Ei­ne be­weg­li­che Sa­che kommt dem mit­be­sit­zen­den Ei­gen­tü­mer nicht i. S. von § 935 I BGB ab­han­den, wenn er selbst den un­mit­tel­ba­ren Be­sitz oh­ne Wil­len des ei­gen­tums­lo­sen Mit­be­sit­zers frei­wil­lig auf­gibt.

BGH, Ur­teil vom 13.12.2013 – V ZR 58/13

Sach­ver­halt: Der Klä­ger, ein Arzt, kauf­te mit Ver­trag vom 25.11.2010 ei­nen neu­en Pkw der Mar­ke BMW für 46.490,80 €. Das Fahr­zeug wur­de ihm am 24.01.2011 über­ge­ben. Zu die­sem Zeit­punkt be­fand er sich in wirt­schaft­li­chen Schwie­rig­kei­ten. Ei­ner sei­ner Pa­ti­en­ten, Herr G, er­klär­te sich be­reit, dem Klä­ger ge­gen Stel­lung des BMW als Si­cher­heit ein Dar­le­hen zu ver­schaf­fen, mit dem die üb­ri­gen Gläu­bi­ger aus­ge­zahlt wer­den könn­ten. Der Klä­ger traf sich am 30.01.2011 mit Herrn G in ei­nem Ho­tel und un­ter­zeich­ne­te ei­ne Ver­ein­ba­rung mit ei­ner W-Treu­hand AG, de­ren Ver­wal­tungs­rats­prä­si­dent Herr G war, der zu­fol­ge er der AG sei­nen BMW über­eig­ne­te. Tags dar­auf rief Herr G den Klä­ger an und teil­te ihm mit, in et­wa 15 Mi­nu­ten wer­de ein Herr F bei ihm in der Pra­xis er­schei­nen und den BMW ab­ho­len. Als Herr F er­schien, über­gab der Klä­ger ihm den BMW nebst ei­nem der Fahr­zeug­schlüs­sel und bei­den Tei­len der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung (fort­an Fahr­zeug­brief bzw. Fahr­zeug­schein). Er be­hielt ei­nen wei­te­ren Fahr­zeug­schlüs­sel, das Ori­gi­nal­bord­buch und das Ser­vice­scheck­heft, fer­tig­te ei­ne Ko­pie des Per­so­nal­aus­wei­ses von Herrn F und ließ sich von die­sem die Über­ga­be und den Ki­lo­me­ter­stand des BMW be­stä­ti­gen. Am 22.02.2011 wur­de der BMW in N. ab­ge­mel­det. Der Klä­ger er­hielt ihn nicht zu­rück.

Am 07.04.2011 kauf­te die Be­klag­te das Fahr­zeug, des­sen Lauf­leis­tung mit 1.960 km an­ge­ge­ben war, un­ter In­zah­lung­ga­be ih­res al­ten BMW für 42.500 € von ei­nem Au­to­händ­ler. Sie be­zahl­te in bar und er­hielt ei­nen Fahr­zeug­schlüs­sel und die Ori­gi­nal­pa­pie­re, in de­nen nicht der Ver­käu­fer, son­dern der Klä­ger als Hal­ter aus­ge­wie­sen war, so­wie auf Nach­fra­ge den Hin­weis, die Pa­pie­re zu dem BMW be­fän­den sich im Hand­schuh­fach. Der BMW wur­de am fol­gen­den Tag auf die Be­klag­te zu­ge­las­sen. Den zwei­ten Schlüs­sel, das Bord­buch und das Scheck­heft, die sich nicht im Fahr­zeug be­fan­den, sand­te der Ver­käu­fer der Be­klag­ten we­ni­ge Ta­ge spä­ter zu.

Das Land­ge­richt hat die auf Her­aus­ga­be des BMW und Zah­lung ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung ge­rich­te­te Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Ober­lan­des­ge­richt hat die Be­ru­fung des Klä­gers zu­rück­ge­wie­sen und die Re­vi­si­on zu­ge­las­sen. Die­se hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: [4]    I. Nach An­sicht des Be­ru­fungs­ge­richts … schei­tern die gel­tend ge­mach­ten An­sprü­che dar­an, dass die Be­klag­te gut­gläu­big Ei­gen­tum an dem BMW er­wor­ben hat. Das Land­ge­richt ha­be zu­tref­fend fest­ge­stellt, dass die Be­klag­te bei dem Er­werb des BMW gut­gläu­big ge­we­sen sei. Sie ha­be we­der auf­grund der Ant­wort des Ver­käu­fers auf ih­re Fra­ge nach dem Bord­buch und dem Ser­vice­scheck­heft noch auf­grund der Um­stän­de des Ver­kaufs miss­trau­isch wer­den müs­sen. Die Her­ab­set­zung des Kauf­prei­ses von rund 46.000 € auf 42.000 € sei an­ge­sichts der Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs an­ge­mes­sen ge­we­sen. Dass der Ver­käu­fer als Au­to­händ­ler nicht als Hal­ter ei­nes Fahr­zeugs in den Zu­las­sungs­pa­pie­ren auf­ge­führt sei, sei nicht un­ge­wöhn­lich, da die Vor­ein­tra­gung auf­wen­dig sei und die Ein­tra­gung zu­sätz­li­cher frü­he­rer Hal­ter zu Wert­ver­lus­ten füh­re. Vor al­lem ha­be er die Ori­gi­nal­zu­las­sungs­pa­pie­re über­ge­ben. Ein gut­gläu­bi­ger Er­werb des Ei­gen­tums an dem BMW durch die Be­klag­te schei­te­re auch nicht dar­an, dass der BMW dem Klä­ger ab­han­den­ge­kom­men wä­re. Ein Ab­han­den­kom­men in­fol­ge ei­ner Un­ter­schla­gung des Fahr­zeugs durch Herrn F set­ze vor­aus, dass die­ser Be­sitz­die­ner des Klä­gers ge­we­sen sei. Das sei aber nicht der Fall. Nach den ei­ge­nen Ein­las­sun­gen des Klä­gers ha­be Herr F nicht in ei­nem so­zia­len Ab­hän­gig­keits­ver­hält­nis zu dem Klä­ger ge­stan­den. Ein Ab­han­den­kom­men des BMW fol­ge auch nicht dar­aus, dass die Ehe­frau des Klä­gers, die Zeu­gin M, Mit­be­sitz an dem BMW ge­habt ha­be. Die frei­wil­li­ge Weg­ga­be ei­ner Sa­che durch de­ren Al­lein­ei­gen­tü­mer schlie­ße ein Ab­han­den­kom­men im Hin­blick auf ei­nen wei­te­ren Mit­be­sit­zer aus.

[5]    II. Die­se Er­wä­gun­gen tref­fen zu. Das Rechts­mit­tel ist un­be­grün­det.

[6]    1. Der Klä­ger kann von der Be­klag­ten we­der Her­aus­ga­be des BMW noch Her­aus­ga­be der Nut­zun­gen des Fahr­zeugs ver­lan­gen. Als Grund­la­ge sol­cher An­sprü­che kom­men nur § 985 BGB (Her­aus­ga­be des BMW) und §§ 990 I 1, 987 I BGB (Her­aus­ga­be der Nut­zun­gen) in Be­tracht. Die­se An­sprü­che ste­hen dem Klä­ger nur zu, wenn er Ei­gen­tü­mer des BMW ge­blie­ben ist. Die­se Vor­aus­set­zung hat das Be­ru­fungs­ge­richt zu­tref­fend ver­neint. Die Be­klag­te hat gut­gläu­big Ei­gen­tum an dem BMW er­wor­ben.

[7]    2. Ein gut­gläu­bi­ger Er­werb des Ei­gen­tums an dem BMW durch die Be­klag­te setzt nach §§ 932 I 1, 929 Satz 1 BGB vor­aus, dass die­se sich mit dem Ver­käu­fer über den Über­gang des Ei­gen­tums an dem Fahr­zeug ge­ei­nigt, der Ver­käu­fer ihr den un­mit­tel­ba­ren Be­sitz an dem Fahr­zeug ver­schafft hat, und dass die Be­klag­te bei Voll­endung des Ei­gen­tums­er­werbs gut­gläu­big war. Das war sie nach § 932 II BGB, wenn sie zu die­sem Zeit­punkt we­der wuss­te noch in­fol­ge gro­ber Fahr­läs­sig­keit nicht wuss­te, dass der BMW nicht dem Ver­käu­fer, son­dern ei­nem Drit­ten ge­hör­te. Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind nach den Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts ge­ge­ben. Die Be­klag­te hat sich da­nach mit dem Ver­käu­fer dar­über ge­ei­nigt, dass sie (Zug um Zug ge­gen die ge­leis­te­te Bar­zah­lung des Kauf­prei­ses und die In­zah­lung­ga­be ih­res al­ten Fahr­zeugs) das Ei­gen­tum an dem BMW er­hielt. Der Ver­käu­fer hat ihr den BMW über­ge­ben. Sie wuss­te nach den Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts zu die­sem Zeit­punkt nicht, dass der Ver­käu­fer nicht Ei­gen­tü­mer des BMW war und hat­te auch kei­nen hin­rei­chen­den An­lass, an des­sen Ei­gen­tum zu zwei­feln. Die­se tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen sind re­vi­si­ons­recht­lich nur ein­ge­schränkt über­prüf­bar und in die­sem Rah­men nicht zu be­an­stan­den. Sie wer­den von dem Klä­ger mit der Re­vi­si­on auch nicht an­ge­grif­fen.

[8]    3. Ent­ge­gen der An­sicht des Klä­gers schei­tert der gut­gläu­bi­ge Er­werb des Ei­gen­tums an dem BMW durch die Be­klag­te auch nicht an der Vor­schrift des § 935 I BGB. Da­nach schei­det der gut­gläu­bi­ge Er­werb des Ei­gen­tums an ei­ner be­weg­li­chen Sa­che trotz der Gut­gläu­big­keit des Er­wer­bers aus, wenn die Sa­che dem Ei­gen­tü­mer ge­stoh­len wor­den, ver­lo­ren ge­gan­gen oder sonst ab­han­den­ge­kom­men war. Ei­ne be­weg­li­che Sa­che kommt ih­rem Ei­gen­tü­mer ab­han­den, wenn die­ser den Be­sitz an ihr un­frei­wil­lig ver­liert (BGH, Urt. v. 15.11.1951 – III ZR 21/51, BGHZ 4, 10 [33]; Urt. v. 16.04.1969 – VI­II ZR 64/67, WM 1969, 656 [657]; RGZ 101, 224 [225]; MünchKomm-BGB/Oechs­ler, 6. Aufl., § 935 Rn. 2; Stau­din­ger/Wie­gand, BGB, Neu­be­arb. 2011, § 935 Rn. 4). Der Klä­ger hat den Be­sitz an dem BMW nicht in die­sem Sin­ne un­frei­wil­lig ver­lo­ren.

[9]    a) Ein un­frei­wil­li­ger Be­sitz­ver­lust kann un­ter al­ler­dings im Ein­zel­nen strei­ti­gen Be­din­gun­gen ein­tre­ten, wenn der Ei­gen­tü­mer den Be­sitz an der Sa­che nach Maß­ga­be von § 855 BGB durch ei­nen Be­sitz­die­ner aus­übt und die­ser die Sa­che oh­ne den Wil­len des Ei­gen­tü­mers ei­nem Drit­ten über­lässt (RGZ 71, 248 [253]; OLG Köln, Beschl. v. 18.04.2005 – 19 U 10/05, MDR 2006, 90; zu den Ein­zel­hei­ten: MünchKomm-BGB/Oechs­ler, a. a. O., § 935 Rn. 10; Stau­din­ger/Gut­zeit, BGB, Neu­be­arb. 2012, § 855 Rn. 28). Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind nach An­sicht des Klä­gers hier da­durch ein­ge­tre­ten, dass er den BMW dem Zeu­gen F zur Vor­füh­rung bei der Bank über­las­sen und die­ser das Fahr­zeug dem Zeu­gen G oder der von die­sem ver­tre­te­nen Ge­sell­schaft über­las­sen hat, von de­nen der Au­to­händ­ler das Fahr­zeug er­wor­ben hat. Die­se An­nah­me ist un­zu­tref­fend.

[10]   aa) Be­sitz­die­ner ist nach § 855 BGB, wer die tat­säch­li­che Ge­walt über ei­ne Sa­che für ei­nen an­de­ren in des­sen Haus­halt oder Er­werbs­ge­schäft oder in ei­nem ähn­li­chen Ver­hält­nis aus­übt, ver­mö­ge des­sen er den sich auf die Sa­che be­zie­hen­den Wei­sun­gen des an­de­ren Fol­ge zu leis­ten hat. Da­zu muss ein nach au­ßen er­kenn­ba­res so­zia­les Ab­hän­gig­keits­ver­hält­nis be­grün­det wer­den (BGH, Urt. v. 24.04.1952 – IV ZR 107/51 …; Se­nat, Urt. v. 30.05.1958 – V ZR 295/56, BGHZ 27, 360 [363]; RGZ 77, 201 [209]), das dem Be­sitz­herrn zu­min­dest fak­tisch die Mög­lich­keit gibt, sei­nen Wil­len ge­gen­über dem Be­sitz­die­ner durch­zu­set­zen (OLG Bam­berg, NJW 1949, 716 [717]; OLG Schles­wig, SchlHA 1969, 43 [44]; OLG Stutt­gart, WM 2009, 1003; So­er­gel/Stad­ler, BGB, 13. Aufl., § 855 Rn. 8; Stau­din­ger/Gut­zeit, a. a. O., § 855 Rn. 16).

[11]   bb) Ein sol­ches Rechts­ver­hält­nis hat das Be­ru­fungs­ge­richt mit Recht ver­neint.

[12]   (1) Der Klä­ger hat bis­lang die An­sicht ver­tre­ten, ein sol­ches Rechts­ver­hält­nis ha­be zwi­schen ihm und dem Zeu­gen F be­stan­den. Dem kann schon des­halb nicht ge­folgt wer­den, weil die­ser Zeu­ge von dem Zeu­gen G be­auf­tragt wor­den war, den BMW ab­zu­ho­len, die­sen Auf­trag auch er­le­digt hat und ihn der Klä­ger, wie das Be­ru­fungs­ge­richt for­mu­liert hat, „nicht ein­fach ‚kraft Wil­lens­akts‘ zu sei­nem Be­sitz­die­ner ma­chen“ konn­te. Das hat das Be­ru­fungs­ge­richt zu­tref­fend ge­se­hen. Da­ge­gen wen­det sich der Klä­ger nicht.

[13]   (2) Ent­ge­gen der An­sicht des Klä­gers wa­ren auch we­der der Zeu­ge G selbst noch die von die­sem ver­tre­te­ne Ge­sell­schaft sei­ne Be­sitz­die­ner.

[14]   (a) Der Klä­ger stützt sei­ne ge­gen­tei­li­ge An­sicht dar­auf, dass der Zeu­ge G oder die von die­sem ver­tre­te­ne Ge­sell­schaft zu ihm in ei­nem Auf­trags- oder Ge­schäfts­be­sor­gungs­ver­hält­nis ge­stan­den und auf­grund die­ses Rechts­ver­hält­nis­ses sei­ne Wei­sun­gen zu be­fol­gen ge­habt hät­ten. Das al­lein macht aber we­der den Zeu­gen noch die von ihm ver­tre­te­ne Ge­sell­schaft zu Be­sitz­die­nern des Klä­gers. Be­sitz­die­ner ist nicht je­der, der Wei­sun­gen des Ei­gen­tü­mers der Sa­che zu be­fol­gen hat, son­dern nur der­je­ni­ge, dem­ge­gen­über der Ei­gen­tü­mer die Ein­hal­tung sei­ner Wei­sun­gen im Nicht­be­fol­gungs­fall auf­grund ei­nes Di­rek­ti­ons­rechts oder ver­gleich­ba­rer Be­fug­nis­se un­mit­tel­bar selbst durch­set­zen kann. Sol­che Be­fug­nis­se se­hen we­der das Auf­trags- noch das Ge­schäfts­be­sor­gungs­recht vor. Des­halb wer­den der Be­auf­trag­te, der Ge­schäfts­be­sor­ger eben­so wie Werk­un­ter­neh­mer als Be­sitz­mitt­ler an­ge­se­hen (RGZ 100, 190 [193]; 109, 167 [170] für Auf­trag; OLG Hamm, NJW-RR 1995, 1010 [1011]; OLG Bran­den­burg, OLGR 2006, 850 für Ge­schäfts­be­sor­gungs­ver­trag; RGZ 98, 131 [134] für Ge­schäfts­füh­rung oh­ne Auf­trag; BGH, Urt. v. 11.10.1951 – IV ZR 90/50 …; OG­HZ 2, 157 [160] für Fracht­ver­trag; OLG Ko­blenz, NJW-RR 2003, 1563 [1564 a. E.] für Werk­ver­trag), nicht als Be­sitz­die­ner.

[15]   (b) Nichts an­de­res er­gibt sich aus dem von dem Klä­ger an­ge­stell­ten Ver­gleich des vor­lie­gen­den Rechts­ver­hält­nis­ses mit dem Rechts­ver­hält­nis des Ver­käu­fers ei­nes Fahr­zeugs zu dem Kauf­in­ter­es­sen­ten, dem er ei­ne Pro­be­fahrt er­mög­licht. Es ist zwar rich­tig, dass der Kauf­in­ter­es­sent, der mit dem ihn in­ter­es­sie­ren­den Fahr­zeug ei­ne Pro­be­fahrt un­ter­nimmt, als Be­sitz­die­ner des Ver­käu­fers an­ge­se­hen wird (OLG Köln, Beschl. v. 18.04.2005 – 19 U 10/05, MDR 2006, 90; MünchKomm-BGB/Joost, 6. Aufl., § 855 Rn. 14; vor­sich­tig dis­tan­zie­rend Stau­din­ger/Gut­zeit, a. a. O., § 855 Rn. 22). Ob dem oh­ne Wei­te­res ge­folgt wer­den kann, kann da­hin­ste­hen. An­er­kannt ist je­den­falls, dass der In­ha­ber der Fahr­zeug­schlüs­sel je­den­falls dann nicht mehr nur Be­sitz­die­ner des Ei­gen­tü­mers, son­dern selbst un­mit­tel­ba­rer Be­sit­zer des Fahr­zeugs ist, wenn sich der Ei­gen­tü­mer sei­ner Ein­fluss­mög­lich­kei­ten be­gibt (OLG Schles­wig, SchlHA 1969, 43 [44]; So­er­gel/Stad­ler, a. a. O., § 855 Rn. 10 a. E.; Stau­din­ger/Gut­zeit, a. a. O., § 855 Rn. 16 Abs. 2). So liegt es hier. Der Klä­ger hat den BMW dem Zeu­gen F über­ge­ben, der von dem Zeu­gen G be­auf­tragt war, auf den wie­der­um der Klä­ger nicht un­mit­tel­bar ein­wir­ken konn­te. Er hat dem Zeu­gen F zu­dem nicht nur das Fahr­zeug mit dem Schlüs­sel und dem für die Fahrt zur Bank be­nö­tig­ten Fahr­zeug­schein, son­dern auch den Fahr­zeug­brief über­ge­ben. Wel­chen Zweck das hat­te, muss hier nicht ge­klärt wer­den. Der Klä­ger hat­te mit der von dem Zeu­gen G ver­tre­te­nen Ge­sell­schaft am Tag zu­vor ver­ein­bart, die­ser den BMW zu über­eig­nen. Vor die­sem Hin­ter­grund hat er je­den­falls durch die Über­ga­be auch des Fahr­zeug­briefs – im Un­ter­schied zu dem Ver­käu­fer bei der Über­ga­be ei­nes Fahr­zeugs zur Pro­be­fahrt – dem Zeu­gen G oder der von die­sem ver­tre­te­nen Ge­sell­schaft die Mög­lich­keit ver­schafft, als Ei­gen­tü­mer des Fahr­zeugs auf­zu­tre­ten. Er hat sei­nen un­mit­tel­ba­ren Be­sitz frei­wil­lig auf­ge­ge­ben und hat­te auch kei­nen Be­sitz­die­ner, durch den er den Be­sitz noch aus­üben konn­te.

[16]   b) Ein Ab­han­den­kom­men des BMW er­gibt sich auch nicht dar­aus, dass der Klä­ger ihn dem Zeu­gen F nicht zur be­lie­bi­gen Ver­wen­dung, son­dern nur da­zu über­las­sen hat, das Fahr­zeug der Bank vor­zu­füh­ren und ihr ge­ge­be­nen­falls zur Si­cher­heit zu über­eig­nen. Da­mit hat der Klä­ger zwar, wie dar­ge­legt, mit dem Zeu­gen G, der den Zeu­gen F zu ihm ge­schickt hat­te, oder mit der von dem Zeu­gen G ver­tre­te­nen Ge­sell­schaft ei­nen Ge­schäfts­be­sor­gungs­ver­trag ge­schlos­sen, auf­grund des­sen er mit­tel­ba­rer Be­sit­zer des BMW blieb. Ei­ne ei­gen­mäch­ti­ge Weg­ga­be der Sa­che durch den Be­sitz­mitt­ler – hier des Zeu­gen G oder der von die­sem ver­tre­te­nen Ge­sell­schaft – steht aber, an­ders als ein ei­gen­mäch­ti­ges Ver­hal­ten ei­nes Be­sitz­die­ners, dem gut­gläu­bi­gen Er­werb durch ei­nen Drit­ten nicht ent­ge­gen (BGH, Urt. v. 16.04.1969 – VI­II ZR 64/67, WM 1969, 656 [657]; Urt. v. 20.09.2004 – II ZR 318/02, NJW-RR 2005, 280 [281]). Sie führt zwar zur Be­en­di­gung des Be­sitz­mitt­lungs­ver­hält­nis­ses und da­zu, dass der mit­tel­ba­re Be­sit­zer – hier der Klä­ger – den mit­tel­ba­ren Be­sitz oh­ne sei­nen Wil­len ver­liert. Der Ver­lust des mit­tel­ba­ren Be­sit­zes ist aber für den Aus­schluss des gut­gläu­bi­gen Er­werbs nach § 935 I BGB nicht ent­schei­dend (BGH, Urt. v. 16.04.1969 – VI­II ZR 64/67, WM 1969, 656 [657]). Den un­mit­tel­ba­ren Be­sitz, auf des­sen un­frei­wil­li­gen Ver­lust es nach der Vor­schrift an­kommt, hat der mit­tel­ba­re Be­sit­zer mit der Be­grün­dung des Be­sitz­mitt­lungs­ver­hält­nis­ses frei­wil­lig auf­ge­ge­ben (MünchKomm-BGB/Oechs­ler, a. a. O., § 935 Rn. 9).

[17]   c) Ein Ab­han­den­kom­men des BMW er­gibt sich schließ­lich ent­ge­gen der An­sicht des Klä­gers nicht dar­aus, dass sei­ne Ehe­frau Mit­be­sitz an dem BMW hat­te und die­sen ver­lor, als er den BMW dem Zeu­gen F über­gab.

[18]   aa) Dem Klä­ger ist al­ler­dings ein­zu­räu­men, dass der gut­gläu­bi­ge Er­werb des Al­lein­ei­gen­tums an ei­ner in un­mit­tel­ba­rem Be­sitz meh­re­rer Mit­be­sit­zer ste­hen­den Sa­che nach wohl un­be­strit­te­ner An­sicht aus­schei­det, wenn der Er­wer­ber den Be­sitz von ei­nem Mit­be­sit­zer oh­ne Wis­sen und Wol­len der an­de­ren Mit­be­sit­zer er­langt (BGH, Urt. v. 06.03.1995 – II ZR 84/94, NJW 1995, 2097 [2099]; OLG Mün­chen, MDR 1993, 918; OLG Braun­schweig, OL­GE 26, 58 [59]; Kindl, in: Bam­ber­ger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 935 Rn. 4; ju­risPK-BGB/Beck­mann, 6. Aufl., § 935 Rn. 6; MünchKomm-BGB/Oechs­ler, a. a. O., § 935 Rn. 3; NK-BGB/Mel­ler-Han­nich, 3. Aufl., § 935 Rn. 4; Pa­landt/Bas­sen­ge, BGB, 73. Aufl., § 935 Rn. 9; So­er­gel/Hens­s­ler, BGB, 13. Aufl., § 935 Rn. 9; Stau­din­ger/Wie­gand, a. a. O., § 935 Rn. 7). Dis­ku­tiert wird die­se Mög­lich­keit bis­lang aber nur für den Fall, dass die Mit­be­sit­zer der Sa­che auch Mit­ei­gen­tü­mer sind (BGH, Urt. v. 06.03.1995 – II ZR 84/94, NJW 1995, 2097 [2099]; OLG Braun­schweig, OL­GE 26, 58 [59]), und für den Fall, dass der Mit­be­sit­zer, der sich oder ei­nem Drit­ten den Al­lein­be­sitz an der Sa­che ver­schafft, selbst nicht de­ren Ei­gen­tü­mer ist (OLG Mün­chen, MDR 1993, 918; Stau­din­ger/Wie­gand, a. a. O., § 935 Rn. 8). Hier geht es aber we­der um die ei­ne noch um die an­de­re Fall­ge­stal­tung, son­dern dar­um, dass der Drit­te den Be­sitz von dem Mit­be­sit­zer er­langt, in des­sen Al­lein­ei­gen­tum die Sa­che steht.

[19]   bb) Auf die­sen Fall ist § 935 I BGB sei­nem Wort­laut nach nicht an­wend­bar. Die Vor­schrift schließt den gut­gläu­bi­gen Er­werb nur aus, wenn ent­we­der der Ei­gen­tü­mer selbst (Abs. 1 Satz 1) oder der un­mit­tel­ba­re Be­sit­zer, der ihm den Be­sitz ver­mit­telt, den un­mit­tel­ba­ren Be­sitz un­frei­wil­lig ver­liert (Abs. 1 Satz 2). Der Ver­lust des Mit­be­sit­zes der Ehe­frau des Klä­gers er­füllt we­der den Tat­be­stand des Sat­zes 1 noch den des Sat­zes 2 der Vor­schrift. Der Klä­ger hat sei­nen un­mit­tel­ba­ren Mit­be­sitz nicht un­frei­wil­lig ver­lo­ren. Sei­ne Ehe­frau ver­mit­tel­te ihm den Be­sitz an dem BMW nicht, da er selbst ne­ben ihr un­mit­tel­ba­rer Mit­be­sit­zer war.

[20]   cc) Die Vor­schrift kann in bei­den Al­ter­na­ti­ven auf die­sen Fall auch nicht ent­spre­chend an­ge­wandt wer­den. Das setz­te vor­aus, dass die Vor­schrift in der vor­lie­gen­den Fall­kon­stel­la­ti­on ei­ne un­be­ab­sich­tig­te Lü­cke auf­wie­se, die nach dem Plan des Ge­set­zes durch ei­ne ent­spre­chen­de An­wen­dung der Vor­schrift auf die­se Kon­stel­la­ti­on aus­ge­füllt wer­den müss­te (vgl. Se­nat, Urt. v. 12.07.2013 – V ZR 85/12, ZfBR 2013, 766 [768] Tz. 26; Urt. v. 19.03.2004 – V ZR 214/03, VIZ 2004, 374 [375]). Es fehlt schon an der plan­wid­ri­gen Lü­cke.

[21]   (1) § 935 I BGB schützt den Ei­gen­tü­mer vor ei­nem Ei­gen­tums­ver­lust durch den gut­gläu­bi­gen Er­werb ei­nes Drit­ten, wenn er sei­nen Be­sitz un­frei­wil­lig ver­lo­ren hat. Der un­frei­wil­li­ge Be­sitz­ver­lust ent­wer­tet näm­lich den un­mit­tel­ba­ren Be­sitz und die an ihn an­knüp­fen­de Ei­gen­tums­ver­mu­tung (§ 1006 BGB) als Grund­la­ge des gut­gläu­bi­gen Er­werbs. Das ist in den bis­her dis­ku­tier­ten Fall­ge­stal­tun­gen nicht an­ders. Er­langt der Er­wer­ber oh­ne den Wil­len des Ei­gen­tü­mers den un­mit­tel­ba­ren Be­sitz von ei­nem Mit­be­sit­zer, dem die Sa­che nicht ge­hört, ver­liert ihr Ei­gen­tü­mer den Be­sitz je­den­falls un­frei­wil­lig. Ist der Mit­be­sit­zer zu­gleich Mit­ei­gen­tü­mer, ver­lie­ren zwar nicht al­le Mit­ei­gen­tü­mer den Be­sitz un­frei­wil­lig, wohl aber die Mit­ei­gen­tü­mer, die dem Drit­ten den Be­sitz nicht (mit-)ver­schafft ha­ben. In bei­den Fall­ge­stal­tun­gen wä­re die An­wen­dung der Vor­schrif­ten über den gut­gläu­bi­gen Er­werb nicht zu recht­fer­ti­gen. Bei­de Fäl­le wer­den nach Wort­laut und Zweck von § 935 I 1 BGB er­fasst.

[22]   (2) Das Pro­blem, das die Vor­schrift des § 935 BGB be­wäl­ti­gen soll, stellt sich da­ge­gen nicht, wenn der Drit­te den un­mit­tel­ba­ren Be­sitz von ei­nem Mit­be­sit­zer er­langt, dem die Sa­che al­lein ge­hört. Der Ei­gen­tü­mer gibt in die­sem Fall sei­nen un­mit­tel­ba­ren Be­sitz an der Sa­che zu­guns­ten des Drit­ten frei­wil­lig ganz auf und ver­schafft die­sem da­mit den un­mit­tel­ba­ren Be­sitz, an den wie­der­um nach § 1006 BGB die Ver­mu­tung für des­sen Ei­gen­tum knüpft. Es gibt des­halb kei­nen sach­li­chen Grund, ihn vor den Fol­gen des gut­gläu­bi­gen Er­werbs zu schüt­zen. Dass die Re­ge­lung in § 935 BGB auf die­sen Fall kei­ne An­wen­dung fin­det, ent­spricht dem Plan des Ge­set­zes und dem Zweck der Vor­schrift. Dar­an än­dert es ent­ge­gen der von dem Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten des Klä­gers in der münd­li­chen Ver­hand­lung ver­tre­te­nen An­sicht nichts, dass Mit­be­sit­ze­rin des Fahr­zeugs im vor­lie­gen­den Fall die Ehe­frau des Klä­gers war. Für die Gel­tung oder Nicht­gel­tung der Vor­schrif­ten über den gut­gläu­bi­gen Er­werb kommt es nach § 935 I BGB al­lein dar­auf an, ob der Ei­gen­tü­mer oder sein Be­sitz­mitt­ler den un­mit­tel­ba­ren Be­sitz un­frei­wil­lig ver­lie­ren. Auf wel­cher Grund­la­ge die maß­geb­li­chen Be­sitz­ver­hält­nis­se be­ru­hen, spielt da­ge­gen für die Gel­tung des Ver­kehrs­schut­zes kei­ne Rol­le.

[23]   (3) § 935 BGB kann, an­ders als der Klä­ger meint, auch nicht des­halb als lü­cken­haft an­ge­se­hen wer­den, weil der Schutz des ei­gen­tums­lo­sen Mit­be­sit­zers in die­ser Fall­kon­stel­la­ti­on un­zu­rei­chend sei.

[24]   (a) Zwei­fel­haft ist schon, ob der Schutz des Mit­be­sit­zers un­zu­rei­chend ist. Dem ei­gen­tums­lo­sen Mit­be­sit­zer ste­hen ge­gen den Ei­gen­tü­mer die ma­te­ri­ell-recht­li­chen An­sprü­che auf Ver­schaf­fung oder Wie­der­ver­schaf­fung des Mit­be­sit­zes aus dem Rechts­ver­hält­nis zu, auf­grund des­sen er den Mit­be­sitz er­langt hat. Au­ßer­dem ste­hen ihm die all­ge­mei­nen pos­ses­s­o­ri­schen An­sprü­che zu, die bei der voll­stän­di­gen Ent­zie­hung des Mit­be­sit­zes durch § 866 BGB nicht aus­ge­schlos­sen sind (Se­nat, Urt. v. 06.04.1973 – V ZR 127/72, LM Nr. 8 zu § 854 BGB; OLG Düs­sel­dorf, OLGZ 1985, 233 [235]).

[25]   (b) Auch wenn der Schutz des Mit­be­sit­zers ge­gen­über dem mit­be­sit­zen­den Ei­gen­tü­mer un­zu­rei­chend sein soll­te, be­deu­tet das nicht, dass ge­ra­de die Vor­schrift des § 935 BGB plan­wid­rig lü­cken­haft ist. Lü­cken­haft ist in ei­ner sol­chen Si­tua­ti­on viel­mehr die Vor­schrift, de­ren Zweck die Be­wäl­ti­gung des un­zu­rei­chend ge­re­gel­ten Pro­blems ist (vgl. Se­nat, Urt. v. 19.03.2004 – V ZR 214/03, VIZ 2004, 374 [375]). Das wä­re hier § 866 BGB, nicht § 935 BGB. Nur die erst­ge­nann­te Vor­schrift be­fasst sich mit dem Schutz des Mit­be­sit­zers. Die Vor­schrift des § 935 BGB be­fasst sich da­ge­gen mit dem Schutz des Ei­gen­tü­mers vor den Fol­gen des gut­gläu­bi­gen Er­werbs bei ei­nem un­frei­wil­li­gen Be­sitz­ver­lust. Re­ge­lungs­the­ma der Vor­schrift ist da­mit der Schutz des Ei­gen­tü­mers, nicht der Schutz des Be­sit­zers. Dass die­se Vor­schrift nicht lü­cken­haft sein kann, wenn der Schutz der Mit­be­sit­zer un­ter­ein­an­der un­zu­rei­chend sein soll­te, zeigt sich auch an den Fol­gen ei­ner ent­spre­chen­den An­wen­dung auf die Ent­zie­hung des Mit­be­sit­zes durch den mit­be­sit­zen­den Ei­gen­tü­mer. Die Vor­schrift schlös­se zwar den gut­gläu­bi­gen Er­werb des Ei­gen­tums an der Sa­che durch ei­nen Drit­ten aus und ver­hin­der­te, dass der Be­sitz an der Sa­che end­gül­tig ver­lo­ren geht. Da­von pro­fi­tier­te aber nur der Ei­gen­tü­mer. Für den ei­gen­tums­lo­sen Mit­be­sit­zer wä­re nichts ge­won­nen. Er blie­be für die Wie­der­ver­schaf­fung des Mit­be­sit­zes auf die ma­te­ri­ell-recht­li­chen und pos­ses­s­o­ri­schen An­sprü­che ver­wie­sen, die oh­ne­hin be­ste­hen …

PDF er­stel­len