ein so­ge­nann­tes Old­ti­mer-Gut­ach­ten zu schaf­fen. In­so­fern kön­ne der Be­klag­te den Klä­ger bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags nicht arg­lis­tig ge­täuscht ha­ben. Die (spä­te­re) Über­ga­be des Fahr­zeugs kön­ne der Klä­ger schon des­halb nicht wirk­sam an­ge­foch­ten ha­ben, weil es sich da­bei um ei­nen Re­alakt han­de­le und nur Rechts­ge­schäf­te an­fecht­bar sei­en. Auch den nach der Über­ga­be des Old­ti­mers ge­schlos­se­nen Ver­gleich, mit dem der Klä­ger um­fas­send auf Ge­währ­leis­tungs­rech­te ver­zich­tet und im Ge­gen­zug von dem Be­klag­ten 5.000 € er­hal­ten hat, ha­be der Klä­ger nicht wirk­sam an­ge­foch­ten. Zwar ha­be sich sei­ne An­fech­tungs­er­klä­rung er­kenn­bar auch auf die­sen Ver­gleich und nicht nur auf den Kauf­ver­trag be­zo­gen. Dem Be­klag­ten sei aber (auch) hin­sicht­lich des Ver­gleichs kei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung vor­zu­wer­fen.

Mit sei­ner (zu­läs­si­gen) Be­ru­fung hat der Klä­ger sein erst­in­stanz­li­ches Be­geh­ren un­ver­än­dert wei­ter­ver­folgt. Er hat be­an­tragt, den Be­klag­ten un­ter Ab­än­de­rung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils – je­weils nebst Zin­sen – zur Zah­lung von 43.165,50 € Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des streit­ge­gen­ständ­li­chen Old­ti­mers, zum Er­satz au­ßer­ge­richt­lich an­ge­fal­le­ner Rechts­an­walts­kos­ten (2.162,23 €) und zum Er­satz von Kos­ten für ein Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten in Hö­he von 1.895,66 € zu ver­ur­tei­len. Dar­über hin­aus hat der Klä­ger die Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs des Be­klag­ten be­gehrt.

Das Be­ru­fungs­ge­richt hat dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es be­ab­sich­ti­ge, die Be­ru­fung ge­mäß § 522 II 1 ZPO zu­rück­zu­wei­sen, weil sie of­fen­sicht­lich kei­ne Aus­sicht auf Er­folg ha­be, die Rechts­sa­che kei­ne grund­sätz­li­che Be­deu­tung ha­be, we­der die Fort­bil­dung des Rechts noch die Si­che­rung ei­ner ein­heit­li­chen Recht­spre­chung ei­ne Ent­schei­dung des Be­ru­fungs­ge­richts er­for­de­re und die Durch­füh­rung ei­ner münd­li­chen Ver­hand­lung nicht ge­bo­ten sei.

Aus den Grün­den: II. Die zu­läs­si­ge Be­ru­fung (§§ 511 ff. ZPO) ist nicht be­grün­det. Sie wird da­her ab­seh­bar oh­ne Er­folg blei­ben.

1. Vor­aus­zu­schi­cken ist, dass der Se­nat das klä­ge­ri­sche Rechts­mit­tel­ziel im We­ge der Aus­le­gung (§§ 133, 157 BGB ana­log) sinn­ge­mäß da­hin ver­steht, dass der Be­klag­te un­ter Auf­he­bung des nach § 330 ZPO er­gan­ge­nen Ver­säum­nis­ur­teils ge­mäß § 343 Satz 2 ZPO ent­spre­chend den be­reits in ers­ter In­stanz gleich­lau­tend for­mu­lier­ten Sach­an­trä­gen ver­ur­teilt wer­den soll und dass in­so­fern ers­tens der Zug-um-Zug-Vor­be­halt nicht al­lein auf die Rück­über­eig­nung ab­stellt, son­dern auch auf die Rück­ga­be (arg. § 433 I 1 BGB), und dass zwei­tens ein Zins­satz in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten – nicht fünf Pro­zent – über dem Ba­sis­zins­satz ge­meint ist (vgl. § 288 I 2 BGB; Be­ckOK-BGB/​Lo­renz, Stand: 01.02.2024, § 288 Rn. 4 m. w. Nachw.).

2. Das sol­cher­ma­ßen ver­stan­de­ne Rechts­schutz­ziel kann kei­nen Er­folg ha­ben, weil die (zu­läs­si­ge) Kla­ge – auch im er­wei­ter­ten Um­fang – un­be­grün­det ist.

a) Ob der Klä­ger sei­ne An­fech­tungs­er­klä­rung (§ 143 BGB) zu­min­dest auch auf die Fahr­zeug­über­ga­be be­zo­gen hat, kann of­fen­blei­ben. In­so­fern näm­lich hat das Land­ge­richt zu Recht dar­auf ab­ge­stellt, dass die Über­ga­be (vgl. §§ 854 I, 929 Satz 1 BGB) als Re­alakt nicht an­fecht­bar ist. Nur in dem – hier un­strei­tig nicht in Re­de ste­hen­den – Son­der­fall des § 854 II BGB, in dem die Über­ga­be durch rechts­ge­schäft­li­che Ei­ni­gung er­folgt und da­mit ins­ge­samt den Re­geln über Rechts­ge­schäf­te folgt (ins­be­son­de­re al­so et­wa den Re­geln über Ge­schäfts­fä­hig­keit, Stell­ver­tre­tung usw.), kä­me ei­ne An­fech­tung in Be­tracht.

Selbst wenn die Rechts­fol­ge des § 142 I BGB sich aber auch auf die Über­ga­be (und ggf. auch – was das Land­ge­richt un­er­ör­tert ge­las­sen hat – die ding­li­che Ei­ni­gung i. S. des § 929 Satz 1 BGB) be­zö­ge, wür­de dies dem Rück­zah­lungs­ver­lan­gen des Klä­gers kei­ne Grund­la­ge ver­lei­hen kön­nen. Da­mit wä­re näm­lich le­dig­lich der aus dem Kau­sal­ver­hält­nis ge­schul­de­te Leis­tungs­er­folg (ganz oder teil­wei­se) an­nul­liert, der (Ei­gen­tums- und) Be­sitz­ver­schaf­fungs­an­spruch des Klä­gers mit­hin wie­der­auf­ge­lebt. Am Schick­sal des Ge­gen­an­spruchs des Be­klag­ten auf Zah­lung des Kauf­prei­ses (§ 433 II BGB) hät­te dies nichts ge­än­dert.

So­weit mit der fik­tio­na­len Rück­ver­set­zung der Rechts­ver­hält­nis­se in den Zu­stand vor Er­fül­lung (§ 362 I BGB) für den Klä­ger im Hin­blick auf die Pflicht zur Kauf­preis­zah­lung die Ein­re­de des nicht er­füll­ten Ver­trags ge­mäß §§ 320 ff. BGB (wie­der) ent­stan­den wä­re, könn­te der Klä­ger den mit der Kla­ge ver­folg­ten Kon­dik­ti­ons­an­spruch hier­auf nicht stüt­zen, weil die­se Ein­re­de nur auf­schie­bend wirkt, nicht aber dau­er­haft (§ 813 I 1 BGB; vgl. Jau­er­nig/​Stad­ler, BGB, 19. Aufl. [2023], § 813 Rn. 4; Be­ckOK-BGB/​Wen­de­horst, Stand: 01.02.2024, § 813 Rn. 4, 6 m. w. Nachw.).

b) Ein An­fech­tungs­recht we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung (§ 123 I Fall 1 BGB) kommt in Be­zug auf den Kauf­ver­trag nicht in Be­tracht, weil im Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses un­strei­tig kei­ne Täu­schung in Be­zug auf den – da­ma­li­gen – Fahr­zeug­zu­stand vor­ge­le­gen hat. Al­len­falls könn­te der Be­klag­te den Klä­ger sei­ner­zeit über sei­ne (ins­be­son­de­re fach­li­che) Fä­hig­keit und/​oder sei­nen ernst­li­chen Wil­len (als sog. in­ne­re Tat­sa­che) ge­täuscht ha­ben, das Fahr­zeug bis zur Über­ga­be ver­ein­ba­rungs­ge­mäß in ei­nen ord­nungs­ge­mä­ßen Zu­stand zu ver­set­zen, es al­so ge­wis­ser­ma­ßen „fit“ für die Haupt­un­ter­su­chung und den gut­ach­ter­lich be­stä­tig­ten Old­ti­mer­sta­tus zu ma­chen. Da­für aber bie­tet das tat­säch­li­che Vor­brin­gen des Klä­gers letzt­lich kei­ne Grund­la­ge.

Be­reits auf Dar­le­gungs­ebe­ne dürf­te es sich um ei­ne un­be­acht­li­che Be­haup­tung „ins Blaue“ hin­ein han­deln. Ins­be­son­de­re kann nicht al­lein aus dem Um­stand, dass letzt­lich – was hier durch­aus zu­guns­ten des Klä­gers als fest­ste­hend zu­grun­de ge­legt wer­den mag – der Be­klag­te ei­nen ord­nungs­ge­mä­ßen Zu­stand tat­säch­lich nicht her­ge­stellt hat, nicht der be­last­ba­re Schluss ge­zo­gen wer­den, dem Be­klag­ten sei be­reits bei Ver­trags­schluss klar ge­we­sen, dass er den aus­be­dun­ge­nen Er­folg nicht her­bei­füh­ren kön­ne oder wol­le. Die da­hin ge­hen­de An­nah­me des Klä­gers bleibt letzt­lich spe­ku­la­tiv.

Hilfs­wei­se lä­gen hier­zu aber je­den­falls auf Be­weis­ebe­ne kei­ne ge­eig­ne­ten Be­weis­an­trit­te des in­so­fern be­weis­pflich­ti­gen Klä­gers vor. Sämt­li­che im ers­ten Rechts­zug un­ter­nom­me­nen Be­weis­an­trit­te (zweit­in­stanz­lich sind kei­ne wei­te­ren Be­weis­an­trit­te er­folgt, so­weit sie mit Blick auf § 531 II 1 ZPO über­haupt noch in Be­tracht kä­men) be­zie­hen sich auf an­de­re Um­stän­de (na­ment­lich den ob­jek­ti­ven Zu­stand des Fahr­zeugs im Über­ga­be­zeit­punkt), wes­halb das Land­ge­richt ih­nen zu Recht nicht nach­ge­gan­gen ist. Das gilt so­wohl für den Ver­weis des Klä­gers auf das Zeug­nis sei­ner Ehe­frau E als auch für die als Zeu­gen be­nann­ten Her­ren X, Y und Z und den Sach­ver­stän­di­gen­be­weis.

c) Da­mit kommt es – für den vom Klä­ger aus­drück­lich re­kla­mier­ten An­spruch aus Be­rei­che­rungs­recht (§ 812 I 1 Fall 1 BGB) – schon nicht dar­auf an, ob ein et­wai­ges An­fech­tungs­recht in Be­zug auf den Kauf­ver­trag durch den spä­te­ren Ver­gleich (§ 779 BGB) zu­min­dest sinn­ge­mäß auf­ge­ho­ben wor­den ist (sei es durch den Ver­gleich selbst oder durch ei­ne ggf. mit ihm sinn­ge­mäß ein­her­ge­gan­ge­ne Be­stä­ti­gungs­er­klä­rung nach § 144 I BGB). In­so­fern spielt da­mit auch die Fra­ge nach der An­fech­tung des Ver­gleichs ih­rer­seits kei­ne Rol­le. Sie könn­te le­dig­lich in­so­fern re­le­vant sein, als mit dem Ver­gleich auch ge­setz­li­che Ge­währ­leis­tungs­rech­te (§ 437 BGB) aus­ge­schlos­sen wor­den sind, die un­ab­hän­gig von Arg­list – und ge­ge­be­nen­falls auch un­ab­hän­gig von sons­ti­gem Ver­schul­den – ei­nen Rück­zah­lungs­an­spruch des Klä­gers mög­li­cher­wei­se hät­ten be­grün­den kön­nen (§ 437 Nr. 2 Fall 1, § 346 I BGB). Auch in­so­fern kann die Kla­ge aber nicht durch­drin­gen, weil aus den vom Land­ge­richt zu­tref­fend aus­ge­führ­ten Grün­den dem tat­säch­li­chen Vor­brin­gen des Klä­gers letzt­lich auch kei­ne Grund­la­ge für ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung bei Ab­schluss des Ver­gleichs zu ent­neh­men ist. Hilfs­wei­se lä­gen aber auch bei An­nah­me ei­ner sub­stan­zi­ier­ten Be­haup­tung wie­der­um je­den­falls kei­ne Be­weis­an­trit­te des dies­be­züg­lich aber­mals be­weis­pflich­ti­gen Klä­gers vor. Auf die obi­gen Aus­füh­run­gen kann ver­wie­sen wer­den. Dass im Üb­ri­gen mit dem Ver­gleich nur die Haf­tung we­gen be­stimm­ter Män­gel hät­te aus­ge­schlos­sen wer­den sol­len, wie der Klä­ger oh­ne nä­he­re Be­grün­dung meint, ver­mag der Se­nat mit dem Land­ge­richt nicht zu er­ken­nen.

III. Für die be­ab­sich­tig­te Wert­fest­set­zung (§ 63 II 1 GKG) ist an­zu­mer­ken, dass die kla­ge­er­wei­ternd gel­tend ge­mach­ten Sach­ver­stän­di­gen­kos­ten dem Wert hin­zu­zu­set­zen sind, weil es sich un­ter den Um­stän­den des vor­lie­gen­den Fal­les nicht um ei­ne Ne­ben­for­de­rung i. S. des § 43 I GKG han­delt. Das wä­re ge­ge­be­nen­falls an­ders, wenn der Klä­ger die Sach­ver­stän­di­gen­kos­ten als Scha­den we­gen der Ver­let­zung von Pflich­ten (§§ 280 ff. BGB) aus dem Rück­ge­währ­schuld­ver­hält­nis (§ 812 I 1 Fall 1 BGB bzw. hilfs­wei­se § 346 I BGB), al­so an­nex­wei­se (vgl. für den Fall des Rück­tritts § 346  IV BGB) gel­tend ma­chen wür­de. Das aber muss hier schon mit Blick auf die Chro­no­lo­gie der vor­ge­richt­li­chen Er­eig­nis­ab­fol­ge aus­schei­den; das Gut­ach­ten war be­reits im Mai 2021 be­auf­tragt, wäh­rend das Rück­ge­währ­schuld­ver­hält­nis erst im Sep­tem­ber 2021 mit der Ab­ga­be der An­fech­tungs­er­klä­rung (ver­meint­lich) zur Ent­ste­hung ge­bracht wor­den ist (un­ge­ach­tet der im ge­ge­be­nen Fall for­mal­recht­lich ein­tre­ten­den Rück­wir­kung ge­mäß § 142 I BGB). Sinn­ge­mäß stützt der Klä­ger sei­nen An­spruch be­tref­fend die Sach­ver­stän­di­gen­kos­ten viel­mehr auf § 823 II 1 BGB i. V. mit § 263 I StGB re­spek­ti­ve § 826 BGB be­zie­hungs­wei­se müss­te dies sach­ge­rech­ter­wei­se tun. Die­se An­spruchs­grund­la­gen aber ste­hen in kei­nem recht­li­chen Ab­hän­gig­keits­ver­hält­nis zur pri­mä­ren Kla­ge­for­de­rung (Kauf­preis­rück­zah­lung), son­dern gleich­ran­gig ne­ben ihr (vgl. BGH, Beschl. v. 13.02.2007 – VI ZB 39/06, NJW 2007, 1752 Rn. 10 ff.; OLG Karls­ru­he, Beschl. v. 16.04.2012 – 1 W 10/12, VersR 2013, 1150 = ju­ris Rn. 10 f.).

PDF er­stel­len