Ein Ge­braucht­wa­gen, in dem sich über ei­nen Zeit­raum von et­wa vier Wo­chen bei ge­schlos­se­nen Fens­tern und Au­ßen­tem­pe­ra­tu­ren von 18 °C ei­ne Lei­che be­fand, aus der in er­heb­li­chem Um­fang Lei­chen­flüs­sig­keit aus­ge­tre­ten ist, hat ei­nen vom Ver­käu­fer zu of­fen­ba­ren­den Vor­scha­den.

LG Han­no­ver, Ur­teil vom 10.12.2015 – 4 O 159/14

Sach­ver­halt: Der Klä­ger be­gehrt von den Be­klag­ten die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­tra­ges über ei­nen Ge­braucht­wa­gen.

Am 28.09.2013 kauf­te der Klä­ger von der Be­klag­ten zu 1. ei­nen Por­sche Ca­yenne zu ei­nem Kauf­preis von 21.000 €. Im schrift­li­chen Kauf­ver­trag heißt es, das Fahr­zeug ha­be kei­ne Vor­schä­den („… hat fol­gen­de Vor­schä­den: kei­ne“). Au­ßer­dem ent­hält der Ver­trag fol­gen­de Klau­sel:

„Der Ver­käu­fer über­nimmt für die Be­schaf­fen­heit des ver­kauf­ten Kraft­fahr­zeu­ges kei­ne Ge­währ­leis­tung, es sei denn, er ver­kauft das Kfz als Un­ter­neh­mer an den Käu­fer als Ver­brau­cher.“

Den Ver­kauf des in Re­de ste­hen­den Fahr­zeugs an den Klä­ger hat der Be­klag­te zu 2., ein Be­kann­ter des Be­klag­ten zu 1., ver­mit­telt und da­für von dem Klä­ger ei­ne Pro­vi­si­on von 1.200 € er­hal­ten.

Das Fahr­zeug war auf der In­ter­net­platt­form „mobile.​de“ mit fol­gen­der Be­schrei­bung zum Kauf an­ge­bo­ten wor­den:

„Top ge­pfleg­ter – ehr­li­cher – Ca­yenne Tur­bo mit ori­gi­nal nur 68.000 km … Das Au­to wird oh­ne Män­gel an den nächs­ten Lieb­ha­ber über­ge­ben. Es fährt sen­sa­tio­nell.“

Der Por­sche stand ur­sprüng­lich im Ei­gen­tum des L, der dar­in zu ei­nem Zeit­punkt zwi­schen dem 22.07.2010 und dem 13.08.2010 ver­stor­ben ist. Das Fahr­zeug wur­de am 13.08.2010 in ei­nem Wald­stück bei Un­de­loh auf­ge­fun­den. Aus­weis­lich ei­nes von der Staats­an­walt­schaft ein­ge­hol­ten rechts­me­di­zi­ni­schen Gut­ach­tens vom 18.08.2010 be­fand sich der Leich­nam des L, der et­wa vier Wo­chen in dem Fahr­zeug ge­le­gen ha­ben muss, im Zu­stand der fort­ge­schrit­te­nen Lei­chen­fäul­nis. In dem Gut­ach­ten ist au­ßer­dem ver­merkt:

„Es fin­det sich am ge­sam­ten Kör­per, ins­be­son­de­re im Ge­sicht und an den un­be­schuh­ten bräun­lich ver­färb­ten Fü­ßen, ei­ne Fäul­nis­gas­dunsung. Fäul­nis­flüs­sig­keit tritt aus Kör­per­öff­nun­gen aus.“

Im Be­richt der Spu­ren­si­che­rung vom 01.09.2010 heißt es un­ter an­de­rem:

„Im Fahr­zeug muss wei­ter­hin ei­ne ho­he Luft­feuch­tig­keit ge­herrscht ha­ben, die schließ­lich zur star­ken Schim­mel­bil­dung ge­führt hat­te, was ei­ne Fin­ger­spu­ren­su­che dar­über hin­aus un­mög­lich mach­te.“

Schließ­lich fin­det sich in der Er­mitt­lungs­ak­te un­ter an­de­rem die Fest­stel­lung „In­nen­raum durch Ruß­be­auf­schla­gung und Lei­chen­aus­schei­dun­gen zer­stört“.

Im Ok­to­ber 2010 er­warb E, der Ehe­mann der Be­klag­ten zu 1., das Fahr­zeug von dem Er­ben des L zu ei­nem Kauf­preis von 4.000 €. Den nied­ri­gen Kauf­preis be­grün­de­te E in ei­ner E-Mail an den Nach­lass­ver­wal­ter des L vom 13.10.2010 wie folgt:

„Der ge­rin­ge Preis setzt sich aus den fol­gen­den Kom­po­nen­ten zu­sam­men: Ab­schlepp­kos­ten, Spe­zi­a­l­ent­sor­gung der Kfz-In­nen­aus­stat­tung, Ver­wer­tung des Kfz un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Ge­ruchs­ent­wick­lung, Markt­preis des Ca­yenne.“

Das Fahr­zeug wur­de an­schlie­ßend auf das Be­triebs­ge­län­de des E ver­bracht und auf die­sen zu­ge­las­sen, be­vor die Be­klag­te zu 1. es im Ju­ni 2012 er­warb.

Der Klä­ger be­haup­tet, im Rah­men ei­ner In­spek­ti­on des Fahr­zeugs und nach De­mon­ta­ge der In­nen­ver­klei­dung ha­be sich her­aus­ge­stellt, dass die Elek­tro­nik des Fahr­zeugs durch Lei­chen­flüs­sig­keit, die in ei­nem Um­fang von rund zehn Li­tern aus­ge­tre­ten sein müs­se, er­heb­lich be­schä­digt wor­den sei. In Be­rei­chen des Fahr­zeugs, in die un­ter nor­ma­len Um­stän­den kei­ne Feuch­tig­keit vor­drin­ge, sei­en er­heb­li­che Ro­st­an­haf­tun­gen vor­ge­fun­den wor­den. Dar­über hin­aus lie­ße sich ein ex­trem star­ker Ver­we­sungs­ge­ruch, der an war­men Ta­gen so­gar ver­stärkt auf­tre­te, nicht be­sei­ti­gen, so­dass der Por­sche nicht ge­nutzt wer­den kön­ne.

Mit Schrei­ben vom 19.03.2014 for­der­te der Klä­ger die Be­klag­ten zur Nach­bes­se­rung auf. Da die Be­klag­ten auf die­se Auf­for­de­rung nicht re­agier­ten, er­klär­te er mit Schrei­ben vom 09.04.2014 den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag.

Mit der Kla­ge hat der Klä­ger im We­sent­li­chen die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses und der an den Be­klag­ten zu 2. ge­zahl­ten Pro­vi­si­on ver­langt; au­ßer­dem hat er den Er­satz von In­spek­ti­ons- (4.712,14 €) und Re­pa­ra­tur­kos­ten (983,01 €) be­gehrt. Die Kla­ge hat­te ge­gen­über der Be­klag­ten zu 1. zum über­wie­gen­den Teil Er­folg.

Aus den Grün­den: I. … 1. Der Klä­ger hat ge­gen die Be­klag­te zu 1. ei­nen An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des in Re­de ste­hen­den Kauf­ver­tra­ges … aus den §§ 434, 437 Nr. 2, 323, 346 BGB.

Zwar ha­ben die Par­tei­en ei­nen Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss ver­ein­bart; die­ser ver­ein­bar­te Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss ist je­doch ge­mäß § 444 BGB un­wirk­sam, da die Be­klag­te zu 1. im Kauf­ver­trag schrift­lich be­stä­tigt hat, dass an dem Fahr­zeug kei­ne Vor­schä­den vor­han­den sei­en, und dies nach Auf­fas­sung der Kam­mer ei­ne Ga­ran­tie­er­klä­rung i. S. des § 444 BGB dar­stellt.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten zu 1. stellt die Tat­sa­che, dass sich in dem Fahr­zeug über ei­nen Zeit­raum von cir­ca vier Wo­chen ei­ne Lei­che be­fun­den hat und die Fens­ter über die­sen Zeit­raum bei Au­ßen­tem­pe­ra­tu­ren von 18 °C ge­schlos­sen ge­we­sen sind … ei­nen „Vor­scha­den“ dar, der in je­dem Fal­le zu of­fen­ba­ren ge­we­sen wä­re. So­weit die Be­klag­te zu 1. meint, es han­de­le sich bei die­ser Tat­sa­che nicht um ei­nen „Vor­scha­den“, den die Par­tei­en im Rah­men der Fi­xie­rung im Kauf­ver­trag ge­meint ha­ben, ist sie dar­auf zu ver­wei­sen, dass … Vor­schä­den grund­sätz­lich Schä­den an ei­nem Kraft­fahr­zeug be­zeich­nen, wel­che zu ei­nem frü­he­ren Zeit­punkt am Fahr­zeug vor­la­gen, je­doch zwi­schen­zeit­lich be­ho­ben wur­den … Nach Auf­fas­sung der Kam­mer kön­nen kei­ner­lei Zwei­fel dar­an be­ste­hen, dass die Tat­sa­che, dass in ei­nem Fahr­zeug ei­ne Lei­che über ei­nen Zeit­raum von vier Wo­chen bei ei­ner Au­ßen­tem­pe­ra­tur von 18 °C ge­le­gen hat und aus der Lei­chen­flüs­sig­keit aus­ge­tre­ten ist, ei­nen Vor­scha­den dar­stellt. So­weit die Be­klag­te zu 1. be­strei­tet, dass aus der Lei­che Lei­chen­flüs­sig­keit aus­ge­tre­ten ist, ist sie auf den In­halt der Er­mitt­lungs­ak­te zu ver­wei­sen. Aus dem rechts­me­di­zi­ni­schen Be­richt des Uni­ver­si­täts­kli­ni­kums Ham­burg-Ep­pen­dorf vom 18.08.2010 geht ein­deu­tig her­vor, dass Fäul­nis­flüs­sig­keit aus den Kör­per­öff­nun­gen aus­ge­tre­ten ist. Es kann in­so­weit nach Auf­fas­sung der Kam­mer da­hin­ste­hen, ob, was die Be­klag­te be­strei­tet, die­se Flüs­sig­keit tat­säch­lich da­zu ge­führt hat, dass die Elek­tro­nik des Fahr­zeu­ges be­schä­digt wor­den ist. In je­dem Fall führ­te der Aus­tritt die­ser Fäul­nis­flüs­sig­keit zu ex­tre­men Ver­we­sungs­ge­rü­chen in dem Fahr­zeug und führ­te im vor­lie­gen­den Fall auch da­zu, dass die ge­sam­te In­nen­ver­klei­dung des Fahr­zeugs aus­ge­tauscht wer­den muss­te. So hat der Vor­be­sit­zer des Fahr­zeugs, der Ehe­mann der Be­klag­ten, im Rah­men sei­ner E-Mail an den Nach­lass­ver­wal­ter des L selbst aus­ge­führt, dass er im Hin­blick auf die zu er­fol­gen­de Spe­zi­a­l­ent­sor­gung der Kfz-In­nen­aus­stat­tung le­dig­lich be­reit sei, ei­nen Kauf­preis in Hö­he von 4.000 € für das Fahr­zeug zu zah­len. Die Kam­mer ver­mag nicht den Un­ter­schied zu ei­ner er­for­der­lich wer­den­den Spe­zi­a­l­ent­sor­gung der In­nen­aus­stat­tung und ei­nem Blech­scha­den, der in je­dem Fall als Vor­scha­den an­ge­se­hen wer­den muss, zu se­hen. Mit­hin han­delt es sich bei dem Fahr­zeug in je­dem Fall um ein Fahr­zeug mit ei­nem „Vor­scha­den“.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten zu 1. stellt die Aus­sa­ge in dem Kauf­ver­trag „kei­ne Vor­schä­den“ auch oh­ne Zwei­fel die Ab­ga­be ei­ner Ga­ran­tie i. S. des § 443 BGB dar. Bei der Be­ur­tei­lung der Fra­ge, ob ei­ne Ga­ran­tie i. S. des § 443 BGB ab­ge­ge­ben wird, muss das Wort „Ga­ran­tie“ nicht ver­wen­det wer­den. Es muss le­dig­lich zum Aus­druck kom­men, dass der Ver­käu­fer für ei­ne be­stimm­te Tat­sa­che ein­ste­hen möch­te. Hier­an hat die Kam­mer bei der Be­griff­lich­keit „kei­ne Vor­schä­den“ kei­ne Zwei­fel. So­weit die Be­klag­te zu 1. die Ent­schei­dung des BGH in Be­zug nimmt, wo­nach die An­ga­be in ei­nem Ver­trags­for­mu­lar „Un­fall­schä­den laut Vor­be­sit­zer nein“ kei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung zwi­schen ei­nem Un­ter­neh­mer und ei­ner Pri­vat­per­son dar­stellt (BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VI­II ZR 253/05), ist die­ser Fall auf den vor­lie­gen­den nicht über­trag­bar, da vor­lie­gend eben nicht die Ein­schrän­kung „laut Vor­be­sit­zer“ ge­macht wur­de. Der Käu­fer, im vor­lie­gen­den Fall der Klä­ger, konn­te viel­mehr dar­auf ver­trau­en, dass das Fahr­zeug eben kei­ne Vor­schä­den auf­weist.

Nach al­le­dem kommt es nicht dar­auf an, ob die Be­klag­te zu 1. Kennt­nis von den ge­sam­ten Vor­gän­gen hat­te und ob tat­säch­lich die Elek­tro­nik des Fahr­zeu­ges in Mit­lei­den­schaft ge­zo­gen wur­de.

Von dem gel­tend ge­mach­ten An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses war al­ler­dings ein Be­trag in Hö­he von 5.176 € in Ab­zug zu brin­gen … Un­ter An­wen­dung der Recht­spre­chung des OLG Cel­le bringt die Kam­mer für je­den ge­fah­re­nen Ki­lo­me­ter 0,15 € in Ab­zug (OLG Cel­le, Urt. v. 05.11.2003 – 7 U 50/03, ZGS 2004, 74), was ei­nem Be­trag in Hö­he von 5.176 € ent­spricht.

2. Über den An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses hin­aus hat der Klä­ger ge­gen die Be­klag­te zu 1. ei­nen An­spruch auf Er­stat­tung der In­spek­ti­ons­kos­ten, die sich un­strei­tig auf 4.712,14 € be­lau­fen. Die­se In­spek­ti­ons­kos­ten wä­ren dem Klä­ger nicht ent­stan­den, wenn er den Pkw nicht ge­kauft hät­te. Das Glei­che gilt für die un­strei­tig ent­stan­de­nen Re­pa­ra­tur­kos­ten in Hö­he von 983,01 €.

Eben­falls hat der Klä­ger ge­gen die Be­klag­te zu 1. ei­nen An­spruch auf Rück­zah­lung der an den Be­klag­ten zu 2. ge­zahl­ten Pro­vi­si­on in Hö­he von 1.200 €. Auch die­se Pro­vi­si­on hät­te der Klä­ger nicht ge­zahlt, wenn es nicht zum Ab­schluss des Kauf­ver­tra­ges ge­kom­men wä­re.

II. Der Klä­ger hat ge­gen den Be­klag­ten zu 2. kei­nen An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags, da der Be­klag­te zu 2. nicht Ver­trags­part­ner ge­wor­den ist. Es ist auch an­sons­ten kei­ne An­spruchs­grund­la­ge er­sicht­lich …

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