Nimmt der Kläger den Beklagten gemäß § 433 II BGB auf Kaufpreiszahlung in Anspruch, ist der Gegenstand des erhobenen Anspruchs i. S. des § 253 II Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt, wenn der Kläger in der Klageschrift vorträgt, dass er dem Beklagten Waren geliefert habe, und er darüber hinaus die diesbezüglich ausgestellten Rechnungen mit Betrag, Datum und (Rechnungs-)Nummer bezeichnet.
BGH, Versäumnisurteil vom 16.11.2016 – VIII ZR 297/15
Sachverhalt: Die Klägerin nimmt den Beklagten auf restliche Kaufpreiszahlung in Höhe von 3.639,54 € (inklusive vorgerichtlicher Zinsen und Mahnauslagen) sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 347,60 € jeweils nebst Zinsen in Anspruch. Außerdem begehrt sie die Feststellung, dass auch der Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung vorliege.
Zur Begründung der Klage hat sie Folgendes vorgetragen: Der Beklagte habe von ihr im Februar 2015 Waren bezogen. Die Lieferungen habe sie ihm am 23.02.2015 (Rechnung Nr. 8 über 120,65 €) und am 24.02.2015 (Rechnung Nr. 87 über 3.481,25 €) in Rechnung gestellt. In den Rechnungen seien jeweils die gelieferten Waren und die Zeitpunkte ihrer Anlieferung angegeben. Der Beklagte habe den Kaufpreis trotz Mahnung nicht bezahlt. Der Beklagte habe die Waren unter der Vorspiegelung bestellt, er könne den Gegenwert fristgerecht bezahlen, obwohl er damit zum Zeitpunkt der Bestellung schon nicht mehr habe rechnen können.
Das Amtsgericht hat die Klage wegen Unschlüssigkeit des Klagevorbringens als unbegründet abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist beim Landgericht erfolglos geblieben; das Berufungsgericht hat die Klage jedoch als unzulässig abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin, die damit ihr Klagebegehren weiterverfolgte, wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Aus den Gründen: [4] Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da der Beklagte in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis, sondern einer Sachprüfung (BGH, Urt. v. 04.04.1962 – V ZR 110/60, BGHZ 37, 79 [81 ff.]).
[5] I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
[6] Das Amtsgericht habe die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Allerdings sei die Klage nicht wegen Unschlüssigkeit als unbegründet abzuweisen; sie sei vielmehr bereits unzulässig, denn es fehle an der bestimmten Angabe des Gegenstands des erhobenen Anspruchs (§ 253 II Nr. 2 ZPO).
[7] Zwar müsse hierfür der maßgebende Lebenssachverhalt nicht bereits in der Klageschrift vollständig beschrieben werden; vielmehr genüge es, wenn der Anspruch als solcher identifizierbar sei. Dies sei gegeben, wenn der geltend gemachte Anspruch von anderen Ansprüchen gleicher Art unterschieden werden könne. Nur wenn diese Voraussetzung erfüllt sei, sei nachprüfbar, welche Streitsache anhängig sei und welcher Anspruch in Rechtskraft erwachse.
[8] Diese Voraussetzungen erfülle der Vortrag der Klägerin nicht. Sie gebe lediglich an, der Beklagte habe bei ihr im Februar 2015 Waren gekauft, deren Kaufpreis dem Beklagten in Rechnung gestellt worden sei. Damit werde der geltend gemachte Anspruch nicht ausreichend identifiziert. Der Begriff „Waren“ sei ebenso wie die Angabe „Februar 2015“ zu unspezifisch; eine Abgrenzung von anderen Kaufgegenständen sei hiermit nicht möglich. Ein gewisser Grad an Individualisierung sei jedoch im Hinblick auf die materielle Rechtskraft eines Urteils erforderlich.
[9] Auch die Angabe der Rechnungsnummern helfe der Klägerin nicht weiter. Zu Unrecht verweise sie darauf, der Anspruch sei unbestritten geblieben. Denn die Prozessvoraussetzung der ordnungsgemäßen Klageerhebung sei von Amts wegen zu prüfen. Die Klägerin sei mehrfach aufgefordert worden, die in Bezug genommenen Rechnungen vorzulegen, in denen nach ihrem Vortrag die einzelnen gelieferten Waren mit Artikelnummern aufgeführt seien. Wäre dies geschehen und erwiese sich der Vortrag zu den Artikelnummern als zutreffend, wäre der Streitgegenstand ausreichend individualisiert gewesen.
[10] Die Klägerin verschweige dem Gericht letztlich ohne jede nachvollziehbare Begründung den Vertragsgegenstand und verweigere jede weitere notwendige Konkretisierung des Geschehens. Damit erwiesen sich Leistungs- und Feststellungsklage als unzulässig.
[11] II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind sowohl die Leistungsklage als auch die Feststellungsklage zulässig erhoben.
[12] 1. Nach § 253 II Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift, neben dem Antrag, die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten. Zur Erfüllung dieser gesetzlichen Vorgaben kommt es – was auch das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkennt – nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH nicht darauf an, ob der maßgebende Lebenssachverhalt bereits in der Klageschrift vollständig beschrieben oder der Klageanspruch schlüssig und substanziiert dargelegt worden ist. Vielmehr ist es – entsprechend dem Zweck der Klageerhebung, dem Schuldner den Willen des Gläubigers zur Durchsetzung seiner Forderungen zu verdeutlichen – im Allgemeinen ausreichend, wenn der Anspruch als solcher identifizierbar ist, indem er durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt wird, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann (BGH, Urt. v. 26.06.2013 – IV ZR 39/10, NJW 2013, 3580 Rn. 34; Urt. v. 11.02.2004 – VIII ZR 127/03, NJW-RR 2005, 216 [unter II]; Urt. v. 18.07.2000 – X ZR 62/98, NJW 2000, 3492 [unter II 1 c]; jeweils m. w. Nachw.).
[13] Diesen Voraussetzungen wird die Darlegung der Klägerin zu dem der Leistungsklage zugrunde liegenden tatsächlichen Geschehen gerecht. Diesbezüglich hat die Klägerin in der Klageschrift vorgetragen, der Beklagte habe bei ihr im Februar 2015 Waren bezogen, die ihm nach jeweiliger schriftlicher Bestätigung unter Angabe des jeweiligen Lieferdatums sowie der einzelnen gelieferten Artikel unter Ansatz der vereinbarten Preise in Rechnung gestellt worden seien. Bei der in der Klageschrift enthaltenen Forderungsberechnung hat sich die Klägerin auf die Rechnung vom 23.02.2015 mit der Nummer 8 über einen Betrag von 120,65 € sowie die Rechnung vom 24.02.2015 mit der Nummer 87 über 3.481,25 € bezogen. Zum Beweis für ihren Vortrag hat sie unter anderem die Vorlage dieser Rechnungen angekündigt.
[14] Mit diesen Angaben sind Gegenstand und Grund des erhobenen Leistungsanspruchs hinreichend bezeichnet. Durch die Angabe der Nummern der datierten Rechnungen, die nach dem Vortrag der Klägerin die gelieferten Waren im Einzelnen bezeichnen, und die damit erfolgte unverwechselbare Zuordnung der einzelnen Forderungsbeträge, ist der Klagegegenstand auch im Hinblick auf die materielle Rechtskraft (§ 322 I ZPO) eines späteren Urteils in dieser Sache ausreichend individualisiert. Denn es ist unter Beachtung der Regeln über die materielle Rechtskraft eines Urteils ausgeschlossen, dass eine erneut auf die genannten Rechnungsnummern gestützte Zahlungsklage als zulässig angesehen werden würde.
[15] Soweit das Berufungsgericht als Voraussetzung der Zulässigkeit der Leistungsklage von der Klägerin die Vorlage der vorbezeichneten Rechnungen verlangt, überspannt es die Anforderungen des § 253 II Nr. 2 ZPO. Angesichts des prozessual ausreichenden Vortrags der Klägerin zum Gegenstand des Anspruchs trüge die Vorlage der Rechnungen nichts Zusätzliches zu dessen Individualisierung bei; der ohnehin bereits hinreichend bestimmte Klagegegenstand würde durch die Rechnungsvorlage lediglich zusätzlich durch ein für die Richtigkeit des gehaltenen Vortrags streitendes Beweisanzeichen gestützt. Anders mag es dann liegen, wenn allein durch die in der Klageschrift in Bezug genommenen Anlagen die notwendige Individualisierung des Anspruchs erfolgen kann (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 17.03.2016 – III ZR 200/15, NJW 2016, 2747 Rn. 19). So verhält es sich im Streitfall nicht.
[16] 2. Auch der weitere Klageantrag, mit dem die Klägerin die Feststellung begehrt, dass „auch der Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung vorliegt“, ist zulässig.
[17] a) Nach der Rechtsprechung des BGH muss ein Feststellungsantrag das Rechtsverhältnis, dessen Bestehen oder Nichtbestehen festgestellt werden soll, so genau bezeichnen, dass über dessen Identität und damit über den Umfang der Rechtskraft der Feststellung keine Ungewissheit bestehen kann (BGH, Urt. v. 08.05.2014 – I ZR 217/12, BGHZ 201, 129 Rn. 24 m. w. Nachw.). Genügt der Wortlaut des Antrags dem Bestimmtheitserfordernis nicht, ist der Antrag unter Heranziehung der Klagebegründung auszulegen. Im Zweifel gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der Parteien entspricht (BGH, Urt. v. 08.05.2014 – I ZR 217/12, BGHZ 201, 129 Rn. 24; Urt. v. 07.03.2013 – VII ZR 223/11, NJW 2013, 1744 Rn. 23; vgl. auch BGH, Urt. v. 21.06.2016 – II ZR 305/14, WM 2016, 1599 Rn. 12).
[18] b) Diesen rechtlichen Vorgaben an die Bestimmtheit wird der von der Klägerin gestellte Feststellungsantrag gerecht.
[19] Die Klägerin begehrt die Feststellung, „dass auch der Rechtsgrund der unerlaubten Handlung vorliegt“. Dieser Antrag als solcher lässt zwar jede Bezugnahme auf ein konkretes Rechtsverhältnis vermissen. Dieser Mangel besteht jedoch bei der gebotenen Berücksichtigung der Klagebegründung nicht mehr. Dort trägt die Klägerin vor, der Beklagte habe die Waren unter der Vorspiegelung bestellt, er könne den Gegenwert fristgerecht bezahlen, obwohl er damit zum Zeitpunkt der Bestellung schon nicht mehr habe rechnen können. Damit wird deutlich, dass die Klägerin die unerlaubte Handlung, deren Rechtsgrund sie festgestellt wissen will, in einem (Eingehungs-)Betrug (§ 263 I StGB) des Beklagten – mithin der Verletzung eines Schutzgesetzes i. S. des § 823 II BGB (vgl. BGH, Urt. v. 19.07.2004 – II ZR 218/03, BGHZ 160, 134 [139 f., 142 f.]; Urt. v. 05.03.2002 – VI ZR 398/00, NJW 2002, 1643 [unter II]; Urt v. 22.06.1992 – II ZR 178/90, NJW 1992, 3167 [unter A III 3]) – sieht, den dieser durch die im Februar 2015 erfolgte Bestellung der in den Rechnungen vom 23.02.2015 sowie vom 24.02.2015 im Einzelnen bezeichneten Waren begangen haben soll.
[20] c) Das besondere Rechtsschutzinteresse des § 256 I ZPO für die erhobene Feststellungsklage liegt ebenfalls vor. Für die Feststellung des Haftungsgrundes einer unerlaubten Handlung besteht – jedenfalls für die vorleistende Partei eines Kaufvertrags (vgl. BGH, Urt. v. 05.03.2002 – VI ZR 398/00, NJW 2002, 1643 [unter II 1 b]) – im Hinblick auf § 302 Nr. 1 InsO grundsätzlich ein Rechtsschutzinteresse (vgl. BGH, Urt. v. 02.12.2010 – IX ZR 41/10, ZIP 2011, 39 Rn. 7).
[21] III. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 I ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, sodass der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 563 I 1 ZPO).
[22] 1. Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Klageansprüche, entgegen der Auffassung des Amtsgerichts, schlüssig begründet sind.
[23] Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs schlüssig, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit dies für die Rechtsfolge nicht von Bedeutung ist (zuletzt: BGH, Urt. v. 23.01.2015 – V ZR 107/13, juris Rn. 18; Beschl. v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, NJW 2012, 382 Rn. 14; jeweils m. w. Nachw.; vgl. auch BGH, Beschl. v. 27.07.2016 – XII ZR 59/14, juris Rn. 4; Urt. v. 21.10.2014 – VIII ZR 34/14, NJW-RR 2015, 910 Rn. 20; jeweils m. w. Nachw.). Diesen Anforderungen an die Schlüssigkeit des Klagevortrags wird das Tatsachenvorbringen der Klägerin zu beiden Klagebegehren gerecht.
[24] a) In Bezug auf den Zahlungsantrag bedarf es keiner näheren Ausführungen, dass die diesbezügliche – oben wiedergegebene – Klagebegründung ohne Weiteres den Schluss auf einen bestehenden Anspruch der Klägerin aus § 433 II BGB zulässt.
[25] b) Auch das Feststellungsbegehren ist schlüssig begründet. Die Klägerin begehrt die Feststellung, „dass auch der Rechtsgrund der unerlaubten Handlung vorliegt“, und begründet dies ersichtlich mit einem ihrer Ansicht nach durch die Warenbestellung begangenen (Eingehungs-)Betrug (§ 263 I StGB) des Beklagten. Der Beklagte habe die Waren unter der Vorspiegelung bestellt, er könne den Gegenwert fristgerecht bezahlen, obwohl er bereits zu diesem Zeitpunkt damit gerechnet habe, sie nicht bezahlen zu können. Mehr an Tatsachenvortrag bedarf es für die schlüssige Darlegung eines Anspruchs aus § 823 II BGB i. V. mit § 263 I StGB nicht.
[26] 2. Sollte der (Berufungs-)Beklagte in der neu anzuberaumenden Verhandlung vor dem Berufungsgericht (erneut) nicht erscheinen, wird das Berufungsgericht daher die übrigen Voraussetzungen des Erlasses eines Versäumnisurteils nach §§ 539 II, II, 331 ZPO zu prüfen haben.