1. Ein vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­ner Neu­wa­gen ist i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB man­gel­haft. Die des­halb in der Lie­fe­rung des Fahr­zeugs lie­gen­de Pflicht­ver­let­zung (§ 433 I 2 BGB) ist je­den­falls dann nicht i. S. des § 323 V 2 BGB un­er­heb­lich, wenn Ver­käu­fe­rin des Fahr­zeugs des­sen Her­stel­le­rin – die Volks­wa­gen AG – selbst ist. Denn die­ser fällt ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung des Fahr­zeug­käu­fers zur Last, so­dass ihr Ver­trau­en in den Be­stand des Kauf­ver­tra­ges kei­nen Schutz ver­dient.
  2. Der Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Neu­wa­gens, der das Fahr­zeug von des­sen Her­stel­le­rin (Volks­wa­gen AG) er­wor­ben hat, darf re­gel­mä­ßig so­fort – oh­ne vor­he­ri­ge Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung – vom Kauf­ver­trag zu­rück­tre­ten. Denn weil die Volks­wa­gen AG dem Käu­fer bei Ab­schluss des Kauf­ver­tra­ges ei­nen Man­gel des Fahr­zeugs arg­lis­tig ver­schwie­gen hat, ist das für ei­ne Nach­er­fül­lung er­for­der­li­che Ver­trau­ens­ver­hält­nis der­art nach­hal­tig ge­stört, dass dem Käu­fer ei­ne Nach­er­fül­lung i.S. der §§ 323 II Nr. 3, 440 Satz 1 Fall 3 BGB un­zu­mut­bar ist. Das gilt auch dann, wenn nicht die Volks­wa­gen AG, son­dern ein von ihr zu be­auf­tra­gen­der Drit­ter die Nach­er­fül­lung auf Kos­ten der Volks­wa­gen AG vor­neh­men soll.

LG Wup­per­tal, Ur­teil vom 26.04.2017 – 3 O 156/16

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin ver­langt im Zu­sam­men­hang mit dem so­ge­nann­ten VW-Ab­gas­skan­dal die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kfz-Kauf­ver­tra­ges.

Sie er­warb über die Be­klag­te zu 1 ei­nen VW Ti­gu­an CUP 2.0 TDI 4MO­TI­ON. Aus­weis­lich der ver­bind­li­chen Be­stel­lung vom 10.04.2014 er­folg­te der Ver­kauf im Na­men der Volks­wa­gen AG (Be­klag­te zu 2), die gleich­zei­tig Her­stel­le­rin des Fahr­zeugs ist. Auf den Kauf­preis er­hielt die Klä­ge­rin ei­nen Nach­lass für Men­schen mit Be­hin­de­rung in Hö­he von 15 % (= 6.466,50 €). Die Be­klag­te zu 2 er­teil­te der Klä­ge­rin un­ter dem 10.08.2014 ei­ne Rech­nung über 36.643,50 € mit fol­gen­dem Hin­weis:

„Rech­nungs­stel­lung er­folgt durch die Volks­wa­gen AG. Schuld­be­frei­en­de Zah­lung ist aus­schließ­lich auf das in die­ser Rech­nung an­ge­ge­be­ne Kon­to der Volks­wa­gen AG mög­lich.“

Die Be­klag­te zu 1 stell­te der Klä­ge­rin dar­über hin­aus ins­ge­samt 678 € für ein Selbst­ab­ho­ler-Pa­ket und die Zu­las­sung des Fahr­zeugs in Rech­nung. Ins­ge­samt zahl­te die Klä­ge­rin so­mit für das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug 37.321,50 €.

In den Pkw ist ein EA189-Die­sel­mo­tor ein­ge­baut. Nach Ab­schluss des Kauf­ver­tra­ges wur­de be­kannt, dass Fahr­zeu­ge mit die­sem Mo­tor bei der Her­stel­lung ei­ne Soft­ware er­hal­ten ha­ben, die ei­nen spe­zi­el­len Be­triebs­mo­dus ak­ti­viert, so­bald das je­wei­li­ge Fahr­zeug auf ei­nem Prüf­stand ei­nen Emis­si­ons­test ab­sol­viert und da­bei den Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus (NEFZ) durch­fährt. In die­sem „Mo­dus 1“ ist die Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te hö­her und sind des­halb die Stick­oxid­emis­sio­nen nied­ri­ger als beim re­gu­lä­ren Be­trieb des Fahr­zeugs im Stra­ßen­ver­kehr, der im „Mo­dus 0“ er­folgt. Da­mit un­ter­schei­det sich der Be­triebs­mo­dus, der bei vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeu­gen in ei­ner Test­si­tua­ti­on ak­tiv ist, vom „Prüf­stand­mo­dus“ an­de­rer Fahr­zeu­ge. Denn üb­li­cher­wei­se wer­den Fahr­zeu­ge auf dem Prüf­stand le­dig­lich mit ab­ge­schal­te­tem ABS, ESP etc. be­trie­ben; ge­wöhn­lich wird aber nicht die Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te er­höht, um den Stick­oxid­aus­stoß des Fahr­zeugs zu op­ti­mie­ren.

Mit Be­scheid vom 14.10.2015 ver­pflich­te­te das Kraft­fahrt-Bun­des­amt die Be­klag­te zu 2, bei al­len vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeu­gen mit dem Ag­gre­gat EA189 (Eu­ro 5) die „un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung zu ent­fer­nen“ und den Nach­weis zu füh­ren, dass „nach Ent­fer­nen der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung al­le tech­ni­schen An­for­de­run­gen der re­le­van­ten Ein­zel­rechts­ak­te der Richt­li­nie 2007/46/EG er­füllt wer­den“. Mit Blick dar­auf ent­wi­ckel­te die Be­klag­te zu 2 ein Soft­ware­up­date, nach des­sen In­stal­la­ti­on der „Mo­dus 1“ durch­gän­gig, al­so auch beim Be­trieb des Fahr­zeugs im Stra­ßen­ver­kehr, ak­tiv ist. Mit Be­scheid vom 01.06.2016 er­klär­te das Kraft­fahrt-Bun­des­amt, dass die Be­klag­te zu 2 den von ihr ver­lang­ten Nach­weis un­ter an­de­rem für das Fahr­zeug­mo­dell „VW Ti­gu­an“ er­bracht ha­be.

Nach­dem die Klä­ge­rin an­hand der Fahr­zeug-Iden­ti­fi­zie­rungs­num­mer her­aus­ge­fun­den hat­te, dass ihr Fahr­zeug vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fen ist, er­klär­te sie ge­gen­über der Be­klag­ten zu 1 mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 12.04.2016 den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag und ver­lang­te die Rück­zah­lung des um ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung ver­min­der­ten Kauf­prei­ses (31.271,50 €). Hier­für setz­te sie ei­ne Frist bis zum 20.04.2016. Die Be­klag­te zu 1 wies den Rück­tritt mit Schrei­ben vom 20.04.2016 zu­rück. In der Fol­ge­zeit bo­ten die Be­klag­ten der Klä­ge­rin an, das von der Be­klag­ten zu 2 ent­wi­ckel­te Soft­ware­up­date in ei­ner Ver­trags­werk­statt zu in­stal­lie­ren. Die Kos­ten da­für in Hö­he von we­ni­ger als 100 € wür­de die Be­klag­te zu 2 über­neh­men.

Die Klä­ge­rin ist der Auf­fas­sung, sie ha­be ei­nen Kauf­ver­trag mit der Be­klag­ten zu 1 ge­schlos­sen; die Be­klag­te zu 2 ha­be das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug nur her­ge­stellt. Dies ver­deut­li­che der Be­stell­schein, der – un­strei­tig – den Brief­kopf, die Un­ter­schrift und den Stem­pel der Be­klag­ten zu 1 trägt. Ihr Fahr­zeug – so meint die Klä­ge­rin – sei man­gel­haft, weil dar­in ei­ne vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt be­an­stan­de­te und als „un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung“ qua­li­fi­zier­te Soft­ware zum Ein­satz kom­me. Die Klä­ge­rin be­haup­tet, von der Soft­ware, die in be­trü­ge­ri­scher Ab­sicht ent­wi­ckelt und ver­wen­det wor­den sei, hät­ten so­wohl der Vor­stand der Be­klag­ten zu 2 als auch die Be­klag­te zu 1 als VW-Ver­trags­händ­le­rin ge­wusst. Ei­ne Nach­bes­se­rung ih­res Fahr­zeugs hält die Be­klag­te für un­zu­mut­bar, weil ihr Ver­trau­ens­ver­hält­nis zu den Be­klag­ten nach­hal­tig ge­stört sei. Dar­über hin­aus be­haup­tet sie, dass das von der Be­klag­ten zu 2 ent­wi­ckel­te Soft­ware­up­date Ver­sot­tungs­schä­den her­vor­ru­fen wür­de. Be­reits ab ei­ner Lauf­leis­tung von 30.000 km trä­ten Par­ti­kel­schä­den auf, und be­reits ab ei­ner Lauf­leis­tung von 50.000 km kom­me es zu Mo­tor­schä­den. Auch ver­blei­be nach der In­stal­la­ti­on des Soft­ware­up­dates ein mer­kan­ti­ler Min­der­wert.

Die Klä­ge­rin hat zu­nächst nur Kla­ge ge­gen die Be­klag­te zu 1 er­ho­ben. Mit Schrift­satz vom 05.09.2016 hat sie die Kla­ge auch ge­gen die Be­klag­te zu 2 ge­rich­tet. Hin­sicht­lich die­ser hat­te die Kla­ge größ­ten­teils Er­folg, wäh­rend sie in Be­zug auf die Be­klag­te zu 1 er­folg­los blieb.

Aus den Grün­den: Die Klä­ge­rin hat ge­gen die Be­klag­te zu 2 ei­nen An­spruch auf Zah­lung von 30.714,66 € Zug um Zug ge­gen Über­eig­nung und Her­aus­ga­be des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw ge­mäß §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 323, 346 I, 348 BGB.

Das Fahr­zeug war bei Ge­fahr­über­gang man­gel­haft i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB, weil es zu ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­än­de­rung der Ab­gas­wer­te durch die ein­ge­setz­te Soft­ware kommt. Maß­geb­lich für die Ein­hal­tung der vor­ge­schrie­be­nen Ab­gas­wer­te ist, dass auf dem Prüf­stand Ab­gas­wer­te aus­ge­ge­ben wer­den, die mit den tat­säch­li­chen Wer­ten im Stra­ßen­be­trieb in Re­la­ti­on ge­setzt wer­den kön­nen. Auf­grund der Soft­ware wird aber ge­ra­de die­se Ver­gleich­bar­keit be­sei­tigt, so­dass die un­zu­tref­fen­de Dar­stel­lung der Ab­gas­wer­te im Prüf­be­reich ei­ne ne­ga­ti­ve Ab­wei­chung der Ist-Be­schaf­fen­heit von der zu er­war­ten­den Soll-Be­schaf­fen­heit be­dingt. Vor die­sem Hin­ter­grund be­steht auch die nicht un­er­heb­li­che Ge­fahr, dass die Be­triebs­er­laub­nis ent­zo­gen wird. So­dann wä­re der Wa­gen nicht ein­mal mehr für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung ge­eig­net.

Wie sich aus der An­la­ge K 2 er­gibt, wur­de in das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug die Soft­ware zur so­ge­nann­ten Op­ti­mie­rung der Stick­oxid­wer­te ver­baut. Die Be­klag­te zu 2 kann mit ein­fa­chem Be­strei­ten da­hin ge­hend, dass das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug die­se Soft­ware gar nicht ent­hal­te, nicht durch­drin­gen. An­hand der über­ein­stim­men­den Fahr­zeug-Iden­ti­fi­zie­rungs­num­mer zeigt der Aus­druck, dass das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug die Soft­ware ent­hält. Die da­hin ge­hen­de In­for­ma­ti­on hat die Klä­ge­rin von der Home­page der Be­klag­ten zu 2. Auf die­ser wur­de ei­gens durch die Be­klag­te zu 2 ei­ne Mög­lich­keit er­rich­tet, da­mit die je­wei­li­gen Fahr­zeug­be­sit­zer er­fah­ren kön­nen, ob ihr Wa­gen von der Soft­ware be­trof­fen ist. Hin­zu kommt, dass die Soft­ware in die ge­sam­te Rei­he des hier vor­lie­gen­den Mo­tor­typs ein­ge­baut wur­de und der Klä­ge­rin noch im Pro­zess die Auf­spie­lung des Soft­ware­up­dates an­ge­bo­ten wur­de. Die­ser Auf­spie­lung be­dürf­te es aber nicht, wenn der Wa­gen die ei­gent­li­che Soft­ware gar nicht ent­hiel­te.

Auf­grund die­ser Soft­ware hat das Kraft­fahrt-Bun­des­amt je­ne Fahr­zeu­ge, die die­se Soft­ware ent­hal­ten, ge­mäß § 25 II EG-FZG zu­rück­ge­ru­fen und die Be­klag­te zu 2 ver­pflich­tet, die als „un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung“ be­nann­te Soft­ware zu ent­fer­nen. Oh­ne Durch­füh­rung des von der Be­klag­ten zu 2 ent­wi­ckel­ten Soft­ware­up­dates be­steht ei­ne nicht un­er­heb­li­che Wahr­schein­lich­keit, den Ver­lust der all­ge­mei­nen Be­triebs­er­laub­nis we­gen Über­schrei­tens der Stick­oxid-Grenz­wer­te zu ris­kie­ren. Es ist auch da­von aus­zu­ge­hen, dass die­se Grenz­wer­te oh­ne das Up­date über­schrit­ten wer­den. Zum ei­nen wä­re das sei­tens der Be­klag­ten zu 2 ent­wi­ckel­te Up­date an­sons­ten gar nicht er­for­der­lich, zum an­de­ren wä­re der Ein­satz der Soft­ware oh­ne Sinn, wenn das Fahr­zeug die Grenz­wer­te oh­ne­hin ein­hal­ten wür­de. Nur für den Prüf­stand be­dürf­te es der ge­stei­ger­ten Ab­gas­rück­füh­rung zur so­ge­nann­ten Op­ti­mie­rung der Stick­oxid­wer­te näm­lich nicht. Ein­zi­ger Zweck der ent­spre­chen­den „Op­ti­mie­rung“ ist die Vor­täu­schung ver­min­der­ter Ab­gas­wer­te zu Prüf­zwe­cken.

Die Ge­neh­mi­gung des Soft­ware­up­dates durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt än­dert nichts dar­an, dass das Fahr­zeug zum Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs man­gel­haft war und oh­ne das Up­date auch noch im­mer man­gel­haft ist.

Der Man­gel ist ent­ge­gen der An­sicht der Be­klag­ten auch nicht un­er­heb­lich i. S. des § 323 V 2 BGB.

Die Prü­fung der Er­heb­lich­keit er­for­dert ei­ne um­fas­sen­de In­ter­es­sen­ab­wä­gung (vgl. Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 76. Aufl., § 323 Rn. 32). Da­bei ist zwar grund­sätz­lich von ei­nem un­er­heb­li­chen Man­gel aus­zu­ge­hen, wenn die Kos­ten der Nach­er­fül­lung we­ni­ger als fünf Pro­zent der ver­ein­bar­ten Ge­gen­leis­tung aus­ma­chen. So­weit dem Ver­käu­fer aber arg­lis­ti­ges Ver­hal­ten ge­mäß § 123 BGB zur Last fällt, ist ei­ne un­er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung i. S. von § 323 V 2 BGB in der Re­gel zu ver­nei­nen (BGH, Urt. v. 24.03.2006 – V ZR 173/05, BGHZ 167, 19 Rn. 11).

So liegt der Fall auch hier. Die Be­klag­te zu 2 hat der Klä­ge­rin bei Ab­schluss des Kauf­ver­tra­ges arg­lis­tig ver­schwie­gen, dass die Stick­oxid­wer­te nach der Eu­ro-5-Ab­gas­norm nicht ein­ge­hal­ten wer­den, weil die maß­ge­ben­den Ab­gas­wer­te nur un­ter un­zu­läs­si­ger Nut­zung der Soft­ware vor­ge­täuscht wer­den kön­nen. Auf­grund des­sen droht auch der Ver­lust der Be­triebs­er­laub­nis. Die Soft­ware dient ein­zig dem Zweck, auf dem Prüf­stand ei­nen we­sent­lich ge­rin­ge­ren Stick­oxid­aus­stoß vor­zu­täu­schen und so die Mo­to­ren als der Eu­ro-5-Norm un­ter­fal­lend ver­kau­fen zu kön­nen. Auf­grund des star­ken In­for­ma­ti­ons­ge­fäl­les zu­las­ten der Klä­ge­rin hät­te die Be­klag­ten zu 2 si­cher­stel­len müs­sen, dass die Klä­ge­rin über die Soft­ware und das tat­säch­li­che Über­schrei­ten der Grenz­wer­te auf­ge­klärt wird.

Dies hat sie in Kennt­nis der auf­klä­rungs­pflich­ti­gen Tat­sa­chen nicht ge­tan, als sie sich für den Ver­trags­ab­schluss der Be­klag­ten zu 1 be­dien­te, oh­ne Maß­nah­men zur Er­fül­lung der Auf­klä­rungs­pflicht zu er­grei­fen. Hier­bei muss sich die Be­klag­te zu 2 das Han­deln ih­rer Er­fül­lungs­ge­hil­fen ge­mäß § 278 BGB zu­rech­nen las­sen. Ih­re ei­ge­nen Mit­ar­bei­ter, wel­che die Soft­ware un­strei­tig ent­wi­ckelt und ein­ge­baut ha­ben, han­del­ten mit dem Wil­len der Be­klag­ten zu 2 zur Er­fül­lung ih­rer Ver­bind­lich­kei­ten. Sie kann sich nicht dar­auf zu­rück­zie­hen, dass der Vor­stand selbst kei­ne Kennt­nis hier­von ge­habt ha­be, son­dern le­dig­lich Mit­ar­bei­ter un­ter­halb der Vor­stands­ebe­ne. Die in Re­de ste­hen­de Soft­ware wur­de im Auf­trag von Mit­ar­bei­tern der Be­klag­ten zu 2 ent­wi­ckelt und in das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ver­baut. Die­se Mit­ar­bei­ter han­del­ten da­bei auch im all­ge­mei­nen Um­kreis des Auf­ga­ben­be­reichs, zu des­sen Wahr­neh­mung sie die Be­klag­te zu 2 be­stellt hat. An­halts­punk­te da­für, dass die­se Mit­ar­bei­ter oh­ne sach­li­chen Zu­sam­men­hang mit ih­rem Auf­ga­ben­kreis zum Nach­teil der Be­klag­ten zu 2 ge­han­delt hät­ten, sind nicht ein­mal an­satz­wei­se er­sicht­lich.

Auf­grund der arg­lis­ti­gen Täu­schung ver­dient das Ver­trau­en der Be­klag­ten zu 2 in den Be­stand des Ver­tra­ges auch kei­nen Schutz, so­dass es kei­ner wei­te­ren In­ter­es­sen­ab­wä­gung be­darf.

Dass die Klä­ge­rin auch bei Kennt­nis des Man­gels den Ver­trag ab­ge­schlos­sen hät­te, konn­te die Be­klag­te zu 2 nicht sub­stan­zi­iert vor­tra­gen. Al­lein der Um­stand, dass die Klä­ge­rin ei­nen Ra­batt auf den Kauf­preis des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeu­ges er­hal­ten hat, ist hier­für nicht aus­rei­chend. Es ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die Klä­ge­rin kei­nen Wa­gen mit ein­ge­bau­ter Soft­ware ge­kauft hät­te, wenn sie von die­ser ge­wusst hät­te. Auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung des 15%igen Preis­ab­schla­ges hät­te die Klä­ge­rin sich wohl kaum dem nicht un­wahr­schein­li­chen Ri­si­ko aus­ge­setzt, ein Fahr­zeug zu er­hal­ten, dem die Be­triebs­er­laub­nis ent­zo­gen wer­den könn­te. Mög­li­cher­wei­se hät­te sie sich im Hin­blick auf den Ra­batt zwar für ei­nen Wa­gen der Be­klag­ten zu 2 ent­schie­den, aber wohl kaum für ei­nen mit der in Re­de ste­hen­den Soft­ware.

Auf­grund der arg­lis­ti­gen Täu­schung durch die Be­klag­te zu 2 war ei­ne Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung durch die Klä­ge­rin ent­behr­lich. Ei­ne Nach­bes­se­rung war der Klä­ge­rin zum Zeit­punkt des Rück­tritts auf­grund des nach­hal­tig ge­stör­ten Ver­trau­ens­ver­hält­nis­ses un­zu­mut­bar i. S. von §§ 323 II Nr. 3, 440 Satz 1 Fall 3 BGB. So gilt auch im Rah­men der Nach­er­fül­lung, dass die Be­klag­te zu 2 kei­nen Schutz vor den mit der Rück­ab­wick­lung des Ver­tra­ges ver­bun­de­nen wirt­schaft­li­chen Nach­tei­len ver­dient, nach­dem sie die Klä­ge­rin über das Vor­lie­gen des Man­gels arg­lis­tig ge­täuscht hat (vgl. BGH, Urt. v. 09.01.2008 – VI­II ZR 210/06, ju­ris Rn. 19). Hier­bei ist auch un­er­heb­lich, ob die Be­klag­te zu 2 die Nach­er­fül­lung in Form des Soft­ware­up­dates selbst oder durch ei­nen be­auf­trag­ten Drit­ten durch­füh­ren wür­de. Die Be­klag­te zu 2 hat die Soft­ware zur Ver­fäl­schung der Mess­er­geb­nis­se ent­wi­ckelt, so­dass sich die Klä­ge­rin nicht er­neut in ih­re Hän­de be­ge­ben muss, um den Man­gel mit ei­ner wei­te­ren von der Be­klag­ten zu 2 ent­wi­ckel­ten Soft­ware even­tu­ell be­he­ben zu las­sen.

Die Rück­tritts­er­klä­rung er­folg­te frist­ge­recht. Es ist auch aus­rei­chend, dass die Klä­ge­rin den Rück­tritt nur ge­gen­über der Be­klag­ten zu 1 er­klärt hat. Die Be­klag­te zu 2 hat sich ih­rer zur Ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges be­dient, so­dass die Be­klag­te zu 1 auch als Emp­fangs­bo­tin für die Be­klag­te zu 2 an­zu­se­hen ist. Je­den­falls hat die Be­klag­te zu 2 nichts Ge­gen­tei­li­ges vor­ge­tra­gen.

Die Klä­ge­rin muss sich die von ihr ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen in Hö­he von 6.556,84 € ge­mäß § 346 I BGB an­rech­nen las­sen. Das Ge­richt hat im Rah­men der münd­li­chen Ver­hand­lung durch In­au­gen­schein­nah­me des Ki­lo­me­ter­zäh­lers des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs fest­ge­stellt, dass die­ser 44.734 km aus­wies. Das Ge­richt geht im We­ge der Schät­zung, un­ter Be­rück­sich­ti­gung ver­gleich­ba­rer Recht­spre­chung (vgl. LG Kle­ve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16; LG Kre­feld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 83/16), nach § 287 ZPO da­von aus, dass für den streit­ge­gen­ständ­li­chen Ti­gu­an mit ei­nem 2,0-Li­ter-Die­sel­mo­tor ei­ne Ge­samt­lauf­leis­tung von 250.000 km zu er­war­ten ist. Die Be­rech­nung des Nut­zungs­vor­teils er­folgt, in­dem der Brut­to­kauf­preis in Hö­he von 36.643,49 € mit den ge­fah­re­nen Ki­lo­me­tern mul­ti­pli­ziert und das Pro­dukt durch die zu er­war­ten­de Rest­lauf­leis­tung bei Über­gang der Sa­che di­vi­diert wird. Letz­te­re liegt bei 250.000 km, da das Fahr­zeug bei Ab­schluss des Kauf­ver­tra­ges noch kei­nen Ki­lo­me­ter ge­fah­ren war. Hier­aus er­ge­ben sich ge­zo­ge­ne Nut­zun­gen im Wert von 6.556,84 €.

Des Wei­te­ren hat die Klä­ge­rin ge­gen die Be­klag­te zu 2 ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch in Hö­he von 678 € ge­mäß §§ 280 I, III, 284 BGB. Im Ver­trau­en auf den Er­halt ei­nes man­gel­frei­en Fahr­zeugs hat die Klä­ge­rin 678 € für das Selbst­ab­ho­ler-Pa­ket, die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II und die Kos­ten der Zu­las­sung auf­ge­wen­det. Ei­ne Frist­set­zung be­züg­lich des­sen war ge­mäß § 281 II Fall 2 BGB auf­grund der arg­lis­ti­gen Täu­schung der Be­klag­ten zu 2, wie be­reits im Rah­men des Rück­tritts dar­ge­stellt, ent­behr­lich.

Eben­so steht der Klä­ge­rin ein Scha­dens­er­satz­an­spruch in Hö­he von 1.832,01 € für die vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten zu. Die In­an­spruch­nah­me ei­nes Rechts­an­walts für die Er­klä­rung des Rück­tritts war zweck­mä­ßig und er­for­der­lich i. S. des § 249 BGB. Der vor­lie­gen­de Rechts­streit ist so­wohl in recht­li­cher als auch in tat­säch­li­cher Hin­sicht nicht als ein­fach ge­la­ger­ter Fall zu be­zeich­nen, so­dass es der Klä­ge­rin nicht zu­zu­mu­ten war, sich der Sa­che zu­nächst al­lein an­zu­neh­men. Dies gilt um­so mehr im Hin­blick auf die Grö­ße und Be­deu­tung der Be­klag­ten zu 2 und des so­ge­nann­ten „Ab­gas­skan­dals“ in Deutsch­land. All dies recht­fer­tigt auch die leicht über dem Mit­tel lie­gen­de Ge­schäfts­ge­bühr von 1,5 ge­mäß Nr. 2300 VV RVG, §§ 13, 14 RVG.

Die Klä­ge­rin hat ge­gen die Be­klag­te zu 2 auch ei­nen An­spruch auf Zah­lung von Ver­zugs­zin­sen ge­mäß §§ 280 I, II, 286 I, II Nr. 3, 288 BGB seit dem 21.04.2016. Denn seit die­sem Zeit­punkt be­fin­det sich die Be­klag­te zu 2 in Ver­zug. Durch die Zu­rück­wei­sung des Rück­tritts sei­tens der Be­klag­ten zu 1, die sich die Be­klag­te zu 2 ge­mäß § 278 BGB zu­rech­nen las­sen muss, hat sie mit Schrei­ben vom 21.04.2016 die Leis­tung ernst­haft und end­gül­tig ver­wei­gert i. S. des § 286 II Nr. 3 BGB.

Fer­ner hat die Klä­ge­rin ei­nen An­spruch auf Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs der Be­klag­ten zu 2. Die­se hat sich die Ver­wei­ge­rung der Rück­nah­me sei­tens der Be­klag­ten zu 1 mit Schrei­ben vom 21.04.2016 nach § 278 BGB zu­zu­rech­nen, so­dass sich die Be­klag­te zu 2) des­we­gen ge­mäß §§ 298, 293 BGB im Ver­zug mit der An­nah­me des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs be­fin­det. Die Klä­ge­rin hat mit Schrei­ben vom 12.04.2016 un­ter Frist­set­zung bis zum 20.04.2016 den Pkw ord­nungs­ge­mäß ab­hol­be­reit an­ge­bo­ten.

Die Klä­ge­rin hat das nach § 256 I ZPO er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se, weil die Fest­stel­lung nach § 756 ZPO der er­leich­ter­ten Voll­stre­ckung des gel­tend ge­mach­ten Leis­tungs­an­spruchs dient und hier­zu er­for­der­lich ist.

Die Klä­ge­rin hat je­doch un­ter kei­nem recht­li­chen Ge­sichts­punkt ei­nen An­spruch ge­gen die Be­klag­te zu 1.

Ver­trag­li­che An­sprü­che kom­men ge­gen die Be­klag­te zu 1) nicht in Be­tracht, da die­se nicht Ver­trags­part­ner der Klä­ge­rin ge­wor­den ist, son­dern die Be­klag­te zu 2. Es liegt auch kein Fall der mit­tel­ba­ren Stell­ver­tre­tung vor. Ei­ne sol­che ist nur an­zu­neh­men, wenn je­mand ein Rechts­ge­schäft im ei­ge­nen Na­men, aber im frem­den In­ter­es­se und für frem­de Rech­nung vor­nimmt und die­ses Han­deln nicht of­fen­kun­dig ist (Mü­KoBGB/Schu­bert BGB § 164 Rn. 39-45, beck-on­line). Die Be­klag­te zu 1 han­del­te aber of­fen­kun­dig nicht im ei­ge­nen Na­men. Die ver­bind­li­che Be­stel­lung gibt deut­lich zu er­ken­nen, dass die Be­klag­te zu 1 im Na­men der Be­klag­ten zu 2 und nicht im ei­ge­nen Na­men han­del­te. Dem steht auch nicht ent­ge­gen, dass die Be­klag­te zu 1 die Be­stel­lung auf ih­rem Brief­pa­pier mit Stem­pel und Un­ter­schrift ent­ge­gen­ge­nom­men hat. Der Hin­weis be­fin­det sich im Fett­druck und springt dem Le­ser so­fort ins Au­ge, so­dass es kei­ner wei­te­ren Klar­stel­lung be­durf­te, in wes­sen Na­men der Ver­trags­schluss er­folgt. Auch ma­ni­fes­tier­te sich kein Rechts­schein der mit­tel­ba­ren Stell­ver­tre­tung im Nach­hin­ein. Viel­mehr er­folg­te die Rech­nungs­stel­lung sei­tens der Be­klag­ten zu 2, und die­se wies die Klä­ge­rin deut­lich dar­auf hin, dass ei­ne schuld­be­frei­en­de Leis­tung nur ihr ge­gen­über er­fol­gen kann. Es ist un­schäd­lich, dass die Be­klag­te zu 1 im Rah­men der Rück­tritts­kor­re­spon­denz nicht auf die Be­klag­te zu 2 ver­wie­sen hat. Die Be­klag­te zu 2 hat sich der Be­klag­ten zu 1 zum Ab­schluss des Kauf­ver­tra­ges be­dient, da­her er­scheint es auch nicht be­son­ders un­ge­wöhn­lich, dass sich die Be­klag­te zu 1 mit der ihr ge­gen­über er­klär­ten Rück­tritts­er­klä­rung aus­ein­an­der­setzt.

De­lik­ti­sche An­sprü­che ge­gen die Be­klag­te zu 1 schei­den eben­falls aus, weil kei­ne An­halts­punk­te da­für er­sicht­lich sind, dass die Be­klag­te zu 1 Kennt­nis von der Täu­schung durch die Be­klag­te zu 2 hat­te, ge­schwei­ge denn in Schä­di­gungs­ab­sicht ge­han­delt hat. Dass die Be­klag­te zu 1 Ver­trags­händ­le­rin der Be­klag­ten zu 2 ist, reicht für ei­ne Kennt­nis der Be­klag­ten zu 1 von der Ma­ni­pu­la­ti­ons­soft­ware nicht aus.

Man­gels An­spruchs in der Haupt­sa­che steht der Klä­ge­rin da­her auch kein An­spruch auf Er­stat­tung au­ßer­ge­richt­li­cher Rechts­an­walts­kos­ten oder Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs ge­gen die Be­klag­te zu 1 zu. …

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