1. Die Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.05.1999 zu be­stimm­ten As­pek­ten des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs und der Ga­ran­ti­en für Ver­brauchs­gü­ter ist da­hin aus­zu­le­gen, dass in ei­nem Rechts­streit über ei­nen Ver­trag, der mög­li­cher­wei­se in den Gel­tungs­be­reich die­ser Richt­li­nie fällt, das mit dem Rechts­streit be­fass­te na­tio­na­le Ge­richt, so­fern es über die da­für nö­ti­gen recht­li­chen und tat­säch­li­chen An­halts­punk­te ver­fügt oder dar­über auf ein ein­fa­ches Aus­kunfts­er­su­chen hin ver­fü­gen kann, die Fra­ge zu prü­fen hat, ob der Käu­fer als Ver­brau­cher ein­ge­stuft wer­den kann, selbst wenn er sich nicht aus­drück­lich auf die­se Ei­gen­schaft be­ru­fen hat.
  2. Art. 5 III der Richt­li­nie 1999/44 ist da­hin aus­zu­le­gen, dass er als ei­ne Norm an­zu­se­hen ist, die ei­ner na­tio­na­len Be­stim­mung, die im in­ner­staat­li­chen Recht zwin­gend ist, gleich­wer­tig ist, und dass das na­tio­na­le Ge­richt von Amts we­gen je­de Be­stim­mung sei­nes in­ner­staat­li­chen Rechts an­wen­den muss, die sei­ne Um­set­zung in in­ner­staat­li­ches Recht si­cher­stellt.
  3. Art. 5 II der Richt­li­nie 1999/44 ist da­hin aus­zu­le­gen, dass er nicht ei­ner na­tio­na­len Be­stim­mung ent­ge­gen­steht, nach der der Ver­brau­cher für die In­an­spruch­nah­me sei­ner Rech­te aus die­ser Richt­li­nie den Ver­käu­fer recht­zei­tig über die Ver­trags­wid­rig­keit un­ter­rich­ten muss, vor­aus­ge­setzt, dass der Ver­brau­cher für die­se Un­ter­rich­tung über ei­ne Frist von nicht we­ni­ger als zwei Mo­na­ten ab dem Zeit­punkt sei­ner Fest­stel­lung der Ver­trags­wid­rig­keit ver­fügt, dass sich die­se Un­ter­rich­tung nur auf das Vor­lie­gen die­ser Ver­trags­wid­rig­keit er­stre­cken muss und dass sie nicht Be­weis­re­geln un­ter­liegt, die dem Ver­brau­cher die Aus­übung sei­ner Rech­te un­mög­lich ma­chen oder die­se über­mä­ßig er­schwe­ren.
  4. Art. 5 III der Richt­li­nie 1999/44 ist da­hin aus­zu­le­gen, dass die Re­gel, wo­nach ver­mu­tet wird, dass die Ver­trags­wid­rig­keit be­reits zum Zeit­punkt der Lie­fe­rung des Gu­tes be­stand,
    — zur An­wen­dung ge­langt, wenn der Ver­brau­cher den Be­weis er­bringt, dass das ver­kauf­te Gut nicht ver­trags­ge­mäß ist und dass die frag­li­che Ver­trags­wid­rig­keit bin­nen sechs Mo­na­ten nach der Lie­fe­rung des Gu­tes of­fen­bar ge­wor­den ist, das heißt sich ihr Vor­lie­gen tat­säch­lich her­aus­ge­stellt hat. Der Ver­brau­cher muss we­der den Grund der Ver­trags­wid­rig­keit noch den Um­stand be­wei­sen, dass de­ren Ur­sprung dem Ver­käu­fer zu­zu­rech­nen ist;
    — von der An­wen­dung nur da­durch aus­ge­schlos­sen wer­den kann, dass der Ver­käu­fer recht­lich hin­rei­chend nach­weist, dass der Grund oder Ur­sprung der Ver­trags­wid­rig­keit in ei­nem Um­stand liegt, der nach der Lie­fe­rung des Gu­tes ein­ge­tre­ten ist.

EuGH (Ers­te Kam­mer), Ur­teil vom 04.06.2015 – C-497/13 (Fa­ber/Au­to­be­d­ri­jf Ha­zet Och­ten BV)

Das vor­lie­gen­de Ur­teil be­trifft die Aus­le­gung von Art. 1 II lit. a und Art. 5 der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.05.1999 zu be­stimm­ten As­pek­ten des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs und der Ga­ran­ti­en für Ver­brauchs­gü­ter (ABl. 1999 L 171, 12).

Sach­ver­halt: Am 27.05.2008 er­warb Frau Fa­ber bei der Au­to­be­d­ri­jf Ha­zet Och­ten BV (im Fol­gen­den: Au­to­haus Ha­zet) ei­nen Ge­braucht­wa­gen. Für den zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag wur­de ein vor­ge­druck­tes For­mu­lar mit dem Brief­kopf des Au­to­hau­ses und der Über­schrift „Kauf­ver­trag Pri­vat­per­so­nen“ ver­wen­det.

Am 26.09.2008 fing das Fahr­zeug wäh­rend ei­ner Fahrt Feu­er und brann­te voll­stän­dig aus. Frau Fa­ber, die das Fahr­zeug führ­te, war auf dem Weg zu ei­nem ge­schäft­li­chen Ter­min in Be­glei­tung ih­rer Toch­ter. Das Fahr­zeug wur­de von ei­nem Ab­schlepp­wa­gen zum Au­to­haus Ha­zet und dann auf des­sen Bit­te zu ei­nem Ver­schrot­tungs­un­ter­neh­men ge­bracht, um dort ge­mäß den gel­ten­den um­welt­recht­li­chen Vor­schrif­ten ge­la­gert zu wer­den. Frau Fa­ber be­haup­tet, aber das Au­to­haus Ha­zet be­strei­tet, dass sich die Par­tei­en bei die­ser Ge­le­gen­heit über den Brand und die et­wai­ge Haf­tung des Au­to­hau­ses un­ter­hal­ten hät­ten.

An­fang 2009 mel­de­te sich das Au­to­haus Ha­zet te­le­fo­nisch bei Frau Fa­ber, die ihm er­klär­te, dass sie auf den Be­richt der Po­li­zei über den Brand war­te. Auf An­fra­ge von Frau Fa­ber teil­te ihr die Po­li­zei je­doch mit, dass kein tech­ni­scher Be­richt er­stellt wor­den sei.

Am 08.05.2009 wur­de das be­tref­fen­de Fahr­zeug ver­schrot­tet, nach­dem das Au­to­haus Ha­zet zu­vor dar­über in­for­miert wor­den war.

Mit Schrei­ben vom 11.05.2009 teil­te Frau Fa­ber dem Au­to­haus Ha­zet mit, dass sie es für den Scha­den haft­bar ma­che, der ihr aus der Zer­stö­rung ih­res Fahr­zeugs durch den Brand ent­stan­den sei. Die­sen Scha­den in Hö­he des Kauf­prei­ses und des Wer­tes ver­schie­de­ner im Fahr­zeug be­find­li­cher Ge­gen­stän­de be­zif­fer­te Frau Fa­ber auf 10.828,55 €.

An­fang Ju­li 2009 be­auf­trag­te Frau Fa­ber ei­nen Gut­ach­ter mit ei­ner tech­ni­schen Un­ter­su­chung, um die Ur­sa­che des Fahr­zeug­brands zu er­mit­teln. Da das Fahr­zeug in­zwi­schen zer­stört wor­den war, konn­te das Gut­ach­ten nicht er­stellt wer­den.

Am 26.10.2010 ver­klag­te Frau Fa­ber das Au­to­haus Ha­zet bei der Recht­bank Arn­hem (Nie­der­lan­de). Zur Be­grün­dung ih­rer Kla­ge mach­te Frau Fa­ber gel­tend, dass das Fahr­zeug nicht dem Ver­ein­bar­ten ent­spro­chen ha­be und da­her nicht ver­trags­ge­mäß i. S. von Art. 7:17 BW1Art. 7:17 des Bur­ger­li­jk Wet­bo­ek (Bür­ger­li­ches Ge­setz­buch – BW) be­stimmt, dass die ge­lie­fer­te Sa­che ver­trags­ge­mäß sein muss. ge­we­sen sei. Al­ler­dings trug Frau Fa­ber nicht vor, dass sie das Fahr­zeug als Ver­brau­che­rin ge­kauft ha­be.

Das Au­to­haus Ha­zet hielt dem ent­ge­gen, es lie­ge kein Fall von Ver­trags­wid­rig­keit vor, und zu­dem ha­be Frau Fa­ber ih­re Be­an­stan­dung ver­spä­tet vor­ge­bracht, so­dass sie nach Art. 7:23 I BW2Art. 7:23 I BW lau­tet: „Der Käu­fer kann sich nicht mehr dar­auf be­ru­fen, dass das, was ge­lie­fert wor­den ist, nicht ver­trags­ge­mäß ist, wenn er dies dem Ver­käu­fer nicht in­ner­halb ei­ner an­ge­mes­se­nen Frist an­ge­zeigt hat, nach­dem er dies fest­ge­stellt hat oder ver­nünf­ti­ger­wei­se hät­te fest­stel­len müs­sen. Stellt sich je­doch her­aus, dass der Sa­che ei­ne Ei­gen­schaft fehlt, die der Ver­käu­fer zu­ge­si­chert hat, oder be­zieht sich die Ab­wei­chung auf Tat­sa­chen, die der Ver­käu­fer kann­te oder ken­nen muss­te, aber nicht mit­ge­teilt hat, muss die An­zei­ge in­ner­halb ei­ner an­ge­mes­se­nen Frist nach der Fest­stel­lung er­fol­gen. Bei ei­nem Ver­brauchs­gü­ter­kauf muss die An­zei­ge in­ner­halb ei­ner an­ge­mes­se­nen Frist nach der Fest­stel­lung er­fol­gen, wo­bei ei­ne An­zei­ge in­ner­halb ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten nach der Fest­stel­lung recht­zei­tig ist.“ al­le ih­re An­sprü­che ver­lo­ren ha­be.

Mit Ur­teil vom 27.04.2011 wies die Recht­bank Arn­hem die An­trä­ge von Frau Fa­ber zu­rück. Die­ses Ge­richt war der Auf­fas­sung, dass sich das Au­to­haus Ha­zet zu Recht auf Art. 7:23 I BW be­ru­fen ha­be, da die ers­te Kon­takt­auf­nah­me zwi­schen den Par­tei­en erst An­fang 2009 per Te­le­fon statt­ge­fun­den ha­be, al­so mehr als drei Mo­na­te nach dem Fahr­zeug­brand. Ob Frau Fa­ber als Ver­brau­che­rin ge­han­delt ha­be, brau­che nicht ge­prüft zu wer­den.

Am 26.07.2011 leg­te Frau Fa­ber ge­gen das Ur­teil der Recht­bank Arn­hem Rechts­mit­tel zum Ge­rechts­hof Arn­hem-Lee­uwar­den (Nie­der­lan­de) mit zwei Rü­gen ein. Mit der ers­ten Rü­ge wand­te sie sich ge­gen die Be­ur­tei­lung des erst­in­stanz­li­chen Ge­richts, wo­nach sie nicht in­ner­halb der ge­setz­li­chen Fris­ten ge­han­delt ha­be. Mit der zwei­ten Rü­ge mach­te Frau Fa­ber gel­tend, die am Un­fall­ort ein­ge­setz­ten Feu­er­wehr- und Po­li­zei­kräf­te hät­ten von ei­nem tech­ni­schen Man­gel des Fahr­zeugs ge­spro­chen.

Hin­ge­gen er­hob Frau Fa­ber kei­ne Rü­ge ge­gen die Fest­stel­lung der Recht­bank Arn­hem, es sei nicht zu er­mit­teln, ob der zwi­schen den Par­tei­en ab­ge­schlos­se­ne Ver­trag ein Ver­brauchs­gut be­trof­fen ha­be. Sie äu­ßer­te sich auch nicht da­zu, ob sie das Fahr­zeug als Ver­brau­che­rin er­wor­ben ha­be.

Un­ter die­sen Um­stän­den hat der Ge­rechts­hof Arn­hem-Lee­uwar­den das Ver­fah­ren aus­ge­setzt und dem Ge­richts­hof fol­gen­de Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt:

1. Ist das na­tio­na­le Ge­richt – sei es auf­grund des Grund­sat­zes der Ef­fek­ti­vi­tät, auf­grund des mit der Richt­li­nie 1999/44 an­ge­streb­ten ho­hen Ver­brau­cher­schutz­ni­veaus in­ner­halb der Eu­ro­päi­schen Uni­on oder auf­grund an­de­rer Be­stim­mun­gen oder Nor­men des Uni­ons­rechts – ver­pflich­tet, von Amts we­gen zu prü­fen, ob der Käu­fer bei ei­nem Ver­trag ein Ver­brau­cher i. S. von Art. 1 II lit. a der Richt­li­nie 1999/44 ist?

2. So­fern die ers­te Fra­ge be­jaht wird: Gilt dies auch, wenn die Ver­fah­rens­ak­te kei­ne (oder nicht ge­nü­gend oder wi­der­sprüch­li­che) tat­säch­li­chen In­for­ma­tio­nen ent­hält, um die Ei­gen­schaft des Käu­fers fest­stel­len zu kön­nen?

3. So­fern die ers­te Fra­ge be­jaht wird: Gilt dies auch für ein Rechts­mit­tel­ver­fah­ren, in dem der Käu­fer das Ur­teil des erst­in­stanz­li­chen Ge­richts nicht be­an­stan­det hat, so­weit dar­in die­se Prü­fung (von Amts we­gen) nicht vor­ge­nom­men wor­den ist und die Fra­ge, ob der Käu­fer als Ver­brau­cher an­zu­se­hen ist, aus­drück­lich of­fen­ge­las­sen wor­den ist?

4.  Ist die Richt­li­nie 1999/44 (bzw. de­ren Art. 5) als ei­ne Norm zu be­trach­ten, die den im na­tio­na­len Recht zwin­gen­den in­ner­staat­li­chen Be­stim­mun­gen gleich­wer­tig ist?

5. Ste­hen der Grund­satz der Ef­fek­ti­vi­tät, das mit der Richt­li­nie 1999/44 an­ge­streb­te ho­he Ver­brau­cher­schutz­ni­veau in­ner­halb der Uni­on oder an­de­re Be­stim­mun­gen oder Nor­men des Uni­ons­rechts dem nie­der­län­di­schen Recht in Be­zug auf ei­ne Dar­le­gungs- und Be­weis­last des Ver­brau­chers/Käu­fers hin­sicht­lich der Pflicht, dem Ver­käu­fer den ver­meint­li­chen Man­gel ei­nes ge­lie­fer­ten Gu­tes (recht­zei­tig) an­zu­zei­gen, ent­ge­gen?

6. Ste­hen der Grund­satz der Ef­fek­ti­vi­tät, das mit der Richt­li­nie 1999/44 an­ge­streb­te ho­he Ver­brau­cher­schutz­ni­veau in­ner­halb der Uni­on oder an­de­re Be­stim­mun­gen oder Nor­men des Uni­ons­rechts dem nie­der­län­di­schen Recht in Be­zug auf ei­ne Dar­le­gungs- und Be­weis­last des Ver­brau­chers/Käu­fers da­für, dass das Gut ver­trags­wid­rig ist und die­se Ver­trags­wid­rig­keit bin­nen sechs Mo­na­ten nach der Lie­fe­rung of­fen­bar ge­wor­den ist, ent­ge­gen? Was be­deu­ten die Wor­te „Ver­trags­wid­rig­kei­ten, die … of­fen­bar wer­den“ in Art. 5 III der Richt­li­nie 1999/44, und ins­be­son­de­re: In wel­chem Ma­ße muss der Ver­brau­cher/Käu­fer Tat­sa­chen und Um­stän­de dar­le­gen, die die Ver­trags­wid­rig­keit (bzw. de­ren Ur­sa­che) be­tref­fen? Reicht es da­für aus, dass der Ver­brau­cher/Käu­fer dar­legt und bei sub­stan­zi­ier­tem Be­strei­ten be­weist, dass der er­wor­be­ne Ge­gen­stand nicht (ein­wand­frei) funk­tio­niert, oder hat er auch dar­zu­le­gen und bei sub­stan­zi­ier­tem Be­strei­ten zu be­wei­sen, wel­cher Man­gel des ver­kauf­ten Ge­gen­stands die­ses Nicht­funk­tio­nie­ren (bzw. nicht ein­wand­freie Funk­tio­nie­ren) ver­ur­sacht (hat)?

7. Spielt es bei der Be­ant­wor­tung der vor­ste­hen­den Fra­gen ei­ne Rol­le, dass sich Frau Fa­ber im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren in bei­den Rechts­zü­gen von ei­nem Rechts­an­walt hat ver­tre­ten las­sen?

Der EuGH hat die­se Fra­gen wie aus dem Leit­satz er­sicht­lich be­ant­wor­tet.

Aus den Grün­den: Zu den Fra­gen 1, 2, 3 und 7

[32]   Mit die­sen Fra­gen, die zu­sam­men zu prü­fen sind, möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob das na­tio­na­le Ge­richt, das mit ei­nem Rechts­streit über die Ge­währ­leis­tung be­fasst ist, die der Ver­käu­fer dem Käu­fer im Rah­men ei­nes Kauf­ver­trags über ei­ne kör­per­li­che be­weg­li­che Sa­che schul­det, nach dem Grund­satz der Ef­fek­ti­vi­tät ver­pflich­tet ist, von Amts we­gen zu prü­fen, ob der Käu­fer als Ver­brau­cher im Sin­ne der Richt­li­nie 1999/44 an­zu­se­hen ist, ob­wohl sich die­se Par­tei nicht auf die­se Ei­gen­schaft be­ru­fen hat.

[33]   Vor­ab ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass sich im Aus­gangs­rechts­streit zwei Pri­vat­per­so­nen ge­gen­über­ste­hen. Zwar kann sich in ei­nem sol­chen Rechts­streit kei­ne der Par­tei­en auf die un­mit­tel­ba­re Wir­kung der Richt­li­nie 1999/44 be­ru­fen, aber nach stän­di­ger Recht­spre­chung muss das na­tio­na­le Ge­richt, bei dem ein Rechts­streit aus­schließ­lich zwi­schen Pri­vat­per­so­nen an­hän­gig ist, bei der An­wen­dung der Be­stim­mun­gen des in­ner­staat­li­chen Rechts das ge­sam­te na­tio­na­le Recht be­rück­sich­ti­gen und es so weit wie mög­lich an­hand von Wort­laut und Zweck der ein­schlä­gi­gen Richt­li­nie aus­le­gen, um zu ei­nem Er­geb­nis zu ge­lan­gen, das mit dem von der Richt­li­nie ver­folg­ten Ziel ver­ein­bar ist (vgl. EuGH, Urt. v. 27.03.2014 – C-565/12, EU:C:2014:190 Rn. 54 m. w. Nachw. – LCL Le Crédit Ly­on­nais ).

[34]   Nach den dem Ge­richts­hof mit­ge­teil­ten In­for­ma­tio­nen wur­de die Um­set­zung der Richt­li­nie 1999/44 in die nie­der­län­di­sche Rechts­ord­nung da­durch vor­ge­nom­men, dass in das Sieb­te Buch („Be­son­de­re Ver­trä­ge“) des BW zu­sätz­lich zu den Ge­währ­leis­tungs­re­geln, die un­ter­schieds­los für al­le Ver­trä­ge gel­ten, be­son­de­re Vor­schrif­ten für Kauf­ver­trä­ge über Ver­brauchs­gü­ter ein­ge­fügt wur­den.

[35]   Zu dem hier frag­li­chen Kauf­ver­trag führt das vor­le­gen­de Ge­richt je­doch aus, dass hin­sicht­lich der an­wend­ba­ren Be­stim­mun­gen Zwei­fel be­stün­den, da nicht si­cher sei, ob die­ser Kauf­ver­trag mit ei­nem Ver­brau­cher ab­ge­schlos­sen wor­den sei.

[36]   Der Vor­la­ge­ent­schei­dung ist näm­lich zu ent­neh­men, dass Frau Fa­ber zwar zur Be­grün­dung ih­res Ge­währ­leis­tungs­ver­lan­gens ge­gen das Au­to­haus Ha­zet ein Ver­trags­do­ku­ment mit der Über­schrift „Kauf­ver­trag Pri­vat­per­so­nen“ vor­ge­legt, aber nicht an­ge­ge­ben hat, ob die­ser Ver­trag im Rah­men ih­rer ge­schäft­li­chen Tä­tig­keit oder au­ßer­halb die­ser ge­schlos­sen wur­de, ob­wohl das mit dem Rechts­streit be­fass­te Ge­richt an­hand die­ses Ge­sichts­punkts fest­stel­len könn­te, ob sie als Ver­brau­che­rin im Sin­ne des an­wend­ba­ren na­tio­na­len Rechts und von Art. 1 II lit. a der Richt­li­nie 1999/44 an­ge­se­hen wer­den kann. Au­ßer­dem wur­de im ers­ten Rechts­zug die Kla­ge von Frau Fa­ber we­gen der im na­tio­na­len Recht vor­ge­se­he­nen Fris­ten als ver­spä­tet ab­ge­wie­sen, oh­ne dass er­mit­telt wur­de, in wel­cher Ei­gen­schaft sie den Ver­trag ab­ge­schlos­sen hat­te. Schließ­lich hat Frau Fa­ber im Rah­men der von ihr vor­ge­tra­ge­nen Rechts­mit­tel­grün­de, die den Ge­gen­stand des vor dem Rechts­mit­tel­ge­richt an­hän­gi­gen Rechts­streits be­gren­zen, gleich­falls nicht gel­tend ge­macht, dass sie als Ver­brau­che­rin ge­han­delt ha­be.

[37]   Hin­sicht­lich der Fra­ge, ob das na­tio­na­le Ge­richt in ei­nem sol­chen Zu­sam­men­hang von Amts we­gen prü­fen muss, ob der Käu­fer als Ver­brau­cher an­zu­se­hen ist, ist her­vor­zu­he­ben, dass bei ei­ner feh­len­den Har­mo­ni­sie­rung des Ver­fah­rens­rechts die Ver­fah­rens­mo­da­li­tä­ten für Kla­gen, die den Schutz der den Ein­zel­nen aus dem Uni­ons­recht er­wach­sen­den Rech­te ge­währ­leis­ten sol­len, nicht we­ni­ger güns­tig als die für ent­spre­chen­de in­ner­staat­li­che Kla­gen aus­ge­stal­tet sein dür­fen (Grund­satz der Äqui­va­lenz) und sie die Aus­übung der durch die Uni­ons­rechts­ord­nung ver­lie­he­nen Rech­te nicht prak­tisch un­mög­lich ma­chen oder über­mä­ßig er­schwe­ren dür­fen (Grund­satz der Ef­fek­ti­vi­tät).

[38]   Da­bei ist es grund­sätz­lich Sa­che des na­tio­na­len Ge­richts, zur Er­mitt­lung der Rechts­vor­schrif­ten, die in ei­nem bei ihm an­hän­gi­gen Rechts­streit an­wend­bar sind, die Tat­sa­chen und Hand­lun­gen recht­lich ein­zu­ord­nen, die die Par­tei­en zur Stüt­zung ih­rer An­trä­ge gel­tend ge­macht ha­ben. Die­se recht­li­che Ein­ord­nung ist in ei­nem Fall wie dem des Aus­gangs­ver­fah­rens, in dem die vom Klä­ger gel­tend ge­mach­te Ge­währ­leis­tungs­haf­tung für den Kauf­ge­gen­stand nach Maß­ga­be ei­ner Ei­gen­schaft des Käu­fers un­ter­schied­lich ge­re­gelt sein kann, vor­ab durch­zu­füh­ren. Ei­ne sol­che Ein­ord­nung setzt als sol­che nicht vor­aus, dass der Rich­ter ei­ne Be­ur­tei­lungs­be­fug­nis von Amts we­gen aus­übt, son­dern nur, dass er das Vor­lie­gen ei­ner ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zung fest­stellt und über­prüft, von der die an­wend­ba­re Rechts­norm ab­hängt.

[39]   Eben­so wie es dem na­tio­na­len Rich­ter im Rah­men der Ver­fah­rens­mo­da­li­tä­ten sei­ner in­ner­staat­li­chen Rechts­ord­nung ob­liegt, zur Er­mitt­lung der an­wend­ba­ren na­tio­na­len Rechts­norm die ihm von den Par­tei­en un­ter­brei­te­ten recht­li­chen und tat­säch­li­chen Ge­sichts­punk­te ein­zu­ord­nen, wo­bei er die Par­tei­en ge­ge­be­nen­falls zu al­len sach­dien­li­chen er­gän­zen­den An­ga­ben auf­for­dern kann, ist er nach dem Grund­satz der Äqui­va­lenz zu dem glei­chen Tä­tig­wer­den ver­pflich­tet, um zu klä­ren, ob ei­ne Norm des Uni­ons­rechts an­wend­bar ist.

[40]   So könn­te es sich im Aus­gangs­ver­fah­ren ver­hal­ten, in dem das na­tio­na­le Ge­richt, wie es in der Vor­la­ge­ent­schei­dung selbst fest­ge­stellt hat, über ein „In­diz“ ver­fügt, näm­lich ein von Frau Fa­ber vor­ge­leg­tes Do­ku­ment mit der Über­schrift „Kauf­ver­trag Pri­vat­per­so­nen“, und es nach Art. 22 Rv3Nach Art. 22 des Wet­bo­ek van Bur­ger­li­jke Rechts­vor­de­ring (Zi­vil­pro­zess­ord­nung – Rv) kann „der Rich­ter … in al­len Fäl­len und bei je­dem Ver­fah­rens­stand ei­ne oder bei­de Par­tei­en auf­for­dern, be­stimm­te Be­haup­tun­gen zu prä­zi­sie­ren oder be­stimm­te Un­ter­la­gen zu dem Rechts­streit vor­zu­le­gen“. die von der nie­der­län­di­schen Re­gie­rung her­vor­ge­ho­be­ne Mög­lich­keit be­sitzt, den Par­tei­en auf­zu­ge­ben, be­stimm­te Be­haup­tun­gen zu prä­zi­sie­ren oder be­stimm­te Un­ter­la­gen vor­zu­le­gen. Es ist Sa­che des na­tio­na­len Ge­richts, zu die­sem Zweck Er­mitt­lun­gen vor­zu­neh­men.

[41]   Nur falls die Ver­fah­rens­mo­da­li­tä­ten der in­ner­staat­li­chen Rechts­ord­nung dem na­tio­na­len Ge­richt kei­ne Mög­lich­keit ge­ben, ei­ne ge­naue recht­li­che Ein­ord­nung der strei­ti­gen Tat­sa­chen und Hand­lun­gen vor­zu­neh­men, wenn ei­ne sol­che nicht von den Par­tei­en selbst für ihr Vor­brin­gen aus­drück­lich gel­tend ge­macht wur­de, wür­de sich so­mit die Fra­ge stel­len, ob der Grund­satz der Ef­fek­ti­vi­tät die­ses Ge­richt da­zu er­mäch­ti­gen kann, ei­ne Par­tei als Ver­brau­cher ein­zu­stu­fen, die sich nicht auf die­se Ei­gen­schaft be­ru­fen hat.

[42]   Der Ge­richts­hof hat näm­lich auf der Grund­la­ge des Grund­sat­zes der Ef­fek­ti­vi­tät un­ge­ach­tet ent­ge­gen­ste­hen­der in­ner­staat­li­cher Rechts­vor­schrif­ten die An­for­de­rung ge­stellt, dass das na­tio­na­le Ge­richt von Amts we­gen be­stimm­te Vor­schrif­ten an­wen­det, die in Richt­li­ni­en der Uni­on auf dem Ge­biet des Ver­brau­cher­schut­zes ent­hal­ten sind. Die­se An­for­de­rung wur­de mit der Er­wä­gung ge­recht­fer­tigt, dass das durch die­se Richt­li­ni­en ge­schaf­fe­ne Schutz­sys­tem da­von aus­geht, dass sich der Ver­brau­cher ge­gen­über dem Ge­wer­be­trei­ben­den in ei­ner schwä­che­ren Ver­hand­lungs­po­si­ti­on be­fin­det und ei­nen ge­rin­ge­ren In­for­ma­ti­ons­stand be­sitzt und dass ei­ne nicht zu un­ter­schät­zen­de Ge­fahr be­steht, dass sich der Ver­brau­cher vor al­lem aus Un­kennt­nis nicht auf ei­ne sei­nem Schutz die­nen­de Rechts­norm be­ruft (vgl. in die­sem Sin­ne zur Richt­li­nie 93/13/EWG des Ra­tes vom 05.04.1993 über miss­bräuch­li­che Klau­seln in Ver­brau­cher­ver­trä­gen [ABl. 1993 L 95, 29]: EuGH, Urt. v. 26.10.2006 – C-168/05, EU:C:2006:675 Rn. 28 m. w. Nachw. – Mosta­za Cla­ro, so­wie zur Richt­li­nie 87/102/EWG des Ra­tes vom 22.12.1986 zur An­glei­chung der Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über den Ver­brau­cher­kre­dit [ABl. 1987 L 42, 48]: EuGH, Urt. v. 04.10.2007 – C-429/05, EU:C:2007:575 Rn. 65 – Ram­pi­on und Go­dard ).

[43]   Der Ge­richts­hof hat klar­ge­stellt, dass je­der Fall, in dem sich die Fra­ge stellt, ob ei­ne na­tio­na­le Ver­fah­rens­vor­schrift die An­wen­dung des Uni­ons­rechts un­mög­lich macht oder über­mä­ßig er­schwert, un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Stel­lung die­ser Vor­schrift im ge­sam­ten Ver­fah­ren, des Ver­fah­rens­ab­laufs und der Be­son­der­hei­ten des Ver­fah­rens vor den ver­schie­de­nen na­tio­na­len Stel­len zu prü­fen ist (vgl. ins­be­son­de­re EuGH, Urt. v. 10.09.2014 – C-34/13, EU:C:2014:2189 Rn. 52 m. w. Nachw. – Kušio­nová).

[44]   Je­doch hät­ten Ver­fah­rens­mo­da­li­tä­ten, durch die es – wie dies im Aus­gangs­ver­fah­ren der Fall sein könn­te – so­wohl dem erst­in­stanz­li­chen Ge­richt als auch dem Rechts­mit­tel­ge­richt, die mit ei­ner Ge­währ­leis­tungs­kla­ge im Rah­men ei­nes Kauf­ver­trags be­fasst sind, un­ter­sagt wür­de, auf der Grund­la­ge der tat­säch­li­chen und recht­li­chen Ge­sichts­punk­te, über die sie ver­fü­gen oder über die sie auf ein ein­fa­ches Aus­kunfts­er­su­chen hin ver­fü­gen kön­nen, das frag­li­che Ver­trags­ver­hält­nis als Ver­kauf an ei­nen Ver­brau­cher ein­zu­stu­fen, wenn sich die­ser nicht aus­drück­lich auf die­se Ei­gen­schaft be­ru­fen hat, zur Fol­ge, dass dem Ver­brau­cher die Pflicht auf­er­legt wür­de, selbst ei­ne voll­stän­di­ge recht­li­che Ein­ord­nung sei­ner La­ge vor­zu­neh­men, um nicht die Rech­te zu ver­lie­ren, die ihm der Uni­ons­ge­setz­ge­ber mit der Richt­li­nie 1999/44 ver­lei­hen woll­te. In ei­nem Be­reich, in dem sich Pri­vat­per­so­nen nach dem Ver­fah­rens­recht et­li­cher Mit­glied­staa­ten vor Ge­richt selbst ver­tre­ten dür­fen, be­stün­de ei­ne nicht zu un­ter­schät­zen­de Ge­fahr, dass der Ver­brau­cher vor al­lem aus Un­kennt­nis der­ar­ti­gen An­for­de­run­gen nicht ge­nü­gen könn­te.

[45]   Dar­aus folgt, dass Ver­fah­rens­mo­da­li­tä­ten wie die in der vor­ste­hen­den Rand­num­mer be­schrie­be­nen nicht mit dem Grund­satz der Ef­fek­ti­vi­tät in Ein­klang stün­den, da sie ge­eig­net wä­ren, für auf Ver­trags­wid­rig­kei­ten ge­stütz­te Ge­währ­leis­tungs­kla­gen, an de­nen Ver­brau­cher be­tei­ligt sind, die An­wen­dung des Schut­zes, den die Richt­li­nie 1999/44 die­sen ein­räu­men soll, über­mä­ßig zu er­schwe­ren.

[46]   Der Grund­satz der Ef­fek­ti­vi­tät ver­langt viel­mehr, dass in ei­nem Rechts­streit über ei­nen Ver­trag, der mög­li­cher­wei­se in den Gel­tungs­be­reich die­ser Richt­li­nie fällt, das mit dem Rechts­streit be­fass­te na­tio­na­le Ge­richt, so­fern es über die da­für nö­ti­gen recht­li­chen und tat­säch­li­chen An­halts­punk­te ver­fügt oder dar­über auf ein ein­fa­ches Aus­kunfts­er­su­chen hin ver­fü­gen kann, die Fra­ge prüft, ob der Käu­fer als Ver­brau­cher ein­ge­stuft wer­den kann, selbst wenn er sich nicht aus­drück­lich auf die­se Ei­gen­schaft be­ru­fen hat.

[47]   Es ist hin­zu­zu­fü­gen, dass die Fra­ge, ob der Ver­brau­cher an­walt­lich ver­tre­ten wird oder nicht, an die­ser Schluss­fol­ge­rung nichts zu än­dern ver­mag, da die Aus­le­gung des Uni­ons­rechts so­wie die Trag­wei­te der Grund­sät­ze der Ef­fek­ti­vi­tät und der Äqui­va­lenz von den kon­kre­ten Um­stän­den je­des Ein­zel­falls un­ab­hän­gig sind (vgl. in die­sem Sin­ne EuGH, Urt. v. 04.10.2007 – C-429/05, EU:C:2007:575 Rn. 65 – Ram­pi­on und Go­dard ).

[48]   Im Licht der vor­ste­hen­den Er­wä­gun­gen ist auf die Fra­gen 1, 2, 3 und 7 zu ant­wor­ten, dass die Richt­li­nie 1999/44 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass in ei­nem Rechts­streit über ei­nen Ver­trag, der mög­li­cher­wei­se in den Gel­tungs­be­reich die­ser Richt­li­nie fällt, das mit dem Rechts­streit be­fass­te na­tio­na­le Ge­richt, so­fern es über die da­für nö­ti­gen recht­li­chen und tat­säch­li­chen An­halts­punk­te ver­fügt oder dar­über auf ein ein­fa­ches Aus­kunfts­er­su­chen hin ver­fü­gen kann, die Fra­ge zu prü­fen hat, ob der Käu­fer als Ver­brau­cher ein­ge­stuft wer­den kann, selbst wenn er sich nicht aus­drück­lich auf die­se Ei­gen­schaft be­ru­fen hat.

Zur vier­ten Fra­ge

[49]   Mit die­ser Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob Art. 5 der Richt­li­nie 1999/44 als ei­ne Norm be­trach­tet wer­den kann, die ei­ner Be­stim­mung zwin­gen­den Rechts im Sin­ne sei­nes in­ner­staat­li­chen Rechts gleich­wer­tig ist, das heißt als ei­ne Norm, die das na­tio­na­le Ge­richt im Rah­men ei­nes Rechts­mit­tel­ver­fah­rens von Amts we­gen prü­fen kann.

[50]   Aus der Vor­la­ge­ent­schei­dung geht her­vor, dass die­se Fra­ge kon­kret auf Art. 5 III die­ser Richt­li­nie ab­zielt, wo­nach bis zum Be­weis des Ge­gen­teils grund­sätz­lich ver­mu­tet wird, dass Ver­trags­wid­rig­kei­ten, die bin­nen sechs Mo­na­ten nach der Lie­fe­rung des Gu­tes of­fen­bar wer­den, be­reits zum Zeit­punkt der Lie­fe­rung be­stan­den.

[51]   Es ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Fra­ge des vor­le­gen­den Ge­richts nur er­heb­lich sein kann, wenn das na­tio­na­le Ge­richt fest­ge­stellt hat, dass der be­tref­fen­de Ver­trag in den sach­li­chen Gel­tungs­be­reich der Richt­li­nie 1999/44 fällt, was ins­be­son­de­re vor­aus­setzt, dass die­ser Ver­trag mit ei­nem Ver­brau­cher ge­schlos­sen wur­de.

[52]   In dem Haf­tungs­sys­tem, dass durch die Richt­li­nie 1999/44 ge­schaf­fen wur­de, be­grün­det de­ren Art. 2 II ei­ne wi­der­leg­ba­re Ver­mu­tung der Ver­trags­mä­ßig­keit, wäh­rend ihr Art. 3 I klar­stellt, dass der Ver­käu­fer für je­de Ver­trags­wid­rig­keit haf­tet, die zum Zeit­punkt der Lie­fe­rung des Ver­brauchs­guts be­steht. Aus der kom­bi­nier­ten An­wen­dung die­ser Be­stim­mun­gen folgt, dass es grund­sätz­lich dem Ver­brau­cher ob­liegt, den Be­weis zu er­brin­gen, dass ei­ne Ver­trags­wid­rig­keit vor­liegt und dass die­se be­reits zum Zeit­punkt der Lie­fe­rung des Gu­tes be­stand.

[53]   Art. 5 III der Richt­li­nie 1999/44 nor­miert ei­ne Ab­wei­chung von die­sem Grund­satz für den Fall, dass die Ver­trags­wid­rig­keit bin­nen sechs Mo­na­ten nach der Lie­fe­rung des Gu­tes of­fen­bar wird. In die­sem Fall wird ver­mu­tet, dass die Ver­trags­wid­rig­keit schon zum Zeit­punkt der Lie­fe­rung be­stand.

[54]   Die­se Be­weis­las­ter­leich­te­rung zu­guns­ten des Ver­brau­chers be­ruht auf der Fest­stel­lung, dass sich in Fäl­len, in de­nen die Ver­trags­wid­rig­keit erst nach dem Zeit­punkt der Lie­fe­rung des Gu­tes of­fen­bar wird, die Er­brin­gung des Be­wei­ses, dass die­se Ver­trags­wid­rig­keit be­reits zu die­sem Zeit­punkt be­stand, als „ei­ne für den Ver­brau­cher un­über­wind­ba­re Schwie­rig­keit“ er­wei­sen kann, wäh­rend es in der Re­gel für den Ge­wer­be­trei­ben­den viel leich­ter ist, zu be­wei­sen, dass die Ver­trags­wid­rig­keit nicht zum Zeit­punkt der Lie­fe­rung be­stand und dass sie bei­spiels­wei­se auf un­sach­ge­mä­ßen Ge­brauch durch den Ver­brau­cher zu­rück­zu­füh­ren ist (vgl. die Be­grün­dung des Vor­schlags für ei­ne Richt­li­nie des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über den Ver­brauchs­gü­ter­kauf und -ga­ran­ti­en, KOM[95]520 endg., S. 14).

[55]   Die Ver­tei­lung der Be­weis­last, die Art. 5 III der Richt­li­nie 1999/44 vor­nimmt, ist ge­mäß Art. 7 die­ser Richt­li­nie so­wohl für die Par­tei­en, die da­von nicht durch ei­ne Ver­ein­ba­rung ab­wei­chen dür­fen, als auch für die Mit­glied­staa­ten, die auf ih­re Ein­hal­tung ach­ten müs­sen, un­ab­ding­bar. Dar­aus er­gibt sich, dass die­se Be­weis­last­re­gel auch dann an­zu­wen­den ist, wenn sich der Ver­brau­cher, dem sie zu­gu­te­kom­men kann, nicht aus­drück­lich auf sie be­ru­fen hat.

[56]   In An­be­tracht von Na­tur und Be­deu­tung des öf­fent­li­chen In­ter­es­ses, auf dem der Schutz be­ruht, den Art. 5 III der Richt­li­nie 1999/44 für den Ver­brau­cher si­cher­stellt, ist die­se Be­stim­mung als ei­ne Norm zu be­trach­ten, die den na­tio­na­len Be­stim­mun­gen, die im in­ner­staat­li­chen Recht zwin­gend sind, gleich­wer­tig ist. Dar­aus folgt, dass das na­tio­na­le Ge­richt, so­fern es im Rah­men sei­nes na­tio­na­len Rechts­pfle­ge­sys­tems über die Mög­lich­keit ver­fügt, ei­ne sol­che Norm von Amts we­gen an­zu­wen­den, von Amts we­gen je­de Be­stim­mung sei­nes in­ner­staat­li­chen Rechts an­wen­den muss, die die­sen Art. 5 III um­setzt (vgl. in die­sem Sin­ne EuGH, Urt. v. 06.10.2009 – C-40/08, EU:C:2009:615 Rn. 52–54 m. w. Nachw. – As­tur­com Tel­e­co­mu­ni­ca­cio­nes).

[57]   Da­her ist auf die vier­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 5 III der Richt­li­nie 1999/44 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er als ei­ne Norm an­zu­se­hen ist, die ei­ner na­tio­na­len Be­stim­mung, die im in­ner­staat­li­chen Recht zwin­gend ist, gleich­wer­tig ist, und dass das na­tio­na­le Ge­richt von Amts we­gen je­de Be­stim­mung sei­nes in­ner­staat­li­chen Rechts an­wen­den muss, die sei­ne Um­set­zung in in­ner­staat­li­ches Recht si­cher­stellt.

Zur fünf­ten Fra­ge

[58]   Mit die­ser Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob der Grund­satz der Ef­fek­ti­vi­tät ei­ner na­tio­na­len Be­stim­mung ent­ge­gen­steht, nach der der Ver­brau­cher nach­zu­wei­sen hat, dass er den Ver­käu­fer recht­zei­tig über die Ver­trags­wid­rig­keit un­ter­rich­tet hat.

[59]   Aus der Vor­la­ge­ent­schei­dung geht her­vor, dass der nie­der­län­di­sche Ge­setz­ge­ber ei­ne sol­che Pflicht in Art. 7:23 BW vor­sieht und es nach der Recht­spre­chung des Ho­ge Raad dem Käu­fer bei Be­strei­ten des Ver­käu­fers ob­liegt, den Be­weis zu er­brin­gen, dass er die­sen über die Ver­trags­wid­rig­keit des ge­lie­fer­ten Gu­tes un­ter­rich­tet hat. Fer­ner lässt sich den An­ga­ben des vor­le­gen­den Ge­richts ent­neh­men, dass nach der vom nie­der­län­di­schen Ge­setz­ge­ber er­las­se­nen Re­ge­lung die­se Un­ter­rich­tung als recht­zei­tig er­folgt gilt, wenn sie bin­nen zwei Mo­na­ten nach der Fest­stel­lung der Ver­trags­wid­rig­keit er­folgt ist. Au­ßer­dem ist nach der Recht­spre­chung des Ho­ge Raad die Be­ant­wor­tung der Fra­ge, ob ei­ne nach dem Ab­lauf die­ser Frist er­folg­te Un­ter­rich­tung noch als recht­zei­tig an­ge­se­hen wer­den kann, von den Um­stän­den je­des Ein­zel­falls ab­hän­gig.

[60]   Ge­mäß Art. 5 II der Richt­li­nie 1999/44 dür­fen die Mit­glied­staa­ten vor­se­hen, dass der Ver­brau­cher zur In­an­spruch­nah­me sei­ner Rech­te den Ver­käu­fer über die Ver­trags­wid­rig­keit bin­nen zwei Mo­na­ten nach dem Zeit­punkt, zu dem er die Ver­trags­wid­rig­keit fest­ge­stellt hat, un­ter­rich­ten muss.

[61]   Nach den Vor­ar­bei­ten für die Richt­li­nie trägt die­se Mög­lich­keit dem An­lie­gen Rech­nung, die Rechts­si­cher­heit zu stär­ken, in­dem der Käu­fer zu ei­ner „ge­wis­sen Sorg­falt un­ter Be­rück­sich­ti­gung der In­ter­es­sen des Ver­käu­fers“ ge­zwun­gen wird, „oh­ne dass da­mit dem Ver­brau­cher ei­ne zwin­gen­de Ver­pflich­tung auf­er­legt wür­de, die be­tref­fen­de Sa­che ge­nau­es­tens zu prü­fen“ (vgl. die Be­grün­dung des Vor­schlags für ei­ne Richt­li­nie, KOM[95]520 endg., S. 16).

[62]   Wie sich aus dem Wort­laut von Art. 5 II der Richt­li­nie 1999/44 im Licht des 19. Er­wä­gungs­grun­des die­ser Richt­li­nie und aus dem mit die­ser Be­stim­mung ver­folg­ten Zweck er­gibt, kann die dem Ver­brau­cher da­mit auf­er­leg­te Pflicht nicht über die Ob­lie­gen­heit hin­aus­ge­hen, den Ver­käu­fer über das Vor­lie­gen ei­ner Ver­trags­wid­rig­keit zu un­ter­rich­ten.

[63]   Was den In­halt die­ser Mit­tei­lung an­be­langt, kann der Ver­brau­cher in die­sem Sta­di­um nicht ver­pflich­tet sein, den Be­weis zu er­brin­gen, dass ei­ne Ver­trags­wid­rig­keit das von ihm er­wor­be­ne Gut tat­säch­lich be­ein­träch­tigt. Un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Un­ter­le­gen­heit, in der er sich hin­sicht­lich des Kennt­nis­stands über die Ei­gen­schaf­ten die­ses Gu­tes und des­sen Zu­stand im Zeit­punkt des Ver­kaufs ge­gen­über dem Ver­käu­fer be­fin­det, kann der Ver­brau­cher auch nicht ver­pflich­tet sein, den ge­nau­en Grund für die­se Ver­trags­wid­rig­keit an­zu­ge­ben. Da­mit die Mit­tei­lung für den Ver­käu­fer von Nut­zen sein kann, muss sie hin­ge­gen ei­ne Rei­he von An­ga­ben ent­hal­ten, de­ren Ge­nau­ig­keits­grad zwangs­läu­fig je nach den Um­stän­den des Ein­zel­falls, die sich auf die Art des frag­li­chen Gu­tes, den In­halt des Kauf­ver­trags und das kon­kre­te Auf­tre­ten der be­haup­te­ten Ver­trags­wid­rig­keit be­zie­hen, un­ter­schied­lich sein wird.

[64]   Was den Nach­weis an­geht, dass die Un­ter­rich­tung des Ver­käu­fers tat­säch­lich er­folgt ist, so un­ter­liegt er grund­sätz­lich den na­tio­na­len Be­stim­mun­gen in die­sem Be­reich, die je­doch den Grund­satz der Ef­fek­ti­vi­tät be­ach­ten müs­sen. Dar­aus folgt, dass ein Mit­glied­staat kei­ne An­for­de­run­gen vor­se­hen darf, die ge­eig­net wä­ren, die Aus­übung der Rech­te aus der Richt­li­nie 1999/44 durch den Ver­brau­cher un­mög­lich zu ma­chen oder über­mä­ßig zu er­schwe­ren.

[65]   Da­her ist auf die fünf­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 5 II der Richt­li­nie 1999/44 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er nicht ei­ner na­tio­na­len Be­stim­mung ent­ge­gen­steht, nach der der Ver­brau­cher für die In­an­spruch­nah­me sei­ner Rech­te aus die­ser Richt­li­nie den Ver­käu­fer recht­zei­tig über die Ver­trags­wid­rig­keit un­ter­rich­ten muss, vor­aus­ge­setzt, dass der Ver­brau­cher für die­se Un­ter­rich­tung über ei­ne Frist von nicht we­ni­ger als zwei Mo­na­ten ab dem Zeit­punkt sei­ner Fest­stel­lung der Ver­trags­wid­rig­keit ver­fügt, dass sich die­se Un­ter­rich­tung nur auf das Vor­lie­gen die­ser Ver­trags­wid­rig­keit er­stre­cken muss und dass sie nicht Be­weis­re­geln un­ter­liegt, die dem Ver­brau­cher die Aus­übung sei­ner Rech­te un­mög­lich ma­chen oder die­se über­mä­ßig er­schwe­ren.

Zur sechs­ten Fra­ge

[66]   Mit die­ser Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, wie die in Art. 5 III der Richt­li­nie 1999/44 vor­ge­nom­me­ne Be­weis­last­ver­tei­lung funk­tio­niert, und ins­be­son­de­re, wel­ches die Um­stän­de sind, die der Ver­brau­cher be­wei­sen muss.

[67]      Wie in Rand­num­mer 53 die­ses Ur­teils fest­ge­stellt wor­den ist, nor­miert die­se Be­stim­mung ei­ne Ab­wei­chung von dem Grund­satz, wo­nach es dem Ver­brau­cher ob­liegt, die in Art. 5 II die­ser Richt­li­nie fest­ge­leg­te Ver­mu­tung der Ver­trags­mä­ßig­keit des ver­kauf­ten Gu­tes zu wi­der­le­gen und den Be­weis der von ihm be­haup­te­ten Ver­trags­wid­rig­keit zu er­brin­gen.

[68]   Falls die Ver­trags­wid­rig­keit bin­nen sechs Mo­na­ten nach der Lie­fe­rung des Gu­tes of­fen­bar wird, er­leich­tert Art. 5 III der Richt­li­nie 1999/44 die dem Ver­brau­cher ob­lie­gen­de Be­weis­last, in­dem er für die­sen Fall die Ver­mu­tung auf­stellt, dass die Ver­trags­wid­rig­keit be­reits zum Zeit­punkt der Lie­fe­rung be­stand.

[69]   Um die­se Be­wei­ser­leich­te­rung in An­spruch neh­men zu kön­nen, muss der Ver­brau­cher je­doch das Vor­lie­gen be­stimm­ter Tat­sa­chen nach­wei­sen.

[70]   Ers­tens muss der Ver­brau­cher vor­tra­gen und den Be­weis er­brin­gen, dass das ver­kauf­te Gut nicht ver­trags­ge­mäß ist, da es zum Bei­spiel nicht die im Kauf­ver­trag ver­ein­bar­ten Ei­gen­schaf­ten auf­weist oder sich nicht für den Ge­brauch eig­net, der von ei­nem der­ar­ti­gen Gut ge­wöhn­lich er­war­tet wird. Der Ver­brau­cher muss nur das Vor­lie­gen der Ver­trags­wid­rig­keit be­wei­sen. Er muss we­der den Grund für die Ver­trags­wid­rig­keit noch den Um­stand be­wei­sen, dass sie dem Ver­käu­fer zu­zu­rech­nen ist.

[71]   Zwei­tens muss der Ver­brau­cher be­wei­sen, dass die in Re­de ste­hen­de Ver­trags­wid­rig­keit bin­nen sechs Mo­na­ten nach der Lie­fe­rung des Gu­tes of­fen­bar ge­wor­den ist, al­so sich ihr Vor­lie­gen tat­säch­lich her­aus­ge­stellt hat.

[72]   Wenn die­se Tat­sa­chen nach­ge­wie­sen sind, ist der Ver­brau­cher vom Nach­weis be­freit, dass die Ver­trags­wid­rig­keit be­reits zum Zeit­punkt der Lie­fe­rung des Gu­tes be­stand. Das Auf­tre­ten die­ser Ver­trags­wid­rig­keit in dem kur­zen Zeit­raum von sechs Mo­na­ten er­laubt die Ver­mu­tung, dass sie zum Zeit­punkt der Lie­fe­rung „zu­min­dest im An­satz“ be­reits vor­lag, auch wenn sie sich erst nach der Lie­fe­rung des Gu­tes her­aus­ge­stellt hat (vgl. die Be­grün­dung des Vor­schlags für ei­ne Richt­li­nie, KOM[95]520 endg., S. 14).

[73]   Es ist dann al­so Sa­che des Ge­wer­be­trei­ben­den, ge­ge­be­nen­falls den Be­weis zu er­brin­gen, dass die Ver­trags­wid­rig­keit zum Zeit­punkt der Lie­fe­rung des Gu­tes noch nicht vor­lag, in­dem er dar­tut, dass sie ih­ren Grund oder Ur­sprung in ei­nem Han­deln oder Un­ter­las­sen nach die­ser Lie­fe­rung hat.

[74]   Falls es dem Ver­käu­fer nicht ge­lingt, recht­lich hin­rei­chend nach­zu­wei­sen, dass der Grund oder Ur­sprung der Ver­trags­wid­rig­keit in ei­nem Um­stand liegt, der erst nach der Lie­fe­rung des Gu­tes ein­ge­tre­ten ist, er­laubt die in Art. 5 III der Richt­li­nie 1999/44 auf­ge­stell­te Ver­mu­tung dem Ver­brau­cher, sei­ne Rech­te aus der Richt­li­nie gel­tend zu ma­chen.

[75]   Da­her ist auf die sechs­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 5 III der Richt­li­nie 1999/44 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass die Re­gel, wo­nach ver­mu­tet wird, dass die Ver­trags­wid­rig­keit be­reits zum Zeit­punkt der Lie­fe­rung des Gu­tes be­stand,

— zur An­wen­dung ge­langt, wenn der Ver­brau­cher den Be­weis er­bringt, dass das ver­kauf­te Gut nicht ver­trags­ge­mäß ist und dass die frag­li­che Ver­trags­wid­rig­keit bin­nen sechs Mo­na­ten nach der Lie­fe­rung des Gu­tes of­fen­bar ge­wor­den ist, das heißt sich ihr Vor­lie­gen tat­säch­lich her­aus­ge­stellt hat. Der Ver­brau­cher muss we­der den Grund der Ver­trags­wid­rig­keit noch den Um­stand be­wei­sen, dass de­ren Ur­sprung dem Ver­käu­fer zu­zu­rech­nen ist;

— von der An­wen­dung nur da­durch aus­ge­schlos­sen wer­den kann, dass der Ver­käu­fer recht­lich hin­rei­chend nach­weist, dass der Grund oder Ur­sprung der Ver­trags­wid­rig­keit in ei­nem Um­stand liegt, der nach der Lie­fe­rung des Gu­tes ein­ge­tre­ten ist …

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