1. Eine Beschaffenheitsvereinbarung i. S. des § 434 I 1 BGB liegt bereits dann vor, wenn der Verkäufer die Eigenschaften des Kaufgegenstandes in einem (Internet-)Inserat in einer bestimmten Weise beschreibt und der Käufer vor diesem Hintergrund seine Kaufentscheidung trifft.
  2. Der Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung indiziert in der Regel die Erheblichkeit der Pflichtverletzung i. S. des § 323 V 2 BGB (im Anschluss an BGH, Urt. v. 06.02.2013 – VIII ZR 374/11, MDR 2013, 400).
  3. Ein Verkäufer, der ohne Einschränkung angibt, bei einem zum Verkauf stehenden Gebrauchtwagen seien der Zahnriemen, die Wasserpumpe, die Stoßdämpfer und die Bremsbeläge „neu“, handelt arglistig, wenn er einen Dritten damit beauftragt hat, die genannten Teile durch (lediglich) neuwertige Teile zu ersetzen, und nicht einmal sicher sagen kann, dass dies geschehen ist.
  4. Eine arglistige Täuschung liegt auch vor, wenn der Verkäufer eines Gebrauchtwagens einen Mangel verschweigt, indem er wider besseres Wissen angibt, das Fahrzeug ziehe nur ganz leicht und unwesentlich nach links, während es in Wahrheit durch ständiges Gegenlenken daran gehindert werden muss, sich selbstständig auf einer nach links führenden Bogenbahn zu bewegen, und deshalb die erforderliche Fahrstabilität nicht gewährleistet ist.

LG Potsdam, Urteil vom 18.11.2014 – 12 O 189/13

Sachverhalt: Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufvertrages.

Er kaufte von dem Beklagten am 27.02.2013 unter Ausschluss der Sachmängelhaftung einen gebrauchten Renault Espace für 5.100 €. Dieses Fahrzeug hatte der Beklagte zuvor im Internet zum Kauf angeboten und dabei angegeben, es befinde sich in einem „TOP-Zustand“. Außerdem hieß es in dem Internetinserat: „ZAHNRIEMEN NEU – WASSERPUMPE NEU – BREMSBELÄGE NEU – STOSSDÄMPFER NEU“.

Nachdem der Kläger das Fahrzeug am 20.02.2013 besichtigt hatte und es erwerben wollte, überführte der Beklagte den Renault Espace am 27.02.2013 zum Wohnsitz des Klägers. Am selben Abend unterzeichnete der Kläger den Kaufvertrag, woraufhin ihm der Beklagte das Fahrzeug gegen Zahlung des vereinbarten Kaufpreises übereignete.

Bereits am nächsten Tag brachte die Ehefrau des Klägers das Fahrzeug in eine Werkstatt. Da deren Mitarbeiter Zweifel an der Verkehrstauglichkeit des Gebrauchtwagens äußerten, beauftragte der Kläger den Sachverständigen Dipl.-Ing. L mit der Erstattung eines Gutachtens, das am 13.03.2013 vorlag.

In dem Gutachten führte der Sachverständige aus, dass die Bremsscheiben deutlich ausgeprägte Verschleißkanten aufwiesen und die Bremsbeläge weniger bis stärker verschlissen seien und sich nicht als neuwertig darstellten. Weiter stellte er fest, dass Zahnriemen und Wasserpumpe nicht kürzlich erneuert worden sein könnten, da an den Verschraubungen der Zahnriemenabdeckung keinerlei Montagespuren vorhanden seien, wie sie unweigerlich im Zusammenhang mit einem kürzlich vorgenommenen Zahnriemenwechsel entstanden wären. Gleiches gelte für den Zustand der Wasserpumpe und der dazugehörigen Anschlüsse. Im Hinblick auf die Stoßdämpfer stellte der Gutachter fest, dass diese in keinem Fall neuwertig seien.

Weiter stellte der Sachverständige fest, dass der Geradeauslauf des Fahrzeugs stark beeinträchtigt sei und ständig Lenkkorrekturen erforderlich seien, weil sich das Fahrzeug andernfalls auf einer nach links führenden Bogenbahn bewege. Dies stelle einen technischen Mangel dar, der die erforderliche Fahrstabilität nicht mehr gewährleiste.

Mit Schreiben vom 18.03.2013 zeigte der Kläger dem Beklagten die Mängel an und forderte ihre Beseitigung bis zum 04.04.2013. Der Beklagte ließ durch seinen Anwalt sämtliche Ansprüche mit der Begründung zurückweisen, dass das das Fahrzeug unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung verkauft worden sei, und mitteilen, angesichts des Alters des Fahrzeuges könne der Kläger kein Neufahrzeug erwarten. Der Kläger erwiderte mit Schreiben vom 05.04.2013, dass der Gewährleistungsausschluss nicht zum Tragen komme, und setzte dem Beklagten eine Frist zur Nacherfüllung bis zum 15.04.2013. Nachdem diese Frist erfolglos abgelaufen war, erklärte der Kläger mit Schreiben vom 16.04.2013 den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Der Kläger meint, er sei wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten, weil der Beklagte ausdrücklich versichert habe, dass der Renault Espace in einem „TOP-Zustand“ sei und keinerlei Schäden habe. Das Fahrzeug würde lediglich ganz leicht nach links ziehen, was aber noch vor der Übergabe an den Kläger durch den Austausch zweier Reifen behoben werde. Auch habe der Beklagte beteuert, dass Zahnriemen, Wasserpumpe, Bremsbeläge und Stoßdämpfer erneuert worden seien; dies treffe aber nicht zu, und es sei ein Kostenaufwand von rund 1.000 € erforderlich, um das Fahrzeug in den versprochenen Zustand zu bringen.

Der Kläger hat unter anderem beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn – den Kläger – 6.617,60 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückübereignung des Renault Espace zu zahlen. Der geforderte Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

Kaufpreis 5.100,00 €
Sachverständigenkosten + 1.483,10 €
Um- und Abmeldekosten + 34,50 €
Gesamt 6.617,60 €

Das Gericht hat den Beklagten unter anderem zur Zahlung von 6.616,83 € nebst Zinsen verurteilt und antragsgemäß festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des Gebrauchtwagens in Verzug befinde.

Aus den Gründen: Der Kläger hat einen Anspruch im erkannten Umfang gemäß §§ 437 N. 2, 439, 440, 323 BGB.

Der Beklagte ist von dem Kläger unstreitig zur Nacherfüllung aufgefordert worden. Da er diese ebenso unstreitig verweigert hat, entfällt der Vorrang der Nacherfüllung. Auch die übrigen Voraussetzungen des Rücktritts liegen vor.

Das Fahrzeug ist mangelhaft. Eine Mangelhaftigkeit ist dann zu bejahen, wenn sich die Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit unterscheidet.

Wie sich aus dem Parteigutachten des Klägers, das als qualifizierter Parteivortrag zu werten war, ergibt, hatte das Fahrzeug folgenden Zustand: Die Bremsbeläge waren weniger bis stärker verschlissen und nicht als neuwertig zu qualifizieren. Der Zahnriemen und die Wasserpumpe waren nicht kürzlich erneuert worden, da an den Verschraubungen der Zahnriemenabdeckungen keinerlei Montagespuren vorhanden waren, wie sie unweigerlich im Zusammenhang mit einem kürzlich vorgenommenen Zahnriemenwechsel entstanden wären. Gleiches gilt für den Zustand der Wasserpumpe und der dazugehörigen Anschlüsse. Die Stoßdämpfer waren in keinem Fall neuwertig. Es waren Leckagen austretenden Öls festzustellen oder auch bereits deutlich fortgeschrittene Korrosionserscheinungen. Weiter war der Geradeauslauf des Fahrzeugs stark beeinträchtigt, was einen technischen Mangel darstellt, der die erforderliche Fahrstabilität nicht mehr gewährleistet.

Mit Rücksicht auf die Angaben in dem Internetangebot, in dem Zahnriemen, Wasserpumpe, Bremsbeläge und Stoßdämpfer als „neu“ beschrieben wurden – und damit bereits hierdurch eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen wurde wie bei technischen Angaben auf einem Verkaufsschild (BGH, Urt. v. 18.02.1981 – VIII ZR 72/80, NJW 1981, 1268) –, und weil darüber hinaus die … Kaufbelege über die vorgenannten Teile bei Abschluss des Kaufvertrages von dem Beklagten übergeben wurden, … haben die Parteien den in dem Angebot beschriebenen Zustand dieser Teile als Beschaffenheit des Fahrzeugs vereinbart.

Dieser Zustand entsprach nicht den tatsächlichen Gegebenheiten, wie sich aus dem Privatgutachten … ergibt.

Nach der Rechtsprechung des BGH darf ein Privatgutachten als qualifizierter Parteivortrag verwertet werden und kann eine eigene Beweisaufnahme des Gerichts entbehrlich machen, wenn die Beweisfrage allein schon aufgrund dieses substanziierten Parteivortrages zuverlässig beantwortet werden kann (BGH, Urt. v. 11.05.1993 – VI ZR 243/92, NJW 1993, 2382). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Die Ausführungen des Privatsachverständigen sind in jeder Hinsicht nachvollziehbar und überzeugend. Diesen Feststellungen wusste der Beklagte kein substanziiertes Vorbringen, das zu einer Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zwingen würde, entgegenzusetzen.

Der vereinbarte Haftungsausschluss greift nicht zugunsten des Beklagten ein, da er diese Mängel arglistig verschwiegen hat (§ 444 BGB).

Mag dem Beklagten auch von einem befreundeten Mechaniker, der den Einbau durchgeführt haben soll, mitgeteilt worden sein, dass es sich bei den Teilen nur um neuwertige Teile handele, so führt diese Einwendung nicht zum Erfolg. Nach dem Privatgutachten sind weder neue noch neuwertige Zahnriemen, Stoßdämpfer und Wasserpumpe eingebaut worden.

Selbst dann, wenn der Beklagte von einem Einbau ausgegangen ist, wie er vortragen lässt, fehlt es nicht an einem arglistigen Verschweigen des Mangels. Er selbst trägt vor, dass die Teile nicht ganz neu gewesen seien. Dennoch hat er die Beschaffenheit als „neu“ bezeichnet, was nicht zulässig war. In diesem Fall hätte es ihm oblegen, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass der Einbau durch einen Dritten erfolgt ist und dass es sich lediglich um neuwertige Teile handelt. Nur auf diese Weise wäre es dem Kläger ermöglicht worden, eine weitere Prüfung vor Abschluss des Kaufvertrages durchzuführen, ob der Zustand der eingebauten Teile einem Kauf nicht entgegensteht. Ohne diesen Zusatz erweckte der Beklagte bei dem Kläger die falsche Vorstellung, er stehe für den Zustand der Teile als „neu“ gerade, weshalb er sich im Nachgang nicht damit entlasten kann, er habe angenommen, der Freund habe die Teile auch eingebaut. Es liegt auf der Hand, dass im Falle eines entsprechenden Hinweises durch den Beklagten, er habe mit dem Einbau einen befreundeten Mechaniker beauftragt und er wisse nicht, ob dieser tatsächlich erfolgt sei, der Kläger den Kauf lebensnah nicht ohne weitere Untersuchung abgeschlossen hätte.

Darüber hinaus hat der Beklagte eine objektiv falsche Erklärung ohne tatsächliche Grundlage abgegeben, als er erklärt hat, das Fahrzeug ziehe nur ganz leicht und unwesentlich nach links, was dem Verschweigen eines Mangels gleichsteht und ebenfalls zur weiterbestehenden Haftung des Beklagten führt (vgl. BGH, Urt. v. 18.03.1981 – VIII ZR 44/80, NJW 1981, 1441).

Wie sich dem Privatgutachten nachvollziehbar und widerspruchsfrei entnehmen lässt, zog das Fahrzeug nicht lediglich ganz leicht nach links, sondern musste durch ständige Gegenbewegungen daran gehindert werden, sich selbstständig auf einer nach links führenden Bogenbahn zu bewegen, sodass die erforderliche Fahrstabilität nicht gewährleistet war. Dies war dem Beklagten, der das Fahrzeug seit längerer Zeit selbst gefahren war, auch bekannt. In einer unzulässigen und verharmlosenden Weise hat er wider besseres Wissen von einem zu vernachlässigenden Umstand gesprochen. Ein die erforderliche Fahrstabilität beeinträchtigender Mangel ist jedoch keine Bagatelle.

Es liegt auch keine unerhebliche Pflichtverletzung i. S. des § 323 V 2 BGB vor. Bei Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung – wie hier auch – indiziert der Verstoß hiergegen die Erheblichkeit der Pflichtverletzung (BGH, Urt. v. 06.02.2013 – VIII ZR 374/11, MDR 2013, 400). Darüber hinaus betragen die zu erwartenden Reparaturkosten mindestens 5 % des Kaufpreises, was für die Annahme einer erheblichen Pflichtverletzung ausreicht.

Von der Klageforderung waren 0,77 € wegen erlangter Gebrauchsvorteile abzusetzen.

Bei der Berechnung der Gebrauchsvorteile ist in der Regel davon auszugehen, dass der Wert einer Sache durch die Dauer ihrer Nutzbarkeit bis zum Eintritt der Gebrauchsuntauglichkeit bestimmt wird. Maßgeblich ist mithin der „Wertverzehr“. Ausgangspunkt der Berechnung ist der im Kaufpreis verkörperte objektive Wert der Sache. Praktisch gehandhabt wird das bei Kraftfahrzeugen im Regelfall mit der anerkannten Formel für die zeitanteilige lineare Wertminderung

$$({\frac{\text{Kaufpreis}\times\text{zurückgelegte Kilometer}}{\text{erwartbare Restlaufleistung}}})$$

Da der Beklagte dem Vortrag des Klägers, er sei 30 km gefahren nicht wesentlich entgegengetreten ist und sich diese Angaben auch mit dem im Privatsachverständigengutachten genannten Kilometerstand (130.021 km) in Übereinstimmung bringen lassen, war der Gebrauchsvorteil, den der Kläger zu erstatten hat wie folgt zu berechnen:

$${\frac{\text{5.100 €}\times\text{30 km}}{\text{200.000 km}}} = \text{0,77 €} $$

wobei das Gericht gemäß § 287 ZPO die erwartbare Restlaufleistung geschätzt hat.

Nachdem der Beklagte unstreitig die Rücknahme des Fahrzeuges nach dem erklärten Rücktritt verweigert hat, war auch die Feststellung des Annahmeverzugs auszusprechen …

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