- Zwar trägt derjenige, der einen Artikel – hier: ein Wohnmobil – auf der Internetplattform eBay zum Kauf gegen Höchstgebot angeboten hat und sich zur Geltendmachung des Kaufpreisanspruchs auf das Zustandekommen eines Kaufvertrags beruft, die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er mit dem auf Zahlung in Anspruch genommenen eBay-Mitglied einen Kaufvertrag geschlossen hat. Insoweit gibt es keinen Anscheinsbeweis dahin, dass ein über ein eBay-Mitgliedskonto abgegebenes Höchstgebot vom Inhaber dieses Mitgliedskontos abgegeben wurde. Den Kontoinhaber trifft aber eine sekundäre Darlegungslast, wenn er behauptet, sein eBay-Mitgliedskonto sei „gehackt“ und von dem Hacker missbräuchlich genutzt worden.
- Der Schuldner eines Rückgewähranspruchs hat zwar mit Blick auf § 756 I ZPO und § 765 Nr. 1 ZPO sowie § 300 BGB ohne Weiteres ein rechtliches Interesse (§ 256 I ZPO) an der Feststellung, dass der Gläubiger im Verzug der Annahme ist. Er kann aber in der Regel nicht mit Erfolg die Feststellung verlangen, wann Annahmeverzug eingetreten ist. Dafür bedarf es vielmehr der Darlegung, dass bereits vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung eine Rechtsfolge des Annahmeverzugs eingetreten ist.
LG Ravensburg, Urteil vom 31.07.2019 – 5 O 13/19
Sachverhalt: Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Zahlung des Kaufpreises für ein Wohnmobil.
Der Kläger bot auf der Internetplattform eBay ein Wohnmobil zum Kauf gegen Höchstgebot an. Nachdem der Beklagte den Kläger am 16.11. und am 18.11.2018 telefonisch kontaktiert und Fragen zu dem Fahrzeug gestellt hatte, wurde am 18.11.2018 über das eBay-Konto des Beklagten das Höchstgebot in Höhe von 23.500 € abgegeben. Ebenfalls am 18.11.2018 erreichte den Kläger über das eBay-Konto des Beklagten die Frage „Wann kann ich meine Wohnwagen hollen“.
Da der Beklagte das Wohnmobil nicht abholte, forderte ihn der Kläger auf, bis zum 04.12.2018 einen Abholtermin mitzuteilen. Auf diese Aufforderung reagierte der Beklagte nicht. Der Kläger ließ ihn deshalb mit Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten erneut – erfolglos – zur Vereinbarung eines Abholtermins sowie zur Erstattung von Rechtsanwaltskosten auffordern.
Gegen die auf Zahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Wohnmobils, gerichtete Klage hat sich der Beklagte mit der Behauptung verteidigt, er habe kein Interesse an dem Fahrzeug gehabt. Vielmehr habe er den Kläger angerufen und mitgeteilt, dass sein eBay-Konto „gehackt“ worden sei und er das Wohnmobil nicht gekauft habe. Eine von dem Beklagten erstattete Strafanzeige wegen des behaupteten „Fremdzugriffs“ auf das Mitgliedskonto blieb erfolglos, weil die Ermittlungsbehörden einen Missbrauch des Kontos nicht verifizieren konnten.
Die Klage hatte Erfolg.
Aus den Gründen: I. Die Klage ist zulässig.
Zwar wäre der Feststellungsantrag … mit der begehrten Feststellung eines bestimmten Zeitpunkts des Eintritts des Annahmeverzugs nicht zulässig, Ein rechtliches Interesse gemäß § 256 I ZPO an der Feststellung des Annahmeverzugs ergibt sich regelmäßig aus §§ 756, 765 ZPO sowie aus § 300 BGB. Sollte ein zufälliger Untergang der Sache jedoch bereits im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung eingetreten sein, wäre es dem Gläubiger möglich, den eingetretenen Schaden zu beziffern. Der Antrag ist mangels näherer Darlegung einer bereits bis zur mündlichen Verhandlung eingetretenen Rechtsfolge des Annahmeverzugs dahin auszulegen, dass lediglich die Feststellung des Annahmeverzugs zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung begehrt wird.
II. Die Klage ist begründet.
1. Dem Kläger steht gemäß § 433 II BGB der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises von 23.500 € für das vom Beklagten über eine eBay-Versteigerung gekaufte Wohnmobil Zug um Zug gegen Übereignung des Wohnmobils zu.
Die Parteien haben mit dem Höchstgebot des Beklagten bei Ablauf der Auktionsfrist einen Kaufvertrag über das Wohnmobil des Klägers geschlossen.
Zwar trägt derjenige, der einen Artikel in eine Auktion auf der Internetplattform eBay einstellt und sich zur Geltendmachung der Kaufpreisforderung auf das Zustandekommen eines Kaufvertrags beruft, die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die zum Abschluss eines Kaufvertrags erforderlichen Willenserklärungen – Angebot und Annahme – abgegeben wurden. Dabei kommt dem Verkäufer in den Fällen einer Nutzung des eBay-Kontos durch einen Dritten auch nicht die Erleichterung eines Anscheinsbeweises zugute, wonach zu vermuten sei, der Inhaber eines eBay-Kontos habe das über das eBay-Konto abgegebene Gebot selbst abgegeben (s. grundlegend BGH, Urt. v. 11.05.2011 – VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346).
Eine solche (missbräuchliche) Nutzung durch einen Dritten kann jedoch nicht festgestellt werden. Im Unterschied zu der dargestellten Fallkonstellation ist zwischen den Parteien gerade streitig, ob der Beklagte selbst das Höchstgebot in der Auktion des Klägers abgegeben hat. Demgegenüber war in dem vom BGH zu entscheidendem Fall nicht nur unstreitig, sondern auch plausibel, dass nicht die Inhaberin des eBay-Kontos, sondern deren Lebensgefährte das eBay-Konto verwendet hatte, indem er die zu verkaufenden Gegenstände in eine Versteigerung auf der Internetplattform eBay eingestellt hatte. Hiervon unterscheidet sich der von den Parteien dargestellte Sachverhalt grundlegend. Denn der Beklagte selbst bringt vor, dass seine Kinder; die bei realistischer Würdigung möglicherweise auf sein eBay-Konto hätten zugreifen können, mit der Sache nichts zu tun haben. Ein Zugriff seiner Kinder auf sein eBay-Konto sei nicht erfolgt. Damit können die dargestellten rechtlichen Grundsätze lediglich insoweit Anwendung finden, als der Verkäufer die tatsächlichen Voraussetzungen für den Abschluss eines Kaufvertrags zu beweisen hat. Da die Nutzung des eBay-Kontos des Beklagten jedoch in der diesem zuzurechnenden Sphäre liegt, obliegt jenem eine sekundäre Darlegungslast zu den Umständen der Nutzung seines Kontos.
Diese sekundäre Darlegungslast hat der Beklagte nicht erfüllt. Vielmehr sind seine Angaben zu der Nutzung des eBay-Kontos widersprüchlich und ohne belastbaren Gehalt im Hinblick auf die Behauptung das Konto sei „gehackt“ worden. Für eine Nutzung durch einen unbekannten Dritten fehlen substanziierte Anhaltspunkte. Die Behauptung des Beklagten stellt sich als Behauptung ins Blaue hinein dar. Dies wird auch durch den Inhalt der vielzählig vorgelegten Auskünfte des Betreibers der Internetplattform eBay deutlich. Aus sämtlichen Auskünften ergibt sich, dass die Bestätigung eines „Fremdzugriffs“ ausschließlich auf den eigenen Angaben des Beklagten gegenüber dem jeweiligen Mitarbeiter beruhte. Dies gipfelt in der Auskunft vom 05.07.2019, welche der Beklagte mit dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung außerhalb eines nachgelassenen – weil auch nicht beantragten – Schriftsatzrechts eingereichten Schriftsatz vom 08.07.2019 vorlegen ließ. Daraus ergibt sich, dass vom Konto des Beklagten das Wohnmobil insgesamt vierzehnmal gekauft worden sein soll. Denn als Artikel, auf den lediglich geboten wurde, kommt das Wohnmobil nach dem unstreitig abgegebenen Höchstgebot nicht in Betracht. Dass dies nicht zutreffend sein kann, liegt auf der Hand, da das Wohnmobil lediglich einmal ersteigert wurde. Vor allem ergibt sich auch aus dieser Auskunft, dass die Bestätigungen der „Fremdzugriffe“ ihre Grundlage jeweils in einer eigenen Meldung des Beklagten hatten. Eine eigene Ermittlung durch den Anbieter der Internetplattform erfolgte offenbar nicht.
Zudem folgt aus dieser letzten Auskunft, dass der Beklagte einen „Fremdzugriff“ erstmals am 23.12.2018 gemeldet hatte. Gemessen an der Behauptung des Beklagten, er habe das Wohnmobil nicht ersteigert, ist eine Meldung erst mehr als einen Monat nach Abschluss der Auktion und der Geltendmachung des Kaufpreisanspruchs durch den Kläger nicht plausibel. Dass gerade die Daten des Beklagten bei einem zu irgendeiner Zeit stattgefundenen Angriff auf die vom Anbieter der Internetplattform gespeicherten baten entwendet worden wären, ergibt sich aus den Auskünften jedenfalls nicht.
Darüber hinaus ergaben auch die Ermittlungen der aufgrund der Strafanzeige des Beklagten tätig gewordenen Polizei keinerlei Anhaltspunkte dafür, einen missbräuchlichen Zugriff auf das eBay-Konto des Beklagten zu verifizieren.
Vor allem musste der Beklagte aber in der persönlichen Anhörung im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 04.07.2019 einräumen, dass er bereits vor Beendigung der Auktion mit dem Kläger telefonisch Kontakt aufgenommen hatte und Einzelheiten zu dem Wohnmobil bzw. den Kaufbedingungen abgefragt hatte. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob unter diesen Umständen eine idiomatische Betrachtung noch die auch nach dem Eingeständnis der telefonischen Kontaktaufnahme aufrechterhaltene Behauptung zulässt, der Beklagte habe an dem Wohnmobil keinerlei Interesse gehabt. Entscheidend ist, dass nach den Angaben des Beklagten entgegen dem ursprünglichen schriftsätzllchen Vorbringen feststeht, dass er vor Abschluss der Auktion zu dem Verkäufer telefonisch Kontakt aufgenommen hatte und nachfolgend über sein eBay-Konto das Höchstgebot abgegeben wurde. Daraus ergibt sich ein solch enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang, dass eine Wahrscheinlichkeit, genau auf diese Auktion habe ein Gebot aufgrund der missbräuchlichen Nutzung des Kontos des Beklagten durch einen unbekannten Dritten stattgefunden, nicht mit nennenswertem Grad begründet werden kann. Die Auflösung dieses engen Zusammenhangs wäre nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast Sache des Beklagten gewesen. Aus Sicht eines Außenstehenden und insbesondere des Klägers ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Beklagte wegen einer bestimmten Auktion telefonisch Kontakt aufnimmt, nach einem seinem eBay-Konto nachfolgend zuzuordnenden Höchstgebot jedoch behauptet, er habe das Gebot nicht abgegeben.
Danach ist für die Entscheidung festzustellen, dass nach dem beiderseitigen Parteivortrag ein Kaufvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen ist. Der Beklagte ist zur Zahlung des vereinbarten Kaufpreises von 23.500 € verpflichtet.
2. Nachdem der Beklagte das von ihm gekaufte Wohnmobil trotz des erfolgten Angebots nicht zu übernehmen bereit war, befindet er sich gemäß § 293 BGB in Annahmeverzug.
3. Der Beklagte schuldet aufgrund des eingetretenen Zahlungsverzugs auch die als Nebenforderung geltend gemachte Verzinsung der Kaufpreisforderung seit 05.12.2018. Zudem ist er verpflichtet, dem Kläger die vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten … als Verzugsschaden zu ersetzen. …