1. Stellt sich ein Verbraucher bei einem (vermeintlichen) Agenturgeschäft auf den Standpunkt, sein Vertragspartner sei in Wahrheit nicht der in einem Kfz-Kaufvertrag benannte private Verkäufer, sondern der diesen Vertrag (angeblich) nur vermittelnde Kraftfahrzeughändler, so ist es an ihm, Tatsachen vorzutragen und unter Beweis zu stellen, die für ein Umgehungsgeschäft i. S. von § 475 I 2 BGB a.F. (= § 476 I 2 BGB n.F.) sprechen (im Anschluss an BGH, Urt. v. 26.01.2005 – VIII ZR 175/04, NJW 2005, 1039, 1040 f.).
  2. Ein Gebrauchtwagenhändler, der bei einem Agenturgeschäft den Kaufvertrag nur vermittelt, haftet gegebenenfalls als Vermittler aus Verschulden bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo, §§ 280 I, 311 II, III, 241 II BGB) selbst, wenn der Käufer ihm ein besonderes, über die normale Verhandlungsloyalität hinausgehendes Vertrauen entgegenbringt und erwartet, darin rechtlichen Schutz zu genießen. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Händler die gesamten Vertragsverhandlungen bis zum Abschluss des Kaufvertrags alleine geführt hat, der Käufer also zu dem eigentlichen Verkäufer des Fahrzeugs keinen Kontakt hatte (im Anschluss an BGH, Urt. v. 16.12.2009 – VIII ZR 38/09, NJW 2010, 858 Rn. 24 m. w. Nachw.).
  3. Bei einem Agenturgeschäft muss der den Kaufvertrag vermittelnde Gebrauchtwagenhändler den Käufer darüber aufklären, dass der private Verkäufer des Fahrzeugs nicht in der Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II eingetragen ist. Denn zum einen ist es höchst ungewöhnlich, dass eine Privatperson ein nicht auf sie zugelassenes Fahrzeug verkauft, und zum anderen geht der Käufer ohne einen entsprechenden Hinweis davon aus, dass er das Fahrzeug von demjenigen erwirbt, der als letzter Halter in der Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) eingetragen ist.

LG Kleve, Urteil vom 20.03.2020 – 3 O 134/19

Sachverhalt: Der Kläger nimmt die Beklagte, die zumindest im Jahr 2017 gewerblich mit Kraftfahrzeugen handelte, im Wesentlichen auf Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrags über einen gebrauchten VW Touran in Anspruch.

Dieser schriftliche Vertrag vom 31.07.2017 weist als „Verkäufer (privat)“ einen B und als Käufer den Kläger aus. Die Beklagte wird in dem Kaufvertrag als dessen Vermittlerin bezeichnet. Der Vertrag sieht vor, dass die Haftung des Verkäufers (B) wegen eines Sachmangels des Fahrzeugs ausgeschlossen ist.

B ist nicht in der Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II eingetragen.

Der Kläger hat geltend gemacht, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Kaufvertrag nicht lediglich vermittelt habe. Es liege vielmehr ein Umgehungsgeschäft (§ 475 I 2 BGB a.F. = § 476 I 2 BGB n.F.) vor, weil tatsächlich die Beklagte die Verkäuferin des VW Touran sei. Außerhalb des schriftlichen Kaufvertrags habe die Beklagte nicht auf ihre (angebliche) Vermittlerstellung hingewiesen. Sie habe darauf auch nicht verwiesen, als er, der Kläger, sie in Anspruch genommen habe; vielmehr habe die Beklagte Reparaturen an dem streitgegenständlichen Fahrzeug durchgeführt und im eigenen Namen zu geltend gemachten Ansprüchen Stellung genommen.

Das Fahrzeug weise mehrere Mängel auf. Insbesondere sei es nicht mehr mit dem Originalmotor ausgestattet, und die Beklagte habe die tatsächliche Anzahl der Vorbesitzer nicht offengelegt. Da ihr beides bekannt gewesen sei, sei der Kaufvertrag auch deshalb rückabzuwickeln, weil er, der Kläger, in der Klageschrift die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt habe. Außerdem liege ein Mangel darin, dass ständig Warnleuchten aufleuchteten. Dem liege wohl zugrunde, dass die Steuerkette nicht in Ordnung sei, obwohl die Beklagte stets angegeben habe, dass das Fahrzeug eine neue Steuerkette erhalten habe.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Rückzahlung des um eine Nutzungsentschädigung (1.224,48 €) verminderten Kaufpreises in Höhe von noch 7.475,52 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des VW Touran, beansprucht. Darüber hinaus hat er die Beklagte gestützt auf § 346 I, II 1 Nr. 1 BGB auf Zahlung einer Kapitalnutzungsentschädigung in Gestalt von Zinsen in Höhe von zwei Prozent aus einem Betrag von 8.446,60 € für die Zeit vom 07.08.2017 bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit in Anspruch genommen. Außerdem hat der Kläger den Ersatz von aufgewendeten Reparaturkosten in Höhe von 1.898,74 € nebst Zinsen und die Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 887,03 € verlangt. Schließlich hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte mit der Annahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Verzug sei.

Die Beklagte hat den vorprozessual – mit anwaltlichem Schreiben vom 08.04.2019 – erklärten Rücktritt des Klägers vom Kaufvertrag zurückgewiesen.

Sie hat geltend gemacht, sie habe den streitgegenständlichen Kaufvertrag nur vermittelt, dies auch – insbesondere im schriftlichen Kaufvertrag – offengelegt und den Vorgang dementsprechend buchhalterisch behandelt. Bei dem Fahrzeug des Klägers habe sie nur deshalb einen Lüfter ausgetauscht, weil sie ihren guten Ruf als Vermittlerin habe wahren wollen und weil der im Kaufvertrag ausgewiesene Verkäufer (B) sie darum gebeten habe.

Sie, die Beklagte, habe auch ausdrücklich offengelegt, dass B nicht in den Fahrzeugpapieren eingetragen sei; B sei ein „Zwischenverkäufer“, aber gerade kein Händler. Davon abgesehen sei für den Kläger nicht kaufentscheidend gewesen, ob er den VW Touran von einem nicht in den Fahrzeugpapieren eingetragenen Verkäufer erwirbt oder ob der Verkäufer in den Fahrzeugpapieren eingetragen ist.

Die von dem Kläger behaupteten Mängel lägen nicht vor; insbesondere sei der Motor des Fahrzeugs der Erstmotor und einwandfrei.

Die Beklagte hat bestritten, dass der Kläger für eine Fahrzeugreparatur Kosten in Höhe von 1.898,74 € aufgewendet habe. Jedenfalls – so hat sie geltend gemacht – sei die Reparatur offenbar nicht gelungen, sodass der Kläger unter dem Gesichtspunkt einer Schadensminderungspflicht Gewährleistungsansprüche hätte geltend machen müssen.

Die Klage hatte im Wesentlichen Erfolg.

Aus den Gründen: Die Klage ist zulässig. Das Gericht ist gemäß § 29 I ZPO zuständig, da nach dem Klägervortrag ein Kaufvertrag zwischen den Parteien vorliegt und einheitlicher Erfüllungsort für die geltend gemachten Ansprüche aus Rückabwicklung der Ort ist, an dem sich die Kaufsache bestimmungsgemäß befindet. Im Übrigen ist das Gericht aber auch kraft rügeloser Einlassung (§ 39 Satz 1 ZPO) örtlich zuständig. Das Feststellungsinteresse (§ 256 I ZPO) für den Feststellungsantrag beruht auf dem Vollstreckungsinteresse (§§ 756 I, 765 Nr. 1 ZPO).

Die Klage ist teilweise begründet.

Der Kläger hat keine kaufvertraglichen Rückabwicklungsansprüche gegen die Beklagte nachgewiesen.

Der schriftliche Kaufvertrag weist unmissverständlich aus, dass die Beklagte lediglich Vermittlerin ist. Der insoweit beweispflichtige (vgl. BGH, Urt. v. 26.01.2005 – VIII ZR 175/04, NJW 2005, 1039, 1040 f.) Kläger hat auch nicht zur ausreichenden Überzeugung des Gerichts i. S. des § 286 ZPO nachgewiesen, dass ein unzulässiges Umgehungsgeschäft (§ 475 I 2 BGB a.F.) vorliegt. Der Zeuge Z hat im Rahmen seiner Vernehmung insbesondere eine Vollmacht vorgelegt, welche den in den schriftlichen Kaufvertrag eingetragenen Verkäufer als Vollmachtgeber ausweist. Nach den Angaben des Zeugen Z war auch die Beklagte bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht diejenige, die das wirtschaftliche Risiko des Kaufvertrags trug.

Jedoch haftet die Beklagte dem Grunde nach gemäß §§ 280 I, 311 II, III, 241 II BGB.

Denn nach der Rechtsprechung haftet ein Gebrauchtwagenhändler als Vermittler aus Verschulden bei Vertragsschluss, wenn der Kunde ihm ein besonderes, über die normale Verhandlungsloyalität hinausgehendes Vertrauen entgegenbringt und erwartet, darin rechtlichen Schutz zu genießen. Dies ist insbesondere dann zu bejahen, wenn – wie hier – der Vermittler die gesamten Vertragsverhandlungen bis zum Abschluss des Kaufvertrags alleine führte und kein Kontakt zum Verkäufer bestand (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.2009 – VIII ZR 38/09, NJW 2010, 858 Rn. 24).

Die Beklagte hat auch ihre Aufklärungspflicht verletzt. Denn sie hat nicht nachgewiesen, dass sie den Kläger vor Abschluss des Kaufvertrags informierte, dass der ausgewiesene Verkäufer als von ihr so bezeichneter „Zwischenverkäufer“ nicht in den Papieren eingetragen war. Ein derartiger Umstand ist aufklärungsbedürftig, weil ohne einen entsprechenden Hinweis der Käufer davon ausgeht, dass er das Fahrzeug von demjenigen erwirbt, der als letzter Halter im Kraftfahrzeugbrief eingetragen ist (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.2009 – VIII ZR 38/09, NJW 2010, 858 Rn. 16). Dass – wie hier von der Beklagtenseite behauptet – eine Privatperson ohne Händlereigenschaft als bloßer „Zwischenverkäufer“ auftritt, ist höchst ungewöhnlich. Denn Privatpersonen erwerben das Fahrzeug in der Regel zur Selbstnutzung und melden das Fahrzeug dementsprechend dann auch auf sich an. Wenn die Kette der Fahrzeughalter durch einen derartig ungewöhnlichen Vorgang unterbrochen wird, besteht stets zumindest der Verdacht, dass bestimmte Umstände (etwa Fahrzeugschäden, Tachostände, Händlereigenschaften) manipuliert werden sollen, sodass es sich um wertbildende Umstände handelt. Auch die im Kaufvertrag wiedergegebenen „Fahrzeugangaben“, die nur auf den Verkäuferangaben beruhen, erscheinen dann nicht belastbar, wenn das Fahrzeug selbst nie auf den Verkäufer angemeldet war und daher auch nicht von ihm genutzt wurde.

Die Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass sie den Kläger ausreichend vor Verkaufsabschluss informierte. Der Zeuge Z konnte auch auf ausdrückliche Nachfrage nicht bestätigen, dass er darüber ausdrücklich aufklärte, sondern verwies nur darauf, dass sich das doch aus dem Inhalt der Fahrzeugpapiere und dem Namen des Verkäufers ergebe. Weder nach seiner Aussage noch nach den Aussagen der Zeugin X ist jedoch nachgewiesen, dass der Kläger vor Erwerb überhaupt in die Fahrzeugpapiere sah und diesen Umstand erkannte.

Die Aufklärungspflichtverletzung ist auch kausal für den Abschluss des Kaufvertrags. Bei derartig wertbildenden Umständen besteht eine Vermutung dafür, dass der Kläger den Kaufvertrag bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht abgeschlossen hätte. Diese Vermutung ist hier gerade nicht von der Beklagtenseite widerlegt worden. Vielmehr hat der Kläger im Rahmen seiner Parteivernehmung gerade bestätigt, dass er das Fahrzeug in Kenntnis dieses Umstands nicht erworben hätte, weil er nicht gewusst hätte, was der Verkäufer mit dem Auto gemacht hätte.

Dem Umfang nach hat der Kläger Anspruch auf Ersatz des Kaufpreises abzüglich der von ihm benannten Nutzungsvorteile und damit in Höhe von 7.475,52 €. Dass er sich höhere Nutzungsvorteile anrechnen lassen muss, hat die Beklagte weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt. Verzugszinsen stehen dem Kläger insoweit gemäß § 286 I, § 288 I BGB ab dem 23.04.2019 zu.

Der Kläger hat allerdings keinen Anspruch auf Verzinsung des Betrags von 8.446,60 € für die Zeit vom 07.08.2017 bis zur Rechtshängigkeit. § 346 BGB findet im Verhältnis zwischen den Parteien keine Anwendung. Deliktische Handlungen, welche einen Zinsanspruch nach § 849 BGB begründen könnten, sind nicht nachgewiesen. Insoweit war die Klage abzuweisen.

Ferner hat der Kläger Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten in Höhe von 1.898,74 €. Dass diese angefallen sind, hat der Kläger durch Vorlage einer Rechnung so substanziiert vorgetragen, dass das pauschale Bestreiten der Beklagten rechtlich unbeachtlich ist. Darauf, ob die Reparatur gelungen ist, kommt es nicht an, da die Kosten adäquat-kausal auf dem Kauf des Fahrzeugs, der auf eine Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten zurückgeht, beruhen.

Der Anspruch ist auch nicht nach § 254 BGB zu kürzen, weil der Kläger auf die Geltendmachung von Sachmängelhaftungsansprüchen zu verweisen wäre. Gegenüber dem Verkäufer bestanden nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme wegen des wirksamen Ausschlusses der Sachmängelhaftung keine Ansprüche. Als Vermittlerin haftete die Beklagte ebenfalls nicht für Sachmängel.

Zinsen hieraus stehen dem Kläger ab dem 23.04.2019 zu.

Der Annahmeverzug (§ 293 BGB) war festzustellen. Das wörtliche Angebot zur Rücknahme des Fahrzeugs war ausreichend, weil die Beklagte zur Mitwirkung durch Abholung verpflichtet ist und im Übrigen die Verantwortung abgelehnt hatte.

Ferner hat der Kläger Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Diese berechnen sich jedoch nur aus einem berechtigten Gegenstandswert von bis zu 10.000 €€ (nämlich 7.475,52 € + 1.898,74 €). Daher ist der Freistellungsanspruch der Höhe nach auf Anwaltskosten von ([1,3 × 558 € + 20 € Auslagenpauschale] ×1,19 Umsatzsteuer =) 887,03 € zu beschränken und die weitergehende Klage abzuweisen. …

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