1. Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 20.06.2007 über die Typ­ge­neh­mi­gung von Kraft­fahr­zeu­gen hin­sicht­lich der Emis­sio­nen von leich­ten Per­so­nen­kraft­wa­gen und Nutz­fahr­zeu­gen (Eu­ro 5 und Eu­ro 6) und über den Zu­gang zu Re­pa­ra­tur- und War­tungs­in­for­ma­tio­nen für Fahr­zeu­ge ist da­hin aus­zu­le­gen, dass ei­ne in den Rech­ner zur Mo­tor­steue­rung in­te­grier­te oder auf ihn ein­wir­ken­de Soft­ware ein „Kon­struk­ti­ons­teil“ im Sin­ne die­ser Be­stim­mung dar­stellt, da sie auf die Funk­ti­on des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems ein­wirkt und des­sen Wirk­sam­keit ver­rin­gert.
  2. Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ist da­hin aus­zu­le­gen, dass un­ter den Be­griff „Emis­si­ons­kon­troll­sys­tem“ im Sin­ne die­ser Be­stim­mung so­wohl die Tech­no­lo­gi­en und die Stra­te­gie der Nach­be­hand­lung von Ab­ga­sen fal­len, mit de­nen die Emis­sio­nen im Nach­hin­ein, das heißt nach ih­rer Ent­ste­hung, ver­rin­gert wer­den, als auch die­je­ni­gen, mit de­nen – wie mit dem Sys­tem zur Ab­gas­rück­füh­rung – die Emis­sio­nen im Vor­hin­ein, das heißt bei ih­rer Ent­ste­hung, ver­rin­gert wer­den.
  3. Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ist da­hin aus­zu­le­gen, dass ei­ne Ein­rich­tung, die je­den Pa­ra­me­ter im Zu­sam­men­hang mit dem Ab­lauf der in der Ver­ord­nung vor­ge­se­he­nen Zu­las­sungs­ver­fah­ren er­kennt, um die Leis­tung des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems bei die­sen Ver­fah­ren zu ver­bes­sern und so die Zu­las­sung des Fahr­zeugs zu er­rei­chen, ei­ne „Ab­schalt­ein­rich­tung“ im Sin­ne die­ser Be­stim­mung dar­stellt, selbst wenn ei­ne sol­che Ver­bes­se­rung punk­tu­ell auch un­ter nor­ma­len Nut­zungs­be­din­gun­gen des Fahr­zeugs be­ob­ach­tet wer­den kann.
  4. Art. 5 II 2 lit. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ist da­hin aus­zu­le­gen, dass ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de, die bei Zu­las­sungs­ver­fah­ren sys­te­ma­tisch die Leis­tung des Sys­tems zur Kon­trol­le der Emis­sio­nen von Fahr­zeu­gen ver­bes­sert, da­mit die in der Ver­ord­nung fest­ge­leg­ten Emis­si­ons­grenz­wer­te ein­ge­hal­ten wer­den und so die Zu­las­sung die­ser Fahr­zeu­ge er­reicht wird, nicht un­ter die in die­ser Be­stim­mung, die den Schutz des Mo­tors vor Be­schä­di­gung oder Un­fall und den si­che­ren Be­trieb des Fahr­zeugs be­trifft, vor­ge­se­he­ne Aus­nah­me vom Ver­bot sol­cher Ein­rich­tun­gen fal­len kann, selbst wenn die Ein­rich­tung da­zu bei­trägt, den Ver­schleiß oder die Ver­schmut­zung des Mo­tors zu ver­hin­dern.

EuGH (Zwei­te Kam­mer), Ur­teil vom 17.12.2020 – C-693/18 (X/CLCV u. a.)

Das vor­lie­gen­de Ur­teil be­trifft die Aus­le­gung von Art. 3 Nr. 10 und Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 20.06.2007 über die Typ­ge­neh­mi­gung von Kraft­fahr­zeu­gen hin­sicht­lich der Emis­sio­nen von leich­ten Per­so­nen­kraft­wa­gen und Nutz­fahr­zeu­gen (Eu­ro 5 und Eu­ro 6) und über den Zu­gang zu Re­pa­ra­tur- und War­tungs­in­for­ma­tio­nen für Fahr­zeu­ge (ABl. 2007 L 171, 1). Es er­geht Es er­geht im Rah­men ei­nes Straf­ver­fah­rens ge­gen den Au­to­mo­bil­her­stel­ler X, dem zur Last ge­legt wird, Fahr­zeu­ge mit ei­ner Soft­ware auf den fran­zö­si­schen Markt ge­bracht zu ha­ben, die an­hand der fest­ge­stell­ten Fahr­be­din­gun­gen das Sys­tem zur Kon­trol­le der Schad­stoff­emis­sio­nen be­ein­flus­sen kann.

Sach­ver­halt: X ist ein Au­to­mo­bil­her­stel­ler, der in Frank­reich Kraft­fahr­zeu­ge ver­treibt. Das Un­ter­neh­men soll in Frank­reich Fahr­zeu­ge mit ei­ner Soft­ware in Ver­kehr ge­bracht ha­ben, die ge­eig­net ist, die Ge­neh­mi­gungs­pha­se der Fahr­zeu­ge zu er­ken­nen, um die Er­geb­nis­se der in die­ser Pha­se durch­ge­führ­ten Tests von Schad­stoff­emis­sio­nen, ins­be­son­de­re von Stick­stoff­oxid (NOX), zu ver­fäl­schen.

Am 28.09.2015, im An­schluss an Ver­öf­fent­li­chun­gen in der Pres­se, zeig­te der für Ver­kehr zu­stän­di­ge Vi­ze­prä­si­dent des Re­gio­nal­rats der Île-de-Fran­ce die Ge­sell­schaft X bei der Staats­an­walt­schaft Pa­ris (Frank­reich) we­gen des In­ver­kehr­brin­gens von Fahr­zeu­gen mit der frag­li­chen Soft­ware an. Am 02.10.2015 be­fass­te die Staats­an­walt­schaft Pa­ris das Zen­tral­amt zur Be­kämp­fung von Um­welt­schä­den und für öf­fent­li­che Ge­sund­heit mit die­sem – von ihr als „schwe­rer Be­trug“ ein­ge­stuf­ten – Sach­ver­halt und for­der­te das Amt auf, ei­ne Un­ter­su­chung der Be­din­gun­gen ein­zu­lei­ten, un­ter de­nen die be­tref­fen­den Fahr­zeu­ge auf den fran­zö­si­schen Markt ge­bracht wor­den wa­ren. Gleich­zei­tig er­such­te die fran­zö­si­sche Mi­nis­te­rin für Öko­lo­gie, nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung und En­er­gie den Ser­vice na­tio­nal des en­quêtes (Na­tio­na­ler Er­mitt­lungs­dienst, SNE) der Di­rec­tion généra­le de la con­cur­rence, de la con­som­ma­ti­on et de la répres­si­on des frau­des (Ge­ne­ral­di­rek­ti­on Wett­be­werb, Ver­brau­cher­schutz und Be­trugs­be­kämp­fung), Er­mitt­lun­gen auf­zu­neh­men, um zu klä­ren, ob in Frank­reich ver­trie­be­ne Fahr­zeu­ge mit ei­ner sol­chen Soft­ware aus­ge­stat­tet sei­en.

Im Rah­men der die Schad­stoff­emis­sio­nen be­tref­fen­den Teil­zu­las­sung wer­den die Fahr­zeu­ge mit­tels ei­nes Pro­to­kolls ge­tes­tet, des­sen Pa­ra­me­ter (u. a. Dreh­zahl­pro­fil, Tem­pe­ra­tur und Vor­be­hand­lung des Fahr­zeugs) re­gu­la­to­risch fest­ge­legt sind. Das für den Zu­las­sungs­test ver­wen­de­te Dreh­zahl­pro­fil na­mens „New Eu­ro­pean Dri­ving Cy­cle“ (NEDC) be­steht in der Wie­der­ho­lung von vier Stadt­fahr­zy­klen, ge­folgt von ei­nem au­ßer­städ­ti­schen Fahr­zy­klus, in ei­nem La­bor. Mit ihm soll ge­prüft wer­den, ob die aus­ge­sto­ße­ne NOX-Men­ge un­ter der in An­hang I der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 vor­ge­se­he­nen Ober­gren­ze liegt.

Ei­ne der Tech­no­lo­gi­en, die von den Au­to­mo­bil­her­stel­lern, un­ter an­de­rem dem Un­ter­neh­men X, zur Kon­trol­le und Re­du­zie­rung der durch die un­voll­stän­di­ge Ver­bren­nung des Kraft­stoffs er­zeug­ten NOX-Emis­sio­nen ver­wen­det wer­den, ist das Ab­gas­rück­führ­ven­til (im Fol­gen­den: AGR-Ven­til). Wird das AGR-Ven­til ge­öff­net, ge­lan­gen die Ab­ga­se in den Gas­an­saug­krüm­mer, da­mit sie ein zwei­tes Mal ver­brannt und mit­tels ei­nes Wär­me­tau­schers ge­kühlt wer­den. Das Ven­til wird durch ei­nen Mo­tor­steue­rungs­rech­ner kon­trol­liert, und zwar durch ein On-Board?In­for­ma­ti­ons­sys­tem des Fahr­zeugs, das die ver­schie­de­nen dar­in in­te­grier­ten Funk­tio­nen elek­tro­nisch steu­ert, et­wa die­je­ni­gen, die den Mo­tor, das Ge­trie­be oder die Si­cher­heit be­tref­fen. Die Öff­nung des AGR-Ven­tils wird in Echt­zeit vom Rech­ner ge­steu­ert, der nach Maß­ga­be der von ver­schie­de­nen Sen­so­ren ge­sam­mel­ten In­for­ma­tio­nen (Ge­schwin­dig­keit, Mo­tor­tem­pe­ra­tur, Luft­tem­pe­ra­tur u. a.) Be­feh­le an den Stel­l­an­trieb des Ven­tils sen­det. Die Wirk­sam­keit des Ab­gas­rei­ni­gungs­sys­tems hängt so­mit von der Öff­nung die­ses Ven­tils ab, für die der Quell­code der in den Rech­ner in­te­grier­ten Soft­ware maß­ge­bend ist.

Der Ser­vice na­tio­nal des en­quêtes (SNE) füg­te sei­nem Be­richt die Er­geb­nis­se der Tests und Prü­fun­gen der Uni­on tech­ni­que de l’au­to­mo­bi­le, du mo­to­cy­cle et du cy­cle (Tech­ni­scher Ver­band für Au­to­mo­bi­le, Mo­tor­rä­der und Fahr­rä­der, UTAC) bei, der ein­zi­gen Ein­rich­tung, die in Frank­reich be­fugt ist, Ge­neh­mi­gungs­tests für Fahr­zeu­ge durch­zu­füh­ren. Aus die­sen Tests, mit de­nen fest­ge­stellt wer­den soll­te, ob An­halts­punk­te für ei­nen Be­trug bei den Ab­gas­tests be­ste­hen, ging her­vor, dass die NOX-Emis­sio­nen bei ei­ni­gen ge­prüf­ten Fahr­zeu­gen des Un­ter­neh­mens X um den Fak­tor 2, 3,2, 3,4 oder 3,6 hö­her wa­ren als die im Sta­di­um ih­rer Ge­neh­mi­gung er­mit­tel­ten Wer­te.

Wei­te­re Tests von drei Fahr­zeu­gen die­ses Un­ter­neh­mens, mit de­nen das In­sti­tut français du pétro­le Éner­gies Nou­vel­les (Fran­zö­si­sches In­sti­tut für Erd­öl und neue En­er­gi­en, IF­PEN) be­traut wur­de, be­stä­tig­ten, dass sich die NOX-Emis­sio­nen ver­rin­ger­ten, wenn ein Typ­ge­neh­mi­gungs­zy­klus er­kannt wur­de, wo­bei das AGR-Ven­til dann deut­lich wei­ter ge­öff­net war.

Am 16.10.2015 gab der Lei­ter der fran­zö­si­schen Toch­ter­ge­sell­schaft des Un­ter­neh­mens X bei ei­ner frei­en Ver­neh­mung an, dass er nicht über die Funk­ti­ons­wei­se die­ser Soft­ware und ih­ren be­trü­ge­ri­schen Cha­rak­ter in­for­miert ge­we­sen sei, und füg­te hin­zu, die da­mit aus­ge­stat­te­ten Fahr­zeu­ge wür­den zu­rück­ge­ru­fen, um die Soft­ware zu ak­tua­li­sie­ren.

Am 15. und 18.12.2015 lei­te­te ei­ne An­walts­kanz­lei auf Be­trei­ben des Un­ter­neh­mens X den Er­mitt­lern ein Schrift­stück zu, mit dem nach­ge­wie­sen wer­den soll­te, dass das AGR-Sys­tem nicht als „Ab­schalt­ein­rich­tung“ im Sin­ne der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 an­ge­se­hen wer­den kön­ne.

Im An­schluss an die Er­mitt­lun­gen rief die Staats­an­walt­schaft am 19.02.2016 drei Un­ter­su­chungs­rich­ter des Tri­bu­nal de gran­de in­stan­ce de Pa­ris (Re­gio­nal­ge­richt Pa­ris, Frank­reich) an. In der ver­fah­rens­ein­lei­ten­den An­kla­ge­schrift wird dem Un­ter­neh­men X zur Last ge­legt, seit dem 01.09.2009 im fran­zö­si­schen Ho­heits­ge­biet die Er­wer­ber von Fahr­zeu­gen mit Die­sel­mo­to­ren der Ge­ne­ra­ti­on Eu­ro 5 und Eu­ro 6 über we­sent­li­che Ei­gen­schaf­ten der Fahr­zeu­ge, und zwar das Vor­han­den­sein ei­ner ge­gen die Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ver­sto­ßen­den Ab­schalt­ein­rich­tung, und über die durch­ge­führ­ten Kon­trol­len ge­täuscht zu ha­ben, wo­bei er­schwe­rend hin­zu­kom­me, dass in­fol­ge­des­sen der Ge­brauch der Wa­ren ei­ne Ge­fähr­dung der Ge­sund­heit von Mensch oder Tier dar­stel­le.

Die Un­ter­su­chungs­rich­ter des Tri­bu­nal de gran­de in­stan­ce de Pa­ris (Re­gio­nal­ge­richt Pa­ris) ord­ne­ten die Er­stel­lung ei­nes Ge­richts­gut­ach­tens zur Aus­wer­tung der Er­geb­nis­se der be­hörd­li­chen, von der UTAC und dem IF­PEN durch­ge­führ­ten Tests und al­ler üb­ri­gen tech­ni­schen Ana­ly­sen zwecks Be­schrei­bung des Me­cha­nis­mus der frag­li­chen Soft­ware und ih­rer Aus­wir­kun­gen auf die Er­hö­hung der NOX-Emis­sio­nen der mit ih­nen aus­ge­stat­te­ten Fahr­zeu­ge an.

In sei­nem am 26.04.2017 vor­ge­leg­ten Be­richt stell­te der Sach­ver­stän­di­ge fest, dass die be­tref­fen­den Fahr­zeu­ge mit ei­ner Vor­rich­tung ver­se­hen sei­en, die in der La­ge sei, den Ge­neh­mi­gungs­zy­klus zu er­ken­nen, die Funk­ti­ons­wei­se der Ab­gas­rück­füh­rung für die Zwe­cke der Ge­neh­mi­gung an­zu­pas­sen und die NOX-Emis­sio­nen im Rah­men die­ses Ver­fah­rens zu ver­rin­gern. Ih­re Emis­si­ons­kon­troll­sys­te­me sei­en ma­ni­pu­liert wor­den, da­mit das AGR-Ven­til wei­ter ge­öff­net sei, wenn ein Ge­neh­mi­gungs­zy­klus er­kannt wer­de. Die ge­rin­ge­re Öff­nung des Ven­tils un­ter nor­ma­len Nut­zungs­be­din­gun­gen der Fahr­zeu­ge ver­min­de­re die Wirk­sam­keit des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems und füh­re zu er­höh­ten NOX-Emis­sio­nen. Der Sach­ver­stän­di­ge füg­te hin­zu, wenn das AGR-Ven­til un­ter nor­ma­len Nut­zungs­be­din­gun­gen eben­so funk­tio­niert hät­te wie bei den Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren, hät­ten die be­tref­fen­den Fahr­zeu­ge deut­lich we­ni­ger NOX er­zeugt, ihr Ver­brauch und ih­re Leis­tung hät­ten sich ver­rin­gert, und es wä­ren häu­fi­ge­re und kost­spie­li­ge­re In­stand­hal­tungs­ar­bei­ten an­ge­fal­len. Dank der vor­ge­nom­me­nen Ma­ni­pu­la­ti­on hät­ten die Fahr­zeu­ge schnel­ler be­schleu­nigt, hät­ten ei­ne hö­he­re Leis­tung ent­fal­tet, und die Ein­lass­lei­tun­gen, die Ven­ti­le und die Ver­bren­nungs­kam­mer sei­en we­ni­ger ver­schmutzt wor­den, was zur Lang­le­big­keit und Zu­ver­läs­sig­keit des Mo­tors bei­tra­ge. Oh­ne die Ma­ni­pu­la­ti­on wä­ren die be­tref­fen­den Fahr­zeu­ge mit­hin nicht ge­neh­migt wor­den.

Am 28.03.2017 wur­de das Un­ter­neh­men X von den Un­ter­su­chungs­rich­tern des Tri­bu­nal de gran­de in­stan­ce de Pa­ris (Re­gio­nal­ge­richt Pa­ris) vor­ge­la­den. Als Zeu­ge mit Rechts­bei­stand wei­ger­te es sich, die ihm ge­stell­ten Fra­gen zu be­ant­wor­ten. Fer­ner wei­ger­ten sich die Jus­tiz­be­hör­den sei­nes Sitz­mit­glied­staats, die von den Un­ter­su­chungs­rich­tern an­ge­for­der­ten Er­mitt­lungs­er­geb­nis­se zur Ver­fü­gung zu stel­len. Im Rah­men des ge­richt­li­chen Er­mitt­lungs­ver­fah­rens tra­ten zu­dem mehr als 1.200 Per­so­nen als Ne­ben­klä­ger auf.

Die Un­ter­su­chungs­rich­ter des Tri­bu­nal de gran­de in­stan­ce de Pa­ris (Re­gio­nal­ge­richt Pa­ris) füh­ren aus, da die Vor­rich­tun­gen, die ein­ge­setzt wür­den, um die Funk­ti­on der Emis­si­ons­kon­troll­sys­te­me der Fahr­zeu­ge zu be­ein­flus­sen, ver­schie­de­ne For­men an­neh­men könn­ten, müs­se ge­klärt wer­den, was un­ter dem Be­griff „Ab­schalt­ein­rich­tung“ i. S. von Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 zu ver­ste­hen sei. Bei sei­ner De­fi­ni­ti­on wer­de auf meh­re­re Be­grif­fe zu­rück­ge­grif­fen, die vom Ge­richts­hof noch nicht aus­ge­legt wor­den sei­en. Da die im Rah­men der im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den straf­recht­li­chen Er­mitt­lun­gen in Be­tracht ge­zo­ge­ne Sub­su­mie­rung un­ter den Be­trugs­tat­be­stand auf der Ein­stu­fung als „Ab­schalt­ein­rich­tung“ i. S. von Art. 3 Nr. 10 und Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 be­ru­he, sei ei­ne Aus­le­gung die­ser Be­stim­mun­gen er­for­der­lich, um dar­über ent­schei­den zu kön­nen, ob ge­gen das Un­ter­neh­men X An­kla­ge er­ho­ben und nach Ab­schluss der Er­mitt­lun­gen das Haupt­ver­fah­ren er­öff­net wer­den sol­le.

Un­ter die­sen Um­stän­den ha­ben die Un­ter­su­chungs­rich­ter des Tri­bu­nal de gran­de in­stan­ce de Pa­ris (Re­gio­nal­ge­richt Pa­ris) be­schlos­sen, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen und dem Ge­richts­hof fol­gen­de Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­zu­le­gen:

1. Aus­le­gung des Be­griffs des Kon­struk­ti­ons­teils

a) Was fällt un­ter den Be­griff des Kon­struk­ti­ons­teils, der in dem ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung (de­feat de­vice) de­fi­nie­ren­den Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 an­ge­führt wird?
b) Ist ein in den Mo­tor­steue­rungs­rech­ner in­te­grier­tes oder ganz all­ge­mein auf die­sen ein­wir­ken­des Pro­gramm als Kon­struk­ti­ons­teil im Sin­ne des ge­nann­ten Ar­ti­kels an­zu­se­hen?

2. Aus­le­gung des Be­griffs des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems

a) Was fällt un­ter den Be­griff des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems, der in dem ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung (de­feat de­vice) de­fi­nie­ren­den Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 an­ge­führt wird?
b) Schließt die­ses Emis­si­ons­kon­troll­sys­tem le­dig­lich Tech­no­lo­gi­en und Stra­te­gi­en zur Be­hand­lung und Ver­rin­ge­rung von Emis­sio­nen (u. a. von NOX) nach ih­rer Bil­dung ein, oder er­fasst es auch die ver­schie­de­nen Tech­no­lo­gi­en und Stra­te­gi­en zur Be­gren­zung ih­rer Er­zeu­gung an der Ba­sis wie die AGR-Tech­no­lo­gie?

3. Aus­le­gung des Be­griffs der Ab­schalt­ein­rich­tung (de­feat de­vice)

a) Ist ei­ne Ein­rich­tung, die je­den Pa­ra­me­ter im Zu­sam­men­hang mit dem Ab­lauf der Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren nach der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 er­mit­telt, um die Funk­ti­on ei­nes be­lie­bi­gen Teils des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems im Rah­men die­ser Ver­fah­ren zu ak­ti­vie­ren oder nach oben zu mo­du­lie­ren und da­mit die Fahr­zeug­zu­las­sung zu er­hal­ten, ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. von Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007?
b) Falls ja: Ist die­se Ab­schalt­ein­rich­tung nach Art. 5 II 1 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ver­bo­ten?
c) Ist ei­ne Ein­rich­tung wie die die in Buch­sta­be a be­schrie­be­ne als „Ab­schalt­ein­rich­tung“ ein­zu­stu­fen, falls die Mo­du­lie­rung des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems nach oben nicht nur in Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren, son­dern punk­tu­ell auch dann wirk­sam ist, wenn die er­mit­tel­ten ge­nau­en Be­din­gun­gen, un­ter de­nen das Emis­si­ons­kon­troll­sys­tem in die­sen Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren nach oben mo­du­liert wird, im rea­len Ver­kehr ge­ge­ben sind?

4. Aus­le­gung der Aus­nah­men nach Art. 5 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007

a) Was fällt un­ter die drei Aus­nah­men nach Art. 5 II 2 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007?
b) Könn­te vom Ver­bot ei­ner Ab­schalt­ein­rich­tung, die spe­zi­ell in Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren die Funk­ti­on ei­nes be­lie­bi­gen Teils des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems ak­ti­viert oder nach oben mo­du­liert, aus ei­nem der drei in Art. 5 II 2 der Ver­ord­nung auf­ge­führ­ten Grün­de ab­ge­wi­chen wer­den?
c) Ge­hört ei­ne Ver­zö­ge­rung des Ver­schlei­ßes oder der Ver­schmut­zung des Mo­tors zu den Er­for­der­nis­sen, „um den Mo­tor vor Be­schä­di­gung oder Un­fall zu schüt­zen“ oder „den si­che­ren Be­trieb des Fahr­zeugs zu ge­währ­leis­ten“, die das Vor­han­den­sein ei­ner Ab­schalt­ein­rich­tung im Sin­ne von Art. 5 II 1 Buchst. a der Ver­ord­nung recht­fer­ti­gen kön­nen?

Der EuGH hat die­se Fra­gen wie aus dem Leit­satz er­sicht­lich be­ant­wor­tet.

Aus den Grün­den: Zur Zu­läs­sig­keit

[45]   Das Un­ter­neh­men X macht gel­tend, das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen sei un­zu­läs­sig. Ers­tens sei ei­ne Ant­wort des Ge­richts­hofs auf die ge­stell­ten Fra­gen für die Ent­schei­dung des vor­le­gen­den Ge­richts im Aus­gangs­ver­fah­ren nicht er­for­der­lich. Ei­ne sol­che Ant­wort kön­ne kei­nen Ein­fluss auf die Cha­rak­te­ri­sie­rung der Tat­be­stands­merk­ma­le des ihm nach fran­zö­si­schem Straf­recht zur Last ge­leg­ten schwe­ren Be­trugs ha­ben.

[46]   Zwei­tens wür­de ge­gen den Grund­satz der Ge­setz­mä­ßig­keit im Zu­sam­men­hang mit Straf­ta­ten und Stra­fen ver­sto­ßen, wenn die Cha­rak­te­ri­sie­rung der Zu­wi­der­hand­lung von der Aus­le­gung der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ab­hän­gig ge­macht wür­de.

[47]   Drit­tens ge­be es in die­sem Sta­di­um kein Ver­fah­ren vor dem vor­le­gen­den Ge­richt im Zu­sam­men­hang mit den ge­stell­ten Fra­gen, so­dass die­se rein hy­po­the­tisch sei­en. Da zu ih­nen noch kei­ne Stel­lung­nah­me ab­ge­ge­ben wor­den sei, wer­de le­dig­lich um ein Gut­ach­ten zu Vor­schrif­ten des Uni­ons­rechts er­sucht.

[48]   Vier­tens sei­en die ge­stell­ten Fra­gen nicht kon­tra­dik­to­risch er­ör­tert wor­den, was ge­gen den Grund­satz der ge­ord­ne­ten Rechts­pfle­ge ver­sto­ße.

[49]   Fünf­tens wür­den, auch wenn die ge­stell­ten Fra­gen die Über­le­gun­gen des vor­le­gen­den Ge­richts wi­der­spie­gel­ten, in der Vor­la­ge­ent­schei­dung we­der die Grün­de, aus de­nen die Aus­le­gung der Be­stim­mun­gen der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 sei­nes Er­ach­tens für die Ent­schei­dung im Aus­gangs­ver­fah­ren an­ge­bracht sei, noch der Zu­sam­men­hang zwi­schen ih­rer Aus­le­gung und dem Aus­gangs­ver­fah­ren mit der nö­ti­gen Klar­heit dar­ge­legt. Zu­dem sei­en die Vor­la­ge­fra­gen ver­früht ge­stellt wor­den, da der tat­säch­li­che Rah­men in die­sem Sta­di­um der Er­mitt­lun­gen noch nicht hin­rei­chend ge­nau ge­klärt wor­den sei.

[50]   Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ist es im Rah­men der durch Art. 267 AEUV ge­schaf­fe­nen Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen ihm und den na­tio­na­len Ge­rich­ten al­lein Sa­che des mit dem Rechts­streit be­fass­ten na­tio­na­len Ge­richts, in des­sen Ver­ant­wor­tungs­be­reich die zu er­las­sen­de ge­richt­li­che Ent­schei­dung fällt, im Hin­blick auf die Be­son­der­hei­ten der Rechts­sa­che so­wohl die Er­for­der­lich­keit ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung für den Er­lass sei­nes Ur­teils als auch die Er­heb­lich­keit der dem Ge­richts­hof von ihm vor­ge­leg­ten Fra­gen zu be­ur­tei­len. Be­tref­fen die vor­ge­leg­ten Fra­gen die Aus­le­gung des Uni­ons­rechts, ist der Ge­richts­hof da­her grund­sätz­lich ge­hal­ten, dar­über zu be­fin­den (EuGH, Urt. v. 24.11.2020 – C-510/19, EU:C:2020:953 Rn. 25 m. w. Nachw. – Open­baar Mi­nis­te­rie [Ur­kun­den­fäl­schung]).

[51]   In­fol­ge­des­sen spricht ei­ne Ver­mu­tung für die Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit der Fra­gen zum Uni­ons­recht. Der Ge­richts­hof kann die Be­ant­wor­tung ei­ner Vor­la­ge­fra­ge ei­nes na­tio­na­len Ge­richts nur ab­leh­nen, wenn die er­be­te­ne Aus­le­gung des Uni­ons­rechts of­fen­sicht­lich in kei­nem Zu­sam­men­hang mit der Rea­li­tät oder dem Ge­gen­stand des Aus­gangs­rechts­streits steht, wenn das Pro­blem hy­po­the­ti­scher Na­tur ist oder wenn der Ge­richts­hof nicht über die tat­säch­li­chen und recht­li­chen An­ga­ben ver­fügt, die für ei­ne zweck­dien­li­che Be­ant­wor­tung der ihm vor­ge­leg­ten Fra­gen er­for­der­lich sind (EuGH, Urt. v. 24.11.2020 – C-510/19, EU:C:2020:953 Rn. 26 m. w. Nachw. – Open­baar Mi­nis­te­rie [Ur­kun­den­fäl­schung]).).

[52]   Im vor­lie­gen­den Fall ist zu­nächst fest­zu­stel­len, dass der recht­li­che und tat­säch­li­che Rah­men des Aus­gangs­ver­fah­rens so­wie die Grün­de, aus de­nen das vor­le­gen­de Ge­richt ei­ne Ant­wort auf die in die­sem Ver­fah­ren ge­stell­ten Fra­gen für den Er­lass sei­ner Ent­schei­dung für er­for­der­lich hält, in der Vor­la­ge­ent­schei­dung aus­führ­lich dar­ge­stellt sind.

[53]   Aus der Vor­la­ge­ent­schei­dung geht fer­ner her­vor, dass die im na­tio­na­len Recht für ei­nen Sach­ver­halt, wie er dem Un­ter­neh­men X zur Last ge­legt wird, vor­ge­se­he­ne Ein­stu­fung als „schwe­rer Be­trug“ da­von ab­hängt, ob die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de Soft­ware als „Ab­schalt­ein­rich­tung“ i. S. von Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007, de­ren Ver­wen­dung nach Art. 5 II der Ver­ord­nung un­zu­läs­sig ist, an­ge­se­hen wer­den kann.

[54]   Un­ter die­sen Um­stän­den kann nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die er­be­te­ne Aus­le­gung des Uni­ons­rechts in kei­nem Zu­sam­men­hang mit der Rea­li­tät und dem Ge­gen­stand des Aus­gangs­ver­fah­rens steht.

[55]   So­dann ist hin­sicht­lich der Fest­stel­lung der Tat­be­stands­merk­ma­le des schwe­ren Be­trugs nach fran­zö­si­schem Straf­recht dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Aus­le­gung des na­tio­na­len Rechts im Rah­men ei­nes von Art. 267 AEUV er­fass­ten Ver­fah­rens aus­schließ­lich Sa­che des vor­le­gen­den Ge­richts ist (EuGH, Urt. v. 13.11.2018 – C-33/17, EU:C:2018:896 – ?epel­nik Rn. 24 m. w. Nachw.), so­dass die da­hin ge­hen­de Ar­gu­men­ta­ti­on des Un­ter­neh­mens X nicht ge­nügt, um die in Rand­num­mer 51 des vor­lie­gen­den Ur­teils an­ge­spro­che­ne Ver­mu­tung der Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit zu wi­der­le­gen.

[56]   Das Glei­che gilt für die Ar­gu­men­ta­ti­on des Un­ter­neh­mens X zum Grund­satz der Ge­setz­mä­ßig­keit im Zu­sam­men­hang mit Straf­ta­ten und Stra­fen. Die Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ent­hält näm­lich kei­ne straf­recht­li­chen Sank­tio­nen, so­dass die­ser Grund­satz für die Be­ur­tei­lung der Zu­läs­sig­keit des vor­lie­gen­den Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chens ir­re­le­vant ist.

[57]   Schließ­lich kann der Ar­gu­men­ta­ti­on des Un­ter­neh­mens X, wo­nach die Vor­la­ge­fra­gen nicht kon­tra­dik­to­risch er­ör­tert wor­den sei­en, nicht ge­folgt wer­den, da Art. 267 AEUV die An­ru­fung des Ge­richts­hofs nicht da­von ab­hän­gig macht, dass das Ver­fah­ren vor dem vor­le­gen­den Ge­richt kon­tra­dik­to­ri­schen Cha­rak­ter hat (EuGH, Urt. v. 16.07.2020 – C-658/18, EU:C:2020:572 Rn. 63 – Go­ver­no del­la Re­pubb­li­ca ita­lia­na [Sta­tus der ita­lie­ni­schen Frie­dens­rich­ter]).

[58]   Folg­lich ist das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen zu­läs­sig.

Zur Be­ant­wor­tung der Fra­gen

Zur ers­ten Fra­ge

[59]   Mit sei­ner ers­ten Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass ei­ne in den Rech­ner zur Mo­tor­steue­rung in­te­grier­te oder auf ihn ein­wir­ken­de Soft­ware ein „Kon­struk­ti­ons­teil“ im Sin­ne die­ser Be­stim­mung dar­stellt.

[60]   In Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 wird „Ab­schalt­ein­rich­tung“ de­fi­niert als „ein Kon­struk­ti­ons­teil, das die Tem­pe­ra­tur, die Fahr­zeug­ge­schwin­dig­keit, die Mo­tor­dreh­zahl (UpM), den ein­ge­leg­ten Ge­trie­be­gang, den Un­ter­druck im Ein­lass­krüm­mer oder sons­ti­ge Pa­ra­me­ter er­mit­telt, um die Funk­ti­on ei­nes be­lie­bi­gen Teils des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems zu ak­ti­vie­ren, zu ver­än­dern, zu ver­zö­gern oder zu de­ak­ti­vie­ren, wo­durch die Wirk­sam­keit des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems un­ter Be­din­gun­gen, die bei nor­ma­lem Fahr­zeug­be­trieb ver­nünf­ti­ger­wei­se zu er­war­ten sind, ver­rin­gert wird“.

[61]   Der Be­griff „Kon­struk­ti­ons­teil“ wird in die­ser Be­stim­mung nicht de­fi­niert.

[62]   Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs sind die Be­deu­tung und Trag­wei­te von Be­grif­fen, die im Uni­ons­recht nicht de­fi­niert wer­den, ent­spre­chend ih­rem üb­li­chen Sinn im ge­wöhn­li­chen Sprach­ge­brauch zu be­stim­men, wo­bei zu be­rück­sich­ti­gen ist, in wel­chem Kon­text sie ver­wen­det wer­den und wel­che Zie­le mit der Re­ge­lung ver­folgt wer­den, zu der sie ge­hö­ren (EuGH, Urt. v. 01.10.2020 – C-526/19, EU:C:2020:769 Rn. 29 – En­t­o­ma).

[63]   Ers­tens ist fest­zu­stel­len, dass mit dem Be­griff „Kon­struk­ti­ons­teil“ nach sei­nem üb­li­chen Sinn ein im Hin­blick auf sei­ne Ein­be­zie­hung in ein funk­tio­na­les Gan­zes her­ge­stell­ter Ge­gen­stand be­zeich­net wird.

[64]   Zwei­tens geht aus Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 her­vor, dass un­ter den Be­griff der Ab­schalt­ein­rich­tung im Sin­ne die­ser Be­stim­mung „ein“, das heißt je­des Kon­struk­ti­ons­teil fällt. In­so­weit ist der fran­zö­si­schen Re­gie­rung und der Kom­mis­si­on bei­zu­pflich­ten, dass ei­ne sol­che De­fi­ni­ti­on der Ab­schalt­ein­rich­tung dem Be­griff „Kon­struk­ti­ons­teil“ ei­ne gro­ße Trag­wei­te ver­leiht, die sich so­wohl auf die me­cha­ni­schen Tei­le als auch auf die ih­re Ak­ti­vie­rung steu­ern­den elek­tro­ni­schen Tei­le er­streckt, so­weit sie auf die Funk­ti­on des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems ein­wir­ken und des­sen Wirk­sam­keit ver­rin­gern.

[65]   Im vor­lie­gen­den Fall er­gibt sich aus der Vor­la­ge­ent­schei­dung, dass die Öff­nung des AGR-Ven­tils in Echt­zeit von ei­nem der Rech­ner zur Mo­tor­steue­rung ge­re­gelt wird, bei dem es sich um ein On-Board?In­for­ma­ti­ons­sys­tem des Fahr­zeugs han­delt. Die­ser Rech­ner sen­det nach Maß­ga­be der von ver­schie­de­nen Sen­so­ren ge­sam­mel­ten In­for­ma­tio­nen (u. a. Ge­schwin­dig­keit oder Mo­tor­tem­pe­ra­tur) Be­feh­le an den Stel­l­an­trieb des AGR-Ven­tils. Die Wirk­sam­keit der Ab­gas­rei­ni­gung hängt von der Öff­nung die­ses Ven­tils ab, die sich nach dem Quell­code der in den Rech­ner in­te­grier­ten Soft­ware rich­tet.

[66]   Da ei­ne in den Rech­ner zur Mo­tor­steue­rung in­te­grier­te Soft­ware wie die hier in Re­de ste­hen­de so­mit auf die Funk­ti­on des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems ein­wirkt und des­sen Wirk­sam­keit ver­rin­gert, han­delt es sich bei ihr um ein „Kon­struk­ti­ons­teil“ i. S. von Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung Nr. 715/2007.

[67]   Die­se wei­te Aus­le­gung des Be­griffs „Kon­struk­ti­ons­teil“ wird durch das mit der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ver­folg­te Ziel be­stä­tigt, das nach ih­rem sechs­ten Er­wä­gungs­grund dar­in be­steht, zur Ver­bes­se­rung der Luft­qua­li­tät und zur Ein­hal­tung der Luft­ver­schmut­zungs­grenz­wer­te die NOX-Emis­sio­nen bei Die­sel­fahr­zeu­gen er­heb­lich zu min­dern.

[68]   Nach al­le­dem ist auf die ers­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass ei­ne in den Rech­ner zur Mo­tor­steue­rung in­te­grier­te oder auf ihn ein­wir­ken­de Soft­ware ein „Kon­struk­ti­ons­teil“ im Sin­ne die­ser Be­stim­mung dar­stellt, da sie auf die Funk­ti­on des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems ein­wirkt und des­sen Wirk­sam­keit ver­rin­gert.

Zur zwei­ten Fra­ge

[69]   Mit sei­ner zwei­ten Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass un­ter den Be­griff „Emis­si­ons­kon­troll­sys­tem“ im Sin­ne die­ser Be­stim­mung nur die Tech­no­lo­gi­en und die Stra­te­gie der Nach­be­hand­lung von Ab­ga­sen fal­len, mit de­nen die Emis­sio­nen im Nach­hin­ein, das heißt nach ih­rer Ent­ste­hung, ver­rin­gert wer­den, oder da­hin, dass dar­un­ter auch die­je­ni­gen fal­len, mit de­nen – wie mit dem AGR-Sys­tem – die Emis­sio­nen im Vor­hin­ein, das heißt bei ih­rer Ent­ste­hung, ver­rin­gert wer­den.

[70]   Ein­lei­tend ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass es zwei Stra­te­gi­en gibt, die von den Her­stel­lern in ih­ren Die­sel­fahr­zeu­gen ein­ge­setzt wer­den kön­nen, um die Schad­stoff­emis­sio­nen zu ver­rin­gern. Zum ei­nen han­delt es sich da­bei um die so­ge­nann­te mo­tor­in­ter­ne Stra­te­gie wie das AGR-Sys­tem, die dar­in be­steht, die Ent­ste­hung von Schad­stof­fen im Mo­tor selbst zu ver­rin­gern, und zum an­de­ren um die so­ge­nann­te Nach­be­hand­lung von Ab­ga­sen, die dar­in be­steht, auf die Ab­gas­emis­sio­nen nach ih­rer Ent­ste­hung ein­zu­wir­ken.

[71]   In der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 wird der Be­griff „Emis­si­ons­kon­troll­sys­tem“ als sol­cher nicht de­fi­niert, aber in ih­rer Prä­am­bel heißt es, dass es an­ge­sichts des mit ihr an­ge­streb­ten Ziels der Ver­rin­ge­rung von Emis­sio­nen er­for­der­lich sei, Ein­rich­tun­gen zur Mes­sung und da­mit zur Kon­trol­le der bei der Nut­zung ei­nes Fahr­zeugs auf­tre­ten­den Emis­sio­nen vor­zu­se­hen.

[72]   Nach der in Rand­num­mer 62 des vor­lie­gen­den Ur­teils wie­der­ge­ge­be­nen Recht­spre­chung sind Be­deu­tung und Trag­wei­te von Be­grif­fen, die das Uni­ons­recht nicht de­fi­niert, ent­spre­chend ih­rem üb­li­chen Sinn nach dem ge­wöhn­li­chen Sprach­ge­brauch und un­ter Be­rück­sich­ti­gung des Kon­texts, in dem sie ver­wen­det wer­den, so­wie der Zie­le zu be­stim­men, die mit der Re­ge­lung, zu der sie ge­hö­ren, ver­folgt wer­den.

[73]    Zu­nächst ist fest­zu­stel­len, dass das Emis­si­ons­kon­troll­sys­tem nach sei­nem Wort­laut zu den Be­stand­tei­len ei­nes Fahr­zeugs ge­hört und da­zu dient, des­sen Emis­sio­nen zu kon­trol­lie­ren.

[74]   In­so­weit er­gibt sich aus der Vor­la­ge­ent­schei­dung, dass das AGR-Sys­tem ei­ne Ein­rich­tung ist, die al­lein zur Ver­rin­ge­rung und da­mit zur Kon­trol­le der NOX-Emis­sio­nen dient. In­fol­ge­des­sen kann aus Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 nicht ge­schlos­sen wer­den, dass ei­ne sol­che Ein­rich­tung tech­nisch nicht zum Emis­si­ons­kon­troll­sys­tem ge­hö­ren könn­te, weil sie es er­mög­licht, die Men­ge der NOX-Emis­sio­nen an­hand im Vor­aus fest­ge­leg­ter Pa­ra­me­ter zu kon­trol­lie­ren.

[75]   Ei­ne sol­che Aus­le­gung wird zu­dem durch den Kon­text von Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ge­stützt. Er ge­hört zu Ka­pi­tel I („Ge­gen­stand, An­wen­dungs­be­reich und Be­griffs­be­stim­mun­gen“) der Ver­ord­nung und ist an­hand ih­rer ver­schie­de­nen Be­stim­mun­gen zu prü­fen so­wie an­hand des Re­ge­lungs­rah­mens für die Ge­neh­mi­gung von Kraft­fahr­zeu­gen in­ner­halb der Uni­on, in den sich die Ver­ord­nung ein­fügt.

[76]   In­so­weit ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass An­hang IV Teil I der Rah­men­richt­li­nie ei­ne Auf­zäh­lung der Rechts­ak­te ent­hält, in de­nen die in­halt­li­chen Vor­aus­set­zun­gen vor­ge­se­hen sind, die er­füllt sein müs­sen, da­mit die Typ­ge­neh­mi­gung für ein Kraft­fahr­zeug er­teilt wird. Die dort ge­nann­te Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 sieht in ih­rem Art. 5 vor, dass der Her­stel­ler das Fahr­zeug so aus­rüs­tet, dass die Bau­tei­le, die das Emis­si­ons­ver­hal­ten vor­aus­sicht­lich be­ein­flus­sen, so kon­stru­iert, ge­fer­tigt und mon­tiert sind, dass das Fahr­zeug un­ter nor­ma­len Be­triebs­be­din­gun­gen der Ver­ord­nung und ih­ren Durch­füh­rungs­maß­nah­men ent­spricht. In Be­zug auf die Emis­si­ons­kon­trol­le wer­den in die­sem Ar­ti­kel spe­zi­fi­sche tech­ni­sche An­for­de­run­gen auf­ge­stellt, die in der Ver­ord­nung (EG) Nr. 692/2008 fest­ge­legt wor­den sind. Die­se ver­weist ih­rer­seits, in Be­zug auf be­stimm­te tech­ni­sche An­for­de­run­gen an die Typ­ge­neh­mi­gung von Fahr­zeu­gen, auf die UN/ECE?Re­ge­lung Nr. 83.

[77]   Ers­tens sieht Art. 4 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 vor, dass die vom Her­stel­ler er­grif­fe­nen tech­ni­schen Maß­nah­men si­cher­stel­len müs­sen, dass un­ter an­de­rem die Aus­puff­emis­sio­nen wäh­rend der ge­sam­ten nor­ma­len Le­bens­dau­er ei­nes Fahr­zeugs bei nor­ma­len Nut­zungs­be­din­gun­gen wir­kungs­voll be­grenzt wer­den. In­so­weit wird der Be­griff „Aus­puff­emis­sio­nen“ in Art. 3 Nr. 6 der Ver­ord­nung de­fi­niert als „die Emis­sio­nen gas­för­mi­ger und par­ti­kel­för­mi­ger Schad­stof­fe“.

[78]   In die­sen Vor­schrif­ten wird so­mit nur das von den Her­stel­lern zu er­rei­chen­de Ziel ei­ner Be­gren­zung der Aus­puff­emis­sio­nen fest­ge­legt, oh­ne die Mit­tel zu sei­ner Er­rei­chung nä­her an­zu­ge­ben.

[79]   Folg­lich ist Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 im Licht ih­rer üb­ri­gen Be­stim­mun­gen da­hin aus­zu­le­gen, dass der Be­griff „Emis­si­ons­kon­troll­sys­tem“ die Tech­no­lo­gi­en und die Stra­te­gie, mit de­nen die Emis­sio­nen im Vor­hin­ein, das heißt bei ih­rer Ent­ste­hung, ver­rin­gert wer­den, nicht aus­schließt.

[80]   Zwei­tens wird in der UN/ECE?Re­ge­lung Nr. 83, ins­be­son­de­re in ih­rem Ab­satz 2.16, eben­falls auf den Be­griff „Emis­si­ons­kon­troll­sys­tem“ Be­zug ge­nom­men, oh­ne je­doch nä­her an­zu­ge­ben, ob er auf Maß­nah­men zur Be­hand­lung von Emis­sio­nen nach ih­rer Ent­ste­hung ver­weist oder auf Maß­nah­men zur Be­gren­zung ih­rer Ent­ste­hung.

[81]   In die­ser Vor­schrift wird der Be­griff „Ab­schalt­ein­rich­tung“ näm­lich ähn­lich de­fi­niert wie in Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007. Aus Ab­satz 2.16 kann folg­lich nicht ge­schlos­sen wer­den, dass das „Emis­si­ons­kon­troll­sys­tem“ im dor­ti­gen Sin­ne nur die Tech­no­lo­gi­en und die Stra­te­gie zur Ver­rin­ge­rung der Ab­gas­emis­sio­nen nach ih­rer Ent­ste­hung er­fasst und nicht die­je­ni­gen, mit de­nen ih­re Ent­ste­hung be­grenzt wer­den soll.

[82]   Au­ßer­dem heißt es in Ab­satz 7.​3.​1.​2 („Ab­gas­rei­ni­gungs­an­la­ge“) der UN/ECE?Re­ge­lung Nr. 83, dass das AGR-Sys­tem zu die­sen Pa­ra­me­tern ge­hört. Aus die­sen Vor­schrif­ten folgt so­mit, dass das AGR-Sys­tem un­ter den Be­griff „Emis­si­ons­kon­troll­sys­tem“ fällt.

[83]   Drit­tens wird zwar in Art. 2 Nr. 18 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 692/2008 das „Emis­si­ons­min­de­rungs­sys­tem“ de­fi­niert als „im Zu­sam­men­hang mit ei­nem OBD-Sys­tem die elek­tro­ni­sche Mo­tor­steue­rung so­wie je­des emis­si­ons­re­le­van­te Bau­teil im Ab­gas- oder Ver­duns­tungs­sys­tem, das die­sem Steu­er­ge­rät ein Ein­gangs­si­gnal über­mit­telt oder von die­sem ein Aus­gangs­si­gnal er­hält“, wo­bei die Ver­ord­nung (EG) Nr. 692/2008 zahl­rei­che Vor­schrif­ten über ver­schie­de­ne Sys­te­me zur Be­hand­lung von Emis­sio­nen ent­hält, die als „Emis­si­ons­min­de­rungs­sys­tem“ be­zeich­net wer­den. Die glei­che Be­zeich­nung fin­det sich aber auch für mo­tor­in­ter­ne Sys­te­me zur Be­gren­zung der Ent­ste­hung von Emis­sio­nen. In­so­weit ist in An­la­ge 2 von An­hang XI der Ver­ord­nung die Ab­gas­rück­füh­rung aus­drück­lich un­ter den Emis­si­ons­min­de­rungs­sys­te­men auf­ge­führt. Ge­nau da­zu dient aber das AGR-Sys­tem.

[84]   Über­dies wird bei den Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren für Kraft­fahr­zeu­ge die Hö­he der Emis­sio­nen stets am Aus­lass des Aus­puffs ge­mes­sen, wie aus An­hang 3 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 692/2008 her­vor­geht. Da­her kann nicht zwi­schen der Stra­te­gie ei­ner Ver­rin­ge­rung der Ab­gas­emis­sio­nen nach ih­rer Ent­ste­hung und der Stra­te­gie ih­rer Be­gren­zung bei der Ent­ste­hung dif­fe­ren­ziert wer­den.

[85]   Aus dem Kon­text von Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 er­gibt sich so­mit, dass un­ter den Be­griff „Emis­si­ons­kon­troll­sys­tem“ so­wohl die Tech­no­lo­gi­en und die Stra­te­gie fal­len, mit de­nen die Emis­sio­nen nach ih­rer Ent­ste­hung im Mo­tor der Fahr­zeu­ge ver­rin­gert wer­den sol­len, als auch die­je­ni­gen, mit de­nen ih­re Ent­ste­hung be­grenzt wer­den soll.

[86]   Schließ­lich wird die­se Aus­le­gung auch durch das mit der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ver­folg­te Ziel be­stä­tigt, das dar­in be­steht, ein ho­hes Um­welt­schutz­ni­veau si­cher­zu­stel­len.

[87]   Wie im ers­ten Er­wä­gungs­grund der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 dar­ge­legt wird, soll­ten näm­lich die tech­ni­schen Vor­schrif­ten für die Typ­ge­neh­mi­gung von Kraft­fahr­zeu­gen hin­sicht­lich ih­rer Emis­sio­nen har­mo­ni­siert wer­den, um un­ter an­de­rem die­ses Ziel si­cher­zu­stel­len. Fer­ner heißt es im fünf­ten Er­wä­gungs­grund der Ver­ord­nung, dass fort­wäh­ren­de Be­mü­hun­gen zur Sen­kung von Kraft­fahr­zeu­ge­mis­sio­nen er­for­der­lich sind, um die Zie­le der Uni­on für die Luft­qua­li­tät zu er­rei­chen. Nach ih­rem sechs­ten Er­wä­gungs­grund ist zur Ver­bes­se­rung der Luft­qua­li­tät und zur Ein­hal­tung der Luft­ver­schmut­zungs­grenz­wer­te ins­be­son­de­re ei­ne er­heb­li­che Min­de­rung der NOX-Emis­sio­nen bei Die­sel­fahr­zeu­gen er­for­der­lich.

[88]   Nach Art. 4 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 muss der Her­stel­ler nach­wei­sen, dass die von ihm er­grif­fe­nen tech­ni­schen Maß­nah­men si­cher­stel­len, dass u. a. die Aus­puff­emis­sio­nen wäh­rend der ge­sam­ten nor­ma­len Le­bens­dau­er ei­nes Fahr­zeugs bei nor­ma­len Nut­zungs­be­din­gun­gen wir­kungs­voll be­grenzt wer­den.

[89]   In­fol­ge­des­sen steht die Aus­le­gung des Be­griffs „Emis­si­ons­kon­troll­sys­tem“ in Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007, wo­nach dar­un­ter so­wohl die Tech­no­lo­gi­en und die Stra­te­gie fal­len, mit de­nen die Emis­sio­nen nach ih­rer Ent­ste­hung im Mo­tor des Fahr­zeugs ver­rin­gert wer­den sol­len, als auch die­je­ni­gen, mit de­nen ih­re Ent­ste­hung be­grenzt wer­den soll, im Ein­klang mit dem Ziel, das die­se Ver­ord­nung ver­folgt. Wie die Ge­ne­ral­an­wäl­tin in Num­mer 106 ih­rer Schluss­an­trä­ge aus­ge­führt hat, wür­de ei­ne Be­schrän­kung der Trag­wei­te die­ses Be­griffs auf die Tech­no­lo­gi­en und die Stra­te­gie zur Ver­rin­ge­rung der Ab­gas­emis­sio­nen nach ih­rer Ent­ste­hung der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 näm­lich ei­nen er­heb­li­chen Teil ih­rer prak­ti­schen Wirk­sam­keit neh­men.

[90]   Nach al­le­dem ist auf die zwei­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass un­ter den Be­griff „Emis­si­ons­kon­troll­sys­tem“ im Sin­ne die­ser Be­stim­mung so­wohl die Tech­no­lo­gi­en und die Stra­te­gie der Nach­be­hand­lung von Ab­ga­sen fal­len, mit de­nen die Emis­sio­nen im Nach­hin­ein, das heißt nach ih­rer Ent­ste­hung, ver­rin­gert wer­den, als auch die­je­ni­gen, mit de­nen – wie mit dem AGR-Sys­tem – die Emis­sio­nen im Vor­hin­ein, das heißt bei ih­rer Ent­ste­hung, ver­rin­gert wer­den.

Zu den Buch­sta­ben a und c der drit­ten Fra­ge

[91]   Mit den Buch­sta­ben a und c sei­ner drit­ten Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass ei­ne Ein­rich­tung, die je­den Pa­ra­me­ter im Zu­sam­men­hang mit dem Ab­lauf der in der Ver­ord­nung vor­ge­se­he­nen Zu­las­sungs­ver­fah­ren er­kennt, um die Leis­tung des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems bei die­sen Ver­fah­ren zu ver­bes­sern und so die Zu­las­sung des Fahr­zeugs zu er­rei­chen, ei­ne „Ab­schalt­ein­rich­tung“ im Sin­ne die­ser Be­stim­mung dar­stellt, selbst wenn ei­ne sol­che Ver­bes­se­rung punk­tu­ell auch un­ter nor­ma­len Nut­zungs­be­din­gun­gen des Fahr­zeugs be­ob­ach­tet wer­den kann.

[92]   Wie be­reits aus­ge­führt, wer­den die Fahr­zeu­ge im Rah­men der die Schad­stoff­emis­sio­nen be­tref­fen­den Teil­zu­las­sung an­hand des NEDC?Dreh­zahl­pro­fils ge­tes­tet, das in der Wie­der­ho­lung von vier Stadt­fahr­zy­klen, ge­folgt von ei­nem au­ßer­städ­ti­schen Fahr­zy­klus, in ei­nem La­bor be­steht. Da­mit soll un­ter an­de­rem ge­prüft wer­den, ob die aus­ge­sto­ße­ne NOx-Men­ge un­ter der in der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 vor­ge­se­he­nen Ober­gren­ze liegt. Die Test­zy­klen für die Emis­sio­nen der Fahr­zeu­ge im Rah­men die­ses Ver­fah­rens be­ru­hen nicht auf Be­din­gun­gen des rea­len Ver­kehrs.

[93]   Die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de Soft­ware er­mög­licht es, die Pa­ra­me­ter zu er­mit­teln, die de­nen der im La­bor an­hand des NEDC?Pro­fils durch­ge­führ­ten Tests ent­spre­chen, und ge­ge­be­nen­falls das AGR-Ven­til wei­ter zu öff­nen, da­mit ein grö­ße­rer Teil der Ab­ga­se in den Gas­an­saug­krüm­mer ge­langt, und so die Emis­sio­nen des ge­tes­te­ten Fahr­zeugs zu ver­rin­gern. Die­se Soft­ware er­laubt es mit­hin, die Funk­ti­on des AGR-Ven­tils zu in­ten­si­vie­ren, da­mit die Emis­sio­nen die in der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 fest­ge­leg­ten Grenz­wer­te nicht über­schrei­ten. Nach den An­ga­ben in der Vor­la­ge­ent­schei­dung lie­gen die NOX-Emis­sio­nen, wenn die Soft­ware kein NEDC?Pro­fil er­kennt und des­halb von nor­ma­len Nut­zungs­be­din­gun­gen des Fahr­zeugs aus­geht, über den in der Test­pha­se ge­mes­se­nen Emis­sio­nen und ste­hen auch nicht im Ein­klang mit den in der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 fest­ge­leg­ten Grenz­wer­ten.

[94]   Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs sind bei der Aus­le­gung ei­ner Uni­ons­vor­schrift nicht nur ihr Wort­laut, son­dern auch ihr Kon­text und die Zie­le zu be­rück­sich­ti­gen, die mit der Re­ge­lung, zu der sie ge­hört, ver­folgt wer­den (EuGH, Urt. v. 18.11.2020 – C-77/19, EU:C:2020:934 Rn. 39 m. w. Nachw. – Ka­plan In­ter­na­tio­nal col­le­ges UK).

[95]   Zu­nächst er­gibt sich aus dem Wort­laut von Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007, dass ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung „die Wirk­sam­keit des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems un­ter Be­din­gun­gen, die bei nor­ma­lem Fahr­zeug­be­trieb ver­nünf­ti­ger­wei­se zu er­war­ten sind“, ver­rin­gern soll.

[96]   Folg­lich könn­te aus dem Wort­laut die­ser Vor­schrift ge­schlos­sen wer­den, dass ei­ne Ein­rich­tung wie das im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de AGR-Sys­tem, die ge­schaf­fen wur­de, um für ei­ne mit der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 im Ein­klang ste­hen­de Be­gren­zung der Emis­sio­nen zu sor­gen, so­wohl wäh­rend der Zu­las­sungs­tests im La­bor als auch un­ter nor­ma­len Nut­zungs­be­din­gun­gen des Fahr­zeugs be­triebs­be­reit sein muss.

[97]   So­dann er­gibt sich zum Kon­text von Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 aus Rn. 77 des vor­lie­gen­den Ur­teils, dass nach Art. 4 Abs. 2 der Ver­ord­nung die vom Her­stel­ler er­grif­fe­nen tech­ni­schen Maß­nah­men si­cher­stel­len müs­sen, dass un­ter an­de­rem die Aus­puff­emis­sio­nen wäh­rend der ge­sam­ten nor­ma­len Le­bens­dau­er ei­nes Fahr­zeugs bei nor­ma­len Nut­zungs­be­din­gun­gen wir­kungs­voll be­grenzt wer­den. Fer­ner sieht Art. 5 I der Ver­ord­nung vor, dass der Her­stel­ler die Fahr­zeu­ge so aus­rüs­ten muss, dass die Bau­tei­le, die sich auf das Emis­si­ons­ver­hal­ten aus­wir­ken, es er­lau­ben, dass die Fahr­zeu­ge un­ter nor­ma­len Be­triebs­be­din­gun­gen die in der Ver­ord­nung und ih­ren Durch­füh­rungs­maß­nah­men vor­ge­se­he­nen Emis­si­ons­grenz­wer­te ein­hal­ten.

[98]   Die­sem Kon­text las­sen sich kei­ne An­halts­punk­te da­für ent­neh­men, dass es mög­lich wä­re, zwi­schen der Funk­ti­ons­wei­se der strei­ti­gen Ein­rich­tung wäh­rend der Pha­se der Zu­las­sungs­tests und im Be­trieb un­ter nor­ma­len Nut­zungs­be­din­gun­gen der Fahr­zeu­ge zu un­ter­schei­den. Wie die Ge­ne­ral­an­wäl­tin in Num­mer 124 ih­rer Schluss­an­trä­ge aus­ge­führt hat, lie­fe näm­lich der Ein­bau ei­ner Ein­rich­tung, de­ren ein­zi­ger Zweck dar­in be­stün­de, die Ein­hal­tung der in der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 vor­ge­se­he­nen Grenz­wer­te al­lein wäh­rend der Zu­las­sungs­tests si­cher­zu­stel­len, der Ver­pflich­tung zu­wi­der, bei nor­ma­len Nut­zungs­be­din­gun­gen des Fahr­zeugs ei­ne wir­kungs­vol­le Be­gren­zung der Emis­sio­nen si­cher­zu­stel­len.

[99]   Folg­lich ist ei­ner Aus­le­gung von Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 zu fol­gen, wo­nach ei­ne Soft­ware wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de, die die Hö­he der Fahr­zeu­ge­mis­sio­nen an­hand der von ihr er­mit­tel­ten Fahr­be­din­gun­gen ver­än­dert und die Ein­hal­tung der Emis­si­ons­grenz­wer­te nur un­ter Be­din­gun­gen ge­währ­leis­tet, die de­nen der Zu­las­sungs­tests ent­spre­chen, ei­ne „Ab­schalt­ein­rich­tung“ im Sin­ne die­ser Be­stim­mung dar­stellt. Ei­ne sol­che Ein­rich­tung stellt so­mit auch dann ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung dar, wenn die Ver­bes­se­rung der Leis­tung des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems punk­tu­ell auch un­ter nor­ma­len Nut­zungs­be­din­gun­gen des Fahr­zeugs be­ob­ach­tet wer­den kann.

[100]  Die­se Aus­le­gung wird schließ­lich durch das mit der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ver­folg­te Ziel be­stä­tigt, das dar­in be­steht, die NOX-Emis­sio­nen er­heb­lich zu ver­rin­gern und ein ho­hes Um­welt­schutz­ni­veau si­cher­zu­stel­len (s. oben Rn. 86 und 87).

[101]  Die Tat­sa­che, dass die nor­ma­len Nut­zungs­be­din­gun­gen der Fahr­zeu­ge nach den An­ga­ben in der Vor­la­ge­ent­schei­dung in Aus­nah­me­fäl­len den Fahr­be­din­gun­gen bei den Zu­las­sungs­tests ent­spre­chen und da­mit die Leis­tung der frag­li­chen Ein­rich­tung punk­tu­ell ver­bes­sern kön­nen, hat kei­nen Ein­fluss auf die­se Aus­le­gung, da un­ter nor­ma­len Nut­zungs­be­din­gun­gen der Fahr­zeu­ge das Ziel ei­ner Ver­rin­ge­rung der NOX-Emis­sio­nen in der Re­gel nicht er­reicht wird.

[102]  Nach al­le­dem ist auf die Buch­sta­ben a und c der drit­ten Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass ei­ne Ein­rich­tung, die je­den Pa­ra­me­ter im Zu­sam­men­hang mit dem Ab­lauf der in der Ver­ord­nung vor­ge­se­he­nen Zu­las­sungs­ver­fah­ren er­kennt, um die Leis­tung des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems bei die­sen Ver­fah­ren zu ver­bes­sern und so die Zu­las­sung des Fahr­zeugs zu er­rei­chen, ei­ne „Ab­schalt­ein­rich­tung“ im Sin­ne die­ser Be­stim­mung dar­stellt, selbst wenn ei­ne sol­che Ver­bes­se­rung punk­tu­ell auch un­ter nor­ma­len Nut­zungs­be­din­gun­gen des Fahr­zeugs be­ob­ach­tet wer­den kann.

Zu Buch­sta­be b der drit­ten Fra­ge und zur vier­ten Fra­ge

[103]  Ein­lei­tend ist fest­zu­stel­len, dass sich Buchst. b der drit­ten Fra­ge und die vier­te Fra­ge auf al­le in Art. 5 II 1 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 vor­ge­se­he­nen Aus­nah­men be­zie­hen. Wie sich aus der Vor­la­ge­ent­schei­dung er­gibt, sind die in Art. 5 II 2 lit. b und c der Ver­ord­nung vor­ge­se­he­nen Aus­nah­men aber für die Ent­schei­dung des Aus­gangs­ver­fah­rens ir­re­le­vant. Ei­ne Aus­le­gung der Buch­sta­ben b und c von Art. 5 II 2 ist da­her nicht er­for­der­lich.

[104]  Mit den ge­nann­ten Fra­gen möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt so­mit wis­sen, ob Art. 5 II 2 lit. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de, die die Leis­tung des Sys­tems zur Kon­trol­le der Emis­sio­nen von Fahr­zeu­gen bei Zu­las­sungs­ver­fah­ren sys­te­ma­tisch ge­gen­über der Leis­tung un­ter nor­ma­len Nut­zungs­be­din­gun­gen ver­bes­sert, un­ter die in die­ser Be­stim­mung vor­ge­se­he­ne Aus­nah­me vom Ver­bot sol­cher Ein­rich­tun­gen fal­len kann, wenn die Ein­rich­tung da­zu bei­trägt, den Ver­schleiß oder die Ver­schmut­zung des Mo­tors zu ver­hin­dern.

[105]  Nach Art. 5 II 1 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ist die Ver­wen­dung von Ab­schalt­ein­rich­tun­gen, die die Wir­kung von Emis­si­ons­kon­troll­sys­te­men ver­rin­gern, un­zu­läs­sig. Von die­sem Ver­bot gibt es je­doch drei Aus­nah­men; un­ter an­de­rem gilt das Ver­bot nach Art. 5 II 2 lit. a nicht, wenn „die Ein­rich­tung not­wen­dig ist, um den Mo­tor vor Be­schä­di­gung oder Un­fall zu schüt­zen und um den si­che­ren Be­trieb des Fahr­zeugs zu ge­währ­leis­ten“.

[106]  Die Be­grif­fe „Be­schä­di­gung“ und „Un­fall“ wer­den we­der in Art. 5 noch in ei­ner an­de­ren Be­stim­mung der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 de­fi­niert.

[107]  Wie sich aus der in Rand­num­mer 62 des vor­lie­gen­den Ur­teils an­ge­führ­ten Recht­spre­chung er­gibt, sind die Be­deu­tung und Trag­wei­te die­ser in der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 nicht de­fi­nier­ten Be­grif­fe nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ent­spre­chend ih­rem üb­li­chen Sinn im ge­wöhn­li­chen Sprach­ge­brauch zu be­stim­men, wo­bei zu be­rück­sich­ti­gen ist, in wel­chem Kon­text sie ver­wen­det wer­den und wel­che Zie­le mit der Re­ge­lung ver­folgt wer­den, zu der sie ge­hö­ren.

[108]  Nach sei­nem üb­li­chen Sinn im ge­wöhn­li­chen Sprach­ge­brauch be­zeich­net der Be­griff „Un­fall“, wie die Ge­ne­ral­an­wäl­tin in Num­mer 135 ih­rer Schluss­an­trä­ge aus­ge­führt hat, ein un­vor­her­ge­se­he­nes und plötz­li­ches Er­eig­nis, das Schä­den oder Ge­fah­ren wie Ver­let­zun­gen oder den Tod nach sich zieht, wäh­rend der Be­griff „Be­schä­di­gung“ ei­nen im All­ge­mei­nen auf ei­ner ge­walt­sa­men oder plötz­li­chen Ur­sa­che be­ru­hen­den Scha­den be­zeich­net.

[109]  Folg­lich ist ei­ne die Wir­kung des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems ver­rin­gern­de Ab­schalt­ein­rich­tung ge­mäß Art. 5 II 2 lit. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 zu­läs­sig, wenn sie es er­mög­licht, den Mo­tor vor plötz­li­chen und au­ßer­ge­wöhn­li­chen Schä­den zu schüt­zen.

[110]  Hier­zu ist fest­zu­stel­len, dass die Ver­schmut­zung und der Ver­schleiß des Mo­tors nicht als „Be­schä­di­gung“ oder „Un­fall“ im Sin­ne der ge­nann­ten Be­stim­mung an­ge­se­hen wer­den kön­nen, denn sie sind, wie die Kom­mis­si­on aus­führt, im Prin­zip vor­her­seh­bar und der nor­ma­len Funk­ti­ons­wei­se des Fahr­zeugs in­hä­rent.

[111]  Die­se Aus­le­gung wird durch den Kon­text von Art. 5 II 2 lit. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 be­stä­tigt, der ei­ne Aus­nah­me vom Ver­bot der Ver­wen­dung von Ab­schalt­ein­rich­tun­gen ent­hält, die die Wir­kung von Emis­si­ons­kon­troll­sys­te­men ver­rin­gern, so­wie durch das mit der Ver­ord­nung ver­folg­te Ziel. Je­de Aus­nah­me ist näm­lich eng aus­zu­le­gen, un­ter Wah­rung ih­rer prak­ti­schen Wirk­sam­keit und un­ter Be­ach­tung ih­rer Ziel­set­zung (vgl. ent­spre­chend EuGH, Urt. v. 03.09.2014 – C-201/13, EU:C:2014:2132 Rn. 22 und 23 – Deck­myn und Vri­jheids­fonds).

[112]  Da Art. 5 II 2 lit. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ei­ne Aus­nah­me vom Ver­bot der Ver­wen­dung von Ab­schalt­ein­rich­tun­gen dar­stellt, die die Wir­kung von Emis­si­ons­kon­troll­sys­te­men ver­rin­gern, ist er eng aus­zu­le­gen.

[113]  Ei­ne sol­che Aus­le­gung wird auch durch das mit der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ver­folg­te Ziel be­stä­tigt, das dar­in be­steht, in der Uni­on die Um­welt zu schüt­zen und die Luft­qua­li­tät zu ver­bes­sern; dies im­pli­ziert ei­ne wirk­sa­me Ver­rin­ge­rung der NOX-Emis­sio­nen wäh­rend der ge­sam­ten nor­ma­len Le­bens­dau­er der Fahr­zeu­ge. Das Ver­bot, auf das sich Art. 5 II 2 lit. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 be­zieht, wür­de aus­ge­höhlt und je­der prak­ti­schen Wirk­sam­keit be­raubt, wenn es zu­läs­sig wä­re, dass die Her­stel­ler Fahr­zeu­ge al­lein des­halb mit sol­chen Ab­schalt­ein­rich­tun­gen aus­stat­ten, um den Mo­tor vor Ver­schmut­zung und Ver­schleiß zu schüt­zen.

[114]  In­fol­ge­des­sen sind, wie die Ge­ne­ral­an­wäl­tin in Num­mer 146 ih­rer Schluss­an­trä­ge aus­ge­führt hat, nur un­mit­tel­ba­re Be­schä­di­gungs­ri­si­ken, die zu ei­ner kon­kre­ten Ge­fahr wäh­rend des Be­triebs des Fahr­zeugs füh­ren, ge­eig­net, die Nut­zung ei­ner Ab­schalt­ein­rich­tung zu recht­fer­ti­gen.

[115]  Nach al­le­dem ist auf Buch­sta­be b der drit­ten Fra­ge und auf die vier­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 5 II 2 lit. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de, die bei Zu­las­sungs­ver­fah­ren sys­te­ma­tisch die Leis­tung des Sys­tems zur Kon­trol­le der Emis­sio­nen von Fahr­zeu­gen ver­bes­sert, da­mit die in der Ver­ord­nung fest­ge­leg­ten Emis­si­ons­grenz­wer­te ein­ge­hal­ten wer­den und so die Zu­las­sung die­ser Fahr­zeu­ge er­reicht wird, nicht un­ter die in die­ser Be­stim­mung, die den Schutz des Mo­tors vor Be­schä­di­gung oder Un­fall und den si­che­ren Be­trieb des Fahr­zeugs be­trifft, vor­ge­se­he­ne Aus­nah­me vom Ver­bot sol­cher Ein­rich­tun­gen fal­len kann, selbst wenn die Ein­rich­tung da­zu bei­trägt, den Ver­schleiß oder die Ver­schmut­zung des Mo­tors zu ver­hin­dern.

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