Ein (ge­werb­li­cher) Kfz-Ver­käu­fer muss dem Käu­fer kei­nen Scha­dens­er­satz leis­ten, wenn er dem Käu­fer fälsch­lich mit­teilt, dass die­ser we­gen ei­nes De­fekts des Fahr­zeugs kei­ne Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che ha­be, und der Käu­fer auf­grund die­ser Falschaus­kunft da­von ab­sieht, An­sprü­che vor Ab­lauf der Ver­jäh­rungs­frist gel­tend zu ma­chen. Denn ein (ge­werb­li­cher) Ver­käu­fer schul­det dem Käu­fer kei­ne recht­li­che Be­ra­tung.

AG Dort­mund, Ur­teil vom 26.06.2018 – 425 C 1987/18

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin kauf­te von der Be­klag­ten mit Ver­trag vom 07.06.2016 ei­nen ge­brauch­ten Pkw (Fi­at 500L Li­ving 0.9 Twi­nAir Pop-Star) zum Preis von 12.374,80 €. Be­stand­teil des Kauf­ver­trags sind die Ge­braucht­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen der Be­klag­ten, in de­nen es un­ter an­de­rem heißt:

VI. Haf­tung für Sach­män­gel
1. An­sprü­che des Käu­fers we­gen Sach­män­geln ver­jäh­ren in ei­nem Jahr ab Ab­lie­fe­rung des Kauf­ge­gen­stan­des an den Kun­den. …“

Am 08.06.2016 hol­te die Klä­ge­rin den ge­kauf­ten Pkw in ei­ner Nie­der­las­sung der Be­klag­ten in Dort­mund ab.

Im Mai 2007 fie­len der Be­klag­ten Un­re­gel­mä­ßig­kei­ten beim Ein­le­gen der un­te­ren Gän­ge auf. Sie ver­ein­bar­te des­halb te­le­fo­nisch mit der Be­klag­ten, die bei 60.000 km fäl­li­ge In­spek­ti­on vor­zu­zie­hen. Nach­dem die In­spek­ti­on er­folgt war, wur­de der Klä­ge­rin sei­tens der Be­klag­ten mit­ge­teilt, dass ihr Fahr­zeug im We­sent­li­chen in Ord­nung sei; le­dig­lich die Kupp­lung sei wohl de­fekt und müs­se aus­ge­tauscht wer­den. Die Par­tei­en ver­ein­bar­ten da­für ei­nen Ter­min, den die Klä­ge­rin nicht wahr­nahm.

Die Klä­ge­rin ließ ih­ren Wa­gen in dem Kfz-Meis­ter­be­trieb S re­pa­rie­ren. Dort stell­te man fest, dass nicht der Kupp­lungs­an­satz als sol­cher, son­dern das Zwei­mas­sen­schwung­rad be­schä­digt war. Die Re­pa­ra­tur kos­te­te 1.528,26 €.

Mit An­walts­schrei­ben vom 05.07.2017 for­der­te die Klä­ge­rin die Be­klag­te zur Zah­lung die­ses Be­trags auf. Mit Schrei­ben vom 14.07.2017 wie­sen die Rechts­an­wäl­te der Be­klag­ten den gel­tend ge­mach­ten Scha­dens­er­satz­an­spruch als un­be­grün­det zu­rück und mach­ten gel­tend, dass der An­spruch ver­jährt sei.

Die Klä­ge­rin be­haup­tet, die Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten hät­ten ihr ge­gen­über an­ge­ge­ben, die Kupp­lung ih­res Fahr­zeugs sei in­fol­ge Ver­schlei­ßes de­fekt. Au­ßer­dem hät­ten die Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten ihr mit­ge­teilt, dass sie die Kos­ten für ei­nen Aus­tausch der Kupp­lung selbst tra­gen müs­se, da sie in­so­weit we­der ei­nen Ge­währ­leis­tungs- noch ei­nen Ga­ran­tie­an­spruch ha­be. Da­mit – so meint die Klä­ge­rin – ha­be die Be­klag­te ei­ne Nach­er­fül­lung ernst­haft und end­gül­tig ver­wei­gert. Dar­über hin­aus ha­be die Be­klag­te ihr – der Klä­ge­rin – ge­gen­über fal­sche An­ga­ben ge­macht und so ver­trag­li­che Ne­ben­pflich­ten ver­letzt.

Mit ih­rer Kla­ge hat die Klä­ge­rin die Be­klag­te auf Zah­lung von 1.528,26 € nebst Zin­sen in An­spruch ge­nom­men. Au­ßer­dem hat sie von der Be­klag­ten ver­langt, sie von ei­nem Ver­gü­tungs­an­spruch ih­res Rechts­an­walts in Hö­he von 255,85 € frei­zu­stel­len. Da­mit hat­te die Klä­ge­rin kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Der Klä­ge­rin steht der gel­tend ge­mach­te An­spruch un­ter kei­nem recht­li­chen Ge­sichts­punkt zu. Er folgt we­der aus §§280 I, 241 II BGB noch aus §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281, 439 BGB.

I. Kauf­recht­li­che Ge­währ­leis­tun­gen kann die Klä­ge­rin nicht – mehr – durch­set­zen. Der Be­klag­ten steht ge­mäß § 214 I BGB ein Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht zu. Die An­sprü­che sind ver­jährt.

Des­halb kann da­hin­ste­hen, ob die Klä­ge­rin der Be­klag­ten über­haupt ei­ne Frist zur Nach­er­fül­lung ge­setzt hat und ob die Be­klag­te die Nach­er­fül­lung ver­wei­gert hat.

Die Par­tei­en ha­ben im Kauf­ver­trag ei­ne Ver­jäh­rungs­frist von ei­nem Jahr für die Sach­män­gel­haf­tung ab dem Da­tum der Ab­lie­fe­rung des Kraft­fahr­zeugs (Ab­schnitt VI Nr. 1 der Ge­braucht­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen) ver­ein­bart. Dies ist wirk­sam. Es han­delt sich um ei­nen Ver­brauchs­gü­ter­kauf ge­mäß §§ 474 ff BGB. Die Be­klag­te ist Un­ter­neh­me­rin und die Klä­ge­rin Ver­brau­che­rin. Die ver­ein­bar­te Ver­jäh­rungs­frist hält sich im Rah­men des ge­mäß § 476 II BGB Zu­läs­si­gen. Be­den­ken ge­gen die Wirk­sam­keit die­ser ver­ein­bar­ten Ver­jäh­rungs­frist be­ste­hen des­halb nicht.

Die Klä­ge­rin hol­te den streit­ge­gen­ständ­li­chen Wa­gen am 08.06.2016 bei der Be­klag­ten ab. Die Ver­jäh­rung der Sach­män­gel­haf­tung trat am 08.06.2017 ein. Die Kla­ge wur­de erst 04.04.2018 zu­ge­stellt und nach Ab­lauf der Ver­jäh­rungs­frist er­ho­ben.

II. Es be­ste­hen auch kei­ne Scha­dens­er­satz­an­sprü­che in Hö­he der Re­pa­ra­tur­kos­ten.

1. Die Wei­ge­rung der Be­klag­ten, Ga­ran­tie- oder Ge­währ­leis­tungs­ar­bei­ten durch­zu­füh­ren, und ihr Hin­weis, dass die Klä­ge­rin die Kos­ten der er­for­der­li­chen Ar­bei­ten selbst zu tra­gen ha­be, stel­len kei­ne In­for­ma­ti­ons­pflicht­ver­let­zung i. S. des § 241 II BGB dar, da die In­for­ma­ti­ons- und Rück­sichts­pflich­ten des § 241 II BGB sich nicht auf die ge­schul­de­te Leis­tung be­zie­hen, son­dern die Rech­te und Rechts­gü­ter der Ver­trags­par­tei­en schüt­zen sol­len (Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 77. Aufl. [2018], § 241 Rn. 6).

Die Klä­ge­rin ver­langt vor­lie­gend, dass die Be­klag­te im Rah­men der kauf­recht­li­chen Nach­er­fül­lung das Kraft­fahr­zeug re­pa­riert, wo­bei der Nach­er­fül­lungs­an­spruch des Käu­fers ein mo­di­fi­zier­ter Er­fül­lungs­an­spruch und so­mit ein Leis­tungs­an­spruch ist. In der von der Klä­ge­rin be­haup­te­ten Wei­ge­rung der Be­klag­ten, die­se Nach­er­fül­lung vor­zu­neh­men, liegt die be­an­stan­de­te Pflicht­ver­let­zung der Be­klag­ten.

Der Ge­setz­ge­ber hat für die­sen Fall durch die Nor­mie­rung des kauf­recht­li­chen Ge­währ­leis­tungs­rechts mit den §§ 437, 439, 440 BGB die spe­zi­el­le­ren Re­ge­lun­gen ge­schaf­fen. Dort re­gelt das Ge­setz die Rechts­fol­gen der Ver­wei­ge­rung der Nach­er­fül­lung bei ei­nem Sach­man­gel.

Auch nach dem all­ge­mei­nen Rechts­grund­satz, dass spe­zi­el­le­re Re­ge­lun­gen die all­ge­mei­nen ver­drän­gen, ist hier al­lein das kauf­recht­li­che Ge­währ­leis­tungs­recht an­wend­bar.

2. In der von der Klä­ge­rin be­haup­te­ten fal­schen Aus­kunft der Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten liegt auch kei­ne zum Scha­dens­er­satz füh­ren­de In­for­ma­ti­ons­pflicht­ver­let­zung.

Nach dem Vor­trag der Klä­ge­rin teil­ten die Mit­ar­bei­ter ihr le­dig­lich mit, dass die ver­lang­te Re­pa­ra­tur­leis­tung nicht von der Ge­währ­leis­tungs­pflicht er­fasst wer­de und sich die Klä­ge­rin dar­um selbst zu küm­mern ha­be. Die et­wai­gen Falsch­in­for­ma­tio­nen durch die Be­klag­te be­zie­hen sich aus­schließ­lich auf die Durch­füh­rung der Nach­er­fül­lung, denn die­se be­haup­te­te Falschaus­kunft ist ge­ra­de die Ver­wei­ge­rung der Nach­er­fül­lung. Ei­ne dar­über hin­aus­ge­hen­de Falsch­in­for­ma­ti­on, die nach der Ver­kehrs­sit­te und den An­for­de­run­gen des red­li­chen Ge­schäfts­ver­kehrs ei­ne Ne­ben­pflicht­ver­let­zung i. S. des § 241 II BGB be­grün­det (vgl. BGH, Urt. v. 14.03.2013 – III ZR 296/11, NJW 2013, 3366 Rn. 25), liegt nicht vor.

Die Be­klag­te trifft nicht die Pflicht zur Rechts­be­ra­tung. Sie ver­fügt als Au­to­haus nicht über die be­son­de­re Sach­kun­de im deut­schen Schuld­recht, so­dass nicht ver­langt wer­den kann, dass sie ih­re Kun­den um­fas­send über die ein­zel­nen kauf­recht­li­chen Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che auf­klä­ren muss (vgl. Stau­din­ger/Ol­zen, BGB, Neu­be­arb. 2015, § 241 Rn. 448 m. w. Nachw.).

III. Die Klä­ge­rin hat ge­gen die Be­klag­te auch kei­nen An­spruch auf Frei­stel­lung von den Ge­büh­ren­an­sprü­chen des Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten der Klä­ge­rin in Hö­he von 255,85 €, da kein Haupt­an­spruch be­steht. …

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